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Open Access 2024 | OriginalPaper | Buchkapitel

4. Empirische Studien zu Noncomplainern im BtB-Kontext

verfasst von : Fabio-Yannick Laschet

Erschienen in: Noncomplainer-Management im BtB-Marketing

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

In den vorangegangenen zwei Kapiteln wurden die begrifflichen und theoretischen Grundlagen – einerseits bezüglich des BtB-Marketings sowie des organisationalen Beschaffungsverhaltens und andererseits des Beschwerdemanagements und insb. des Noncomplainings – dargestellt und die mit der vorliegenden Arbeit in Zusammenhang stehenden Forschungsdefizite angestoßen. Hierauf aufbauend setzt das folgende Kapitel das fokale Anliegen dieser Arbeit in den Vordergrund: die empirische Untersuchung der bisher aufgeworfenen und andiskutierten Fragestellungen.
Hinweise

Ergänzende Information

Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, auf das über folgenden Link zugegriffen werden kann https://​doi.​org/​10.​1007/​978-3-658-44272-9_​4.

4.1 Systematische Einordnung und konzeptionelle Gestaltung der Studien

In den vorangegangenen zwei Kapiteln wurden die begrifflichen und theoretischen Grundlagen – einerseits bezüglich des BtB-Marketings sowie des organisationalen Beschaffungsverhaltens und andererseits des Beschwerdemanagements und insb. des Noncomplainings – dargestellt und die mit der vorliegenden Arbeit in Zusammenhang stehenden Forschungsdefizite angestoßen. Hierauf aufbauend setzt das folgende Kapitel das fokale Anliegen dieser Arbeit in den Vordergrund: die empirische Untersuchung der bisher aufgeworfenen und andiskutierten Fragestellungen. Dabei wird das empirische Vorgehen anhand des idealtypischen Marketingforschungsprozesses systematisiert.
Grundsätzlich widmet sich der Marketingforschungsprozess den folgenden vier generischen Zielen: Exploration, Deskription, Explikation und Prognose.1 Die Exploration umfasst zunächst die Strukturierung eines noch weitestgehend unerforschten bzw. neuartigen Problemfelds (Entdeckungszusammenhang). Im Rahmen der Deskription werden hingegen die problemrelevanten Zusammenhänge erst erfasst und anschließend beschrieben (Begründungszusammenhang). Im Zuge der Explikation werden Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge identifiziert, um kausale Strukturen zwischen den untersuchungsrelevanten Sachverhalten erfassen zu können. Unter der Prognose werden abschließend Vorhersagen von Wirkungen, die wiederum von bestimmten Sachverhalten ausgehen, verstanden.2 Vor diesem Hintergrund können folgende sieben Phasen des idealtypischen Marketingforschungsprozesses abgeleitet werden:3
(1)
Definition des Untersuchungsproblems
 
(2)
Festlegung der Untersuchungsziele
 
(3)
Festlegung des Untersuchungsdesigns
 
(4)
Entwicklung der Messinstrumente
 
(5)
Datensammlung
 
(6)
Datenanalyse
 
(7)
Ergebnisbericht
 
Ausgehend von diesem Prozess werden die in dieser Arbeit unternommenen empirischen Untersuchungen strukturiert und dargelegt. Die sich hieraus ergebende Vorgehensweise findet sich grafisch in Abbildung 4.1.
Das übergeordnete Untersuchungsproblem (1) der vorliegenden Arbeit ergibt sich zunächst aus der unzureichenden Berücksichtigung des Noncomplainer-Phänomens auf BtB-Märkten innerhalb der bisherigen Marketingforschung. Mit Blick auf die in den Kapiteln zwei und drei aufgezeigten potenziellen Besonderheiten des organisationalen Nicht-Beschwerdeverhaltens und den damit einhergehenden Herausforderungen für die marktorientierte Unternehmensführung lassen sich verschiedene untersuchungswürdige Problemfelder erkennen. So sind an dieser Stelle zuerst Aspekte anzuführen, die sich aus der Koexistenz von individuellen Faktoren der einzelnen Buying Center-Mitglieder und der Gruppenstruktur – geprägt von multipersonalen Verhaltensweisen – ergeben. Weiter bietet sich auf Basis der erweiterten Exit-Voice-Theorie eine Untersuchung verschiedener Stufen der Noncomplainer-Loyalität sowie des Kommunikationsverhaltens loyaler Noncomplainer gegenüber Dritten an. Hierbei werden BtB-Spezifika, wie u.a das Machtverhältnis und die Beziehungsqualität, berücksichtigt. Ergänzend tritt hinzu, dass auch gesellschaftliche Einflussfaktoren – namentlich die gesellschaftliche Wahrnehmung und darauf aufbauend die Akzeptanz von Kritik – als untersuchungswürdig beurteilt werden können. Konkret lassen sich vor diesem Hintergrund die in Abschnitt 1.​1 dargelegten übergeordneten Forschungsfragen in folgende Untersuchungsziele (2) transformieren, die im Rahmen von drei4 Studien adressiert werden:
  • Forschungsfragen der Pilotstudie:
    (1)
    Welche Antezedenzien des Noncomplainings unterscheiden sich grundsätzlich zwischen dem BtB- und BtC-Bereich? Welche Besonderheiten treten im BtB-Bereich in Erscheinung?
     
    (2)
    Aus welchen Gründen bleiben Noncomplainer obgleich einer Leistungsverschlechterung loyal?
     
    (3)
    Welche weiteren Reaktionsmöglichkeiten ziehen Noncomplainer in Erwägung?
     
  • Forschungsfrage der quantitativen Studie 1:
    Welche individuellen Persönlichkeitsmerkmale unterscheiden sich zwischen Noncomplainern und Complainern?
  • Forschungsfragen der quantitativen Studie 2a:
    (1)
    Welchen Einfluss übt die Struktur eines Buying Centers auf die Einstellung zum Noncomplaining aus?
     
    (2)
    Welchen Einfluss spielt in diesem Zusammenhang die wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz?
     
  • Forschungsfragen der quantitativen Studie 2b:
    (1)
    Eignen sich die vier Stufen der Loyalität nach Oliver (1997), um die Loyalität von Noncomplainern zu operationalisieren?
     
    (2)
    Welche Typen von loyalen Noncomplainern können vor dem Hintergrund ausgewählter Einflussfaktoren ausdifferenziert werden?
     
    (3)
    Tragen auch loyale Noncomplainer ihre Unzufriedenheit an Dritte weiter?
     
    (4)
    Welchen Einfluss spielt die wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz hinsichtlich des negativen Kommunikationsverhaltens gegenüber Dritten?
     
Abbildung 4.2 zeigt den übergeordneten konzeptionellen Rahmen und die Zusammenhänge der nachfolgenden empirischen Untersuchungen in der Struktur der erweiterten Exit-Voice-Theorie.
Um die genannten Untersuchungsziele erreichen und damit die Forschungsfragen beantworten zu können, fußt das methodische Vorgehen der vorliegenden Arbeit auf dem Fundament des wissenschaftlichen Realismus.5 Demzufolge wird der Einsatz eines gemischten Untersuchungsdesigns (3), innerhalb dessen sequentiell vorgegangen wird, gewählt. Dieses Vorgehen wird auch als sog. Sequential Mixed Method Design bezeichnet. Dieses umfasst die Kombination verschiedener Methoden im Rahmen einer Untersuchung einer übergeordneten Problemstellung.6 Das Vorgehen ist im vorliegenden Fall konkret dadurch gekennzeichnet, dass sich den übergeordneten Forschungsfragen hinsichtlich der grundsätzlichen Besonderheiten des Beschwerdeverhaltens im BtB-Bereich sowie Ursachen der Noncomplainer-Loyalität und weiteren Reaktionsmöglichkeiten zunächst durch eine qualitative Pilotstudie genähert wird. Da hier u. a. neue Zusammenhänge entdeckt werden sollen, die sich von der bisherigen BtC-orientierten Beschwerdeforschung abheben, weist diese qualitative Studie unvermeidbar Elemente einer explorativen Erhebung auf.7 Gleichwohl gilt anzumerken, dass die zu untersuchenden Zusammenhänge von den in den Kapiteln zwei und drei aufgezeigten begrifflichen und theoretischen Grundlagen abgeleitet wurden und damit auch Spuren einer kausalanalytischen Untersuchung beinhalten. Darauffolgend werden die konkreter formulierten Forschungsfragen durch zwei quantitative Erhebungen beantwortet, sodass es sich hierbei um kausalanalytisch-orientierte Untersuchungen handelt.8 Hierzu wird jeweils auf einen konfirmatorischen und hypothesenprüfenden Ansatz zurückgegriffen. Demnach kann festgehalten werden, dass die vorliegende Gesamtuntersuchung obgleich der explorativen Elemente in der qualitativen Pilotstudie grundsätzlich dem konfirmatorischen Forschungsparadigma9 folgt. Hierbei impliziert das Sequential Mixed Method Design, dass sowohl induktive als auch deduktive Methoden angewendet werden.10 An dieser Kombination von Induktion und Deduktion ist vor allem als vorteilhaft zu beurteilen, dass einerseits an bereits bestehenden Ansätze angeknüpft und folglich eine Konsistenz zu vorherigen theoriegeleiteten Überlegungen bekräftigt werden kann. Andererseits genügt der ausschließliche Rückgriff auf bereits bestehende theoretische Ansätze nicht, sodass die Synthese eines empirisch-induktiven und theoretisch-deduktiven Vorgehens die Berücksichtigung bisher nicht erfasster Aspekte im Sinne eines zusätzlichen Erkenntnisgewinns ermöglicht.11
Des Weiteren sollte im Rahmen des Untersuchungsdesigns der Gesamterhebung geprüft werden, ob die Untersuchungsziele mithilfe bereits existierender Daten erreicht werden können. Grundsätzlich kann hinsichtlich der Verfahren zur Datenerhebung zwischen primär- und sekundärstatistischen Verfahren unterschieden werden. Während bei der Primärforschung die Daten für den jeweiligen Untersuchungszweck noch erhoben werden müssen, kann bei der Sekundärforschung auf bereits vorhandene Daten zurückgegriffen werden. Da bezüglich der Noncomplainer-Problematik im BtB-Bereich kein ausreichendes Datenmaterial zur Verfügung stand, war in der vorliegenden Arbeit eine eigene Datenerhebung im Rahmen aller drei Studien unabdingbar.12
Insgesamt werden die generischen Ziele des Marketingforschungsprozesses demzufolge dahingehend erreicht, dass das Vorgehen im Rahmen der empirischen Gesamtuntersuchung sowohl explorative und deskriptive als auch explikative Ansätze verfolgt. Mit Blick auf das sequentielle Design des methodischen Vorgehens werden die zu Beginn dieses Kapitels aufgeführten Schritte (3) bis (7) für die drei Studien gesondert im Verlauf der Arbeit erläutert.

4.2 Qualitative Pilotstudie: Noncomplaining – BtB vs. BtC

4.2.1 Untersuchungsziel

Die Auswahlentscheidung für das Sequential Mixed Method Design bringt die Idee mit sich, den Untersuchungsgegenstand Noncomplainer im BtB-Bereich im Rahmen einer qualitativen Vorstudie – einer sog. Pilotstudie13 – zu strukturieren und potenzielle Besonderheiten bzw. Unterschiede zum BtC-Kontext zu identifizieren, die in den nachfolgenden Studien mithilfe empirisch-quantitativer Verfahren weiter geprüft werden. Diese Vorstrukturierung eröffnet dabei einerseits die Möglichkeit zur Exploration bis dato unberücksichtigter Antezedenzien des Noncomplainings und liefert andererseits erste Hinweise in Bezug auf die Prävalenz und Relevanz der Noncomplainer-Loyalität.14 Ergänzend hierzu können im Sinne des konfirmatorischen Forschungsparadigmas ebenfalls erste Erkenntnisse hinsichtlich der in den Kapiteln zwei und drei andiskutierten Aspekte und Vermutungen erzeugt werden.15
Daher werden mit der qualitativen Pilotstudie folgende Forschungsfragen adressiert:
  • Welche Antezedenzien des Noncomplainings unterscheiden sich grundsätzlich zwischen dem BtB- und BtC-Bereich? Welche Besonderheiten treten im BtB-Bereich in Erscheinung?
  • Aus welchen Gründen bleiben Noncomplainer obgleich einer Leistungsverschlechterung loyal?
  • Welche weiteren Reaktionsmöglichkeiten ziehen Noncomplainer in Erwägung?

4.2.2 Festlegung des Untersuchungsdesigns

Grundsätzlich steht der qualitativen Forschung ein Gros verschiedener Methoden zur Verfügung, die es jedoch aufgrund ihrer unterschiedlichen Durchführung und Zielsetzung behutsam auszuwählen gilt.16 Die vorliegende Studie folgt dabei der Methodik der qualitativen Interviews. Hierbei handelt es sich um eine mündliche, persönliche Befragungsform, die flexibel eingesetzt werden kann und bspw. hinsichtlich der Art der Informationsaufbereitung nicht vollumfänglich vordeterminiert ist.17 Im Allgemeinen wird hierbei zwischen Einzelinterviews und Gruppendiskussionen unterschieden. Während sich Einzelinterviews in erster Linie durch ihre Tiefgründigkeit auszeichnen, ermöglichen Gruppendiskussionen die Erschließung breiter Ideen- und Einstellungsspektren in relativ kurzer Zeit.18 Mit Blick auf das Buying Center-Konzept und dem damit einhergehenden multipersonalen Beschwerdeverhalten erscheint zunächst eine Gruppendiskussion sinnvoll. Doch dem steht neben der Herausforderung der Akquisition vollständiger Buying Center entgegen, dass die Formation eines Buying Centers situationsbezogen erfolgt und damit lediglich ein bestimmter Vorfall thematisiert werden könnte. Des Weiteren können Gruppendiskussionen zwischen Individuen, die möglicherweise in engen (Abhängigkeits-)Verhältnissen stehen, zu Verzerrungseffekten durch zurückgehaltene Aussagen führen. Aus diesen drei Gründen werden in der vorliegenden Pilotstudie Einzelinterviews bevorzugt.
Innerhalb der Einzelinterviews lassen sich wiederum mehrere Subarten unterscheiden, die u. a. je nach theoretischen Vorkenntnissen in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand, Grad der Strukturierung und nach Art des resultierenden Textes ausgewählt werden.19 Angesichts der vorangegangenen konzeptionellen und theoretischen Annäherung an das Untersuchungsproblem der Noncomplainer im BtB-Bereich und dem parallel zum Ziele der Exploration gewahrten Offenheitsprinzips, wird ein halbstrukturiertes Verfahren eingesetzt.20 Dieses ermöglicht dem Interviewer, a priori definierte Fragen sowie deren Reihenfolge dem Gesprächs- und Situationsverlauf entsprechend zu modifizieren, um einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn gewährleisten zu können.21
Als halbstrukturiertes Verfahren wird sich hier für die Variante der problemzentrierten Interviews entschieden.22 Die Anwendung der Problemzentrierung eignet sich vor allem für solche Untersuchungen, die sowohl theoriegeleitet sind als auch explorative Elemente berücksichtigen. Sie ergibt sich demzufolge aus der theoretisch erarbeiteten Problemstellung, welche ebenfalls der qualitativen Untersuchung als Fundament dient. Damit tragen problemzentrierte Interviews dem kombinatorischen Ansatz induktiver und deduktiver Elemente Rechnung und eignen sich demzufolge explizit für Vorstudien.23 Des Weiteren weisen problemzentrierte Interviews einen diskursiv-dialogischen Charakter auf, sodass die Meinungen, Einstellungen und Urteile des Befragten durch den Interviewer immer wieder erfragt werden können. Folglich nimmt der Interviewer eine aktive Rolle ein und kann das Gespräch mithilfe eines vorab entwickelten Interviewleitfadens bei Bedarf wieder in Richtung der zu untersuchenden Problemstellung und Zielsetzung lenken.24 Dieser Interviewleitfaden beinhaltet und strukturiert die untersuchungsrelevanten Fragen. Ziel ist es, mittels dieser partiellen Standardisierung der Gespräche die Interviews leichter vergleichen zu können, sodass der Leitfaden im Rahmen der qualitativen Forschung als geeignetes Messinstrument beurteilt werden kann.25
Zur Auswertung der im Zuge der Interviews generierten Daten wird auf eine qualitative strukturierende Inhaltsanalyse zurückgegriffen.26 Hierbei werden aus dem erhobenen Interviewmaterial die untersuchungsrelevanten Inhalte mithilfe transkribierter Textabschnitte herausgefiltert und zu deduktiv extrahierten Kategorien zusammengefasst. Im Anschluss kann die Datenanalyse und -auswertung erfolgen.27

4.2.3 Entwicklung des Messinstruments

Die im vorherigen Kapitel beschriebene Methodik der problemzentrierten Interviews bedingt die vorherige Entwicklung eines Interviewleitfadens. Hierzu – und genauso für die spätere Gesprächsführung – werden die folgenden von Helfferich28 entwickelten Anforderungskriterien zugrunde gelegt:
  • Prinzip der Offenheit,
  • Berücksichtigung der Prinzipien der qualitativen Forschung,
  • Reduktion der Fragenzahl zur Förderung eines offenen Austauschs,
  • Übersichtlichkeit des Leitfadens und
  • Priorisierung spontaner Erzählungen, die über den Leitfaden hinausgehen.
Bei der Entwicklung der entsprechenden Fragestellungen wird sich in dieser Arbeit an dem sog. SPSS-Prinzip der Leitfadenerstellung orientiert. Dieses setzt sich aus den folgenden vier Schritten zusammen: (1) Sammeln, (2) Prüfen, (3) Sortieren und (4) Subsumieren.29 Nachdem die untersuchungs- und sachrelevanten Fragen zunächst gesammelt werden (1), erfolgt eine Geeignetheitsprüfung (2). Im Rahmen dieser Prüfung werden bspw. nicht zur Erzählung stimulierende, sondern fakten-basierte und damit den Gesprächsfluss einschränkende Informationen aus dem Leitfaden eliminiert und in einen gesonderten Kurzfragebogen30 übertragen. Anschließend werden die verbliebenen Fragen sortiert und verschiedenen Themenblöcken zugeordnet (3). Im letzten Schritt erfolgt die Formulierung von Leitfragen zu jedem Themenblock, die der übergeordneten Erzählaufforderung und damit der Stimulierung eines freien Monologs des Befragten dienen. Die Leitfrage subsumiert (4) damit die relevanten Einzelaspekte und Fragen.
Im vorliegenden Fall umfasst der Interview-Leitfaden insgesamt vier Themenblöcke. Zunächst wird das Gespräch mit einer Einführungsfrage begonnen, um die generelle Einstellung des Befragten zur Artikulation von Beschwerden zu erlangen und einen ersten Eindruck über das Nicht-Beschwerdeverhalten zu gewinnen. Weiter sollen erste Motive adressiert werden, die den Befragten von einer Unzufriedenheitsäußerung abhalten (Themenblock 1). Im nächsten Schritt werden Situationen betrachtet, in denen der Befragte sich in der jüngeren Vergangenheit nicht direkt beim Anbieter beschwert hat, aber ihm gegenüber dennoch loyal geblieben ist (Themenblock 2). Anschließend wird der gegensätzliche Fall thematisiert, in welchem der Befragte sich nicht beschwert und den Anbieter verlassen hat (Themenblock 3). In beiden Themenbereichen werden ebenfalls die Antezedenzien für das jeweilige Noncomplainer-Verhalten berücksichtigt. Zuletzt schließt sich das Thema der weiteren Reaktionsmöglichkeiten, wie z. B. negatives Kommunikationsverhalten, an (Themenblock 4). Neben den Leitfragen orientieren sich die konkret formulierten Fragen an den in Kapitel drei dargestellten Zusammenhängen. Die Aufrechterhaltungsfragen gehen dabei noch tiefer ins Detail und bezwecken die Sicherung des Gesprächsflusses. Zudem sei darauf hingewiesen, dass die tatsächlichen Formulierungen in den Interviews je nach Zuordnung des Befragten zum Bereich BtB oder BtC variieren.
Eine Übersicht über den verwendeten Interview-Leitfaden beinhaltet Tabelle 4.1.31
Tabelle 4.1
Qualitative Pilotstudie – Interviewleitfaden
Themenblock
Leitfrage (Erzählaufforderung)
Check – Wurde das erwähnt? (falls nicht angesprochen)
Konkrete Frage (ggf. Alternativformulierung wählen)
Aufrechterhaltungsfragen (ausführlicher erzählen, Details, Beispiele, neue inhaltliche Aspekte)
I: Einführung
Wie stehen Sie generell zum Thema Beschwerde?
Beschwerdeeinstellung
Sind Sie Beschwerden gegenüber eher positiv eingestellt oder versuchen Sie diese in der Regel zu vermeiden?
Beschweren Sie sich gerne?
Sind Ihnen Beschwerden unangenehm?
Beschwerdehäufigkeit
Beschweren Sie sich häufig, wenn ein Produkt oder eine Dienstleistung nicht Ihren Erwartungen entspricht?
Fallen Ihnen direkt mehrere Situationen ein, in denen Sie sich über ein Produkt/eine Dienstleistung beschwert haben?
Noncomplaining
Kommt es vor, dass Sie sich trotz einer Minderleistung nicht beschweren?
Warum haben Sie sich nicht beschwert? Erinnern Sie sich an einen konkreten Fall?
Arten von Noncomplaining (Neglect, Loyalty)
Haben Sie bei sich schon einmal Unterschiede in der Motivation festgestellt, sich nicht zu beschweren?
Verlassen Sie den Anbieter direkt oder bleiben Sie ihm meist treu, wenn Sie sich trotz eines Mangels nicht beschweren? Geben Sie ihm noch eine Chance?
Antezedenzien von Noncomplaining
Wovon hängt Ihre Entscheidung ganz allgemein ab, ob Sie sich nicht beschweren?
In welchen Situation beschweren Sie sich beim Anbieter nicht? Was hält Sie in solchen Situationen davon ab?
II: Loyalty
Denken Sie bitte an einen Beschwerdefall zurück, in dem Sie sich nicht beschwert haben, aber dem Anbieter gegenüber treu und loyal geblieben sind.
Was führte zur Ihrer Entscheidung sich nicht zu beschweren und den Anbieter nicht zu verlassen?
Beziehungsbezogene Faktoren
Welche Rolle spielte Ihre Beziehung zu dem Anbieter bei der Entscheidung, sich nicht zu beschweren?
Welche Beziehung haben Sie zu dem Anbieter? Nehmen Sie oft Leistungen von ihm in Anspruch? Fühlen Sie sich emotional an ihn gebunden?
Personenbezogene Faktoren
Besitzen Sie persönliche (Charakter-)Eigenschaften, Einstellungen, usw., die Sie davon abgehalten haben, sich zu beschweren?
Verspürten Sie Wut, Ärger, Frustration? Treffen Sie lieber selber Entscheidungen oder warten Sie lieber ab? Gehen Sie gerne Risiken ein?
Unternehmensbezogene Faktoren
Gab es Gründe, die im Einflussbereich des Unternehmens gelegen haben?
Gab es eine komfortable Möglichkeit sich zu beschweren? Wollte der Anbieter auf Sie zugehen, um Sie zur Beschwerde anzuregen?
Situative Faktoren
Gab es Gründe, die spezifisch für diese Situation waren bzw. aus der Situation hervorgingen, die eine Nicht-Beschwerde begünstigt haben?
Wodurch stach der Sachverhalt situativ hervor? Gab es alternative Anbieter und war ein Wechsel mit wenig Aufwand verbunden?
Leistungsbezogene Faktoren
Lagen Eigenschaften in dem Produkt/der Dienstleistung selber, die Ihre Entscheidung beeinflusst haben?
Hatte das Produkt/die Dienstleistung einen hohen persönlichen und/oder monetären Wert für Sie? War die Funktionsfähigkeit stark eingeschränkt?
Weitere Faktoren
(z. B. gesellschaftliche/soziale Aspekte)
Gibt es noch weitere Faktoren, die Ihre Entscheidung zum Verbleib beeinflusst haben?
Gibt es noch Aspekte, die wir nicht angesprochen haben, die dazu geführt haben, dass Sie sich nicht beschwert haben und loyal geblieben sind?
III: Neglect
Denken Sie bitte an einen Beschwerdefall zurück, in dem Sie sich nicht beschwert haben und die Beziehung zum Anbieter kommentarlos haben auslaufen lassen.
Was führte zur Ihrer Entscheidung sich nicht zu beschweren und den Anbieter kommentarlos zu verlassen?
Siehe Themenblock II
Siehe Themenblock II
Siehe Themenblock II
IV: Reaktionsmöglichkeiten
Wie reagieren Sie, wenn Sie sich dazu entschieden haben, sich nicht zu beschweren?
Third Party Actions
Informieren Sie bzw. schalten Sie Drittparteien ein? (bspw. Verbände, juristischer Beistand)
Haben Sie sich schon einmal juristischen Beistand eingeholt? Haben Sie sich bei einem Verband oder anderen Institutionen gemeldet?
Negative Private WoM
Berichten Sie Kollegen, Familie und Freunden über Ihre schlechte Erfahrungen?
Warnen Sie Kollegen, Familie und Bekannte vor dem Anbieter?
Negative Public WoM
Teilen Sie Ihre Erfahrungen in der Öffentlichkeit? (bspw. über soziale Medien, schlechte Rezensionen)
Berichten Sie in der Öffentlichkeit über Ihre Erfahrungen, um andere zu warnen?
Weitere Reaktionsmöglichkeiten
Haben Sie noch in einer anderen Form reagiert?
Gibt es noch weitere Verhaltensweisen, die Sie im Zuge Ihrer Entscheidung zu wechseln oder treu zu bleiben verändert haben?

4.2.4 Durchführung der Erhebung

4.2.4.1 Auswahl der Interviewpartner

Im Rahmen der Auswahl der Interviewpartner wird in Orientierung an der Methodik des sog. Theoretical Samplings vorgegangen.32 Dieses Vorgehen wird u. a. als bewusste und absichtsgesteuerte Stichprobenziehung beschrieben, indem Personen befragt werden, deren Informationsgehalt für das Untersuchungsvorhaben als möglichst hoch beurteilt wird.33 Hierbei wird die Stichprobe so heterogen wie möglich gestaltet, um eine hohe Varianz erzeugen und anschließend erklären zu können. Dies schließt mit ein, dass neben typischen auch maximal verschiedene Teilnehmer ausgewählt werden.34 Anzumerken ist an dieser Stelle, dass hiermit keine statistische Repräsentativität angestrebt werden kann.35
Da ein wesentliches Forschungsziel dieser Pilotstudie sich in der Identifikation von Antezedenzien des Noncomplainings, die sich von dem BtC-Bereich abheben, manifestiert, gilt es sowohl Fälle für ein BtB- als auch BtC-Sample zu generieren. Hierbei wird auf unterschiedliche Akquisitionstaktiken vertraut. Die BtB-Zielgruppe wurde in erster Linie durch eine direkte Ansprache rekrutiert. Dies hatte im Kern dreierlei Gründe. Zunächst konnte auf diese Weise mit Blick auf das Buying Center-Konzept und die verschiedenen Rollen gewährleistet werden, dass die Befragten aus dem Kreise der Entscheider, Einkäufer und Benutzer stammen und hinsichtlich ihrer Machtposition in den Unternehmen variieren. Zudem wurde hiermit sichergestellt, dass verschiedene BtB-Branchen abgedeckt werden. Ferner gestaltet sich die Akquisition eines BtB-Samples – insb. bei zeitintensiven mündlichen Interviews – grundsätzlich als herausfordernd, sodass eine persönliche Kontaktaufnahme und Ansprache zu einer höheren Motivation und Bereitschaft der Teilnehmer führen kann. Unterstützend zu der persönlichen Ansprache wurde ein Flyer erstellt, aus dem neben allgemeinen Informationen hinsichtlich der Untersuchung ebenfalls die Bitte, vorab verschiedene real erlebte Noncomplaining-Fälle36 vorzubereiten, hervorging. So konnte in den Gesprächen auf diese Situationen Bezug genommen werden. Dahingegen erweist sich die Gewinnung der BtC-Stichprobe in diesem Fall als weniger schwierig, da hierfür zunächst jeder geschäftsfähige Bürger als Privatkonsument in Frage kommt. Um eine möglichst hohe Reichweite erzielen zu können, wurden einige Teilnehmer über einen Aufruf in den sozialen Medien rekrutiert. So konnte gewährleistet werden, dass der Teilnehmerpool nicht nur auf den geografischen Umkreis der Stadt Düsseldorf begrenzt war, sondern auch räumlich entfernte Personen mithilfe digitaler Möglichkeiten, wie z. B. Videotelefonate, interviewt werden konnten. Der Vorteil dieses Vorgehens liegt insb. darin, dass derart akquirierte Selbstmelder eine hohe Teilnahmemotivation aufweisen.37 Dieser Aspekt übertrifft den Nachteil eines Self-Selection Bias.38 Bei der Auswahl der BtC-Teilnehmer wurde dennoch Wert darauf gelegt, eine möglichst heterogene Struktur hinsichtlich der Variablen Alter, Geschlecht, Einkommen und persönlichen Merkmalen zu erreichen. Vor dem Hintergrund dieses Vorgehens soll in beiden Teilstichproben dem Kriterium der inhaltlichen Repräsentativität bestmöglich entsprochen werden.
Angesichts einer ausreichend großen Anzahl an Interviewpartnern wurde der Empfehlung von Glaser/Strauss39 gefolgt. Die Autoren lehnen eine vorab definierte Stichprobengröße bei qualitativen Studien ab. Demnach wurde sich in dieser Arbeit an dem Prinzip der theoretischen Sättigung orientiert, wonach eine optimale Stichprobengröße dann vorliegt, wenn kein zusätzlicher Erkenntnisgewinn durch weitere Befragungen erzielt werden kann. Dieser Punkt wurde in der vorliegenden Untersuchung nach 20 Interviews erreicht, die sich je hälftig auf die Bereiche BtB und BtC aufteilten. Tabelle 4.2 zeigt die Zusammensetzung der Stichprobe sowie weitere Daten hinsichtlich der durchgeführten Interviews.
Tabelle 4.2
Qualitative Pilotstudie – Stichprobenzusammensetzung
Nr.
Interviewdauer (Minuten)
Alter (Jahre)
Geschlecht
Teilstichprobe
Branche
1
26:20
56
W
BtB
Großhandel
2
32:02
62
M
BtB
Großhandel
3
26:59
28
M
BtB
Großhandel
4
33:52
26
M
BtB
Finanzdienstleistungen
5
23:18
27
W
BtC
6
29:25
28
W
BtC
7
23:24
24
W
BtC
8
33:42
25
M
BtC
9
24:44
23
M
BtB
Finanzdienstleistungen
10
23:35
20
W
BtB
Großhandel
11
30:14
52
M
BtB
Industrie
12
29:14
38
W
BtC
13
31:55
24
M
BtB
Großhandel
14
26:20
36
M
BtB
Großhandel
15
30:18
25
M
BtC
16
21:22
61
W
BtC
17
22:56
25
M
BtC
18
31:17
25
M
BtC
19
26:49
24
M
BtC
20
27:48
63
W
BtB
Großhandel
Geschlecht
8 Frauen
12 Männer
Alter
MW: 34,60 Jahre
SD: 15,05 Jahre
Interviewdauer
MW: 27:46 Minuten
SD: 03:47 Minuten
Teilstichprobe
10 BtB
10 BtC

4.2.4.2 Durchführung der Interviews

Die Durchführung der 20 Interviews fand in dem Zeitraum vom 07. März 2021 bis 04. April 2021 statt. Hierbei erfolgten die meisten Gespräche in persönlicher Form vor Ort. Wenige Interviews wurden mithilfe digitaler Möglichkeiten durchgeführt. Die untersuchungsrelevante Gesprächsdauer umfasste je nach Interviewpartner zwischen 21 und 34 Minuten exklusiv der Begrüßung und Einleitung in die Thematik sowie Abschluss und Verabschiedung der Teilnehmer. Nach einer kurzen Begrüßung wurde jedem Befragten zunächst eine Datenschutzbelehrung sowie -vereinbarung und damit ein Hinweis über die forschungsbezogene Nutzung der jeweiligen persönlichen Daten vorgelegt. Darüber hinaus wurde den Teilnehmern ihre Anonymität zugesichert. Im Anschluss hieran wurde den Befragten ein Kurzfragebogen40 ausgehändigt, um relevante Fragen hinsichtlich der Demografika und Persönlichkeitsmerkmale (Beschwerdeeinstellung, Selbstbewusstsein, Risikoeinstellung, Eigenbestimmung) erheben zu können.41
Sodann wurden die Interviews auf Basis des in Abschnitt 4.2.3 vorgestellten Interviewleitfadens durchgeführt. Vor allem im Rahmen der Einführungsfragen wurde darauf geachtet, den Befragten den Einstieg in die Thematik des Noncomplainings zu erleichtern. Vielfach merkten die Teilnehmer an, dass sie sich leichter an Fälle erinnern könnten, die durch intensive Beschwerden oder Diskussionen charakterisiert sind. Diesbezüglich wurden entsprechende Hilfestellungen mittels Noncomplaining-Beispielen geliefert, sodass die Teilnehmer neben ihren vorbereiteten Fällen auch weitere Situationen in Erinnerung rufen konnten. So bot es sich auch im BtB-Sample teils an, zunächst Beispiele aus dem Konsumgüterbereich zu erörtern, bevor auf Sachverhalte aus ihrem Geschäftsleben Bezug genommen wurde. Dieses Vorgehen hatte ebenfalls zum Vorteil, dass Unterschiede zwischen diesen Bezugspunkten unmittelbar ersichtlich wurden. Im Anschluss des Gesprächs erhielten die Teilnehmer eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 15 Euro.

4.2.4.3 Transkription der Interviews

Um die Gespräche im Anschluss analysieren zu können, bedarf es zuvor einer Verschriftlichung. Hierfür wurden die Interviews mit dem Einverständnis der Teilnehmer aufgezeichnet, sodass die erzeugten Audioaufnahmen durch Niederschreiben des Gesagten in Text-Dateien transformiert werden konnten. Dieses Vorgehen der Verschriftlichung verbaler Daten wird auch als Transkription bezeichnet.42 Im vorliegenden Fall wurde hierfür die Software Easytranscript verwendet und das Transkriptionssystem der wörtlichen Transkription angewendet. Dieses umfasst die vollständige Texterfassung des erhobenen Audiomaterials, sodass lediglich grammatikalische und dialektische Korrekturen vorgenommen werden – jedoch keine Hinweise auf nonverbale Kommunikation oder eine vorab durchgeführte Reduktion des Materials.43 Demzufolge wurden keine interpretativen bzw. untersuchungsrelevanten Veränderungen des Ausgangsmaterials durchgeführt.
Im Rahmen der Transkription der geführten Interviews wurde das Audiomaterial von neun Stunden und 15 Minuten in insgesamt 146 Textseiten überführt. Diese bilden die Grundlage für die sich anschließende qualitative Inhaltsanalyse.

4.2.5 Datenanalyse und -auswertung

4.2.5.1 Methodisches Vorgehen

Zur Analyse und Auswertung des erzeugten Textmaterials wird auf das Verfahren der strukturierenden Inhaltsanalyse zurückgegriffen. Im Zuge dieses Vorgehens können die untersuchungsrelevanten Gesprächsinhalte systematisch aus dem transkribierten Textmaterial extrahiert und anschließend den vorab definierten Kategorien zugeordnet sowie analysiert werden.44 Mittels dieser Strukturierung der erhobenen (Text-)Daten wird die intersubjektive Nachvollziehbarkeit der Auswertung gewährleistet.45 Hierbei umfasst die strukturierende Inhaltsanalyse die folgenden vier Schritte:
(1)
Vorbereitung der Extraktion
 
(2)
Extraktion der Daten
 
(3)
Aufbereitung der Daten
 
(4)
Auswertung46
 
Die Vorbereitung der Extraktion (1) beinhaltet als ersten Schritt die Entwicklung eines Suchrasters. Basierend hierauf sollen die untersuchungsrelevanten Daten zwecks Beantwortung der Forschungsfragen generiert werden können. Dieses Suchraster wird im Sinne eines deduktiven Vorgehens auf Basis der in Kapitel drei dargestellten Grundlagen des Noncomplainings gebildet. Im Zentrum stehen hier die Zusammenhänge der erweiterten Exit-Voice-Theorie sowie die auf Basis der bisherigen Noncomplainer-Forschung identifizierten Kategorien47 an Antezedenzien. Die Variablen innerhalb dieser Kategorien werden wiederum induktiv aus dem Textmaterial hergeleitet, um so die bereits in den Kapiteln zwei und drei angedeuteten potenziellen Besonderheiten des organisationalen Beschwerdeverhaltens erfassen zu können. Diese Ergänzungen sind insb. mit Blick auf die weiteren zwei Studien dieser Arbeit von Bedeutung. Diese Aspekte werden somit ergänzend in das Suchraster aufgenommen, sodass keine relevanten Informationen unberücksichtigt bleiben.48 Das Fundament des Suchrasters bildet der bereits vorgestellte Interviewleitfaden, sodass die Auswertung der Daten anhand der entsprechenden Themenblöcke erfolgt.
Zur eigentlichen Durchführung der strukturierten Inhaltsanalyse werden die relevanten Daten zunächst extrahiert und den entsprechenden Kategorien zugeordnet, d. h. codiert (2). Die Extraktion beschreibt dabei die Entnahme von Informationen aus einem Text, während die Codierung die Indizierung des Texts zwecks der anstehenden Auswertung bezeichnet.49 Zur Codierung wurde die Software MaxQDA in der Version 2020 verwendet, da hier die Zuordnung der Textstellen zu den aus dem Suchraster hervorgehenden Kategorien komfortabel per „drag and drop“-Funktion möglich ist. Dies bietet die Möglichkeit, neben der rein inhaltlichen Interpretation ebenso eine quantitativ-deskriptive Auswertung vorzunehmen. Im Anschluss an die Aufbereitung der Daten (3) kann die Analyse und Auswertung (4) erfolgen. Die Ergebnisse werden in den folgenden Kapiteln vorgestellt.

4.2.5.2 Antezedenzien des Noncomplainings

Zu Beginn der Befragung wurden die Teilnehmer gebeten, zunächst ihre generelle Einstellung zu Beschwerden darzustellen. Hierbei wurde ersichtlich, dass die Befragten der BtB-Stichprobe grundsätzlich eine positivere Einstellung zur Äußerung von Unzufriedenheit im betrieblichen Kontext aufweisen. Neben der deskriptiven Auswertung des Kurzfragebogens50 zeigten dies unmittelbar die ersten Aussagen der Teilnehmer. Vielfach wurde die positive Einstellung damit begründet, dass mithilfe von Beschwerden Verbesserungspotenziale identifiziert werden können. Zudem führten einige Teilnehmer an, dass sie selber im umgekehrten Fall genauso dankbar für entsprechende Hinweise seitens ihrer eigenen Kunden sind.
„Beschwerden sind Geschichten, die in der heutigen Zeit leider immer mehr notwendig sind, weil generell die Qualität bzw. das Qualitätsniveau heutzutage nachgelassen hat und man ohne Beschwerden keine Verbesserung bzw. Rückkehr zum alten Qualitätsniveau herstellen kann. […] Das zweite ist, ich hege die Überzeugung, wenn mir keiner sagt, wo unsere Produkte oder Verfahrensweisen schlecht sind, kann man selber auch nicht an einer Verbesserung arbeiten.“51
„Also an sich finde ich das gut, wenn man sich beschwert, weil so können ja auch die Unternehmen, bei denen man sich beschwert, ihre Fehler verbessern. Sie wissen dann ja genau, was die Kunden nicht gut finden und so können sie dann sich selbst verbessern. Und deswegen finde ich Beschwerden sind sinnvoll.“52
Teilweise zogen die Befragten auch einen direkten Vergleich zwischen ihrem Beschwerdeverhalten im betrieblichen sowie privaten Kontext. In diesem Aspekt gaben die Teilnehmer zu erkennen, dass sie sich in ihrem geschäftlichen Alltag tendenziell häufiger beschweren als im Rahmen ihres privaten Konsumverhaltens.
„Ich muss da ganz ehrlich sagen, ich unterscheide da relativ stark zwischen Beruf und Privatem. Da bin ich sehr zwiegespalten. […] Privat ist weniger, was ich an Beschwerden äußere. Geschäftlich deutlich mehr. […] Aber ich denke einfach, im Geschäftsleben sind Beschwerden viel präsenter und gehören auch viel mehr dazu.“53
Angesichts derartiger Aussagen ist jedoch kritisch zu hinterfragen, inwiefern die im weiteren Gesprächsverlauf getätigten Bemerkungen sich überhaupt mit einer positiven Beschwerdeeinstellung deckten. So musste teils zur Kenntnis genommen werden, dass Befragte, die sich zwar selbst eine positive Beschwerdeeinstellung zugeschrieben haben, ihre Unzufriedenheit jedoch nur in seltenen Fällen an den Lieferanten artikulierten. Unterstützt wird dies durch die deskriptive Auswertung des Kurzfragebogens, in welchem sich lediglich zwei Teilnehmer aus der BtB-Stichprobe als Noncomplainer eingeordnet haben.54
„Also Beschwerden als solches finde ich eigentlich sehr wichtig, denn wenn mein Gegenüber mir etwas bietet, was nicht meinen Vorstellungen entspricht und ich mich nicht beschwere, dann kann derjenige das auch nicht besser machen. Das finde ich schon wichtig, dass man demjenigen die Chance jetzt geben muss, dort was zu verändern. […] Ich selber bin ein Typ, ich beschwere mich eigentlich selten. Es muss schon wirklich ein Punkt sein, der mich schon sehr berührt, der mich ärgert.“55
„Grundsätzlich zum Thema Beschwerde, ist eigentlich eine gute Sache. Jetzt bin ich natürlich im Vertrieb, da habe ich dann nochmal eine andere Sichtweise darauf und finde es eigentlich gut, wenn sich ein Kunde beschwert. Ich muss aber auch eingestehen, dass ich mich nicht immer beschwere.“56
Eine mögliche Ursache für solche Abweichungen könnte darin liegen, dass das Antwortverhalten von Teilnehmern – insb. in mündlichen Face-to-Face-Befragungen – durch eine seitens der Befragten empfundene soziale Erwünschtheit verzerrt sein kann.57 Demnach könnten die Teilnehmer dazu neigen, nicht ihre tatsächliche, sondern die vermeintlich gesellschaftlich akzeptierte oder von dem Interviewer gewünschte Meinung zu artikulieren. Dieses Phänomen wird als Social Desirability Bias bezeichnet. Im vorliegenden Fall können die exemplarisch angeführten Aussagen indizieren, dass die Befragten zwar grundsätzlich die Vorteile von Beschwerden sehen, aber es dennoch ausreichend Hinderungsgründe für eine Beschwerdeartikulation gibt. Dies adressiert damit das erste Forschungsziel der qualitativen Pilotstudie.
Die identifizierten Antezedenzien des Noncomplainings lassen sich mithilfe der bereits in Abschnitt 3.​4 eingeführten Struktur systematisieren. Tabelle 4.3 fasst zusammen, in wie vielen Interviews der Teilstichproben die jeweiligen Variablen genannt wurden. Diese Nennungen wurden anschließend pro Kategorie aufsummiert, um entsprechende Schwerpunkte lokalisieren zu können.
Tabelle 4.3
Qualitative Pilotstudie – Nennungen der Antezedenzien
Kategorie
Variable
BtB
(in X Interviews genannt)
BtC
(in X Interviews genannt)
Personenbezogen
 
10
10
Selbstvertrauen
1
1
Wut
3
2
Extraversion
1
0
Empathie
5
7
Unternehmensbezogen
 
32
20
Abwehrverhalten, Kritikoffenheit
9
2
Aufwand, Beschwerdekanäle
9
8
Kompensationserwartung
2
4
Problemlösungserwartung
8
1
Proaktives Verhalten
4
5
Beziehungsbezogen
 
26
16
Dauer der Beziehung
6
2
Abhängigkeit, Machtverhältnis
5
3
Beziehungsqualität
8
7
Gesamtzufriedenheit
4
2
Vertragliche Bindung
2
2
Fairness
1
0
Leistungsbezogen
 
41
30
Verbesserungspotenzial
5
2
Finanzieller Wert
8
5
Schweregrad des Fehlers
5
5
Relevanz, Involvement
5
4
Anzahl der Fehler
8
7
Schuldattribution
5
2
Distanz zur Fehlerquelle
1
1
Art der Leistung
4
4
Markt-/Situationsbezogen
 
14
16
Alternativen, Wechselkosten
7
8
Situative Passung
1
0
Situative Einflussnahme
2
5
Stimmung, Laune
4
3
Gesellschafts-/Kulturbezogen
 
1
5
Soziales Risiko
1
5
Anhand dieser Übersicht lässt sich bereits erkennen, dass der Fokus der BtB-Stichprobe vor allem auf unternehmens-, beziehungs- und leistungsbezogenen Determinanten liegt.58 Diese Erkenntnisse unterstützen bereits die in Kapitel zwei beschriebene hohe Relevanz der Beziehung zwischen Anbieter und Nachfrager und der damit möglicherweise einhergehenden Abhängigkeiten sowie der Leistungskomponente. Überraschenderweise wurden seitens der Befragten keine Antezedenzien angeführt, die auf die Buying Center- bzw. Gruppenstruktur zurückgehen. Demnach kann der Bedarf nach einer quantitativen Erhebung geschlussfolgert werden, um die Forschungsziele der Gesamterhebung erreichen zu können.59
Personenbezogene Einflussfaktoren fanden insgesamt in wenigen Interviews eine direkte Erwähnung. Zudem kristallisierten sich lediglich vier verschiedene Variablen heraus: Selbstvertrauen, Wut, Extraversion und Empathie. Diese Minderberücksichtigung soll jedoch nicht als Hinweis auf einen mangelnden Erklärungsgehalt von Persönlichkeitsmerkmalen verstanden werden. Vielmehr wird hierdurch die Latenz derartiger Einflussfaktoren aus Befragtensicht vermutet, sodass diese Variablen nicht unmittelbar von dem (Non-)Complainer in der jeweiligen Situation wahrgenommen wurden.60 Insgesamt zeigte sich jedoch hinsichtlich der Wirkung dieser vier Persönlichkeitsmerkmale ein homogenes Bild zwischen beiden Teilstichproben. So führen sowohl Selbstvertrauen als auch Wut und Extraversion dazu, dass sich die Befragten eher beschwert haben.
„Das hat, denke ich, mit meiner persönlichen Entwicklung zu tun. Vielleicht habe ich mehr Selbstvertrauen gewonnen.“61
„[…] aber ja durchaus, also ich glaube auch, dass wenn ich wirklich schon so eine Art Wut verspüre, würde ich mich definitiv eher beschweren.“62
Dahingegen verhindert Empathie bzw. das Empfinden von Mitleid tendenziell eine Beschwerde. Diese richtet sich auf den Ansprechpartner, an den die Beschwerde kommuniziert werden müsste. Interessanterweise scheint dies jedoch in Anbetracht der späteren Erkenntnisse bezüglich der Beziehungsqualität im BtB-Bereich für solche Ansprechpartner zu gelten, zu denen keine persönliche und ggf. bereits lang andauernde Bindung herrscht. Die Wirkung von Empathie zieht demnach auch im betrieblichen Kontext nach sich, dass ein Kunde die eigenen bzw. die Interessen des Unternehmens zurückstellt und potenzielle Nachteile für sich selber (bspw. durch die Rechtfertigung der Nicht-Beschwerde gegenüber dem Vorgesetzten) und für das Unternehmen in Kauf nimmt, um den Gegenüber nicht zu verletzen oder keine negativen Auswirkungen für ihn zu verursachen.
„Ja, bei mir ist das mit Sicherheit immer ein Grund, dass ich jemandem nicht weh tun möchte. Das heißt also, dass ich dann immer eher diplomatisch bin und Angst hätte, den anderen zu verletzen mit meiner Beschwerde. Wenn ich in so einer Situation bin, beschwere ich mich nicht.“63
„Ja, das täte mir dann leid für den Dienstleister. Das täte mir leid, dem das zu sagen, weil er dann eventuell dafür einen drüber gebraten kriegen würde. Da würde ich das dann nicht tun.“64
Dahingegen zeigten sich in den beiden Teilstichproben deutliche Unterschiede hinsichtlich der unternehmensbezogenen Antezedenzien des Noncomplainings. Viele Befragte aus der BtB-Stichprobe führten an, dass das Abwehrverhalten bzw. die kommunizierte Kritikoffenheit des Lieferanten einen maßgeblichen Einfluss darauf haben, ob auf eine Beschwerde verzichtet wird. In der BtC-Stichprobe erwähnten dies lediglich zwei Teilnehmer. Hierbei wurde erkennbar, dass im betrieblichen Kontext insb. der direkte Ansprechpartner einen wesentlichen Anteil daran hat, ob ein Unternehmen als kritikoffen angesehen wird oder nicht. Im Gegensatz zum privaten Beschwerdeverhalten wurden zudem standardisierte, anonyme Beschwerdeformulare kritisch gesehen.
„Diese Dame war sehr sehr selbstbewusst und von sich überzeugt und ich glaube nicht, dass sie überhaupt eine Beschwerde angenommen hätte.“65
„In der Regel hat man ja seine Ansprechpartner, die man erreichen kann. Also der Fall, dass ich auf ein Unternehmen gestoßen bin, dass ein konkretes Beschwerdemanagement hat, wie wir das bei uns haben, bzw. es einführen, habe ich in dieser Form bei keinem anderen Unternehmen gesehen. Das, was allerdings mehr und mehr kommt, sind tatsächlich Umfragen zu einer Geschäftsbeziehung, in der man dann solche Punkte darlegen kann. […] Aber da sagt auch die Erfahrung, dass […] keine Reaktion erfolgt ist.“66
Zudem äußerten die Befragten die Wahrnehmung, dass vor allem große Unternehmen und Konzerne wenig kritikoffen sowie fehlereinsichtig sind und sich gegenüber Beschwerden abwehrend verhalten.
„Das ist vor allem auch bei Großunternehmen so, dass es eine fehlende Einsicht für Fehler gibt, da sie auf einem so hohen Ross sitzen, dass sie oftmals ihre Fehler nicht wahrhaben wollen oder bewusst mit ihren Fehlern agieren. Und sagen, dann sollen die anderen das ausbaden.“67
Diese für den BtB-Bereich erkennbare hohe Relevanz des persönlichen Kontakts zeigte sich ebenfalls bezüglich des Aufwands und der damit korrespondierenden Verfügbarkeit von Beschwerdekanälen. Der Aufwand für eine Beschwerde wurde vielfach als zu hoch eingeschätzt, sofern kein direkter Ansprechpartner vorhanden war und ein standardisierter Kanal (z. B. Hotline oder Online-Formular) gewählt werden musste. Entscheidend ist hierbei zudem auch die wahrgenommene fachliche Kompetenz des Ansprechpartners.
„Wenn ich dort anrufen würde, würde ich nie einen kompetenten Ansprechpartner, der dort auch die Verantwortung trägt, erreichen können. Und an die jungen Menschen, die ich dort erreichen kann, da habe ich wirklich die Erwartung, da würde sich nichts ändern. Meine Beschwerde würde da irgendwo im Sande verlaufen, da man mir dort nicht wirklich weiterhelfen kann.“68
„Wenn ein Unternehmen ein Beschwerdemanagement aufgebaut hat und auch entsprechende Personen hat, die dann Ansprechpartner sind, dann ist es dann natürlich schon einfacher sich irgendwie zu beschweren.“69
Demzufolge reduziert ein direkter Ansprechpartner im betrieblichen Kontext das Hindernis einer Beschwerdeartikulation. Dies spricht wiederum auch für die Bedeutung der persönlichen Beziehung und ihrem langfristigen Charakter. Demgegenüber äußerten einige Befragte aus der BtC-Stichprobe Bedenken, sobald sie ihre Beschwerde unmittelbar an eine andere Person kommunizieren müssten.
„Ich würde mich da auch nicht beschweren, weil mir das dann unangenehm ist. Ich finde das ist schon etwas Anderes, wenn man den Personen gegenübersteht, als wenn ich das online machen könnte. […] Face-to-Face eher nicht.“70
Dieser dem Interaktionsparadigma folgende Gedanke stach auch hinsichtlich des von den Befragten dargelegten Ziels einer Beschwerde hervor. In der BtB-Teilstichprobe stand vielmehr die Problemlösung im Vordergrund, während sich die Privatkonsumenten stärker auf eine vom Anbieter zu leistende Kompensation fokussierten. Sofern die BtB-Teilnehmer nicht die Erwartung an ihren Lieferanten hatten, dass das Problem langfristig gelöst werden kann, artikulierten sie keine Beschwerde. Auch hier wurde dem direkten Ansprechpartner eine zentrale Bedeutung beigemessen.
„Wenn ich auch weiß, dass ich einen Ansprechpartner habe, bei dem die Beschwerde nicht nur negativ ankommt, wenn ich merke, ich habe einen Ansprechpartner, mit dem ich mich auch austauschen kann bzw. er mich versteht, warum ich mich beschwere. Wenn da also einfach was zurückkommt, dann glaube ich, dass meine Beschwerde Erfolg hat und ich etwas verändern kann, dann beschwere ich mich leichter.“71
Diesbezüglich führten die Befragten teils aus, dass sie im Falle einer positiven Problemlösungserwartung den Lieferanten nicht alleine lassen, sondern ihn unterstützen würden.
„Dann würde ich sagen „ist jetzt passiert, […], jetzt versuchen wir zwei das vom Eis zu kriegen“. Auf einer guten Basis also. Wie können wir beide jetzt vorgehen, dass wir zusammen die Kuh vom Eis kriegen.“72
Mit dieser Problemlösungserwartung ging in den Gesprächen vermehrt der Aspekt des proaktiven Verhaltens einher. So begründeten einige Noncomplainer ihre Zurückhaltung mit lieferantenseitigen Hinweisen auf potenzielle Leistungsmängel.
„Vor allem wenn ein Anbieter, sei es jetzt Dienstleister oder Produzent, der auch eine regelmäßige Qualitätskontrolle hat, wenn der dann proaktiv auf den Abnehmer zugegangen ist, nach dem Motto „Hört mal, wir haben da und da ein Problem, aber wir arbeiten daran“.“73
In der BtB-Teilstichprobe wurden jedoch insb. beziehungsbezogene Faktoren in den Mittelpunkt gestellt. Hier zeigten sich schließlich essenzielle Unterschiede in dem Beschwerdeverhalten im betrieblichen und privaten Kontext, die mit den in Kapitel zwei dargestellten Besonderheiten des BtB-Marketings sowie den darauf aufbauend in dem dritten Kapitel angestoßenen Merkmalen des organisationalen Beschwerdeverhaltens korrespondieren. Zunächst ist der Aspekt der langfristigen Geschäftsbeziehungen und der in der Regel damit einhergehenden Beziehungsqualität zu nennen. So hoben die Befragten beider Stichproben zwar die Bedeutung der Beziehungsdauer und -qualität hervor, doch resultierten diese in gegensätzlichen Verhaltensweisen. Konkret zeigte sich, dass im betrieblichen Kontext eine gute Kunden-Lieferanten-Beziehung zur Unzufriedenheitsartikulation führt. Mit einer guten Beziehung verbanden die BtB-Kunden eine höhere Kritikoffenheit und Problemlösungserwartung. Zudem befürchteten sie keine negativen Konsequenzen für die zukünftige Geschäftsbeziehung.
„Ich kann das auch von meinen Kunden hier sagen oder auch andersherum, ich kenne manche Kunden persönlich. Ich finde, wenn man sich kennt und eine emotionale Bindung hat, dann beschwert man sich doch eher als, wenn man jemanden nicht kennt.“74
„Im Betrieblichen ist es immer wieder noch etwas Anderes, wie jetzt hier in der Firma. Da ist das schon etwas Anderes. Wenn man da eine Reklamation hat, dann kann man eher sagen „das war heute nicht so gut und beim nächsten Mal schauen wir, dass wir besser klar kommen“. So würde ich das dann sagen, wenn ich denjenigen kenne und immer gut mit ihm klargekommen bin.“75
Explizit wurde von einigen Befragten auch der Vertrauensbegriff angeführt. Demnach beeinflusst Vertrauen offenbar die Intention zum Noncomplaining negativ.
„Ich finde Vertrauen führt eher dazu, dass man sich beschweren kann, weil wenn ich einen Ansprechpartner habe, den ich kenne, auch dem kann ich dann ja sagen, das hat mir nicht gefallen oder damit bin ich einfach unzufrieden oder das ist nicht optimal gelöst gewesen. Weil ich weiß, der hört mir ja auch zu, bzw. ich das Gefühl habe, dass ich ihm auch wichtig bin. Und dass ihm auch meine Beschwerde wichtig ist, weil ich ihm damit helfe, sein Produkt zu verbessern.“76
Sobald die Qualität der Beziehung zum Lieferanten in der Form nicht (mehr) gegeben ist, erklärten die Befragten aus der BtB-Stichprobe, dass sie keine Beschwerde äußern und stattdessen nach einem neuen Anbieter Ausschau halten.
„Das ist eher dann der Fall, wenn die Person oder das Unternehmen mir nur untergeordnet etwas bedeutet. Also in dem Moment, wo die sowieso – bezogen auf das Geschäftsleben oder die Geschäftsbeziehung – austauschbar sind oder ich zu den führenden Gesprächspartnern sowieso keine Beziehung habe, würde ich das sofort einfach abbrechen und noch nicht mal den Aufwand betreiben, um das erklären zu wollen.“77
Im Gegensatz hierzu stellten die Teilnehmer aus dem privaten Kontext dar, dass sie im Falle einer persönlichen Beziehung zu dem Anbieter (z. B. Stammrestaurant) auf eine Beschwerde verzichten, um den Gegenüber nicht zu verletzen und den Fortbestand der Beziehung nicht zu gefährden.
Ein weiterer Aspekt, der bereits in Kapitel zwei seine Erwähnung fand – insb. hinsichtlich der verschiedenen Geschäftstypen –, ist das Macht- bzw. Abhängigkeitsverhältnis zwischen Anbieter und Nachfrager. Diesbezüglich gaben einige Befragte aus dem BtB-Sample zu Bedenken, dass mit einer Beschwerde möglicherweise auch negative Konsequenzen für die Geschäftsbeziehung einhergehen können. Sofern der Teilnehmer eine gewisse Abhängigkeit von dem Lieferanten, die möglicherweise sogar vollständig einseitig war, gesehen hatte, verzichtete er aus taktischen Gründen auf eine Beschwerde – aus Sorge, dass hierdurch der Lieferant verärgert sein und die Beziehung im Sinne einer Sanktionierung beenden könnte.
[…] irgendeiner Reaktion verbunden. Ich sag mal so, auch mit einer Beschwerde kann der andere sich auch auf den Schlips getreten fühlen. […] Aber das bedarf schon immer einer sachbezogenen Abwägung. Auch der Risiken muss man sich bewusst sein. Ich sag mal so, es gibt Geschäftsbeziehungen, da weiß man genau, dass man von dem Dienstleister oder dem Produkt abhängig ist und dass eventuell eine Beschwerde dazu führen kann, dass auch die Gegenseite sagen kann, mit dir möchte ich nicht mehr zusammenarbeiten. Von daher muss man manchmal vorsichtig sein. […] Das ist dann im Grunde genommen Faust in die Tasche und Selbstschutz. Und dann werden auch Beschwerden, wenn überhaupt, nur sehr moderat geäußert bzw. gar nicht.“78
„Und auch in gewisser Art und Weise teilweise so ein bisschen die Sorge vor der Reaktion. […] dass man sich zum Teil nicht beschwert, weil man einfach Angst vor den Konsequenzen hätte.“79
Diese Befürchtungen werden u. a. verstärkt, wenn kleine und mittelständische Unternehmen bei Konzernen einkaufen. Im Rahmen solcher Abhängigkeiten empfanden die Befragten eine gewisse Machtlosigkeit – bspw. bei Transformationsprozessen, die bei den Kunden Unzufriedenheit ausgelöst haben.
„Ich finde bei diesen Transformationsprozessen ist es so, dass man da eher mit größeren Unternehmen zu tun hat. Und ich muss dann ehrlich sagen, dass ich da eher das Gefühl hätte, dass ich machtlos bin und sowieso nichts an der Situation ändern kann.“80
„Wenn ich jetzt nur ein einfacher Kunde bei einem Großunternehmen bin, wenn das jetzt irgendwie eine One-to-One Situation ist, dann ist es vielleicht nochmal etwas Anderes, aber, wenn ich jetzt nur ein einfacher Kunde von einem Großkonzern bin, dann würde ich jetzt nicht anrufen und mich beschweren.“81
„Wir hatten das geschäftlich, dass ein Riesenunternehmen, Riesenkonzern, der unter anderem auch in der Automobilindustrie tätig ist, einen Lieferanten von uns gekauft hat, ja, das ist totaler Murks, das ist Mist. Seitdem ist es halt echt kompliziert geworden, aber ich hab mich nicht darüber beschwert, weil ich es eh nicht verändern kann.“82
Die Teilnehmer aus der BtC-Stichprobe verzichteten im Falle eines ungleichen Machtverhältnisses eher auf eine Beschwerde, doch lag hier die Motivation nicht in der Befürchtung von Konsequenzen, sondern schlichtweg in der Aussichtslosigkeit.
„Gerade bei großen Unternehmen schaue ich dann im Internet nach, ob das Problem auch bei anderen schon aufgetreten ist oder sich manche quasi schon indirekt über Foren beschwert haben. Wenn man sieht, dass das schon bei vielen Leuten der Fall war, dann verspürt man vielleicht auch eine gewisse Machtlosigkeit, dass es sowieso nichts bringt und man hält sich dann eher zurück.“83
Hinsichtlich der leistungsbezogenen Determinanten wurden weitere Unterschiede zwischen den beiden Teilstichproben erkennbar. So erwies sich bspw. in beiden Samples der Schweregrad des Fehlers als negativer Einflussfaktor auf das Noncomplaining, doch im betrieblichen Kontext wurden vielmehr die Auswirkungen der Leistungsverschlechterung für die Betriebsprozesse und das Unternehmen als Ganzes gesehen – statt der Leistungsverschlechterung isoliert. Demzufolge wurde auf eine Beschwerde verzichtet, sofern die betrieblichen Prozesse insgesamt nicht beeinträchtigt waren.
„Von daher war sie [die Leistung] schon stark eingeschränkt, aber da wir von der Firma aus immer noch Möglichkeiten für Mobilität haben, und ausweichen können, hat es uns nicht in Arbeitsabläufen beeinträchtigt.“84
Zudem zeigten sich hinsichtlich der Relevanz bzw. des Involvements des Befragten einerseits Gemeinsamkeiten zwischen BtB und BtC, aber andererseits auch Unterschiede. Handelte es sich um Arbeitnehmer, die keine Verantwortung auf einer übergeordneten Unternehmensebene tragen, ähnelten die Aussagen diesbezüglich stark denjenigen aus dem BtC-Sample. Die Befragten machten ihre Beschwerdeartikulation davon abhängig, ob die Leistung für sie selbst persönlich von Relevanz bzw. Interesse war oder sie unmittelbar davon betroffen waren.
„Ich würde sagen, je höher der Wert für mich ist, desto wahrscheinlicher wäre es gewesen, dass ich mich auch beschwert hätte.“85
„Ich glaube tatsächlich, wenn man jetzt wirklich auf alle Situationen eingeht, wo man sich beschweren könnte, dann beim Großteil würde ich mich wahrscheinlich nicht beschweren, weil es mir aber dann auch persönlich vielleicht nicht so wichtig ist.“86
Dahingegen betrachteten Teilnehmer aus der Geschäftsführungs- und Managementebene vielmehr die Relevanz für das Gesamtunternehmen und zogen in Betracht, ob nicht eine Umstellung der Prozesse einen Verzicht auf die fehlerhafte Leistung ermöglichen könnte und damit keine Beschwerde eingereicht werden müsste. Hier wurden auch direkte Unterschiede zwischen den Rollen innerhalb des Buying Centers ersichtlich.
„Das hängt davon ab, wie wichtig das Produkt oder die Dienstleistung ist. Man kann ja auch gewisse Prozesse umstellen, sodass man das Produkt gar nicht mehr braucht oder unwichtig wird.“87
Ebenfalls hinsichtlich der Attribution der Schuld an der Leistungsverschlechterung zeigten sich Unterschiede zwischen beiden Teilstichproben. Zwar bestätigten sich die in Abschnitt 3.​3.​2.​2 dargestellten Zusammenhänge der Attributionstheorie, jedoch erschien der Fokus der Attribution verschieden. In der BtC-Stichprobe fragten sich die Teilnehmer vielmehr, ob die Kontaktperson, an welche die Beschwerde kommuniziert wird, eine Teilschuld trägt oder nicht. Dahingegen nahmen die Befragten aus dem BtB-Sample zusätzlich in Betracht, ob sie selber möglicherweise (zumindest teilweise) für den aufgetretenen Mangel verantwortlich sind und diese Mitschuld ggf. durch eine Beschwerde aufgedeckt wird – mit potenziell negativen Konsequenzen innerhalb des eigenen Unternehmens.
„Ich würde jetzt ganz konkret sagen, wenn ich mich selber mit angreifbar sehe, dann wäre die Wahrscheinlichkeit geringer, dass ich mich beschweren würde.“88
„Die Schuldfrage hat schon Einfluss darauf. Also, wenn ich bei mir selber merke, jetzt nehmen wir mal ein Beispiel, ich beschwere mich darüber, dass etwas zu lange dauert und ich merke selber, dass der Lieferant […] lange auf meine Antwort warten musste, dann beschwert man sich eher nicht.“89
Ein heterogenes Bild zeigte sich bezüglich der Wirkungsrichtung der Anzahl an Fehlern. Manche Teilnehmer erklärten, dass sie zunächst abwarten, ob der Fehler auch in Zukunft erneut auftreten wird. Andere Befragte wiesen jedoch darauf hin, dass sie sich bei einem zweiten oder dritten Fehler nicht mehr beschweren würden, sofern sie ihre Unzufriedenheit beim ersten Mal bereits geäußert hatten. Diese Entscheidung könnte möglicherweise dadurch moderiert werden, ob es sich um einen Bestandslieferanten handelt oder nicht.
„Ja das glaube ich schon, weil man ist ja dieser Gewohnheitsmensch und ich denke schon, dass ich es mir erst einmal angucke und erst mal etwas abwarte, bevor ich mich dann beschweren würde.“90
Im Rahmen der markt- und situationsbezogenen Einflussfaktoren konnten die aus der bisherigen BtC-Beschwerdeforschung bekannten Antezedenzien im Wesentlichen repliziert werden. Interessant war eine Aussage hinsichtlich der Verfügbarkeit von Alternativen und Höhe der Wechselkosten aus der BtB-Stichprobe, die den steigenden Wettbewerb ursächlich für ein generell reduziertes Beschwerdeaufkommen und damit für höhere Noncomplainer-Raten gesehen hat. Diesbezüglich stellte der Befragte einen Wandel in den vergangenen Jahren fest.
„Also ich glaube, das ist mit das A und O, wenn du eine schnelle oder leicht verfügbare Alternative hast, dann beschwerst du dich, glaube ich, weniger. […] Mittlerweile gibt es Wettbewerber, die ähnliche Produkte haben wie wir oder ähnliche Services haben wie wir, und dementsprechend verlieren wir auch schneller Kunden, weil die Leute sich gar nicht mehr so wirklich beschweren. Früher, vor 10, 20 Jahren, da kriegtest du hier jede Beschwerde auf den Tisch. Das ist deutlich weniger geworden.“91
Dieses Zitat betont noch einmal die Herausforderung und Aktualität der Noncomplainer-Problematik – hier mit Blick auf den BtB-Bereich.
Unter Berücksichtigung von situativen Determinanten wurde ersichtlich, dass auch im betrieblichen Kontext Individuen agieren – obgleich formaler Strukturen und Prozesse oder vermeintlich rationalen Verhaltens.92 So unterliegt auch das Beschwerdeverhalten auf BtB-Märkten den Stimmungen der einzelnen Personen oder situativen Einflüssen.
„Ich finde, durch die ganze Situation mit der COVID-Sache zum Beispiel, da merkt man das ganz intensiv bei den Geschäftspartnern […], bei vielen liegen die Nerven irgendwie blank. […] Dann muss nur mittlerweile die kleinste Sache überhaupt nicht mehr stimmen, die vor einem Jahr noch ganz egal war. Das bringt sofort das Fass zum Überlaufen.“93
„Das glaube ich schon, also das hat schon was mit der Laune zu tun. Ob ich mich beschwere, ob ich mich nicht beschwere oder wie ich eine Situation auffasse, ob ich etwas als beschwerderelevant ansehe oder nicht.“94
Schließlich lieferten die Interviews beider Teilstichproben Hinweise, dass die in Abschnitt 3.​3.​2.​3 auf Basis der Impression Management-Theorie aufgestellten Zusammenhänge hinsichtlich der Wirkung gesellschaftlicher und sozialer Determinanten vorliegen können. Hierbei zeigte sich, dass die Teilnehmer teils soziale Risiken wahrnahmen, sobald sie eine Beschwerde äußerten – auch dann, wenn der Befragte mit seiner Beschwerde im Recht war.
„Beim zweiten Mal ist aber wieder ein Loch reingekommen und dann wollte ich die nicht noch einmal umtauschen. Weil ich mir dachte, dass ich da jetzt nicht nochmal hingehen könnte und die umtauschen. […] Ja, unangenehm.“95
Zudem äußerten die Teilnehmer die generelle Wahrnehmung, dass Beschwerden und Kritik in der Gesellschaft wenig anerkannt bzw. mit einem negativen Image konnotiert sind, sodass diese Assoziation auf sie übertragen werden könnte. Die Befragten hegten teilweise den Eindruck, dass die Artikulation von Beschwerden sozial nicht erwünscht ist – auch im betrieblichen Kontext.
„Trotzdem kenne ich das auch selber, dass man oftmals in der Situation ist, dass man sich nicht beschweren möchte, weil Sachen wie soziale Erwünschtheit aufkommen können.“96
Konkret wurde das Risiko derart wahrgenommen, dass Beschwerdeführer als Quertreiber oder „Nörgler“ angesehen werden, mit denen ungern zusammengearbeitet wird.
„Der erinnert sich dann an dich später. Vielleicht bist du auch abgestempelt, als „die beschwert sich“, „die meckert“. Was denkt dann der andere von einem? Wie wird man dann halt auch eingeclustert? Der Wutbürger, Wutkunde.“97
Diese Effekte scheinen sich insb. dann zu verstärken, wenn zum Zeitpunkt der Beschwerdeäußerung Dritte anwesend sind.
Ich glaube, mir wäre das dann eher peinlich vor allen Leuten.“98
„Da hat man so eine gewisse Scham, besonders auch im Restaurant und da kommt es dann für mich auch wieder darauf an. Diese, ja was heißt Scham, doch Scham ist da vielleicht das richtige Wort, […] und selber auch so ein bisschen, so nach dem Motto „Der beschwert sich da, das ist doch nur eine Kleinigkeit“ […] wäre mir das in diesem Fall wieder viel zu unangenehm vor den anderen Personen, die dabei stehen und dann denken „Was ist das denn da für einer“.“99
Abschließend zeigt sich in den hier aufgeführten Zitaten, dass in den Gesprächen teilweise eine geringe gesellschaftliche Kritikakzeptanz wahrgenommen wurde und diese einen positiven Einfluss auf das Noncomplaining ausüben kann. Da dieser Aspekt jedoch lediglich in sechs Interviews angesprochen wurde, gilt es, diese Zusammenhänge im betrieblichen Kontext im Rahmen quantitativer Untersuchungen aufzugreifen und zu prüfen.100

4.2.5.3 Noncomplainer-Loyalität

In Anbetracht des zweiten und dritten Themenblocks innerhalb des Interviewleitfadens richtete sich der weitere Gesprächsverlauf auf das Loyalitätsverhalten im Zuge derjenigen Situationen, in denen sich der Befragte obgleich seiner Unzufriedenheit nicht direkt bei seinem Anbieter beschwert hatte. Ziel des Vorgehens ist es, die dieser Arbeit zugrunde gelegte erweiterte und auf Noncomplainer spezifizierte Exit-Voice-Theorie auf qualitativer Basis zu überprüfen.101
Zunächst lieferten die Interviews erste Hinweise, dass die in Abschnitt 3.​3.​1.​2 geäußerte Kritik an der in der ursprünglichen Exit-Voice-Theorie nach Hirschman (1970) getroffenen Annahme „Noncomplainer bleiben stets loyal“102 berechtigt scheint und es eines ausdifferenzierteren Loyalitätsverständnisses bedarf. So teilten alle Teilnehmer die Ansicht, dass sie in der jüngeren Vergangenheit Noncomplaining-Situationen erlebt haben, in denen sie entweder dem Anbieter gegenüber loyal geblieben oder abgewandert sind. Demzufolge spiegelten die Gespräche die Ergänzung der vierten Reaktionsmöglichkeit Neglect im Sinne des EVLN-Modells103 als zutreffend wider.
Im Hinblick auf eine tiefere Betrachtung derjenigen Noncomplaining-Fälle, in denen sich die Teilnehmer loyal verhielten, wurden zudem verschiedene Ursachen und Motive des Treueverhaltens ersichtlich. So führten die Befragten je nach Vorfall sehr unterschiedliche Beweggründe und Bezugspunkte ihrer Loyalität an, aus denen sich verschiedene Intensitätsstufen ausdifferenzieren ließen. Hierbei konnten diese gemäß der in dieser Arbeit entwickelten Erweiterung der Exit-Voice-Theorie in den vier Stufen der Loyalität nach Oliver (1997) konsolidiert werden: der kognitiven, affektiven, konativen und aktionalen Loyalität.
Einige Aussagen der Befragten setzten vorerst an erfahrungsbasierten Informationen, wie z. B. dem Preis oder Qualität, an. Diesbezüglich brachten sie bspw. zum Ausdruck, dass sie Unsicherheiten hinsichtlich der Qualität oder den Konditionen bei alternativen Anbietern verspürten und daher dem aktuellen Lieferanten treu geblieben waren.
„Ich bin eigentlich, ehrlich gesagt, nie wirklich zufrieden damit gewesen, aber die sind halt super günstig […] und es [hat] eigentlich kaum ein Anbieter die besseren Konditionen als die. Das ist der Grund, warum ich da bin. Zufrieden bin ich da wenig, […]. Also ich würde eigentlich gerne gehen, sobald ich eine attraktive Konkurrenz finden würde. […] Ich bin überhaupt gar nicht emotional an die gebunden. Es ist halt einfach nur, weil ich sage, die Kosten sind günstig und die Konkurrenz ist weniger gut.“104
„Das ist dieser schöne Lock-In-Effekt, der da greift. Wenn man erst einmal eine Beziehung aufgebaut hat und du weißt, das sind jetzt die Bedingungen. Dann kann es gut sein, dass mich manche Bedingungen stören, aber diese Unsicherheit darüber, wie es bei dem anderen wird und nachher beende ich hier alles und habe dort dann die gleichen Probleme.“105
An dieser Aussage wird ersichtlich, dass die Loyalität auf Basis kognitiver Informationen (hier: der Preis) eine eher geringe Bindungsintensität aufweist und der Noncomplainer sofort wechseln würde, sobald ein anderes Unternehmen ihm die gleichen Konditionen anbieten kann. Weitere Teilnehmer unterstützten dies, indem sie ihr Loyalitätsmotiv lediglich in einem geschlossenen Vertrag sahen und demnach den Ablauf der Vertragsdauer abwarten mussten. Dies stellt aus Anbietersicht ein sehr gefährliches Beziehungsstadium dar, da die Loyalität auf dieser Stufe im Wesentlichen in dem wahrgenommenen Nettonutzen liegt.106 Diese Bedrohung kann u. a. durch die Erfahrungen Dritter mit anderen Anbietern verstärkt werden.
„Wenn man dort bleibt, dann ist für einen selber einfach die Unsicherheit zu groß zu wechseln. Wenn ich unzufrieden bin und von anderen höre, dass ein anderer Anbieter besser ist, dann wechsle ich auch.“107
Zudem führten an dieser Stelle erneut Teilnehmer den Punkt der Abhängigkeiten, der Machtverhältnisse sowie der daraus wahrgenommenen Risiken an.
„Aber man muss zumindest im Auge behalten, welche Konsequenz das hat, wenn man dort weggeht. Also entweder hat man eine gleichwertige Alternative oder eine Alternative, mit der man leben kann oder man sagt sich, ich verzichte da jetzt grundsätzlich darauf. Aber das bedarf schon immer einer sachbezogenen Abwägung. Auch der Risiken muss man sich bewusst sein.“108
Gleichwohl ließ sich anhand der Interviews erkennen, dass die kognitive Loyalität vielmehr die Grundlage für eine Treue des Noncomplainers als eine starke Bindung bildet. Dieser Aspekt ging zutreffend aus den folgenden Aussagen eines Teilnehmers hervor:
„Aber es ist auch immer der Gedanke dabei, ob bei den vielen anderen die gleiche Qualität ist. Wenn ich dann das Beispiel sagen kann, wie bei Banken, da haben wir auch schon mal das Problem, dass wir mit einer Bank als Dienstleister unzufrieden sind. Es gibt ja genügend Banken, zu denen man dann hingehen könnte, aber auch da ist nicht überall die gleiche Qualität vorhanden oder ob man auch da entsprechende Ansprechpartner hat. Weil das Vertrauen, was man ja schon aufgebaut hat, […]. Das muss man ja bei jemand anderem, einem anderen Dienstleister, erst einmal wiederbekommen und haben.“109
Hier wurde zunächst angeführt, dass eine gewisse Bindung aufgrund der angebotenen Qualität herrscht. Diese Bindung wird jedoch durch das affektive Element des Vertrauens verstärkt, welches sich in diesem Fall auf Basis positiver wiederkehrender Erfahrungen mit dem Anbieter aufgebaut hat und eine hohe Wechselbarriere darstellt. Hierbei bekundeten die Teilnehmer, dass diese affektiven Elemente u. a. aus der Beziehung zu ihrem direkten Ansprechpartner oder aus der Leistung an sich resultieren.
„Da arbeiten wir mit einem Personaldienstleister zusammen, über viele Jahre hinweg. Und bei dem Personaldienstleister ist mein Ansprechpartner weggegangen. Ich bin bei dem Personaldienstleister geblieben, war aber dann mit meinem anderen Ansprechpartner total unzufrieden. Bei dem ersten Auftrag, den wir gemeinsam hatten, ein Vertriebler für den Innendienst, der ist total in die Hose gegangen. Und danach habe ich mich bei dem Personaldienstleister auch nicht mehr gemeldet, das ist dann auch so im Sande verlaufen.“110
„Also es kann ja durchaus sein, dass ich sehr zufrieden mit einem Produkt oder mit einer Dienstleistung bin. Dann passiert mal ein irgendein Fehler, der mich total aufregt, aber ansonsten denk ich mir ja, ansonsten bin ich total damit zufrieden. Dann würde ich natürlich auch da bleiben.“111
„Wenn man den schon lange kennt, und die ganzen Erfahrungen hat, die gut waren, sonst wäre man nicht loyal.“112
Folglich lieferten die Gespräche den Hinweis, dass neben kognitiven Informationen die Gesamtzufriedenheit mit dem Anbieter – auch bezüglich des direkten Ansprechpartners – als affektive Komponente die Loyalität eines Noncomplainers positiv beeinflussen kann.
Weiter verdeutlichten die Teilnehmer, dass auch Aspekte, wie bspw. die Reputation des Anbieters, Marken oder eine tiefgründige emotionale Bindung – im Sinne eines Relationship Commitments – auf die Loyalität in Noncomplaining-Situationen positiv wirken können. Hieraus wurden entsprechende Merkmale der konativen Loyalität erkennbar.
„Aber auch da habe ich mich nicht beschwert […] Ich bleibe natürlich einfach bei Adidas, weil Adidas, da hab ich auf jeden Fall ein Involvement zu und ich glaube schon, da ist die Hemmschwelle halt deutlich höher, bis man sozusagen wechselt, wenn man irgendwie ein hohes Involvement hat.“113
„Emotionale Bindung ist absolut ein Thema. […] Man bleibt dann halt doch nochmal da, weil man denkt „ach komm, eigentlich ist es ein netter Kerl und eigentlich komme ich super mit ihm zurecht“. Das dauert länger, bis man abwandert.“114
„Und wenn der eine gute Reputation hat und da was in die Hose geht, dann denke ich schon, dass es wahrscheinlich eher eine Ausnahme sein wird. Weil sonst hätte er nicht diese […] gute Reputation. Dann würde ich ihm eher eine zweite Chance geben, ohne mich zu beschweren.“115
Schließlich zeigte sich auch die Transformation dieser Loyalitätsstufen zu einem tatsächlichen Wiederkaufverhalten – aktionale Loyalität –, da die Befragten ihre Aussagen nicht nur auf Basis von hypothetischen Szenarien, sondern von real erlebten Situationen erläutert haben. Somit lieferten die Gespräche insgesamt erste Hinweise, dass die in Abschnitt 3.​3.​1.​2 entwickelte Erweiterung der ursprünglichen Exit-Voice-Theorie um ein differenziertes Loyalitätsverständnis zweckmäßig ist.

4.2.5.4 Weitere Reaktionsmöglichkeiten

Hieran anknüpfend wurden die Teilnehmer zum Abschluss der Gespräche hinsichtlich weiterer potenzieller Reaktionsmöglichkeiten eines Noncomplainers befragt. Dabei wurde ein sehr heterogenes Bild zwischen den beiden Teilstichproben festgestellt. So bestätigten die Aussagen der Teilnehmer aus dem BtC-Sample die bisherigen Forschungserkenntnisse116 dahingehend, dass sie sich auch im Falle des Verzichts auf eine direkte Beschwerde beim Anbieter in weiteren Reaktionsformen gegenüber Dritten engagieren. Eine besondere Rolle spielten in diesem Zusammenhang soziale Medien, die die schnelle Verbreitung und Vervielfältigung von negativem WoM erheblich vereinfachen.117 So konnten drei wesentliche Reaktionsmöglichkeiten identifiziert werden: privates WoM (innerhalb der Familie, des Freundes- und Bekanntenkreises), öffentliches WoM (z. B. über soziale Medien) und Einschalten von Drittparteien (z. B. Verbraucherzentralen, juristische Unterstützung).
Ferner wurde in der BtC-Stichprobe seitens der Teilnehmer betont, dass das negative Kommunikationsverhalten gegenüber Dritten weitestgehend unabhängig davon ist, ob der Teilnehmer loyal geblieben ist oder den Anbieter gewechselt hat.
Dahingegen zeigte sich in dem BtB-Sample ein differenzierteres Bild. So ließen die Aussagen der Befragten den Schluss zu, dass das private WoM nicht den Familien- und Freundeskreis adressiert, sondern weitere Mitglieder innerhalb des eigenen Buying Centers. Hiervon erhofften sich die Teilnehmer, ihre Kollegen auf mögliche Probleme mit dem Lieferanten aufmerksam zu machen und zur Rücksprache, ob es sich um ein einmaliges Problem handelt, zu Rate zu ziehen.
„Ich würde es auch sagen mit dem Hintergrund „achtet mal mit drauf“, wenn es auch andere betrifft. „Mir ist das da und da so aufgefallen, achtet mal mit drauf, seid mal vorsichtig“. […] Wenn sich das dann häuft, dann wird man sicherlich in irgendeiner Form reagieren müssen.“118
Im Gegensatz hierzu bekundeten viele Teilnehmer, dass sie grundsätzlich zu öffentlichen Beschwerden – bspw. innerhalb der Unternehmensbranche oder über digitale Medien – ein distanziertes Verhältnis pflegten.
„Würde ich eigentlich nicht machen. Weil dann kann ich mich ja auch direkt beim Anbieter beschweren, damit er vielleicht etwas machen kann. So würde ich ja nur erst einmal negativ über den reden, aber habe selbst gar nichts dazu beigetragen, dass er sich überhaupt ändern kann.“119
Dies trat insb. dann in Erscheinung, wenn der Teilnehmer weiterhin mit dem Lieferanten zusammenarbeiten wollte. Hier wurde dann das Risiko in einer Belastung der Geschäftsbeziehung gesehen.
„Gerade öffentlich machen, finde ich sehr, sehr grenzwertig, weil man damit ganze Geschäfte auch, glaube ich, kaputt machen kann.“120
Dahingegen zogen manche Befragte in Betracht, ihren Unmut auch öffentlich zu äußern, sofern sie den Lieferanten stillschweigend gewechselt haben. Dabei wurden die Barrieren reduziert, wenn bereits andere Personen öffentlich ihre Verärgerung über den Lieferanten geäußert haben.
„Ich werde da kein zweites Mal Kunde sein. Ich glaube, erst recht dann neigt man dazu, auch anderen Leuten davon zu erzählen.“121
„Wenn du einmal merkst, dass sich jemand öffentlich darüber beschwert, springt man schon mal gerne auf den Zug auf und gerade, wenn wir jetzt zum Beispiel über wirklich große Unternehmen sprechen. Dann ist glaube ich auch die Hemmschwelle, sich da öffentlich zu beschweren geringer.“122
Angesichts der Einschaltung von Drittparteien – u. a. Verbände oder Anwaltskanzleien – ließ sich jedoch ein homogenes Bild innerhalb des BtB-Samples zeichnen. So wurde gesprächsübergreifend abgelehnt, dass diese Reaktion erfolgen sollte, bevor das Gespräch mit dem Lieferanten gesucht wurde.
„Auch wenn wir uns zwar immer juristischen Beistand eingeholt haben, haben wir immer erst mit dem Anbieter gesprochen.“123
„Ich würde immer erst den Weg über den Lieferanten gehen und sagen „so und so, schaut mal, dass ihr das aus der Welt bekommt“ und dann würde ich zur Not den Anwalt einschalten. Aber ich würde den vorher immer erst ansprechen.“124
Demzufolge lässt sich abschließend festhalten, dass die drei aus dem BtC-Bereich bekannten Reaktionsformen grundsätzlich auch im betrieblichen Kontext von den Teilnehmern angeführt wurden. Hierbei bestanden jedoch wesentliche Unterschiede hinsichtlich des Adressatenkreises und der Frage, ob eine weitere Zusammenarbeit mit dem Lieferanten angestrebt wird oder nicht.

4.2.6 Zusammenfassung des Erkenntnisbeitrags

Das übergeordnete Untersuchungsziel der qualitativen Pilotstudie lag in Vorbereitung der zwei empirisch-quantitativen Erhebungen darin, potenzielle Besonderheiten des Noncomplainer-Verhaltens im betrieblichen Kontext zu identifizieren. Hierbei galt es insb. bis dato unberücksichtigte Antezedenzien des Noncomplainings in einem teils explorativen, teils konfirmatorischen Vorgehen zu untersuchen und erste Erkenntnisse hinsichtlich der in dieser Arbeit im Rahmen der Erweiterung der Exit-Voice-Theorie entwickelten Theoretisierung der Noncomplainer-Loyalität zu gewinnen.
Bezüglich der ersten Forschungsfrage liefert die Studie einen ersten Erkenntnisbeitrag zur Identifikation zentraler Antezedenzien des organisationalen Beschwerdeverhaltens. So konnte zunächst gezeigt werden, dass auch individuelle Persönlichkeitsmerkmale der einzelnen Buying Center-Mitglieder auf das betriebliche Beschwerdeverhalten wirken können. In erster Linie wurden hierbei die Variablen Selbstvertrauen, Empathie, Wut und Extraversion von den Befragten angeführt. Empathie begünstigt dabei den Verzicht auf die Beschwerdeartikulation, während die anderen drei Variablen diese bekräftigen. Gleichwohl muss an dieser Stelle konstatiert werden, dass nur wenige Teilnehmer auf die personenbezogenen Faktoren Bezug genommen haben. Um vor diesem Hintergrund valide Aussagen hinsichtlich des Erklärungsgehaltes der individuellen Persönlichkeitsmerkmale treffen zu können, erscheint eine tiefergehende empirisch-quantitative Erhebung notwendig. Zudem nannten die Studienteilnehmer keine Antezedenzien, die auf die Struktur des Buying Centers oder auf Gruppenprozesse zurückgingen. Da dieser Aspekt jedoch ein fokales Charakteristikum des Beschwerdeverhaltens von Organisationen darstellt, ist auch hier der Bedarf an einer empirisch-quantitativen Erhebung zu sehen.
Mit Blick auf die unternehmensbezogenen Faktoren wurden teils sehr deutliche Unterschiede zwischen beiden Samples erkennbar. So brachten einige Teilnehmer zum Ausdruck, dass das Abwehrverhalten bzw. die kommunizierte Kritikoffenheit des Anbieters maßgeblich zu einem Verzicht auf eine Beschwerde im betrieblichen Kontext beitragen kann. Hierbei wurde vor allem dem direkten Ansprechpartner eine hohe Bedeutung zugeschrieben. Standardisierte oder sogar teils anonyme Beschwerdeformulare wurden dahingegen kritisch gesehen. Die Relevanz des direkten Ansprechpartners ging einerseits darauf zurück, dass dies ein weiteres Antezedens – den Aufwand – reduziert. In diesem Punkt zeigte sich wiederum die für BtB-Märkte charakteristische Bedeutung persönlicher Beziehungen und des damit verbundenen Interaktionsparadigmas. Die aus dem BtC-Kontext bekannten Beschwerdehemmnisse aufgrund der Notwendigkeit eines persönlichen Austauschs zwischen Anbieter und Nachfrager zeigten hier keine Relevanz – ganz im Gegenteil. Ferner lag ein wesentlicher unternehmensbezogener Faktor in der Problemlösungserwartung der BtB-Teilnehmer, sodass hier die Möglichkeit einer partnerschaftlichen Lösung des Problems einen negativen Einfluss auf das Noncomplaining indizierte.
Ein zentraler Erkenntnisgewinn wird angesichts der beziehungsbezogenen Faktoren erzielt. Diesbezüglich lieferten die Gespräche erste Anhaltspunkte, dass die Beziehungsqualität und -dauer eine bedeutsame Stellung einnehmen. So führten die Gespräche zu der Erkenntnis, dass eine gute Kunden-Lieferanten-Beziehung einen negativen Einfluss auf das Noncomplaining ausüben kann. Variablen, wie Vertrauen, motivieren den organisationalen Kunden dazu, seine Beschwerde bei dem Lieferanten in der Hoffnung anzubringen, dass sie das Problem gemeinsam lösen können. In diesem Punkt wurde ein Unterschied zum BtC-Kontext ersichtlich, da hier eine hohe Beziehungsqualität eher einen Verzicht auf die Beschwerdeäußerung mit sich brachte. Ergänzend zur Beziehungsqualität maßen die Teilnehmer des BtB-Samples – analog zu den Überlegungen hinsichtlich des Geschäftstypenansatzes – dem Abhängigkeits- bzw. Machtverhältnis zwischen Anbieter und Nachfrager eine hohe Bedeutung bei. So verzichteten einige Teilnehmer aus machttaktischen Überlegungen auf eine Beschwerde, um das Fortbestehen der Geschäftsbeziehung nicht zu gefährden und nicht aufgrund von Abhängigkeitsbeziehungen mit negativen Konsequenzen konfrontiert zu werden.
Im Rahmen der leistungsbezogenen Faktoren wurde erkennbar, dass neben dem Schweregrad und der Anzahl der Fehler ebenfalls die Attribution der Schuld sowie das persönliche Involvement und Interesse der einzelnen Buying Center-Mitglieder auf das Noncomplaining wirken können. Analog zu den bisherigen Forschungserkenntnissen aus dem BtC-Bereich replizierte die qualitative Pilotstudie im Wesentlichen die markt- und situationsbezogenen Faktoren. Insb. die Verfügbarkeit von Alternativen und die damit einhergehende Höhe der Wechselkosten wurden hier von den Teilnehmern betont.
Schließlich lieferten die Interviews erste Hinweise hinsichtlich der Überlegungen, die mit der in Abschnitt 3.​3.​2.​3 dargelegten Impression Management-Theorie korrespondieren. So nahmen die Befragten teilweise soziale und gesellschaftliche Risiken wahr, wenn sie sich bei ihrem Anbieter beschweren würden, sodass sie auf eine Beschwerde verzichteten. Insb. die Wahrnehmung, dass Beschwerden oder die Äußerung von Kritik gesellschaftlich wenig angesehen und damit negativ konnotiert sind, sprach für eine Entscheidung zu Gunsten des Noncomplainings. Konkret bestand die Sorge unter einigen Teilnehmern, dass sie infolge einer Beschwerde als „Nörgler“ oder „Wutbürger“ eingeordnet würden und mit gesellschaftlichen Konsequenzen rechnen müssten. Dies würde die in diesem Forschungsfeld bisher wenig vorhandenen Erkenntnisse unterstützen.125 Dennoch bedarf es einer konkreten empirisch-quantitativen Prüfung, um valide Aussagen bezüglich der Relevanz der wahrgenommenen gesellschaftlichen Kritikakzeptanz im BtB-Beschwerdeverhalten valide treffen zu können.
Mit Blick auf die zweite Forschungsfrage lieferte die Pilotstudie Hinweise, dass die in Abschnitt 3.​3.​1.​2 vorgenommene Theoretisierung der Noncomplainer-Loyalität auf Basis des Stufenmodells von Oliver (1997) zweckmäßig erscheint, um entsprechende Motive und Intensitätsstufen des Treueverhaltens von Noncomplainern ausdifferenzieren zu können. So zeigte sich, dass die Unterscheidung in die kausal aufeinanderfolgenden Stufen der kognitiven, affektiven, konativen und aktionalen Loyalität als sinnvoll erachtet werden kann. Auch hier traten bspw. die Einflüsse des Machtverhältnisses und der Beziehungsqualität in Erscheinung.
Abschließend konnte die dritte Forschungsfrage dahingehend beantwortet werden, dass auch im BtB-Bereich weitere Reaktionsformen von Noncomplainern in Betracht gezogen werden können. So lässt sich die in der aktuellen Noncomplainer-Forschung geläufige Unterscheidung in privates WoM, öffentliches WoM und das Einschalten von Drittparteien auch auf BtB-Märkten wiedererkennen. Doch bekundeten die Befragten, dass sich das private WoM vielmehr auf das eigene Buying Center richtet und öffentliche Beschwerden tendenziell nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn die Geschäftsbeziehung stillschweigend ausläuft. Der Einschaltung von Drittparteien ging jedoch meist eine unmittelbare Beschwerde beim Anbieter voraus.
Insgesamt konnte die qualitative Pilotstudie einen Beitrag dazu leisten, Erkenntnisse über mögliche Antezedenzien des organisationalen Noncomplainings sowie der Noncomplainer-Loyalität und weiterer Reaktionsformen zu erlangen. Diese Erkenntnisse können geeignete Anknüpfungspunkte für die folgenden zwei empirisch-quantitativen Studien liefern.

4.3 Quantitative Studie 1: Relevanz individueller Persönlichkeitsmerkmale für das organisationale Noncomplaining

4.3.1 Untersuchungsziel und Herleitung der Hypothesen

4.3.1.1 Untersuchungsziel

Die Ausführungen in Abschnitt 2.​4 verdeutlichten bereits, dass Handlungen von Unternehmen – u. a. das organisationale Beschaffungsverhalten – sowohl von individuellen als auch gruppenbezogenen Verhaltensweisen geprägt sind. Daher liegt die Vermutung nahe, dass dies auch für das Beschwerdeverhalten von Unternehmen gegenüber ihren Lieferanten gilt.126 So erscheint denkbar, dass die Persönlichkeit der jeweiligen Buying Center-Mitglieder, neben bspw. der Struktur des Beschaffungsgremiums, das (Nicht-)Beschwerdeverhalten von Unternehmen beeinflussen kann. Vor diesem Hintergrund wird in dieser ersten quantitativen Erhebung zunächst das Individuum isoliert betrachtet. Diesbezüglich zeigte die bisherige Forschung im BtC-Kontext, dass insb. Persönlichkeitsmerkmale eine gute Varianzaufklärung hinsichtlich des individuellen Beschwerdeverhaltens liefern können.127 Erste Hinweise für die Wirkung dieser auf das organisationale Beschwerdeverhalten konnte bereits die qualitative Pilotstudie aufdecken.
Demzufolge soll mit der ersten quantitativen Studie die folgende Forschungsfrage für den BtB-Kontext beantwortet werden:
  • Welche individuellen Persönlichkeitsmerkmale unterscheiden sich zwischen Noncomplainern und Complainern?
Im Rahmen einer tiefgründigen Literaturrecherche der bis dato betriebenen empirischen Noncomplainer-Forschung musste jedoch festgestellt werden, dass zur Untersuchung des Einflusses von Persönlichkeitsmerkmalen auf das Beschwerdeverhalten weitestgehend auf eine geschlossene Theoretisierung verzichtet wird. Vielmehr wurden einzelne Variablen verschiedenen Persönlichkeitsmodellen entnommen und teils kombiniert, ohne dabei auf das vollständige Modell zurückzugreifen. Angesichts der Effizienzsteigerung eines deduktiven Vorgehens, welches auf einer in sich geschlossenen Theoretisierung fußt,128 wird in dieser Studie auf das HEXACO-Persönlichkeitsmodell von Ashton/Lee (2001) zurückgegriffen.

4.3.1.2 HEXACO-Persönlichkeitsmodell

Vor knapp 20 Jahren wurde das HEXACO-Persönlichkeitsmodell von Ashton/Lee (2001) erstmalig in die Literatur eingeführt. Traditionell verfolgten Persönlichkeitsforscher bis zu diesem Zeitpunkt den Ansatz eines Modells mit fünf die Persönlichkeit erklärenden Faktoren.129 Dabei wurde weitestgehend auf das sog. Big Five-Modell von Goldberg zurückgegriffen, welches die fünf Persönlichkeitsmerkmale Extraversion, Agreeableness, Conscientiousness, Emotional Stability and Intellect/Imagination umfasste.130 Diese lexikalischen Dimensionen wurden anschließend von Costa/McCrae (1992) in dem sog. Five-Factor-Modell zur Untersuchung der Persönlichkeit auf Basis von Befragungen weiterentwickelt. Hierbei wendeten sie einen dem Big Five-Modell sehr nahen, aber nicht identischen Ansatz an. Aufgrund seiner Faktoren – Openness to Experience, Conscientiousness, Extraversion, Agreeableness, Neuroticism – etablierte sich dieser Ansatz auch als sog. OCEAN-Modell.131 Obgleich sich dieser Ansatz insb. in der Psychologie-Forschung aufgrund seiner psychometrischen Qualität großer Beliebtheit erfreute, zeigten erste lexikalische Studien in unterschiedlichen Sprachen auf Basis der Faktorenanalyse, dass wiederholt sechs und nicht fünf Persönlichkeitsfaktoren gemessen werden konnten.132 Zudem ließen sich rotierende Positionen dieser Faktoren erkennen, die von der klassischen Achsenlage des Big Five- oder Five-Factor-Modells abwichen.133 Vor diesem Hintergrund schlugen Ashton/Lee (2001) eine Restrukturierung der Persönlichkeitsfaktoren auf Basis eines Sechs-Faktoren-Modells vor und bezeichneten dieses mit Blick auf die Akronyme als HEXACO-Persönlichkeitsmodell. Dieses Modell umfasst die folgenden sechs Faktoren:
  • Honesty-Humility,
  • Emotionality,
  • Extraversion,
  • Agreeableness,
  • Conscientiousness,
  • Openness.134
Diese sechs übergeordneten Faktoren werden wiederum in jeweils vier Facetten ausdifferenziert. Der Hintergrund dieser Modellmodifikation ist, eine höhere Varianzaufklärung von antisozialen (z. B. Machiavellismus) und prosozialen (z. B. Moral, Kooperation) Persönlichkeitsmerkmalen zu gewährleisten.135 Eine Vielzahl an Metaanalysen reichert diese in den Blick genommene Verbesserung der Varianzaufklärung mit den entsprechenden Ergebnissen an und bestätigt das nomologische Geflecht der sechs Persönlichkeitsfaktoren.136 Neben der mittlerweile erfolgten Etablierung des HEXACO-Modells in der Persönlichkeitsforschung mit Bezug auf die verbesserte Validität und Varianzaufklärung spricht die zu vermutende Relevanz von anti- und prosozialen Variablen für das Beschwerdeverhalten für das HEXACO-Modells als geschlossenes theoretisches Fundament.
Der erste Persönlichkeitsfaktor Honesty-Humility setzt sich typischerweise aus den Variablen Ehrlichkeit, Fairness, Aufrichtigkeit und Wohlwollen zusammen.137 Dabei stellt die Ergänzung der bisherigen Modelle um diesen Faktor eines der wesentlichen Charakteristika des HEXACO-Modells dar. Denn Honesty-Humility weist über verschiedene Untersuchungszusammenhänge hinweg eine Steigerung des Erklärungsgehalts über die Fünf-Faktoren-Modelle hinaus auf.138 Insb. dieser Persönlichkeitsfaktor ist durch eine Nähe zu pro- und antisozialem Verhalten gekennzeichnet.139 Ein hoher Honesty-Humility-Score indiziert, dass das Individuum sich in interpersonalen Beziehungen aufrichtig, ehrlich und fair verhält. Niedrige Werte deuten hingegen auf opportunistisch- und Status-geprägte Persönlichkeitsmerkmale hin.
Vielfach wird der Faktor Emotionality mit der entsprechenden Dimension auf dem Big Five-Modell gleichgesetzt – jedoch fälschlicherweise. Dieser Faktor umfasst nämlich keine Aspekte, die sich auf die Reizbarkeit und das Temperament einer Person beziehen, sondern berücksichtigt vielmehr Merkmale wie Sentimentalität und Empfindsamkeit.140 Demzufolge setzt sich dieser Faktor aus den vier Facetten Ängstlichkeit, Sorge, Abhängigkeit und Sentimentalität zusammen. Damit handelt es sich bei Emotionality um eine leicht rotierte Version der Faktoren Neurotizismus und Verträglichkeit aus dem OCEAN-Modell, da das HEXACO-Modell individuell-emotionale und soziale bzw. interpersonelle Aspekte voneinander trennt.141 Hohe Werte sagen damit aus, dass das Individuum eine Tendenz für das verstärkte Empfinden von Angst und Sorgen aufweist sowie schnell Abhängigkeiten und emotionale Bindungen wahrnimmt.142
Der Persönlichkeitsfaktor Extraversion ähnelt dahingegen sehr stark demjenigen aus den Fünf-Faktoren-Modellen. Im Wesentlichen verhält sich ein Individuum extrovertiert, sofern es sehr gesprächig, heiter und gesellig erscheint – und nicht passiv, schüchtern oder leise. Extrovertierte Personen übernehmen damit in Gesprächen einen hohen Redeanteil, genießen soziale Interaktionen und wirken energiegeladen.143 Demzufolge umfasst der Faktor Extraversion die Facetten Ausdruckskraft, gesellschaftlicher Mut, Geselligkeit und Lebhaftigkeit.
Im Gegensatz hierzu unterscheidet sich der Faktor Agreeableness im Vergleich zu seinem namensidentischen Pendant aus dem Big Five-Modell. So integriert das HEXACO-Modell in diesem Faktor die Aspekte Reizbarkeit und Temperament, während diese in den Fünf-Faktoren-Modellen in den Merkmalen Emotional Stability bzw. Neuroticism verortet sind. Insgesamt setzt sich Agreeableness aus den Facetten Vergebung, Höflichkeit, Flexibilität und Geduld zusammen.144 Dieser Faktor zeigt somit an, inwiefern ein Individuum gewillt ist, anderen Personen zu vertrauen und sich gegenüber ihnen nachsichtig zu verhalten. Ferner beschreibt die Facette Flexibilität die Kompromiss- und Kooperationsbereitschaft einer Person. Zudem berücksichtigt die Facette Geduld Eigenschaften, die mit interpersonellem Ärger assoziiert werden, in gegensätzlich gepolter Form.145
Über verschiedene lexikalische Studien146 hinweg erweist sich der Persönlichkeitsfaktor Conscientiousness als definiert durch Organisation, Disziplin, Sorgfalt und eine hohe Arbeitsmoral. Damit kann er weitestgehend identisch zu den Fünf-Faktoren-Modellen behandelt werden. Dabei beinhaltet er die Facetten Organisation, Sorgfalt, Perfektionismus und Klugheit.147 Individuen mit diesen Eigenschaften suchen Ordnung in ihrer physischen Umgebung und sind durch eine hohe Selbst-Disziplin gekennzeichnet. Des Weiteren arbeiten sie gründlich und detaillverliebt. Zudem unterdrücken sie meist impulsive Verhaltensweisen und evaluieren potenzielle Konsequenzen, die sich aus ihren Handlungen ergeben könnten.
Schließlich subsumiert der Faktor Openness in äquivalenter Form zu den Fünf-Faktoren-Modellen Aspekte wie ein hohes Interesse an unkonventionellen und teils exzentrischen Verfahrensweisen oder innovativen Methoden und Experimenten. Hohe Openness-Scores implizieren somit, dass ein Individuum aufgrund seiner Neugierde zwischen Alternativen wechselt148 und Informationen über die ökologische und humane Welt nachgeht. Zudem berücksichtigt Openness die Zuneigung und Offenheit gegenüber Kunst und Kreativität. Konkret setzt sich dieser Faktor aus den Facetten ästhetische Wertschätzung, Neugierde, Kreativität und Unkonventionalität zusammen.149
Insgesamt bringt dieses die einzelnen Persönlichkeitsfaktoren sehr stark ausdifferenzierende Persönlichkeitsmodell mit sich, dass die Psychologie- und Persönlichkeitsforschung mittlerweile weitestgehend das HEXACO-Modell anwendet – und nicht mehr die Fünf-Faktoren-Modelle. Abbildung 4.3 fasst das HEXACO-Modell hinsichtlich seiner Persönlichkeitsfaktoren und den jeweiligen Facetten grafisch zusammen.

4.3.1.3 Hypothesenherleitung

Grundsätzlich beschreibt der Persönlichkeitsfaktor Honesty-Humility „the tendency to be fair and genuine in dealing with others, in the sense of cooperating with others even when one might exploit them without suffering retaliation“150. Dieser Faktor erscheint demzufolge zweckmäßig für die Erklärung kooperativen Verhaltens zu sein. Konkret zeigt dies, dass Individuen mit einem hohen Honesty-Humility-Score mit einem Anbieter kooperieren und ihn nicht aus strategischen bzw. opportunistischen Motiven heraus ausbeuten wollen.151 Niedrigere Werte implizieren wiederum, dass der Versuch unternommen wird, Vorteile auf Kosten des Lieferanten zu erzielen – sofern keine negativen Konsequenzen befürchtet werden müssen. Dieser Fairness-Gedanke deckt sich auch mit den in Abschnitt 3.​3.​2.​1 dargelegten Überlegungen der Equity-Theorie. Pflegt ein Kunde zu seinem Lieferanten eine gute Beziehung und ist er grundsätzlich mit diesem zufrieden, so möchte er sich zwecks einer fairen Austauschbeziehung mit kooperativem Verhalten revanchieren. Ein solches Verhalten wird auch als aktive Kooperation bezeichnet.152 Erste empirische Hinweise für eine positive Wirkungsbeziehung zwischen kooperativem Verhalten und dem Faktor Honesty-Humility lieferten Hilbig/Zettler.153 Ergänzend zeigten die Ergebnisse der qualitativen Pilotstudie, dass das Beschwerdeverhalten im betrieblichen Kontext vielmehr auf die eigentliche Problemlösung als auf die finanzielle Kompensation gerichtet ist und die gemeinschaftliche Lösung von Problemen anstoßen soll.154 Zudem lässt sich an der Problemlösungsorientierung der BtB-Beschwerdeführer ein gewisser Outcome-Fokus erkennen, der sich wiederum in der Verbesserung des eigenen Leistungsangebots widerspiegelt. Diesbezüglich konnten Johnson et al. in einer empirischen Studie bestätigen, dass Honesty-Humility einen positiven Einfluss auf die Job Performance hat.155
Vor diesem Hintergrund kann eine Beschwerde durchaus als kooperatives Verhalten interpretiert werden, indem der Kunde den Lieferanten auf Verbesserungspotenziale aufmerksam macht. Dahingegen würde aus Perspektive des Honesty-Humility-Faktors Noncomplaining im Umkehrschluss als unkooperatives Verhalten verstanden werden.
Zudem liefern die einzelnen Facetten des Faktors Honesty-Humility Indizien dafür, dass mit einer hohen Ausprägung ein gewisses Desinteresse an einem sozialen Status einhergeht.156 Dies würde nach sich ziehen, dass die auf Basis der Impression Management-Theorie hergeleiteten Motive des Noncomplainings – u. a. die Sorge vor sozialen Risiken – hier, wenn überhaupt, geringe Beschwerdebarrieren darstellen würden.
So liegt es nahe, die folgende Hypothese zu formulieren:
H1:
Je stärker Honesty-Humility ausgeprägt ist, desto eher beschwert man sich.
Dahingegen zeichnen sich Individuen mit hohen Emotionality-Scores dadurch aus, dass sie dazu neigen, besorgt, unsicher bzw. nervös zu sein und emotional zu handeln.157 Mit derartigen Aspekten geht einher, dass Individuen auch Sorgen empfinden, sofern sie mit anderen Personen kommunizieren und interagieren müssen.158 Diese Befürchtungen resultieren letztlich darin, dass Individuen ihre tatsächliche Meinung oder Wahrnehmung zurückhalten – z. B. unter der Annahme, dass der Gegenüber verärgert sein könnte und dem Gesagten widerspräche.159 Solches Verhalten tritt insb. bei Individuen auf, die introvertiert sind, sich selbst eine geringe Kompetenz in dem betreffenden Bereich zuschreiben und generell eine geringe Kommunikationsbereitschaft aufweisen.160 Vor allem Beschwerden bieten das Potenzial, dass bei dem Interaktionspartner zunächst eine negative und abwehrende Reaktion ausgelöst wird, die in Widerspruch oder einer Diskussion resultiert. So erscheint denkbar, dass Individuen aufgrund einer hohen Ausprägung des Emotionality-Faktors auf eine Beschwerde aus Angst verzichten. Diese Überlegungen werden durch bisherige Forschungserkenntnisse hinsichtlich des Beschwerdeverhaltens gestützt. Bodey/Grace zeigten, dass eine geringe Selbst-Wirksamkeit, welche in erster Linie ängstlichen und besorgten Individuen zugeschrieben wird, einen negativen Einfluss auf das Beschwerdeverhalten ausübt.161 Zudem kamen Keng et al. zu dem Schluss, dass sich Noncomplainer tendenziell von anderen Personen abhängig fühlen und sich den Rat Dritter einholen, bevor sie selber aktiv handeln.162 Dieser Aspekt könnte mit der Facette Abhängigkeit korrespondieren. Ferner wird in der empirischen Studie von Tronvoll ersichtlich, dass Aspekte wie Angst vor Konsequenzen und Scham einen positiven Einfluss auf das Noncomplaining aufweisen.163 Analog lieferte auch die qualitative Pilotstudie in dieser Arbeit entsprechende Hinweise.
Weiterhin sind Individuen mit einer hohen Emotionality-Ausprägung im betrieblichen Kontext besorgt, dass sie von anderen Personen negativ wahrgenommen werden könnten.164 Mit Blick auf die Überlegungen der Impression Management-Theorie würde dies bedeuten, dass unzufriedene Kunden, die durch hohe Emotionality-Scores charakterisiert sind, auf eine Beschwerde verzichten, um nicht mit einer negativen Wahrnehmung ihrer Person durch Dritte konfrontiert zu werden.
Insofern kann der folgende Wirkungszusammenhang vermutet werden:
H2:
Je stärker Emotionality ausgeprägt ist, desto weniger beschwert man sich.
Individuen mit einem hohen Extraversionsgrad sind gesellig sowie kontaktfreudig und führen gerne aktiv Gespräche.165 Basierend auf dieser Grundeinstellung verhalten sie sich zudem selbstbewusster, durchsetzungsfähiger und ausdrucksvoller als introvertierte Personen.166 Folglich liegt nahe, dass für extrovertierte Individuen die Hemmschwelle zur Artikulation von Unzufriedenheit gegenüber einem Lieferanten geringer ist. Erste empirische Hinweise hierfür lieferten Harris/Mowen167 sowie Richins168. Neben den Erkenntnissen aus der Pilotstudie konnten damit korrespondierend auch in verschiedenen empirischen Studien169 ein positiver Zusammenhang zwischen dem Selbstvertrauen und der Durchsetzungsfähigkeit einer Person und ihrem Beschwerdeverhalten gemessen werden. Zudem konnten Yoo/Gretzel in ihrer Studie eine positive Wirkungsbeziehung zwischen Extraversion und der Intention, negative Gefühle an anderen Personen auszulassen, bestätigen.170
Mit Bezug auf die in der Pilotstudie durch die Teilnehmer zum Ausdruck gebrachte lösungs- und verbesserungsorientierte Beschwerdeäußerung im betrieblichen Kontext lässt sich zudem anführen, dass Extraversion positiv mit der Intention zur Wissensweitergabe in Beziehung steht.171 Damit geht die Erkenntnis einher, dass Extraversion einen positiven Einfluss auf die Lernorientierung eines Individuums ausübt, sodass unzufriedene Kunden auch ein Eigeninteresse zur Problemlösung durch eine Beschwerde aufweisen könnten.172
Basierend auf diesen Überlegungen und bisherigen Erkenntnissen wird der folgende Zusammenhang postuliert:
H3:
Je stärker Extraversion ausgeprägt ist, desto eher beschwert man sich.
Im Allgemeinen werden Personen mit hohen Agreeableness-Scores als vergebend, hilfsbereit und gütig charakterisiert. Vor diesem Hintergrund weist dieser Faktor eine hohe Korrelation mit Skalen, die der Messung von Vergebung dienen, auf.173 Diese Erkenntnisse entsprechen letztlich auch der Definition von Agreeableness nach Ashton/Lee (2001). Demnach tolerieren Individuen mit einer ausgeprägten Agreeableness Verärgerungen, Provokationen und Verstöße zu einem hohen Maße.174 Dem Aspekt des Vergebens liegt die Überlegung nahe, dass sich Individuen zunächst nicht bei einem Lieferanten beschweren, sondern ihm eine zweite Chance und damit eine Möglichkeit zur eigenständigen Verbesserung geben. Dieses Argument wurde in der qualitativen Pilotstudie mehrfach durch die Befragten angeführt. Dabei wird diese Überlegung dadurch gestützt, dass Agreeableness vielmehr eine reaktive und keine aktive Kooperation fördert – und damit im Vergleich zu Honesty-Humility gegensätzlich wirkt.175 Reaktives Kooperationsverhalten entspricht demzufolge nicht dem aktiven Zugehen auf den Lieferanten, sondern eher dem Abwarten. Dies würde gleichermaßen den Verzicht auf eine Beschwerde nach sich ziehen. Ferner zeigte eine empirische Studie von Bearden/Mason, dass Kunden mit niedrigen Agreeableness-Werten den Anbieter eher verlassen und sich entfremden.176 Dahingegen kann vermutet werden, dass Individuen mit einer starken Agreeableness-Ausprägung besorgt über mögliche interpersonelle und beziehungsrelevante Auswirkungen einer Beschwerde sind.177 Ergänzend hierzu besteht die Erkenntnis, dass wenig verträgliche Personen stärker Verhaltensweisen und Sachverhalte wahrnehmen, die nicht ihren Erwartungen und Bedürfnissen entsprechen.178 Dies könnte im Umkehrschluss zur Folge haben, dass Individuen mit einer hohen Agreeableness ein geringeres Unzufriedenheitsniveau aufweisen und sich demnach die Schwelle zur Beschwerdeartikulation verschiebt.
Dementsprechend wird die folgende Hypothese hergeleitet:
H4:
Je stärker Agreeableness ausgeprägt ist, desto weniger beschwert man sich.
Individuen mit hohen Conscientiousness-Scores werden mit einer hohen Selbstdisziplin und ihrem Bedürfnis nach Organisation und Zielerreichung in Verbindung gebracht.179 Zudem wird ihnen zugeschrieben, zielgerichtete Interaktionen einzugehen und angesichts dieser besser Konflikte managen zu können.180 Hierbei ist ihr Verhalten insb. durch eine hohe Zweckgebundenheit, Pflichtbewusstsein, Beharrlichkeit und Intoleranz für Leistungsdefizite gekennzeichnet. Allein die Leistungsorientierung und Tendenz zum Perfektionismus von Individuen mit hohen Conscientiousness-Werten lassen bereits die Vermutung zu, dass sich gewissenhafte Personen – besonders im betrieblichen Kontext – eher bei ihrem Lieferanten über Mängel beschweren. So ist anzunehmen, dass sie von ihrem Lieferanten eine fehlerfreie Leistungserbringung erwarten und Abweichungen vom vorab definierten Zustand nicht akzeptieren bzw. den korrespondierenden Widerspruch unmittelbar kommunizieren werden. Es liegt nahe, dass dies ihrerseits als Aufgabe und Verpflichtung gegenüber dem eigenen Unternehmen wahrgenommen wird. Zudem ist davon auszugehen, dass Personen mit hohen Conscientiousness-Werten aufgrund ihrer eigenen sorgfältigen Vorbereitung und des damit verbundenen Wissens keine Sorgen vor detaillierten Diskussionen mit dem Lieferanten über mögliche Leistungsverschlechterungen verspüren. Diese Vermutung wird dadurch gestützt, dass Hartnäckigkeit und Ausdauer hinsichtlich der Zielerreichung in einen positiven Wirkungszusammenhang mit Conscientiousness gesetzt werden.181
Hinsichtlich des Beschwerdeverhaltens zeigten Bodey/Grace konkret, dass eine hohe wahrgenommene Kontrolle über den Sachverhalt und die Situation einen positiven Einfluss auf das Beschwerdeverhalten ausübt.182 Angesichts der mit Conscientiousness korrespondierenden Attribute ist zu vermuten, dass gewissenhafte Individuen aufgrund ihrer Sorgfalt und Zielstrebigkeit eine hohe Kontrolle beabsichtigen – und auch meist innehaben.
Demzufolge lautet die fünfte Hypothese:
H5:
Je stärker Conscientiousness ausgeprägt ist, desto eher beschwert man sich.
Schließlich ist der sechste Persönlichkeitsfaktor des HEXACO-Modells in Betracht zu ziehen: Openness. Diesbezüglich zeigte die bisherige Forschung, dass Individuen mit einem ausgeprägten Openness-Faktor signifikant flexibler in ihren Überlegungen und Verhaltensweisen sind und so vielfältige Lösungen für bestimmte Sachverhalte finden können.183 Zudem beschreibt Openness die Tendenz, neue Optionen und Ideen zu erfahren sowie sich an intellektuell anspruchsvollen Aktivitäten zu beteiligen.184 Diese Aspekte lassen zweierlei Überlegungen zu. Zunächst erscheint vor dem Hintergrund der ausgeprägten Kreativität und Flexibilität denkbar, dass der Betroffene das entstandene Problem vorerst versucht, selbst zu lösen oder Prozesse umzustellen, die die beschaffte Leistung entbehrlich machen.185 Des Weiteren legt dies nahe, dass Individuen mit hohen Openness-Scores grundsätzlich offen für neue Lösungen und diesen gegenüber nicht aufgrund von Gewohnheitseffekten abgeneigt sind. Hierzu konnte bereits die Erkenntnis gewonnen werden, dass der Faktor Openness positiv mit dem sog. Novelty Seeking korreliert.186 Novelty-Seeking beschreibt grundsätzlich die Neigung von Individuen, neuartige und unbekannte Stimuli explorieren zu wollen.187 Hierunter könnte der Umstieg auf ein(e) neue(s) Produkt bzw. Dienstleistung einzuordnen sein. Die Artikulation einer Beschwerde wäre damit hinfällig, da die Beziehung bewusst beendet werden würde. Neben dem Wechsel der eigentlichen Leistung könnte jedoch auch ein Wechsel des Anbieters durch den Persönlichkeitsfaktor Openness begünstigt werden. Dieses Argument zum Verzicht auf eine Beschwerde wurde bereits in der qualitativen Pilotstudie angeführt.188
Vor diesem Hintergrund wird die folgende Hypothese formuliert:
H6:
Je stärker Openness ausgeprägt ist, desto weniger beschwert man sich.
Insgesamt werden sechs Hypothesen – jeweils pro HEXACO-Persönlichkeitsfaktor eine – hergeleitet, die es nun empirisch zu prüfen gilt. Tabelle 4.4 beinhaltet eine zusammenfassende Übersicht über die aufgestellten Hypothesen.
Tabelle 4.4
Quantitative Studie 1 – Zusammenfassung der Hypothesen
Nr.
Hypothese
H1
Je stärker Honesty-Humility ausgeprägt ist, desto eher beschwert man sich.
H2
Je stärker Emotionality ausgeprägt ist, desto weniger beschwert man sich.
H3
Je stärker Extraversion ausgeprägt ist, desto eher beschwert man sich.
H4
Je stärker Agreeableness ausgeprägt ist, desto weniger beschwert man sich.
H5
Je stärker Conscientiousness ausgeprägt ist, desto eher beschwert man sich.
H6
Je stärker Openness ausgeprägt ist, desto weniger beschwert man sich.

4.3.2 Festlegung des Untersuchungsdesigns

4.3.2.1 Design und Ablauf der Erhebung

Ziel der nun folgenden Erhebung ist die quantitative Prüfung der sechs hergeleiteten Hypothesen. Hierzu stehen verschiedene multivariate statistische Analysemethoden zur Verfügung, welche sich allgemein in strukturprüfende und -entdeckende Verfahren unterteilen lassen. Erstere werden primär zur Durchführung von Kausalanalysen eingesetzt. Dabei werden a priori theoretisch und sachlogisch hergeleitete Zusammenhänge zwischen Variablen betrachtet und anschließend mithilfe multivariater Analysemethoden an empirisch erhobenen Daten überprüft.189 Dahingegen wird den strukturentdeckenden Verfahren das Ziel zugrunde gelegt, Zusammenhänge zwischen Variablen zu entdecken, wobei noch keine Vorstellungen über mögliche Beziehungen existieren.190
Angesichts des Untersuchungsziels der vorliegenden Studie sollte ein strukturprüfendes Verfahren angewendet werden, um so die Hypothesen testen zu können. Zwecks der Analyse der Gruppenunterschiede zwischen Noncomplainern und Complainern bietet sich mit Blick auf die nominal skalierte, binäre abhängige Variable der Einsatz der Diskriminanzanalyse an. Eine konkrete Begründung zur Auswahl dieses Verfahrens sowie eine detaillierte Darlegung der methodischen Grundlagen erfolgt in Abschnitt 4.3.2.2.
Im Anschluss hieran werden auf Basis des HEXACO-PI-R-Inventory von Lee/Ashton die latenten191 Persönlichkeitsfaktoren operationalisiert und die entsprechenden Messmodelle in einem Fragebogen zusammengestellt (Abschnitt 4.3.3). Danach wird in Abschnitt 4.3.4 die Durchführung der Erhebung beschrieben. Anschließend werden die Daten in Abschnitt 4.3.5 unter Zuhilfenahme der Software SPSS Statistics analysiert und die Hypothesen geprüft. Schließlich werden die Ergebnisse dargestellt, diskutiert und Limitationen der Studie aufgezeigt (Abschnitt 4.3.6 und 4.3.7).

4.3.2.2 Methodische Grundlagen der Diskriminanzanalyse

Ziel der quantitativen Studie eins ist es, Unterschiede zwischen Noncomplainern und Complainern im betrieblichen Kontext auf Basis der sechs verschiedenen Persönlichkeitsfaktoren des HEXACO-Modells zu untersuchen. Ein geeignetes Verfahren zur Analyse solcher Gruppenunterschiede stellt die sog. Diskriminanzanalyse dar.192
Grundsätzlich eignet sich die Diskriminanzanalyse als multivariate Methode, die Beziehung zwischen einer kategorialen abhängigen und mehreren metrisch skalierten unabhängigen Variablen zu prüfen.193 Demnach liegt der wesentliche Unterschied zur klassischen Regressionsanalyse darin, dass die Werte der abhängigen Variable lediglich eine Gruppenzugehörigkeit angeben.194 Konkret können mit diesem Verfahren zwei Ziele verfolgt werden: die Identifikation beschreibender Variablen, die zwischen Gruppen diskriminieren (Diskriminierungsaufgabe), oder die Prognose über die Gruppenzugehörigkeit neuer Beobachtungen (Klassifizierungsaufgabe).
Zunächst sind die Gruppen zu definieren und darauf aufbauend die Diskriminanzfunktion zu spezifizieren. Im vorliegenden Fall sind die zwei Gruppen einerseits Noncomplainer und andererseits Complainer. Die (kanonische) Diskriminanzfunktion entspricht dabei einer Linearkombination der beschreibenden Variablen (hier: die Persönlichkeitsfaktoren des HEXACO-Modells):
Y = b0 + b1X1 + b2X2 + … + bjXj
mit
Y: abhängige Variable (Gruppierungsvariable)
b0: konstanter Term
bj: Diskriminanzkoeffizient der unabhängigen (beschreibenden) Variable j
Xj: unabhängige (beschreibende) Variable j.195
Für jede Beobachtung sagt die Diskriminanzfunktion damit einen Wert der Gruppierungsvariable Y vorher, wobei die Koeffizienten so geschätzt werden, dass sich die Gruppen möglichst stark in den Werten der abhängigen Variable unterscheiden. Mit Blick auf die metrische Skalierung der unabhängigen Variablen resultiert aus dieser Schätzung ebenfalls eine metrische Diskriminanzvariable Y, aus der schließlich die jeweilige Gruppenzugehörigkeit abgeleitet werden kann.196 Hierzu werden zunächst die Mittelwerte – die sog. Zentroide – jeder Gruppe sowie der kritische Diskriminanzwert berechnet. Je nach Über- oder Unterschreiten des kritischen Werts werden die Beobachtungen der jeweiligen Gruppe zugeordnet. Da die bloße Betrachtung der Gruppenmittelwerte jedoch nicht genügt, ist die Streuung der Diskriminanzwerte innerhalb der Gruppen neben den Unterschieden in den Gruppenmittelwerten bei der Beurteilung der Trennschärfe zu berücksichtigen. Demzufolge sollte die Streuung innerhalb der Gruppe möglichst gering und die Unterschiede zwischen den Gruppenmittelwerten möglichst groß sein.197 Formal wird dies mithilfe des sog. Diskriminanzkriteriums Г ausgedrückt:
$$\Gamma = \frac{{\text{Streuung zwischen den Gruppen}}}{{\text{Streuung innerhalb der Gruppen}}}$$
Grundsätzlich kann im Rahmen der Diskriminanzanalyse zwischen einem unabhängigen sowie schrittweisen Schätzverfahren differenziert werden. Während im ersten Fall die unabhängigen Variablen simultan berücksichtigt werden, werden diese im schrittweisen Verfahren entsprechend ihrer Trennschärfe sequentiell in die Diskriminanzfunktion eingefügt. Konkret wird zunächst die Variable, die die größte Trennschärfe aufweist, aufgenommen und anschließend jede unabhängige Variable berücksichtigt, die gemeinsam mit der ersten Variable wiederum zum höchsten Wert des Diskriminanzkriteriums führt.198
Zur Beurteilung der Güte der Diskriminanzfunktion wird in der Regel auf das Diskriminanzkriterium zurückgegriffen.199 Der maximale Wert des Diskriminanzkriteriums ist ein Maß für die Trennkraft der Diskriminanzfunktion und wird auch als Eigenwert bezeichnet. Auf Basis des Eigenwerts kann der Anteil der erklärten Streuung an der Gesamtstreuung berechnet werden, wodurch eine ähnliche Interpretation wie die des Bestimmtheitsmaßes aus der Regressionsanalyse ermöglicht wird.200 Neben dem Anteil der erklärten Streuung lässt sich im Zwei-Gruppen-Fall die sog. kanonische Korrelation zur Gütebeurteilung heranziehen. Diese entspricht im Zwei-Gruppen-Fall der einfachen Korrelation zwischen den geschätzten Diskriminanzwerten und der Gruppierungsvariable.201 Damit beträgt der maximale Wert der kanonischen Korrelation eins. Des Weiteren kann die Güte der geschätzten Diskriminanzfunktion mithilfe des sog. Wilks-Lambda beurteilt werden. Dieses ist ein inverses Maß, sodass ein kleinerer Wert eine höhere Trennkraft aussagt.202 Dabei wird die nicht erklärte Streuung ins Verhältnis zur Gesamtstreuung gesetzt.
Neben der Diskriminanzfunktion als Ganze gilt es ergänzend die Trennschärfe der einzelnen Variablen zu beurteilen. So kann zunächst auf Basis des Diskriminanzkriteriums ein F-Test durchgeführt werden. Das Ergebnis entspricht hierbei demjenigen einer univariaten ANOVA und sagt damit aus, ob sich die Gruppen hinsichtlich der unabhängigen Variable signifikant unterscheiden.203 Zusätzlich kann auch für jede einzelne Variable analog zur Gütebeurteilung der Diskriminanzfunktion ein Wert für Wilks-Lambda berechnet werden. Abschließend kann die relative Relevanz der einzelnen erklärenden Variablen zur Trennung der Gruppen mithilfe der standardisierten Diskriminanzkoeffizienten beurteilt werden.204
Schließlich liegen der Diskriminanzanalyse drei Modellannahmen zugrunde: die multivariate Normalverteilung, gleiche Varianz-Kovarianz-Matrizen in den Gruppen und keine Multikollinearität.205

4.3.3 Operationalisierung und Messinstrumente der Konstrukte

Um latente – also nicht unmittelbar zu beobachtende – Variablen messen zu können, bedarf es einer entsprechenden Konstruktoperationalisierung. Ziel hiervon ist es, geeignete Messindikatoren auszuwählen, die die theoretisch entwickelten Beziehungen auf „Entsprechungen in realen Gegebenheiten“206 übertragen. Hierbei lassen sich latente Variablen auf zwei verschiedene Arten messen: reflektiv oder formativ.
Reflektive Messmodelle gehen auf einen faktoranalytischen Ansatz zurück. Demnach verursacht die latente Variable die Ausprägungen der beobachtbaren Variablen in kausaler Weise.207 Dabei wird angenommen, dass die beobachtbaren Variablen jeweils unabhängig von den anderen das Konstrukt wiedergeben.208 Es ist jedoch anzumerken, dass die gewählten reflektiven Indikatoren jeweils nur einen Anteil aller denkbaren Indikatoren darstellen, sodass einzelne Indikatoren ausgetauscht oder entfernt werden können, ohne dass die Bedeutung des Konstrukts verändert wird. Formative Messmodelle gehen dahingegen von einer gegensätzlichen Wirkungsrichtung aus. Demnach wird somit die latente Variable von den Indikatoren beeinflusst, wobei nicht zwangsläufig eine Einflussnahme der anderen Indikatoren vorliegt.209 In diesem Fall führt eine Veränderung der Indikatoren auch zu einer Veränderung des Konstrukts, da die Indikatoren jeweils einem separaten Merkmal des Konstrukts entsprechen.
In der vorliegenden Studie wird auf bereits ausreichend validiertes Skalenmaterial aus der bestehenden Literatur zurückgegriffen und auf eine Eigenentwicklung verzichtet. Hierbei werden ausschließlich reflektive Messmodelle verwendet.
Ashton/Lee (2009) haben bereits zusätzlich zum eigentlichen HEXACO-Modell das entsprechende Skalenmaterial in sieben verschiedenen Sprachen (u. a. Deutsch) entwickelt: das sog. HEXACO Personality Inventory. Je nach Untersuchungsgegenstand und Erhebungsziel wird hierbei zwischen verschiedenen Skalen ausgewählt, die sich in der Anzahl der Indikatoren unterscheiden. Die Grundlage für das Skalenmaterial der vorliegenden Studie bildet das HEXACO-PI-R in seiner Variante mit 60 Items – je zehn pro Persönlichkeitsfaktor. Dieses eignet sich insb. für Erhebungen, in denen die Fragenbogenlänge begrenzt werden soll.210 Obgleich einer im Vergleich zu den längeren Skalen niedrigeren Reliabilität, legte eine Meta-Analyse dar, dass die Version mit 60 Indikatoren die entsprechenden Grenzwerte ebenfalls eindeutig überschreitet.211 Analog zu den Empfehlungen von De Vries wurde diese Skala auf jeweils vier Indikatoren pro Persönlichkeitsfaktor reduziert.212 Hierbei erfolgte die Reduktion der Items auf Basis von sowohl praktischen als auch theoretischen Überlegungen.213 Gemäß den Vorgaben von Ashton/Lee erfolgte die Abfrage der Indikatoren mithilfe einer Likert-Skala mit fünf Stufen von „stimme überhaupt nicht zu“ (= 1) bis „stimme voll zu“ (= 5).214 Zudem wurde zwecks dem Entgegenwirken von Probandenmüdigkeit auf sog. Reverse-Coded Items zurückgegriffen.215 Tabelle 4.5 stellt das zur Messung der sechs Persönlichkeitsfaktoren verwendete Skalenmaterial überblicksartig dar.
Zur Messung der abhängigen Variable Noncomplaining wurde zwecks der Erhebung von tatsächlichen Verhaltensdaten und der Reduktion von Verzerrungen durch bspw. Szenarien die Critical-Incident-Technique verwendet. Demzufolge sollten sich die Befragten an die in den letzten drei Monaten tatsächlich erlebten Beschwerdevorfälle im betrieblichen Kontext erinnern. Angesichts der Gruppenunterscheidung in Noncomplainer und Complainer wurde hier analog zu Ro (2014) die Frage so formuliert, dass eine dichotome Beantwortung mit „ja“ bzw. „nein“ erfolgte.216
Anschließend wird die Durchführung der Erhebung dargelegt.
Tabelle 4.5
Quantitative Studie 1 – Operationalisierung der Persönlichkeitsfaktoren
Persönlichkeitsfaktor
Facette
Kürzel
Indikator
Honesty-Humility
Aufrichtigkeit
HoHu01
Ich denke, dass ich mehr Respekt verdiene, als ein durchschnittlicher Mensch. (r)
Aufrichtigkeit
HoHu02
Ich will, dass alle wissen, dass ich eine wichtige, angesehene Person bin. (r)
Ehrlichkeit
HoHu03
Ich würde nicht vortäuschen, jemanden zu mögen, nur um diese Person dazu zu bringen, mir Gefälligkeiten zu erweisen.
Fairness
HoHu04
Ich würde in Versuchung geraten, Falschgeld zu benutzen, wenn ich sicher sein könnte, damit durchzukommen. (r)
Emotionality
Ängstlichkeit
Em01
Ich kann manchmal nichts dagegen machen, dass ich mir über kleine Dinge Sorgen mache.
Abhängigkeit
Em02
Wenn ich wegen einer schmerzvollen Erfahrung leide, brauche ich jemanden, der mich tröstet.
Sentimentalität
Em03
Ich könnte weinen, wenn ich andere Personen sehe, die weinen.
Sentimentalität
Em04
Ich bleibe emotionslos, selbst in Situationen, in denen die meisten Leute sehr sentimental werden. (r)
Extraversion
Lebhaftigkeit
Ex01
An den meisten Tagen bin ich fröhlich und optimistisch.
Gesellsch. Mut
Ex02
In sozialen Situationen bin ich gewöhnlich der, der den ersten Schritt macht.
Geselligkeit
Ex03
Das erste, was ich an einem neuen Ort tue, ist, Freundschaften zu schließen.
Gesellsch. Mut
Ex04
Wenn ich in einer Gruppe von Leuten bin, bin ich oft derjenige, der im Namen der Gruppe spricht.
Agreeableness
Vergebung
Ag01
Ich habe selten Wut im Bauch, nicht mal gegen Leute, die mich sehr ungerecht behandelt haben.
Vergebung
Ag02
Meine Einstellung gegenüber Personen, die mich schlecht behandelt haben, ist „vergeben und vergessen“.
Höflichkeit
Ag03
Ich neige dazu, nachsichtig zu sein, wenn ich andere beurteile.
Höflichkeit
Ag04
Selbst wenn Leute viele Fehler machen, sage ich nur selten etwas Negatives.
Conscientiousness
Klugheit
Co01
Ich treffe Entscheidungen eher aus dem Bauch heraus als durch sorgfältiges Nachdenken. (r)
Organisation
Co02
Wenn ich arbeite, habe ich manchmal Schwierigkeiten, weil ich unorganisiert bin. (r)
Klugheit
Co03
Ich mache viele Fehler, weil ich nicht nachdenke, bevor ich handele. (r)
Klugheit
Co04
Ich ziehe es vor, das zu tun, was mir gerade in den Sinn kommt, anstatt an einem Plan festzuhalten. (r)
Openness
Neugierde
Op01
Ich bin daran interessiert, etwas über die Geschichte und Politik anderer Länder zu lernen.
Ästh. Wertschätzung
Op02
Wenn ich die Gelegenheit dazu hätte, würde ich gerne ein Konzert mit klassischer Musik besuchen.
Kreativität
Op03
Man hat mir schon oft gesagt, dass ich eine gute Vorstellungskraft habe.
Unkonventionalität
Op04
Ich finde es langweilig, über Philosophie zu diskutieren. (r)

4.3.4 Durchführung der Erhebung

4.3.4.1 Methodik der Datenerhebung und -aufbereitung

Die Datenerhebung, um die theoretisch hergeleiteten und operationalisierten Variablen zur Auswertung mittels der Diskriminanzanalyse messen zu können, erfolgte über die Erhebungsmethode einer Online-Befragung mit standardisiertem Fragebogen.217 Als Online-Tool für Befragungen wurde hierfür auf die Plattform Qualtrics zurückgegriffen. Um Selektionseffekte bei der Teilnehmerakquisition zu vermeiden, erfolgte die Datenerhebung mithilfe der Unterstützung des Marktforschungsinstituts Respondi AG. Die Vorteile eines solchen Vorgehens liegen insb. in einem erhöhten Ausmaß an Objektivität und einer ausgeprägten Kompetenz hinsichtlich der Durchführung.218 Im vorliegenden Kontext konnte auf diese Weise zudem die Herausforderung der Generierung einer ausreichend großen BtB-Stichprobe gelöst werden. Die a priori vorgenommene Erstellung und Programmierung des Fragebogens sowie die Auswertung der Daten wurde hierbei jedoch nicht an das Marktforschungsinstitut ausgelagert. Ausschließlich die Akquisition und Kontaktaufnahme zu (potenziellen) Teilnehmern wurde seitens der Respondi AG übernommen. Diesbezüglich wurden jedoch entsprechende Vorgaben hinsichtlich der benötigten Stichprobe – u. a. eine ausreichende Varianz in der Unternehmensgröße und den Buying Center-Rollen – kommuniziert.
Bevor mit der Erhebung gestartet werden konnte, wurde zuvor noch ein kognitiver Pretest219 in einem BtB-Sample mit n = 10 durchgeführt. Hierzu wurde die sog. Think-Aloud-Methode angewendet. Diese diente dazu, dass die Teilnehmer ihre aufkommenden Gedanken und Eindrücke während der Bearbeitung des Fragebogens an den Ersteller äußern konnten, um mögliche Anpassungsbedarfe zu identifizieren.220 Es zeigte sich jedoch, dass keine Anpassungen aufgrund eines mangelnden Verständnisses notwendig waren. Anschließend konnte die Erhebung in dem Zeitraum vom 30. September 2021 bis zum 08. Oktober 2021 durchgeführt werden. Hierbei konnten insgesamt 147 Datensätze erhoben werden.
Im Anschluss hieran wurden die Daten auf Basis verschiedener Kriterien bereinigt. Zunächst wurden alle Datensätze nicht berücksichtigt, in denen der jeweilige Teilnehmer ausgeschlossen hatte, dass die Antworten im Rahmen der Studie verwendet werden dürfen. Des Weiteren wurden alle Fragebögen eliminiert, in denen die Critical-Incident-Frage nach dem Erlebnis eines Beschwerdefalls in den letzten drei Monaten mit „Nein“ beantwortet wurde. Letztlich wurden die Daten noch in manueller Vorgehensweise auf Ausreißer, Straightlining und Missing Values geprüft.221 Hierbei wurden erstere mithilfe von Boxplot-Diagrammen analysiert, durch entsprechende Mittelwerte ersetzt und mit dem Cook´s Difference-Test überprüft. Hinsichtlich der Missing Values wird in der Literatur in der Regel ein Anteil von mehr als 10 % als problematisch beurteilt.222 Diese Grenze wurde auch in der vorliegenden Datenbereinigung zugrunde gelegt. Im Falle eines Überschreitens wurde das Verfahren der Mittelwertimputation angewendet. Hierbei wurden die fehlenden Werte durch die entsprechenden Mittelwerte, die auf Basis des arithmetischen Mittels berechnet wurden, ersetzt. Angesichts dieser Kriterien wurden insgesamt 32 Datensätze als eliminierungswürdig beurteilt, sodass final n = 115 Datensätze in die weitere Auswertung eingingen. Mithilfe eines G*Power-Tests nach Faul et al. wurde eine optimale Stichprobengröße von n = 112 berechnet.223 Dementsprechend wurden die methodischen Vorgaben erfüllt.
Abschließend wurden im Rahmen der Datenaufbereitung die drei Modellannahmen der Diskriminanzanalyse geprüft. Hierbei zeigte sich, dass die Voraussetzungen für die Diskriminanzanalyse erfüllt wurden und somit nicht auf das Verfahren der logistischen Regression zurückgegriffen werden musste.224

4.3.4.2 Zusammensetzung der Stichprobe

Im Folgenden soll nun die Zusammensetzung der Stichprobe auf Basis deskriptiver Statistiken dargestellt werden. So beträgt das durchschnittliche Alter der Studienteilnehmer ca. 52 Jahre (MW = 51,99 Jahre, SD = 11,20 Jahre) bei einer Geschlechterverteilung von 66,9 % männlichen und 33,1 % weiblichen Befragten.225
29,2 % der Teilnehmer verfügen über eine abgeschlossene Berufsausbildung. Als anteilig größte Gruppe gaben 35 % an, dass sie einen Universitätsabschluss (Master, Diplom oder Staatsexamen) aufweisen können. 7,5 % der Befragten sind promoviert. Abbildung 4.4 fasst die Bildungsabschlüsse der Studienteilnehmer grafisch zusammen.
Ein Großteil der Befragten arbeitet in kleinen und mittelständischen Unternehmen. So gaben 34,2 % an, Einzelunternehmer zu sein. Des Weiteren stammen kumuliert 32,4 % der Teilnehmer aus Unternehmen, die bis zu 20 Mitarbeiter beschäftigen. Der Anteil an Befragten aus Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern beträgt 33,4 %. Dieser Fokus auf kleine und mittelständische Organisationen ermöglicht eine adäquatere Prüfung der Einflüsse der Persönlichkeitsmerkmale auf das organisationale Beschwerdeverhalten, da angenommen werden kann, dass dort die Beschaffungsprozesse weniger automatisiert sind und vermehrt von Individuen(-gruppen) vollzogen werden. Abbildung 4.5 gibt einen Überblick über die Unternehmensgrößen – gemessen an der Anzahl an Beschäftigten.
Die Auswertung der Fragen bezüglich des Critical Incidents zeigt, dass sich 49,6 % der Befragten nicht beschwert und 50,4 % bei ihrem Lieferanten beschwert haben. Diese Gleichverteilung der beiden Gruppen ist mit Blick auf die Methodik der Diskriminanzanalyse vorteilhaft. Hierbei bezogen sich die Vorfälle bei 48,4 % der Teilnehmer auf Produkte und bei 51,6 % auf Dienstleistungen, sodass beide Leistungstypen berücksichtigt werden können. Zudem zeigt sich hinsichtlich der wahrgenommenen Buying Center-Rollen ein differenziertes Bild. So haben sich einige Befragte nur eine Rolle zugeschrieben (z. B. Entscheider, Benutzer, Einkäufer), während sich weitere Teilnehmer auch mehreren Rollen zugeordnet haben. Abbildung 4.6 zeigt die Verteilung der Stichprobe hinsichtlich der Buying Center-Rollen.

4.3.5 Datenanalyse und -auswertung

4.3.5.1 Güteprüfung des Messmodells

Zur Prüfung der Güte des in Abschnitt 4.3.3 vorgestellten Messmodells lassen sich insb. die Kriterien der Validität und der Reliabilität heranziehen, sodass die Messinstrumente auf Basis ihrer inhaltlichen Gültigkeit (Validität) und ihrer Zuverlässigkeit (Reliabilität) beurteilt werden können.226 Konkret erscheinen hierfür vier Kriterien zweckmäßig: die Inhaltsvalidität, die Indikator- und Konstruktreliabilität sowie die Diskriminanzvalidität.227
Zunächst lässt sich mithilfe der Inhaltsvalidität prüfen, inwiefern die gewählten Indikatoren des Messmodells dem inhaltlich-semantischen Bereich des zu messenden Konstrukts entsprechen und dieses somit inhaltlich wiedergeben. Hierzu wurde zunächst eine „quasi“ explorative Faktorenanalyse (EFA) durchgeführt, um eine ein-faktorielle Lösung hinsichtlich der Faktorenstruktur der gemessenen Konstrukte verifizieren zu können.228 Zusätzlich wurde die Inhaltsvalidität mithilfe des Kaiser-Meyer-Olkin Kriteriums (KMO) sowie des Bartlett-Tests geprüft. So soll das KMO mindestens einen Wert von 0,6 annehmen und die Null-Hypothese des Bartlett-Tests abgelehnt werden.229 Demnach konnte die Inhaltsvalidität für alle Konstrukte mit Ausnahme von Honesty-Humility ohne Anpassungen bestätigt werden (Tabelle 4.6). Bei dem Faktor Honesty-Humility bildete das Item HoHu03 im Rahmen der EFA einen eigenen Faktor, sodass dieses eliminiert wurde.
Die Indikatorreliabilität gibt den Anteil der Varianz eines Indikators bzw. einer manifesten Variable wieder, der durch die latente Variable erklärt wird.230 Diese liegt dann vor, wenn mehr als 50 % der Varianz eines Indikators durch die latente Variable erklärt werden können. Vor diesem Hintergrund lassen sich die Forderungen für die Faktorladungen der Indikatoren ableiten, dass diese einerseits signifikant sein und andererseits den Wert von 0,7 übersteigen sollen.231 Auch wenn für reflektive Skalen mithin auch ein liberaler Grenzwert von 0,4 akzeptiert wird232, wird in der vorliegenden Reliabilitätsprüfung der konservative Wert von 0,7 zugrunde gelegt. Ergänzend hierzu wurde die korrigierte Item-to-Total-Korrelation (KITK) in Betracht gezogen. Diese sollte mindestens den kritischen Wert von 0,3 übersteigen. Auf Basis dieser Kriterien wurden die beiden Items Em04 und Op07 entfernt. Eine vollständige Übersicht über alle verwendeten Items befindet sich in Anhang 7 im elektronischen Zusatzmaterial.
Es schließt sich die Beurteilung der Konvergenzvalidität auf Konstruktebene an. Diese fußt auf der durchschnittlich extrahierten Varianz (DEV), welche auf Basis der gemittelten quadrierten Faktorladungen der Indikatoren für das jeweilige Konstrukt berechnet wird. Hierbei sollen Werte von 0,5 übertroffen werden, sodass das latente Konstrukt mindestens 50 % der Varianz seiner Indikatoren erklären kann.233 Dieses Kriterium ist für alle Konstrukte erfüllt (Tabelle 4.6).
Die Konstruktreliabilität zeigt, inwiefern die Indikatoren inhaltlich konsistent sind.234 Zur Beurteilung wird das Maß Cronbachs Alpha herangezogen. Üblicherweise wird hierfür eine Untergrenze von 0,7 empfohlen.235 An dieser Stelle ist jedoch darauf hinzuweisen, dass dieser Schwellenwert keinesfalls in dogmatischer Weise angewendet werden sollte, sondern mit Blick auf das jeweilige Konstrukt und die Anzahl der verwendeten Items zu bewerten ist.236 So zeigten bspw. McCrae et al. (2010) im vorliegenden Kontext der Persönlichkeitsmodelle, dass Skalen mit einem Cronbachs Alpha von unter 0,6 vergleichbare Validitätswerte aufzeigten wie Skalen mit höheren Reliabilitätswerten. Demzufolge kann dieses Kriterium als erfüllt beurteilt werden (Tabelle 4.6). Zusätzlich wird zur Beurteilung der Konstruktreliabilität auf die Faktorreliabilität (FR) zurückgegriffen. Diese gibt an, wie exakt der Faktor durch die jeweiligen Indikatoren gemessen wird. Die kritischen Werte der Untergrenzen liegen bei 0,7 (konservativ) bzw. 0,6 (liberal).237 Angesichts der errechneten Werte (Tabelle 4.6) kann geschlussfolgert werden, dass alle Konstrukte hinreichend gut durch ihre Indikatoren gemessen werden.
Tabelle 4.6
Quantitative Studie 1 – Ergebnisse der Validitäts- und Reliabilitätsprüfung
Persönlichkeits-
faktor
Inhaltsvalidität
Konvergenzvalidität
Konstruktreliabilität
KMO
Bartlett-Test
DEV
Cronbachs Alpha
FR
Honesty-Humility
0,632
***
0,584
0,629
0,808
Emotionality
0,647
***
0,581
0,639
0,806
Extraversion
0,737
***
0,591
0,768
0,851
Agreeableness
0,778
***
0,601
0,776
0,858
Conscientiousness
0,726
***
0,559
0,735
0,836
Openness
0,662
***
0,614
0,674
0,826
*** = Signifikanzniveau p < 0,001
Neben der oben durchgeführten isolierten Beurteilung der Messmodelle der einzelnen Faktoren sind diese auch hinsichtlich ihrer Beziehung zueinander zu überprüfen. Diesbezüglich beschreibt die Diskriminanzvalidität den Grad, zu dem ein gemessenes Konstrukt sich tatsächlich von allen anderen Konstrukten der Messung unterscheidet, d. h. ein Phänomen misst, welches nicht durch die anderen Variablen der Diskriminanzfunktion erklärt werden kann.238 Zur Beurteilung der Diskriminanzvalidität wird das Fornell-Larcker-Kriterium angewendet.239 Demnach ist das Kriterium erfüllt, sofern die DEV eines Konstrukts stets jede quadrierte Korrelation dieses Konstrukts mit einem beliebigen anderen Konstrukt übersteigt.240 Gem. Tabelle 4.7 wird ersichtlich, dass die Diskriminanzvalidität bestätigt werden kann. Hierzu werden den DEV, welche sich auf der Diagonalen befinden, die quadrierten Korrelationen gegenübergestellt.
Tabelle 4.7
Quantitative Studie 1 – Fornell-Larcker-Kriterium
 
HoHu
Em
Ex
Ag
Co
Op
HoHu
0,584
         
Em
0,025
0,581
       
Ex
0,013
0,003
0,591
     
Ag
0,004
0,001
0,110
0,601
   
Co
0,027
0,040
0,000
0,000
0,559
 
Op
0,013
0,067
0,082
0,029
0,023
0,614
quadrierte Korrelationen/DEV auf Diagonalen (fettgedruckt)
Abschließend gilt es zu prüfen, ob eine Methodenverzerrung durch den sog. Common Method Bias (CMB) vorliegt. Diese ist dann gegeben, wenn Korrelationen zwischen den Konstrukten zu beobachten sind, die auf das gewählte Erhebungsverfahren zurückgehen und damit keine tatsächlichen Wirkungsbeziehungen abbilden.241 Mittels eines ex-post durchgeführten Harmans Ein-Faktor-Tests konnte kein CMB festgestellt werden.242

4.3.5.2 Hypothesenprüfung

Nachdem das Messmodell als hinreichend valide und reliabel beurteilt werden konnte, kann nun mithilfe der Diskriminanzanalyse mit der Prüfung243 der in Abschnitt 4.3.1.3 hergeleiteten Hypothesen fortgefahren werden. Analog zu den Empfehlungen von Backhaus et al. (2021) und den Ausführungen hinsichtlich der methodischen Grundlagen der Diskriminanzanalyse in Abschnitt 4.3.2.2 werden zunächst die Ergebnisse der Diskriminanzfunktion betrachtet, bevor anschließend die Diskriminanzkoeffizienten einzeln in den Blick genommen werden. Tabelle 4.8 fasst die Ergebnisse der Diskriminanzanalyse überblicksartig zusammen.244
Der Wert des Wilks-Lambdas beträgt 0,824 bei einem Signifikanzniveau von p = 0,002. Dies weist darauf hin, dass die Diskriminanzfunktion als Ganze signifikant zur Trennung zwischen Noncomplainern und Complainern auf Basis des HEXACO-Modells beiträgt. Die kanonische Korrelation als Maß für die Trennkraft der Diskriminanzfunktion beträgt 0,420. Der Eigenwert – also der Maximalwert des Diskriminanzkriteriums – ist mit 0,214 anzugeben. Hieraus ergibt sich, dass die sechs Persönlichkeitsfaktoren eines Individuums 17,6 % der Varianz des organisationalen Beschwerdeverhaltens erklären können. Die Klassifikationsmatrix zeigt ebenfalls, dass die Diskriminanzfunktion eine gute Trennkraft aufweist. Diese gibt im Sinne einer 2 × 2-Matrix die Anzahl der richtig und falsch zugeordneten Beobachtungen wieder. So wurden auf Basis der Diskriminanzfunktion knapp 72 % der Noncomplainer auch als solche identifiziert. Ferner wurden 69 % der Complainer korrekt zugeordnet. Diese Werte sind als akzeptabel einzuschätzen.245 Insgesamt ist angesichts dieser Ergebnisse zu schlussfolgern, dass die Diskriminanzfunktion auf Basis des HEXACO-Modells dazu geeignet ist, zwischen Noncomplainern und Complainern zu trennen.
Sodann kann mit den Ergebnissen der einzelnen Persönlichkeitsfaktoren innerhalb des Modells fortgefahren werden. Der Persönlichkeitsfaktor Honesty-Humility weist eine signifikante Trennschärfe der Gruppen auf (β = 0,395; p < 0,01). Damit trägt Honesty-Humility positiv zur Beschwerdeartikulation bei. Auch die Trennschärfe von Emotionality konnte als signifikant bestätigt werden (β = −0,500; p < 0,01). Hier zeigte sich jedoch ein negativer Einfluss auf die Äußerung einer Beschwerde und damit ein positiver Effekt auf das Noncomplaining. Dahingegen erwiesen sich die Einflüsse der Persönlichkeitsfaktoren Extraversion (β = −0,121; p > 0,05) und Agreeableness (β = −0,101; p > 0,05) isoliert als nicht signifikant. Conscientiousness wies wiederum eine signifikante Trennschärfe auf (β = 0,630; p < 0,001) – gleichzeitig die stärkste. Somit führt das Vorliegen eines hohen Grads an Conscientiousness stärker zur Beschwerdeartikulation. Schließlich konnte hinsichtlich des Persönlichkeitsfaktors Openness kein signifikanter Trenneffekt gemessen werden (β = −0,251; p > 0,05).
Tabelle 4.8
Quantitative Studie 1 – Ergebnisse der Diskriminanzanalyse
Ergebnisse der Diskriminanzfunktion
Wilks-Lambda
Eigenwert
Kanonische Korrelation
Signifikanz
   
0,824
0,214
0,420
0,002
   
Ergebnisse der einzelnen Diskriminanzkoeffizienten
Persönlichkeitsfaktor
Stand. Koeffizient
F-Statistik
Signifikanz
Honesty-Humility
0,395
7,08
**
Emotionality
−0,500
6,68
**
Extraversion
−0,121
1,17
n.s.
Agreeableness
−0,101
1,00
n.s.
Conscientiousness
0,630
12,36
***
Openness
−0,251
0,10
n.s.
Klassifizierungsergebnisse
   
Vorhergesagte Gruppenzugehörigkeit
Tatsächliche Gruppenzugehörigkeit
 
Noncomplainer
Complainer
Noncomplainer
71,9 %
28,1 %
Complainer
31,0 %
69,0 %
Somit wurden 70,4 % der ursprünglich gruppierten Fälle korrekt klassifiziert.
Signifikanzniveau:
*** = p < 0,001; ** = p < 0,01; * = p < 0,05; n.s. = p > 0,05
Insgesamt lassen sich demzufolge drei der sechs aufgestellten Hypothesen bestätigen. Tabelle 4.9 gibt einen zusammenfassenden Überblick über die Ergebnisse der Hypothesenprüfung.
Tabelle 4.9
Quantitative Studie 1 – Zusammenfassung der Hypothesenprüfung
Nr.
Hypothese
Ergebnis
H1
Je stärker Honesty-Humility ausgeprägt ist, desto eher beschwert man sich.
Bestätigt
H2
Je stärker Emotionality ausgeprägt ist, desto weniger beschwert man sich.
Bestätigt
H3
Je stärker Extraversion ausgeprägt ist, desto eher beschwert man sich.
Nicht bestätigt
H4
Je stärker Agreeableness ausgeprägt ist, desto weniger beschwert man sich.
Nicht bestätigt
H5
Je stärker Conscientiousness ausgeprägt ist, desto eher beschwert man sich.
Bestätigt
H6
Je stärker Openness ausgeprägt ist, desto weniger beschwert man sich.
Nicht bestätigt

4.3.6 Zusammenfassung des Erkenntnisbeitrags und Diskussion der Ergebnisse

Der Untersuchungsgegenstand der vorliegenden quantitativen Erhebung war der Einfluss der Persönlichkeit der individuellen Buying Center-Mitglieder auf das organisationale Beschwerdeverhalten. Konkret war die Zielsetzung, zu untersuchen, inwiefern sich individuelle Persönlichkeitsmerkmale zwischen Noncomplainern und Complainern im betrieblichen Kontext unterscheiden. Erste Hinweise für mögliche Zusammenhänge konnte bereits die qualitative Pilotstudie liefern.
Zunächst konnte gezeigt werden, dass die Persönlichkeit eines einzelnen Buying Center-Mitglieds – operationalisiert auf Basis des HEXACO-Modells – grundsätzlich einen Einfluss auf die Entscheidung, ob sich ein unzufriedenes Unternehmen bzw. Buying Center infolge einer Leistungsverschlechterung bei seinem Lieferanten beschwert oder nicht, ausübt. Genauer gesagt konnten 17,6 % der Varianz des Beschwerdeverhaltens mithilfe des gewählten Persönlichkeitsmodells erklärt werden. Auf den ersten Blick mag eine derart bezifferte Varianzaufklärung zwar eher gering erscheinen, doch gilt es diese in Relation zu den nicht berücksichtigten Antezedenzien des Noncomplainings zu beurteilen. Angesichts der Existenz weiterer Einflussfaktoren (unternehmens-, beziehungs-, markt- bzw. situations-, leistungs- und gesellschaftsbezogene)246 sowie Besonderheiten des organisationalen Verhaltens (z. B. die noch zu untersuchenden Gruppenstrukturen) stellt sich diese als geradezu bemerkenswert hoch heraus. Diese Einschätzung wird zudem dadurch gestützt, dass die durch Persönlichkeitsmerkmale begründete Varianzaufklärung des Beschwerdeverhaltens im BtC-Bereich in einigen empirischen Studien auf einem vergleichbaren Niveau eingeordnet wurde. So betrug diese bspw. in den Untersuchungen von Bodey/Grace sowie Harris/Mowen jeweils knapp über 20 %247 – und damit lediglich marginal mehr als in der vorliegenden Studie im BtB-Bereich. Demzufolge hat die individuelle Persönlichkeit auch im betrieblichen Kontext einen wesentlichen Einfluss auf die (Nicht-)Artikulation einer Beschwerde. Dieser ist im Wesentlichen auf drei der sechs Persönlichkeitsmerkmale zurückzuführen: Honesty-Humility, Emotionality und Conscientiousness.
Hierbei zeigte Honesty-Humility einen positiven Einfluss auf die Äußerung einer Beschwerde. Somit trägt u. a. das Fairness-Empfinden des Individuums dazu bei, dass eine Beschwerde unmittelbar an den Lieferanten weitergegeben wird. Hieraus geht hervor, dass die Überlegungen der Equity-Theorie auch im vorliegenden BtB-Kontext zur Varianzaufklärung beitragen können – wobei jedoch eine andere Wahrnehmung von (Un-)Fairness erfolgt. Diesbezüglich wird ein fokaler Unterschied zum BtC-Bereich insofern erkennbar, als dass der Persönlichkeitsfaktor Honesty-Humility faires und ehrliches Verhalten gegenüber anderen Personen oder Institutionen umfasst248 – und nicht die gegenüber dem Individuum selber gezeigte Fairness. Demnach wird eine Beschwerde im betrieblichen Bereich vielmehr aus Fairness gegenüber dem Lieferanten geäußert, damit dieser auf Verbesserungspotenziale aufmerksam gemacht wird – als vor dem Ziel der Wiederherstellung einer eigenen wahrgenommenen Ungerechtigkeit. Dieser Aspekt wurde bereits mehrfach von den Teilnehmern der qualitativen Pilotstudie geäußert. Vor dem Hintergrund der Definition von Honesty-Humility ist die Beschwerdeartikulation somit eher als prosoziales und Noncomplaining als antisoziales Verhalten einzuordnen. Damit erfolgt eine Beschwerde im betrieblichen Kontext stärker aus kooperativen als opportunistischen Motiven, was wiederum einen wesentlichen Unterschied zum BtC-Bereich darstellt. Zudem drückt ein ehrlicher Umgang des Individuums das Vorliegen von Vertrauen aus und kann damit als positives Zeichen einer guten Beziehungsqualität gesehen werden.249 Im Umkehrschluss würde dies nach sich ziehen, dass Noncomplaining vielmehr Ausdruck einer gefährdeten Beziehung zwischen Kunde und Lieferant ist, wodurch erneut die Risiken von Noncomplainern zur Erreichung psychographischer und ökonomischer Zielgrößen ersichtlich werden.
Dahingegen wies Emotionality einen negativen Einfluss auf die Beschwerdeartikulation auf. Demzufolge werden die Erkenntnisse aus der Pilotstudie, dass auch das organisationale Beschwerdeverhalten durch individuell empfundene Ängste, Sorgen oder Gefühle wie Mitleid bzw. Empathie geprägt ist, bestätigt. Sofern das Buying Center-Mitglied eine gewisse Unsicherheit oder Sorge vor einer argumentativen Auseinandersetzung mit dem Lieferanten empfindet, verzichtet es somit auf eine Beschwerdeäußerung. In Anbetracht dessen, dass Emotionality auch die Wahrnehmung von Abhängigkeiten umfasst250, entscheiden sich Individuen mit einer starken derartigen Merkmalsausprägung möglicherweise auch eher aus Sorge vor der Reaktion und potenziellen Konsequenzen bzw. Risiken für das Noncomplaining – insb. wenn starke Abhängigkeitsbeziehungen und aus Kundensicht unvorteilhafte Machtverhältnisse vorliegen. Ein hoher Emotionality-Grad könnte zudem lediglich vorläufig mit dem Verzicht auf eine unmittelbare Beschwerde beim Lieferanten verbunden sein, sodass das Individuum beabsichtigt, sich aufgrund der empfundenen Unsicherheit zunächst innerhalb des Buying Centers rückzuversichern und den Vorfall weiteren Mitgliedern zur Konsultation zu stellen. Ferner liegt die Vermutung nahe, dass der negative Einfluss eines ausgeprägten Emotionality-Faktors ebenfalls aus Motiven, die mit der Impression Management-Theorie und gesellschaftlichen Risiken einhergehen, resultiert.251 Im Rahmen der Beschwerdestimulierung sollte demzufolge fokussiert werden, derartige Unsicherheiten und Sorgen zu adressieren und diese dem Kunden zu nehmen.252
Demgegenüber konnte in der vorliegenden Studie jedoch kein signifikanter Effekt des Persönlichkeitsfaktors Extraversion nachgewiesen werden. Eine mögliche Ursache für diese Ablehnung der hergeleiteten Hypothese könnte darin verortet sein, dass Extraversion regelmäßig ausschließlich mit positiven Erfahrungen korreliert – und nicht mit negativen.253 Demzufolge käme die in diesem Persönlichkeitsfaktor berücksichtigte Aktivität und Gesprächigkeit eher im Zuge positiver als negativer Situationen zum Ausdruck. Zudem erscheint denkbar, dass sich Extraversion erst unter Berücksichtigung von z. B. situativen Faktoren als relevanter Einfluss erweist.254 Ferner könnte eine mögliche Voraussetzung für den Einfluss von Extraversion auf das Beschwerdeverhalten sein, dass überhaupt die Möglichkeit zu einer direkte Interaktion via Gespräch bzw. Diskussion mit einem Ansprechpartner zur Verfügung steht und die Beschwerdeartikulation nicht über ein standardisiertes Formular ohne persönlichen Kontakt erfolgt. Dieser Aspekt wird bspw. durchaus als Kritik an einem isolierten Einsatz von Online-Formularen zur Beschwerdeäußerung angeführt.255 Demnach gilt es aus Anbieterperspektive, interaktive Elemente der Beschwerdestimulierung zu verfolgen. Schließlich sind extrovertierte Individuen meist durch eine hohe Teamorientierung gekennzeichnet.256 Dies könnte wiederum mit sich bringen, dass Personen mit einer hohen Extraversion die Situation zunächst innerhalb des Buying Centers diskutieren wollen, bevor eine Beschwerde direkt an den Lieferanten artikuliert wird. Dahingehend ließen sich Mediations- oder Moderationseffekte über die Gruppenkomponente vermuten.
Eine weitere Insignifikanz war hinsichtlich des Einflusses des Persönlichkeitsfaktors Agreeableness zu verzeichnen. Dieser Faktor wird zu großen Teilen mit den Aspekten Vergebung und Toleranz assoziiert.257 Angesichts der Ergebnisse der vorliegenden Studie sowie den Überlegungen der erweiterten Exit-Voice-Theorie könnte dies bedeuten, dass Agreeableness nicht das Beschwerdeverhalten an sich, sondern das Loyalitätsverhalten im Anschluss an eine (Nicht-) Beschwerde im Zuge einer Leistungsverschlechterung beeinflusst. Demnach würde sich eine erhöhte Toleranz von Fehlern und eine Tendenz zur Vergebung nicht im Noncomplaining äußern, sondern stattdessen im Verbleib beim Anbieter und dem Geben einer zweiten Chance resultieren. Gleichwohl wäre denkbar, dass Agreeableness nicht eine nachgelagerte Stufe im Rahmen der erweiterten Exit-Voice-Theorie, sondern eine vorgelagerte beeinflusst. So zeigte sich in der bisherigen Forschung eine positive Wirkung von Agreeableness auf das Zufriedenheitsniveau.258 Folglich geht mit einem hohen Agreeableness-Score ein höherer Schwellenwert von Unzufriedenheit einher, d. h. eine Situation wird erst ab einem deutlich schwerwiegenderen Ausmaß überhaupt als Beschwerdefall wahrgenommen. Demnach könnte Agreeableness auch auf die vorgelagerte Stufe der Unzufriedenheitsentstehung einen Einfluss ausüben – und nicht auf das Beschwerdeverhalten an sich.
Der fünfte Persönlichkeitsfaktor Conscientiousness zeigte wiederum einen positiven Einfluss auf die Äußerung einer Beschwerde. Angesichts dieses Ergebnisses kann geschlussfolgert werden, dass sich organisierte, gewissenhafte und leistungsorientierte Individuen im betrieblichen Kontext eher bei ihrem Lieferanten beschweren. Es ist zu vermuten, dass dies auf ihr Pflichtbewusstsein – auch ihrem eigenen Unternehmen gegenüber – zurückzuführen ist und die Unzufriedenheitsartikulation vielmehr als Teil ihrer Arbeitsaufgabe denn als Aufwand angesehen wird. Diese Überlegung geht damit einher, dass Individuen mit hohen Conscientiousness-Werten versuchen, ihre Ziele oder die des Unternehmens mithilfe von Perfektionismus und Qualitätsbewusstsein zu erreichen.259 Vor diesem Hintergrund würde es ihrer eigenen Auffassung widersprechen, Fehler bzw. Leistungsverschlechterungen kommentarlos hinzunehmen und hierdurch in Anbetracht der Mehrstufigkeit von BtB-Märkten eine zufrieden stellende Leistungserbringung gegenüber den eigenen Kunden zu gefährden. Eine Problemlösung mit dem Lieferanten wird somit als essenziell für den eigenen Leistungserfolg und die Generierung der KKV beurteilt. Neben der Bedrohung des Unternehmenserfolgs ist davon auszugehen, dass gewissenhafte Individuen sich auch aus eigennützigen Motiven beschweren, da mögliche Fehler auch auf sie selbst zurückfallen könnten und innerhalb des eigenen Unternehmens Rechenschaft dafür abgelegt werden müsste.
Abschließend konnte kein signifikanter Effekt des Persönlichkeitsfaktors Openness gemessen werden. Diesbezüglich war in der Hypothesenherleitung vermutet worden, dass insb. die mit diesem Konstrukt einhergehende Offenheit für neue Erfahrungen und Novelty- bzw. Variety-Seeking-Motive einen Anbieterwechsel ohne Beschwerdeäußerung erleichtern. Für diese Insignifikanz sind in erster Linie zwei mögliche Argumente anzuführen. So erscheint denkbar, dass der Einfluss von Openness – ähnlich wie bei Agreeableness – sich vielmehr in der Reaktion nach der (Nicht-)Beschwerde zeigt, d. h. in der Entscheidung, ob ein Anbieterwechsel bzw. die Fortführung der Geschäftsbeziehung avisiert wird oder nicht. Zudem ist kritisch anzumerken, inwiefern die Openness-Attribute mit Blick auf die potenziell festgelegten Prozesse und Strukturen eines Unternehmens überhaupt zum Tragen kommen können. Je nach Buying Center-Rolle und der damit korrespondierenden Machtposition können die Entscheidungs- und Handlungsspielräume der einzelnen Mitglieder wiederum sehr stark begrenzt sein260, sodass derartige kommentarlose Anbieterwechsel die zugeordneten Kompetenzen übersteigen – oder bspw. aufgrund von Lieferverträgen überhaupt nicht möglich sind.
Insgesamt kann jedoch konstatiert werden, dass das Forschungsziel der vorliegenden Studie erreicht wurde.

4.3.7 Limitationen der Studie

Obwohl die Forschungsfrage im Rahmen der durchgeführten empirischen Untersuchung beantwortet werden konnte, sind dennoch Limitationen der Studie anzuführen.
Hinsichtlich der verwendeten Stichprobe ist anzumerken, dass zu großen Teilen Mitarbeiter aus kleinen und mittelständischen Unternehmen befragt wurden. Demnach erscheint zumindest denkbar, dass das dortige Beschwerdeverhalten tendenziell dem individuellen Beschwerdeverhalten im BtC-Bereich nähersteht als dasjenige von Großunternehmen bzw. Konzernen. Gleichwohl wird dieser Limitation durch eine differenzierte Berücksichtigung der verschiedenen Buying Center-Rollen Rechnung getragen, sodass etwa zwei Drittel der Befragten keine Entscheiderrolle bzw. Inhaberposition innehatten. Ebenfalls mit Blick auf die Besonderheiten von BtB-Märkten ergibt sich die Limitation, dass die Einflüsse der individuellen Persönlichkeitsmerkmale isoliert und frei von Verzerrungen durch die für Buying Center typischen Gruppenprozesse betrachtet wurden.
Auch hinsichtlich der Messinstrumente sind verschiedene Limitationen anzuführen. So besteht neben der hier gewählten Persönlichkeitsmessung über Self-Reports die Möglichkeit zur Verwendung von sog. Observer-Reports. Diese verhindern mögliche Verzerrungen durch Selbstbeurteilungen bzw. -wahrnehmungen, sodass eine Kombination von Self- und Observer-Reports als vorteilhaft gesehen werden kann.261 Zudem überschritten die im Vergleich zu den Originalskalen auf jeweils vier Items gekürzten Messmodelle der einzelnen Faktoren die Grenzwerte der Konvergenzvalidität und Skalenreliabilität lediglich knapp. Des Weiteren sollte für zukünftige Studien überdacht werden, inwiefern die Skala des Faktors Openness inhaltlich zu modernisieren ist. So berücksichtigt das HEXACO-PI-R ausgiebig Aspekte der Kultur und Philosophie – und weniger die für diese Studie vor allem relevanten Novelty- und Variety-Seeking-Motive.

4.4 Quantitative Studie 2a: Relevanz der Buying Center-Struktur und der gesellschaftlichen Kritikakzeptanz für das organisationale Noncomplaining

4.4.1 Untersuchungsziel und Herleitung der Hypothesen

4.4.1.1 Untersuchungsziel

Wie bereits in den Ausführungen hinsichtlich der Modelle des organisationalen Beschaffungsverhaltens erläutert wurde, ist dieses durch ein gewisses Wechselspiel von individuellen und gruppenbezogenen Einflussfaktoren und Handlungen gekennzeichnet. Resultierend hieraus lässt sich eine Gruppenentscheidung – z. B. ob im Zuge einer Leistungsverschlechterung eine Beschwerde eingereicht wird oder nicht – als Folge individuellen Informations- und Entscheidungsverhaltens und der anschließenden Aggregation dessen beschreiben.262 Nachdem bereits in der ersten quantitativen Studie der Einfluss der individuellen Persönlichkeit auf das Noncomplaining in den Blick genommen wurde, soll nun der Fokus auf die Multipersonalität von Entscheidungen auf BtB-Märkten und der damit verbundenen Gruppenstruktur gerichtet werden. So ist freilich zu vermuten, dass bspw. die Anzahl der involvierten Personen auf Nachfragerseite, formale Verhaltensrichtlinien, verschiedene Ansichten bzw. Interessen oder eine unterschiedlich stark ausgeprägte Betroffenheit das (Nicht-)Beschwerdeverhalten beeinflussen können. Zur Konzeptualisierung der Gruppenstruktur bietet sich mit Blick auf die Erläuterungen in Abschnitt 2.​4.​2 das Buying Center-Konzept an. Angesichts von Kriterien wie dem Umfang, dem Formalisierungsgrad oder der Heterogenität der Mitglieder können hiermit gruppenbezogene Aspekte und in Anbetracht des Rollenkonzepts simultan individuelle Einflüsse berücksichtigt werden. Zudem bezieht die situationsbezogene Zusammensetzung des Buying Centers spezifische Merkmale bestimmter Beschaffungssituationen und damit auch Beschwerdefällen mit ein. Vor diesem Hintergrund kann die folgende Forschungsfrage formuliert werden:
  • Welchen Einfluss übt die Struktur eines Buying Centers auf die Einstellung zum Noncomplaining aus?
Ergänzend hierzu wird in der vorliegenden Studie einem Aspekt Rechnung getragen, der durchaus einen Einfluss auf das Noncomplainer-Verhalten auf BtB-Märkten haben kann, aber welchem in der bisherigen Diskussion in der Marketingforschung wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Konkret wird vermutet, dass die Bereitschaft eines Buying Centers zur Äußerung einer Beschwerde gegenüber dem Lieferanten nicht unabhängig von gesellschaftlichen Entwicklungen und Einflüssen sein wird, die zunächst auf die einzelnen Mitglieder des Buying Centers individuell und hierdurch auf das Gruppenverhalten insgesamt wirken. Hierbei stellt sich die Frage, ob und inwiefern eine Veränderung der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Kritik einen Einfluss auf die kundenseitige Äußerung dieser – genauer auf das Noncomplainer-Verhalten auf BtB-Märkten – ausüben kann.263 So erscheint vor dem Hintergrund der in Abschnitt 3.​3.​2.​3 vorgestellten Impression Management-Theorie in Erwägung zu ziehen, dass Noncomplainer in bestimmten Situationen auch im betrieblichen Kontext soziale Risiken verspüren – bspw. dahingehend, dass sie von Lieferanten und weiter gefasst in der Gesellschaft als „Nörgler“ oder „Querulant“ angesehen werden.264 Flankiert wird diese Vermutung davon, dass sich eine kritische Wahrnehmung der vorherrschenden Diskussionskultur – insb. hinsichtlich des Umgangs mit negativ konnotierten Äußerungen – registrieren lässt.265 Allerdings konnten infolge einer ausgiebigen Literaturrecherche keine sichtbaren empirischen Nachweise gefunden werden, inwiefern eine sich wandelnde, gesellschaftliche Akzeptanz kritischer Äußerungen das betriebswirtschaftlich relevante Noncomplainer-Verhalten gegenüber Lieferanten beeinflusst. Angesichts dieser Beobachtung widmet sich die vorliegende Untersuchung ergänzend der folgenden Forschungsfrage:
  • Welchen Einfluss spielt in diesem Zusammenhang die wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz?
In den folgenden Kapiteln schließt sich die Herleitung der Untersuchungshypothesen an.

4.4.1.2 Wirkung der Buying Center-Struktur

Zur Konzeptualisierung der Multipersonalitätskomponente im Rahmen des organisationalen Beschwerdeverhaltens kommt das bereits in Abschnitt 2.​4.​2 ausführlich vorgestellte Buying Center-Konzept zum Einsatz. Dieses entspricht einer gedanklichen Zusammenfassung aller Individuen, die an einem organisationalen Beschaffungsprozess beteiligt sind, aber wiederum weder formal noch institutionell in der Organisationsstruktur verankert ist.266 Im Wesentlichen wird die Struktur des Buying Centers über die Organisationsstruktur (u. a. Anzahl an Mitarbeitern), den Formalisierungsgrad sowie die beteiligten Individuen – insb. hinsichtlich ihrer Heterogenität, Betroffenheit und ihrer Rollen – abgebildet.267 Angesichts dieser in der Marketingforschung etablierten Konzeptualisierung der Buying Center-Struktur wird auch im Zuge der vorliegenden Studie auf diese Merkmale zurückgegriffen.
Ausgangspunkt der Buying Center-Struktur bildet hierbei die Unternehmensgröße. An dieser Stelle ist jedoch zu betonen, dass sich diese im vorliegenden Kontext auf die Komplexität und den Umfang der Organisationsstruktur bezieht und damit die konkrete Anzahl an Mitarbeitern des Unternehmens umfasst.268 Diese Überlegung geht schließlich darauf zurück, dass die organisationale Größe – gemessen an der Mitarbeiterzahl – einen direkten Einfluss auf die Struktur und den Umfang des Buying Centers aufweist.269 Denn kleinen Unternehmen wohnt in der Regel keine umfassende, formalisierte Beschaffungsstruktur inne.270 Anstatt komplexer Einkaufsgremien, deren Handlungen auf Basis verschiedener Interaktionsprozesse bestimmt werden, entscheiden meist Geschäftsführer oder bevollmächtigte Personen isoliert über die jeweilige Beschaffung – insb. in Situationen der Unsicherheit und Komplexität, die u. a. durch Leistungsfehler seitens des Lieferanten ausgelöst werden können.271 Auch empirisch konnte bereits gezeigt werden, dass die Größe des Unternehmens mit einem größeren Umfang des Buying Centers einhergeht.272 Somit kann im Rahmen der Konzeptualisierung die Unternehmensgröße als Surrogat des Buying Center-Umfangs verwendet werden.273 Zudem konnte empirisch bereits von Berkowitz und Bellizzi gezeigt werden, dass große Unternehmen zur Bewältigung des Arbeitsalltags eine Reihe von Beschaffungsrichtlinien und -vorgaben für die verschiedenen Abteilungen einrichten.274 Dies reduziert wiederum die individuellen Entscheidungsfreiheiten der einzelnen Buying Center-Mitglieder.
Dieser Aspekt spielt auf das Ausmaß des Formalisierungsgrads eines Buying Centers an. Im Kern beschreibt dieser, zu welchem Ausmaß das Verhalten der Individuen und damit letztlich auch der Gruppe auf formalen Regeln, Vorgaben und Richtlinien fußt. Somit erfolgt eine Standardisierung der Tätigkeiten der beteiligten Personen und Abteilungen.275 Diesbezüglich liegt nahe, dass mit steigender Anzahl an involvierten Personen der Bedarf an einem hohen Formalisierungsgrad wächst, da situationsbezogen weitreichende Informations-, Kommunikations- sowie Koordinationsprozesse erforderlich werden. Vor diesem Hintergrund wird hinsichtlich der Buying Center-Struktur zunächst folgender Wirkungszusammenhang postuliert.
H1:
Die Unternehmensgröße hat einen positiven Einfluss auf den Formalisierungsgrad des Buying Centers.
Zudem ist ein entsprechender Wirkungszusammenhang zwischen der Unternehmensgröße und der Heterogenität des Buying Centers zu vermuten. Letztere skizziert die Vielfalt der einzelnen involvierten Buying Center-Mitglieder – und zwar bspw. hinsichtlich ihrer Rollen, Abteilungen, Interessen, Erfahrungen, Funktionen oder hierarchischen Positionen innerhalb des Unternehmens.276 Ist ein Buying Center somit durch eine hohe Heterogenität charakterisiert, müssen Individuen aus unterschiedlichen Abteilungen mit verschiedenen Kenntnissen und Zielen miteinander interagieren. Hinsichtlich der Beziehung zwischen der Unternehmensgröße und der Heterogenität der Mitglieder ist zu vermuten, dass eine steigende Anzahl an Mitarbeitern eine zunehmende Vielfalt an beteiligten Individuen und Abteilungen, die sich hinsichtlich ihrer Fähigkeiten, Eigenschaften und Interessen unterscheiden, impliziert. Demzufolge ist die folgende Hypothese zu formulieren.
H2:
Die Unternehmensgröße hat einen positiven Einfluss auf die Heterogenität des Buying Centers.
Angesichts einer ausgeprägten Heterogenität kann jedoch vermutet werden, dass diese nur dann erfolgreich gewährleistet werden kann, sofern durch einen hohen Formalisierungsgrad entsprechende Richtlinien zur Koordination vorliegen. Denn ausschließlich eine gewisse Prozessstandardisierung sowie formale Zuweisung von Aufgaben können gewährleisten, dass die Tätigkeitsbereiche und Verantwortlichkeiten der einzelnen Buying Center-Mitglieder eindeutig abgegrenzt werden.277 Zudem erscheint die Heterogenität der Individuen und Abteilungen eine wesentliche Quelle für Konflikte innerhalb des Buying Centers zu sein.278 So liegt die Vermutung auf der Hand, dass weitere Individuen aus möglicherweise anderen Abteilungen mit komplementären Fähigkeiten in das Buying Center eingereiht werden können, sobald formalisierte Richtlinien geschaffen wurden. Demzufolge liegt nahe, dass die Entwicklung eines geeigneten Formalisierungsgrads eine notwendige Voraussetzung für effiziente Prozesse innerhalb des Buying Centers ist.
H3:
Der Formalisierungsgrad des Buying Centers hat einen positiven Einfluss auf die Heterogenität des Buying Centers.
Insb. bei größeren und angesichts der zuvor hergeleiteten Hypothesen auch bei heterogenen Buying Centern sinkt die Betroffenheit und Partizipation des einzelnen Mitglieds. Dies wird darauf zurückgeführt, dass die Verantwortung nun bei vielen Individuen verortet wird – und nicht nur bei wenigen oder ggf. nur einem.279 Empirische Nachweise für derartige Effekte sind vor allem in der psychologieorientierten Gruppenverhaltensforschung zu finden.280 Demnach erscheinen die persönlichen Risiken und damit der Handlungsbedarf des Einzelnen geringer, was wiederum in einer Art „Verstecken innerhalb der Gruppe“ und damit insgesamt in einer Inaktivität resultieren könnte281 – insb. unter Berücksichtigung der potenziellen Konflikte und Unannehmlichkeiten, die mit der Beschwerdeartikulation einhergehen können. So könnte bspw. zwar der Benutzer der unmittelbar Leidtragende der fehlerhaften Leistung sein, aber nicht die formale (Macht-)Position innehaben, eine Beschwerde tatsächlich einreichen bzw. vorantreiben zu können. Aufgrund der eigenen geringen Betroffenheit verzichten wiederum die für das Einreichen einer Beschwerde verantwortlichen Mitglieder auf diese. Hierzu könnte zudem beitragen, dass es bspw. dem Einkäufer – welcher vermutlich die Beschwerde formal einreichen müsste – mangels Anwendungswissens hinsichtlich der betroffenen Leistung schwerfallen könnte, den Beschwerdefall ausreichend beurteilen und an den Lieferanten fachgerecht kommunizieren zu können. Diese Überlegung wird durch den Gedanken flankiert, dass Individuen lieber mit solchen Teammitgliedern interagieren und diese unterstützen, die ihnen selber in ihren Charakteristika und Aufgaben ähneln.282 Kooperatives Verhalten innerhalb des Buying Centers kann damit aufgrund einer heterogenen Struktur behindert werden.283 Zudem zeigen diverse Beiträge, dass die Heterogenität von Gruppenmitgliedern allgemein zu einer geringeren Leistungsfähigkeit und Performance einer Gruppe beitragen kann.284 Demnach können stark voneinander abweichende Meinungen und Interessen die Entscheidungsfindung signifikant erschweren, was wiederum die Wahrscheinlichkeit zur Inaktivität – also dem Verzicht auf eine Beschwerde – steigern könnte.
Abschließend lässt sich aus diesen Überlegungen schlussfolgern, dass die Heterogenität eines Buying Centers zu einem höheren koordinativen und damit zeitlichen Aufwand führt, der zunächst mit der Beurteilung eines Beschwerdefalls und später mit einer sich möglicherweise anschließenden Beschwerdeäußerung gegenüber dem Lieferanten verbunden ist. Angesichts der in Abschnitt 3.​2 dargelegten allgemeinen Noncomplaining-Formel würden die Kosten der Beschwerde somit bei gleichbleibendem erwarteten Nutzen steigen, wodurch die Residualgröße zwischen den Kosten und dem Nutzen einer Beschwerde sinken bzw. negativ werden würde.285 Noncomplaining wäre somit die Folge. Da dieser weitestgehend koordinativ verursachte Kostenfaktor von der Größe und der Heterogenität des Buying Centers hervorgerufen wird – und damit relativ unabhängig von dem konkreten Beschwerdevorfall ist –, ist zu vermuten, dass hierdurch ein positiver Einfluss auf die generelle Einstellung zum Noncomplaining des Buying Centers genommen wird. Insofern kann der folgende Wirkungszusammenhang postuliert werden:
H4:
Die Heterogenität des Buying Centers hat einen positiven Einfluss auf die Einstellung zum Noncomplaining.
Somit wurden hinsichtlich der Wirkung der Buying Center-Struktur auf die Einstellung zum Noncomplaining insgesamt vier Hypothesen hergeleitet.

4.4.1.3 Wirkung der gesellschaftlichen Kritikakzeptanz

Ein weiteres – bisher in der Beschwerdeforschung jedoch kaum untersuchtes – Phänomen ist das grundsätzliche Gefühl, dass die Äußerung von Kritik bzw. kritischen Meinungen in der Gesellschaft wenig anerkannt und akzeptiert wird. Dieses Empfinden wird in der vorliegenden Arbeit als wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz bezeichnet.286 Dieses Konstrukt umfasst damit die individuelle Wahrnehmung einer Person, Kritik – z. B. an der Leistung anderer Personen oder Unternehmen – üben, gegensätzliche Meinungen kundtun oder negativen Empfindungen Ausdruck verleihen zu können, ohne mit gesellschaftlichen Konsequenzen wie Isolation, Ausgrenzung oder einem negativen Image rechnen zu müssen. Diese Überlegungen gehen auf die in Abschnitt 3.​3.​2.​3 dargelegte Impression Management-Theorie zurück. Demnach sind Individuen bemüht, gesellschaftlich in einem positiven Licht gesehen zu werden, sodass sie strategisch ihr Verhalten zwecks eines positiven gesellschaftlichen Images anpassen.287 Denn eine gelungene Darstellung des eigenen Selbst resultiert in belohnenden sozialen Interaktionen.288
Folglich erscheint durchaus denkbar, dass Individuen auf die Artikulation einer Beschwerde verzichten, um ihr eigenes soziales Image nicht in Gefahr zu bringen und möglicherweise mit gesellschaftlichen Konsequenzen sanktioniert zu werden. Denn schließlich stellt auch die Beschwerdeäußerung und die damit ggf. verbundene Diskussion mit dem jeweiligen Ansprechpartner eine soziale Interaktion dar. Bereits die frühe Beschwerdeforschung konnte dahingehend Erkenntnisse liefern, dass die Artikulation von Unzufriedenheit oftmals mit negativen Konnotationen belastet ist und die Sorge bei einem (potenziellen) Beschwerdeführer besteht, dass er als Quertreiber wahrgenommen würde.289 Dieser Eindruck des unzufriedenen Kunden zeigt sich vielfach in einem Gefühl der Scham oder Peinlichkeit, sobald die Unzufriedenheit an den Anbieter – vor allem von Angesicht zu Angesicht – persönlich kommuniziert wird.290 So wird u. a. befürchtet, durch eine Beschwerde nicht sozial erwünscht zu handeln und das eigene Image in der Gesellschaft zu riskieren.291 Denn in Situationen des sozialen Austauschs sind Personen bemüht, auch die Erwartungen des Interaktionspartners oder Dritten zu erfüllen.292 Dies führt letztlich dazu, sich in Anbetracht des Eindrucks auf andere entgegen der eigenen tatsächlichen Auffassung zu verhalten. Bezogen auf die konkrete Geschäftsbeziehung zeigen sich zudem Bedenken, dass der Geschäfts- bzw. der unmittelbare Interaktionspartner den Beschwerdeführer als unangenehmen Kunden im Sinne eines „Problemfalls“ ansehen könnte.293 Es ist durchaus möglich, dass der Anbieter in dem Zusammenhang die Notwendigkeit dieser Geschäftsbeziehung kritisch hinterfragt und damit betriebswirtschaftliche Konsequenzen drohen könnten. Diese Überlegungen werden empirisch dadurch gestützt, dass sich in harmoniebedürftigen und kollektivistisch geprägten Kulturen weniger beschwert wird.294 Diesbezüglich konnten bereits verschiedene Studien empirisch zeigen, dass sich in kollektivistischen Gesellschaften – bspw. der chinesischen – unzufriedene Kunden mit der Kommunikation von Kritik sowie der öffentlichen Demonstration von Unzufriedenheit unwohl fühlen295 – und sich damit weitestgehend für das Noncomplaining entscheiden. Sich-Beschweren wird demnach als Verstoß gegen das gesellschaftliche Bedürfnis nach Harmonie verstanden.296 Dahingegen ist der Umgang mit Leistungsverschlechterungen in von Individualismus gekennzeichneten Gesellschaften weniger fehlertolerant, sodass rascher und aus einem gewissen Selbstverständnis heraus Kritik geäußert wird.297 In derartigen Kulturen – also solchen mit einer hohen Kritikakzeptanz – werden Beschwerdeführer zwar regelmäßig als wenig sympathisch wahrgenommen, doch gleichzeitig werden mit der Kritik- und Beschwerdeäußerung Attribute wie Klugheit oder Aufrichtigkeit assoziiert.298 Vor diesem Hintergrund empfinden Complainer, dass sie das Richtige tun und zu einer Verbesserung der Situation für beide Seiten beitragen, indem sie auf den Fehler bzw. die Leistungsverschlechterung hinweisen. Ein positives gesellschaftliches Image könnte dann sogar die Folge sein. Insb. westliche Kulturen zeigen eine Tendenz zur Akzeptanz der Unzufriedenheitsartikulation in betriebswirtschaftlichen Transaktionen, da die Erwartungen hinsichtlich des Rechts auf Erfüllung der eigenen Bedürfnisse stark ausgeprägt sind.299
Demzufolge liegt nahe, dass auch das Beschwerdeverhalten im BtB-Kontext durch die wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz beeinflusst werden könnte. Hierbei ist eine Einflussnahme in zweierlei Hinsicht zu vermuten. So erscheint denkbar, dass die wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz auch innerhalb des Buying Centers wirkt – insb. wenn eine hohe Heterogenität der Mitglieder und damit viele unterschiedliche Meinungen und Ansichten vorliegen. Sollte ein Buying Center-Mitglied wahrnehmen, dass Kritik ohne unmittelbare soziale Konsequenzen geäußert werden kann, so ist zu vermuten, dass diese auch ungeachtet der vorherrschenden Heterogenität und der damit korrespondierenden Meinungsvielfalt innerhalb des Buying Centers geäußert wird. Folglich würde dies den postulierten positiven Einfluss der Heterogenität auf die Einstellung zum Noncomplaining abschwächen. Zudem ist vor allem ein direkter Einfluss der wahrgenommenen gesellschaftlichen Kritikakzeptanz eines Buying Center-Mitglieds auf die Einstellung zum Noncomplaining des gesamten Buying Centers zu vermuten. Die Möglichkeit eines einzelnen Buying Center-Mitglieds, Einfluss auf die Gruppeneinstellung zu nehmen, ist dabei jedoch weitestgehend von der Machtposition des Individuums abhängig.300 Daher ist zu vermuten, dass sich die individuelle Wahrnehmung der gesellschaftlichen Kritikakzeptanz verstärkt und sich dann in der Einstellung des Buying Centers zum Noncomplaining niederschlägt, wenn das Buying Center-Mitglied hinsichtlich seines relativen Einflusses auf die weiteren Gruppenmitglieder eine entsprechende Machtposition inne hat – diese muss zudem nicht ausschließlich formaler Natur sein.
Abschließend werden vor dem Hintergrund dieser Überlegungen die folgenden drei Hypothesen formuliert:
H5:
Die wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz hat einen negativen moderierenden Einfluss auf die Wirkungsbeziehung zwischen der Heterogenität des Buying Centers und der Einstellung zum Noncomplaining.
H6:
Die wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz hat einen negativen Einfluss auf die Einstellung zum Noncomplaining.
H7:
Der relative Einfluss hat einen positiven moderierenden Effekt auf die Wirkungsbeziehung zwischen der wahrgenommenen gesellschaftlichen Kritikakzeptanz und der Einstellung zum Noncomplaining.

4.4.1.4 Zusammenführung der Untersuchungshypothesen

Schließlich wurden insgesamt sieben Hypothesen hergeleitet, die es in der vorliegenden Untersuchung empirisch zu prüfen gilt. Tabelle 4.10 zeigt eine zusammenfassende Übersicht der aufgestellten Hypothesen.
Tabelle 4.10
Quantitative Studie 2a – Zusammenfassung der Hypothesen
Nr.
Hypothese
H1
Die Unternehmensgröße hat einen positiven Einfluss auf den Formalisierungsgrad des Buying Centers.
H2
Die Unternehmensgröße hat einen positiven Einfluss auf die Heterogenität des Buying Centers.
H3
Der Formalisierungsgrad des Buying Centers hat einen positiven Einfluss auf die Heterogenität des Buying Centers.
H4
Die Heterogenität des Buying Centers hat einen positiven Einfluss auf die Einstellung zum Noncomplaining.
H5
Die wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz hat einen negativen moderierenden Einfluss auf die Wirkungsbeziehung zwischen der Heterogenität des Buying Centers und der Einstellung zum Noncomplaining.
H6
Die wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz hat einen negativen Einfluss auf die Einstellung zum Noncomplaining.
H7
Der relative Einfluss hat einen positiven moderierenden Effekt auf die Wirkungsbeziehung zwischen der wahrgenommenen gesellschaftlichen Kritikakzeptanz und der Einstellung zum Noncomplaining.
Neben diesen sieben Hypothesen wurden zusätzliche Kontrollvariablen in die Modellprüfung aufgenommen. Dies erfolgte zur Reduktion eines Omitted Variable Bias, welcher durch die Einflussnahme alternativer Erklärungsansätze innerhalb des Modells verursacht werden könnte, und zur Sicherstellung einer höheren Aussagekraft der Ergebnisse.301 So wurde zur Berücksichtigung potenzieller Abhängigkeiten zwischen dem Kunden und Lieferanten der Geschäftstyp integriert. Ferner sollte u. a. den unterschiedlichen (Macht-)Positionen der Befragten innerhalb ihres Buying Centers durch Einbezug der eingenommenen Rolle Rechnung getragen werden.
Abbildung 4.7 zeigt das empirisch zu prüfende Hypothesensystem grafisch in einem Forschungsmodell.

4.4.2 Festlegung des Untersuchungsdesigns

4.4.2.1 Design und Ablauf der Erhebung

Angesichts des Ziels der vorliegenden Untersuchung – die empirische Prüfung des in Abschnitt 4.4.1 hergeleiteten Wirkungsmodells – sollte analog zum Vorgehen in der ersten quantitativen Studie ein strukturprüfendes Verfahren zum Einsatz kommen, um die aufgestellten Hypothesen testen zu können. Diese Prüfung unterliegt jedoch mit Blick auf das in Abbildung 4.7 dargestellte Forschungsmodell der Voraussetzung, einerseits latente Konstrukte und andererseits mehrstufige Wirkungszusammenhänge unter Berücksichtigung mehrerer abhängiger Variablen simultan prüfen zu können. Hierfür eignet sich ausschließlich die Strukturgleichungsanalyse.302 Diese wurde unter Einsatz des kovarianzbasierten Ansatzes angewendet. Eine konkrete Erläuterung des Verfahrens sowie der Auswahlentscheidung erfolgt in Abschnitt 4.4.2.2.
Im Anschluss hieran werden die dargestellten hypothetischen Konstrukte, welche intervenierenden und damit nicht zu beobachtenden Variablen entsprechen, operationalisiert (Abschnitt 4.4.3). Dafür ist die Bildung von Messinstrumenten notwendig – sowohl unter Rückgriff auf bereits in der Forschung etabliertes und validiertes Skalenmaterial als auch durch die Entwicklung neuer Skalen. Danach wird in Abschnitt 4.4.4 die Durchführung der Erhebung – konkret die Methodik der Datenerhebung und -aufbereitung sowie die Zusammensetzung der Stichprobe – beschrieben. Anschließend werden die erhobenen Daten in Abschnitt 4.4.5 unter der Zuhilfenahme der Software SPSS Statistics und SPSS AMOS analysiert und die Hypothesen geprüft. Schließlich werden die Ergebnisse dargestellt, diskutiert und Limitationen der Studie aufgezeigt (Abschnitt 4.4.6 und 4.4.7).

4.4.2.2 Methodische Grundlagen der Strukturgleichungsmodellierung

Ein im Rahmen der Marketingforschung häufig herangezogenes Verfahren zur statistischen Prüfung von komplexen Wirkungsgefügen ist die sog. Strukturgleichungsanalyse (SGA).303 Diese dient im Wesentlichen dazu, a priori auf Basis von theoretisch und sachlogisch begründeten Überlegungen hergeleitete Zusammenhänge zwischen Variablen unter Zuhilfenahme von empirisch gewonnenem Datenmaterial zu prüfen.304 Hierbei erlaubt die SGA im Gegensatz zur „klassischen“ Regressionsanalyse die simultane Untersuchung einer Vielzahl an Wirkungsbeziehungen zwischen sowohl manifesten als auch latenten Variablen – und nicht nur die Prüfung unilateraler Zusammenhänge.305 Demnach können im Zuge der SGA Beziehungen zwischen exogenen und endogenen Variablen sowie zwischen ausschließlich endogenen untersucht werden.306 Die Strukturgleichungsmodellierung stellt wiederum die Transformation des Hypothesensystems in die formale Struktur eines sog. Strukturgleichungsmodells dar, in welchem die Zusammenhänge zwischen den Variablen in einem linearen (Mehr-)Gleichungssystem abgebildet werden.307 Ein Strukturgleichungsmodell setzt sich dabei aus drei verschiedenen Teilmodellen zusammen (Abbildung 4.8):
A)
Messmodell der latenten exogenen Variablen, welches die Messungen der unabhängigen Variablen über deren Indikatoren beschreibt („äußeres Modell“);
 
B)
Strukturmodell, welches die Zusammenhänge zwischen den latenten Variablen umfasst („inneres Modell“);
 
C)
Messmodell der latenten endogenen Variablen, welches die Messungen der abhängigen Variablen über deren Indikatoren darstellt („äußeres Modell“).308
 
Neben der grafischen Darstellung kann ein Strukturgleichungsmodell auch über folgende Gleichungen beschrieben werden:309
A)
Messmodell der latenten exogenen Variable: x = Λx • ξ + δ
 
B)
Strukturmodell: η = B • η + Г • ξ + ζ
 
C)
Messmodell der latenten endogenen Variable: y = Λy • η + ε
 
mit
  • x, y = Indikatoren der abhängigen (x) bzw. unabhängigen (y) Variable,
  • Λx, Λy = Faktorladungsmatrizen der Pfadkoeffizienten,
  • ξ, η = Vektor der abhängigen bzw. unabhängigen Variable,
  • δ, ζ, ε = Fehlerterme,
  • B, Г = Koeffizientenmatrizen.
Um die Wirkungsbeziehungen in Strukturgleichungsmodellen schätzen zu können, kann auf zwei verschiedene Verfahren zurückgegriffen werden: die varianz- oder die kovarianzbasierte Strukturgleichungsmodellierung.310
Die kovarianzbasierte Strukturgleichungsmodellierung – der sog. LISREL-Ansatz – sollte gewählt werden, wenn ein Strukturgleichungsmodell zu schätzen ist, welches im Sinne eines deduktiven Vorgehens von bestehenden Theorien abgeleitet wurde.311 Hierbei werden die Parameterwerte eines Modells unter simultaner Berücksichtigung der Varianz-Kovarianz-Matrix ganzheitlich geschätzt. Ziel dieses Verfahren ist es, die Varianz-Kovarianz-Matrix bestmöglich reproduzieren zu können.312
Demgegenüber besteht das Ziel der varianzbasierten Strukturgleichungsmodellierung – der sog. PLS-Ansatz – darin, die Datenmatrix hinsichtlich der jeweiligen Zielgrößen bestmöglich prognostizieren zu können.313 Im Zentrum steht hierbei die Prüfung neuartiger Hypothesen – und damit nicht die Prüfung bereits etablierter Theorien. Im Rahmen des PLS-Ansatzes wird auf ein zweischrittiges Verfahren zurückgegriffen. Zunächst werden für die latenten Variablen Schätzwerte berechnet, bevor anschließend die Schätzung der Parameter für die Gleichungssysteme erfolgt.314
Tabelle 4.11 gibt einen zusammenfassenden Überblick über die wesentlichen Unterschiede zwischen dem LISREL- und dem PLS-Ansatz.
Tabelle 4.11
Vergleich der varianz- und kovarianzbasierten Strukturgleichungsmodellierung315
Merkmal
PLS-Ansatz
LISREL-Ansatz
Ziel
Prognosefokus, d. h. bestmögliche Prädiktion der Datenmatrix
Parameterfokus, d. h. bestmögliche Reproduktion der Varianz-Kovarianz-Matrix
Theoriebezug
Prognoseorientierung („Soft Modeling“)
Theorietest („Hard Modeling“)
Methodik
Regressionsanalyse mit zweistufiger Schätzung von Mess- und Strukturmodell
Faktoranalyse mit simultaner Schätzung aller Parameter
Verteilungsannahme
„Weiche“ Verteilungsannahmen
Multinormalverteilung
Schätzverfahren
Ordinary Least Squares
Maximum Likelihood
Stichprobengröße
Kleine Stichprobe ausreichend (mit ansteigender Größe verbessert sich die Präzision des Modells)
Große Stichprobe erforderlich
Gütekriterien
Partielle Gütemaße
Partielle und globale Gütemaße
Messmodelle
Formativ und reflektiv
Reflektiv
Softwareunterstützung
z. B. SmartPLS
z. B. AMOS, LISREL
Mit Blick auf die deduktive und theoriegeleitete Ausrichtung der Studie sowie die bereits in anderen Kontexten etablierte und validierte Operationalisierung der Konstrukte sprechen die Argumente für den Einsatz der kovarianzbasierten Strukturgleichungsmodellierung. Dies geht mit der indes vorherrschenden Bevorzugung dieses Verfahrens in der Marketingforschung einher.316
An eine erfolgte Parameterschätzung schließt sich die Gütebeurteilung des Modells an, im Rahmen derer eine Vielzahl an Kriterien zur Verfügung steht.317 In diesem Sinne sind einige Größen zur Prüfung der Gesamtanpassung des Modells vorzustellen, um so vorgelagert potenzielle Identifikationsprobleme, Fehlspezifikationen oder Verletzungen von Verteilungsannahmen als erste Hinweise für eine notwendige Modellanpassung identifizieren zu können. Im Zuge einer Plausibilitätsprüfung können bspw. sog. Heywood-Cases aufgedeckt werden, welche negative Varianzen oder Korrelationen größer eins aufweisen, sodass eine Fehlspezifikation festgestellt werden kann.318 Zur Beurteilung der Gesamtanpassung des Modells kommen in der vorliegenden Arbeit die folgenden Gütekriterien zum Einsatz.
  • Root-Mean-Square-Error-of-Approximation (RMSEA): Mithilfe dieses inferenzstatistischen Maßes kann die Fähigkeit des Modells geprüft werden, wie gut die Realität approximiert werden kann.319 Dabei liegt eine perfekte Modellanpassung bei einem Wert von 0 vor. Werte von kleiner 0,05 weisen auf einen guten und Werte kleiner 0,08 auf einen akzeptablen Model Fit hin. Übersteigt der RMSEA 0,1, sollte das Modell verworfen werden.320
  • Standardized Root Mean Square Residual (SRMR): Der SRMR beschreibt den nicht erklärten Anteil der Varianzen und Kovarianzen im Modell. Um einen guten Model Fit gewährleisten zu können, sollte der Wert von 0,1 unterschritten werden.321
  • Chi-Quadrat-Test: Hierbei wird der Chi-Quadrat-Wert ins Verhältnis zu den Freiheitsgraden gesetzt. Gem. der Literatur sollte das Modell für eine gute Anpassung einen Wert von kleiner drei aufweisen.322
  • Comparative-Fit-Index (CFI): Dieses Kriterium berechnet den Anpassungswert des Untersuchungsmodells im Verhältnis zum Basismodell unter Berücksichtigung der Freiheitsgrade.323 Ein Wert von über 0,9 sollte für eine gute Modellanpassung überschritten werden.324
  • Tucker-Lewis-Index (TLI): Der TLI ähnelt stark dem CFI und berücksichtigt die Komplexität des Modells bei der Gütebeurteilung. Dabei sollte der Grenzwert von 0,9 übertroffen werden.325
Es schließt sich die Operationalisierung der Konstrukte mittels geeigneter Messinstrumente an.

4.4.3 Operationalisierung und Messinstrumente der Konstrukte

Zwecks der Durchführung dieser quantitativen Studie wurden sowohl Skalen, welche in der bisherigen Literatur bereits validiert und einzig auf den vorliegenden Kontext angepasst wurden, als auch aufgrund der Neuartigkeit – insb. des Konstrukts wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz – eigens für die Untersuchung entwickelte Messinstrumente eingesetzt. Hierbei wurden ausschließlich reflektive Messmodelle verwendet.
Die Abfrage der Indikatoren basierte weitestgehend auf siebenstufigen Likert-Skalen, wodurch die Studienteilnehmer ihre Zustimmung oder Ablehnung bezüglich der in den Items getroffenen Aussagen auf einer eindimensionalen Skala von „Stimme überhaupt nicht zu“ (= 1) bis „Stimme voll und ganz zu“ (= 7) zum Ausdruck bringen konnten. Die Abstufung der Antwortmöglichkeiten in sieben Kategorien ermöglichte eine hinreichend differenzierte Erfassung der Daten sowie eine metrische Auswertung dieser. Bei der Auswahl der Items wurde auf eine monotone Formulierung der Items geachtet.326 Zudem wurde mit Ausnahme der Variable Unternehmensgröße und den Kontrollvariablen ausschließlich auf sog. Multi-Item-Skalen zurückgegriffen. Hierdurch sollte verhindert werden, dass die Antworten der Teilnehmer durch ein unterschiedliches Verständnis der Aussagen schwer zu vergleichen sind. So ermöglicht ein Multi-Item-Measurement, potenzielle Verzerrungen einzelner Indikatoren zu nivellieren, indem die Konstrukte durch mehrere Items gemessen werden.327 Somit sollte die Mindestanzahl der Indikatoren pro Konstrukt zwei betragen.328 Analog zum Vorgehen in der ersten quantitativen Studie wurden Reverse-Coded Items integriert, um einer drohenden Probandenmüdigkeit entgegenzuwirken.329
Ob das verwendete Skalenmaterial für die vorliegende Erhebung geeignet erschien oder noch weiter angepasst werden musste, wurde mithilfe eines quantitativen Pretests (n = 32) geprüft. Als Entscheidungsindizien für mögliche Anpassungen oder Item-Eliminationen wurden die bereits in Abschnitt 4.3.5.1 vorgestellten Kriterien Cronbachs Alpha, KITK und Faktorladungen (FL) zugrunde gelegt.
Die Unternehmensgröße wurde analog zu der Studie von Brock et al. (2013) über eine Single-Item-Skala gemessen.330 Als Proxy wurden die Teilnehmer bezüglich der Anzahl an Mitarbeitern in ihrem Unternehmen befragt.331 Zur Beantwortung konnten die Befragten zwischen sechs verschiedenen Größenintervallen wählen.
Zur Operationalisierung des Konstrukts Formalisierungsgrad wurde auf die Skala von Wood (2005) zurückgegriffen, welche auf der Skala von Spekman/Stern (1979) aufbaut.332 Diese aus vier Items bestehende Skala wurde ohne inhaltliche Modifikationen in den Pretest übernommen. Tabelle 4.12 gibt einen Überblick hinsichtlich der Indikatoren sowie Ergebnisse des Pretests. Demnach wurden die strengen Grenzwerte der entsprechenden Kriterien mit Ausnahme von Item FoG04 deutlich überstiegen. Da dieses jedoch die liberalen Grenzwerte für die KITK von 0,3 und für die Faktorladungen von 0,6 überschritt, wurde die Skala in Anbetracht der geringen Stichprobengröße des Pretests unverändert in die Haupterhebung übernommen.
Tabelle 4.12
Quantitative 2a – Operationalisierung von Formalisierungsgrad
Kürzel
Indikator
Quelle der Skala
Pretest
Cronbachs Alpha = 0,793
KITK
FL
FoG01
In unserem Buying Center werden die meisten Beschaffungsentscheidungen auf Basis existierender Regeln und Prozesse durchgeführt.
Wood (2005) in Anlehnung an Spekman/Stern (1979)
0,684
0,862
FoG02
Ich folge oft strikten Verfahrensvorgaben, wenn ich eine beschaffungsbezogene Entscheidung treffe.
0,711
0,875
FoG03
Die meisten beschaffungsbezogenen Probleme können mithilfe eines standardisierten Prozederes angegangen werden.
0,611
0,779
FoG04
Ich löse häufig Probleme in Beschaffungsprozessen, indem ich schriftlichen und verbalen Anweisungen anderer folge.
0,436
0,629
Die Messung des Konstrukts Heterogenität erfolgte anhand der Drei-Item-Skala von Homburg et al. (2010a).333 Diese entstammt der Skala von Stoddard/Fern (2002). Im vorliegenden Kontext wurden die Items jedoch dahingehend modifiziert, dass der Bezugspunkt nun das eigene Buying Center des Teilnehmers war – und nicht dasjenige des Kunden. Gem. den Ergebnissen des Pretests aus Tabelle 4.13 konnte die Skala unverändert in der Haupterhebung berücksichtigt werden.
Tabelle 4.13
Quantitative Studie 2a – Operationalisierung von Heterogenität
Kürzel
Indikator
Quelle der Skala
Pretest
Cronbachs Alpha = 0,755
KITK
FL
Het01
Die Mitglieder unseres Buying Centers haben unterschiedliche berufliche Hintergründe.
modifiziert nach Homburg et al. (2010a) in Anlehnung an Stoddard/Fern (2002)
0,576
0,815
Het02
Die Mitglieder unseres Buying Centers haben ein unterschiedliches Wissen hinsichtlich der Beschaffung dieser Leistung.
0,618
0,841
Het03
Die Mitglieder unseres Buying Centers verfolgen unterschiedliche Interessen und Prioritäten bei der Beschaffung dieser Leistung.
0,567
0,808
Angesichts der Operationalisierung von Relativer Einfluss wurde auf das Skalenmaterial von Herbst/Austen (2011) zurückgegriffen, welches bereits frühzeitig von Kohli (1989) entwickelt wurde.334 Hierbei wurde die Skala um ein Item gekürzt und die in der Original-Skala eingenommene Beobachterperspektive in eine Selbstbeurteiler-Formulierung abgewandelt. Im Pretest überschritt die verwendete Skala die entsprechenden Grenzwerte deutlich (Tabelle 4.14). Sodann konnte auch dieses Messinstrument unverändert in der Haupterhebung eingesetzt werden.
Tabelle 4.14
Quantitative Studie 2a – Operationalisierung von Relativer Einfluss
Kürzel
Indikator
Quelle der Skala
Pretest
Cronbachs Alpha = 0,842
KITK
FL
REi01
Ich habe großen Einfluss auf die Meinung der anderen Mitglieder.
modifiziert nach Herbst/Austen (2011) in Anlehnung an Kohli (1989)
0,672
0,851
REi02
Ich beeinflusse die Auswahlkriterien, die zur endgültigen Kaufentscheidung herangezogen werden, stark.
0,710
0,874
REi03
Mein Einfluss kommt in der endgültigen Entscheidung zum Ausdruck.
0,746
0,893
Aufgrund des Fokus der bisherigen empirischen Marketingforschung auf das Beschwerdeverhalten – aber nicht auf das Noncomplaining – konnte nicht auf eine vollständig validierte Skala zur Messung der generellen Einstellung zum Noncomplaining zurückgegriffen werden. Demzufolge wurde zur Operationalisierung eine eigene Skala mit drei Items entwickelt. Im Rahmen der Formulierung der Items wurde sich an einer Skala von Blodgett (1994) zur Messung der Einstellung zur Beschwerdeäußerung orientiert.335 Tabelle 4.15 fasst die Ergebnisse des Pretests sowie die Indikatoren überblicksartig zusammen. Demnach wurden alle konservativen Grenzwerte erreicht, sodass die Skala in dieser Form in der Haupterhebung zur Anwendung kommen konnte.
Tabelle 4.15
Quantitative Studie 2a – Operationalisierung von Einstellung zum Noncomplaining
Kürzel
Indikator
Quelle der Skala
Pretest
Cronbachs Alpha = 0,720
KITK
FL
ENc01
In unserem Buying Center wird die Ansicht vertreten, dass man sich nicht sofort bei einem Lieferanten beschweren muss, da Lieferanten auch manchmal unzufrieden stellende Leistungen erbringen können.
Skala wurde in Orientierung an Blodgett (1994) selbst entwickelt
0,562
0,817
ENc02
Mitarbeiter unseres Buying Centers beschweren sich selten, wenn Leistungen unzufrieden stellend sind.
0,512
0,779
ENc03
Anstatt die Leistung auszutauschen oder eine Gutschrift zu verlangen, wird die Leistung meist weiter genutzt.
0,548
0,806
Angesichts der Neuartigkeit des Konstrukts Wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz in der Marketingforschung und insb. im Kontext des Beschwerdeverhaltens liegt keine bereits ausreichend validierte Skala in der Literatur vor. Dementsprechend wurde hierfür ein eigenes Messinstrument entwickelt, das sich aus drei Items zusammensetzte. Im Rahmen der Itemformulierung wurde darauf geachtet, dass die Akzeptanz von Kritik in der Gesellschaft allgemein und nicht allein die des Lieferanten gemessen werden sollte. Zudem wurde das weiter gefasste Begriffsverständnis der Kritik in den Indikatoren berücksichtigt, sodass der in dieser Arbeit enger definierte Begriff der Beschwerde bewusst vermieden wurde. Um ein konzentriertes und wohl überlegtes Antwortverhalten der Teilnehmer zu stimulieren, wurden zudem zwei Reverse-Coded Items integriert. Aus Tabelle 4.16 geht hervor, dass die strengen Grenzwerte für Cronbachs Alpha, die KITK und die Faktorladungen im Pretest überschritten wurden. Folglich wurde die Skala ohne Modifikationen in der Haupterhebung verwendet.
Tabelle 4.16
Quantitative Studie 2a – Operationalisierung von Wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz
Kürzel
Indikator
Quelle der Skala
Pretest
Cronbachs Alpha = 0,743
KITK
FL
GKa01
Ich habe den Eindruck, dass Kritik gesellschaftlich wenig anerkannt ist. (r)
Skala wurde selbst entwickelt
0,547
0,797
GKa02
Heutzutage darf man Kritik nicht mehr so äußern, wie es früher gewesen ist. (r)
0,574
0,817
GKa03
Die Äußerung von Kritik wird in der Gesellschaft problemlos akzeptiert.
0,605
0,835
Die Kontrollvariablen Geschäftstyp und Buying Center-Rolle wurden jeweils mit Single-Item-Skalen gemessen. Dieses Vorgehen erwuchs letztlich aus praktischen und sachlogischen Überlegungen. Die Abfrage der Buying Center-Rolle wurde in den ersten Teil des Fragebogens integriert, in welchem das Buying Center-Konzept kurz erläutert wurde. Hier wurden die einzelnen Rollen mit einem Satz beschrieben, um das entsprechende Verständnis der Teilnehmer gewährleisten zu können. Analog wurde hinsichtlich der Einordnung des Geschäftstyps vorgegangen. Dabei wurde eine kurze Beschreibung des Geschäftstyps anhand seiner konstituierenden Merkmale sowie der Anführung eines Beispiels zweckmäßiger als eine direkte Nennung der vier Geschäftstypen erachtet.336
Insgesamt konnten die gewählten Messmodelle für den Einsatz in der quantitativen Haupterhebung mit Blick auf die Kriterien der Konstruktvalidität und -reliabilität als hinreichend geeignet beurteilt werden, sodass auf Basis dieser Operationalisierung der zu untersuchenden Variablen mit der Durchführung der Haupterhebung fortgefahren werden konnte.

4.4.4 Durchführung der Erhebung

4.4.4.1 Methodik der Datenerhebung und -aufbereitung

Die Methodik der Datenerhebung und -aufbereitung gestaltete sich im Wesentlichen analog zum Vorgehen im Rahmen der ersten quantitativen Studie in Abschnitt 4.3.4.1.337 So erfolgte die Erhebung der zur Auswertung des hergeleiteten Forschungsmodells mittels der Strukturgleichungsanalyse notwendigen Daten auf Basis eines standardisierten Online-Fragebogens, welcher mithilfe des Online-Tools Qualtrics programmiert und über das Marktforschungsinstitut Respondi AG verbreitet wurde.
Der Aufbau des Fragebogens war wie folgt angelegt. Im Anschluss an eine kurze Einführung in die Thematik der Untersuchung sowie eine Filterfrage338 wurde zunächst das Konzept des Buying Centers kurz erläutert. Das Verständnis der Teilnehmer wurde mittels einer Kontrollfrage339 geprüft, welche im Falle einer Ablehnung zur Beendigung des Fragebogens führte. Hieran schloss sich die Abfrage der Variablen hinsichtlich der Buying Center-Struktur, der generellen Einstellung des Buying Centers zum Noncomplaining sowie der wahrgenommenen gesellschaftlichen Kritikakzeptanz mittels der im vorherigen Kapitel vorgestellten Messinstrumente an.340 Im abschließenden Abschnitt des Fragebogens wurden demografische Angaben sowie Daten zur Messung des Common Method Bias und sozialer Erwünschtheit erhoben.
Dieser Fragebogen wurde mithilfe zweier Pretests geprüft. Zunächst wurde ein kognitiver Pretest in einem BtB-Sample mit n = 10 unter Einsatz der Think-Aloud-Methodik durchgeführt.341 Ein zentraler Kritikpunkt der Teilnehmer, auf Basis dessen der Fragebogen noch einmal angepasst wurde, war die Erhebung der Größe des Buying Centers. Diesbezüglich wurde angemerkt, dass die Identifikation der Rollen Informationsselektierer und Gatekeeper durch die anderen Buying Center-Mitglieder herausfordernd sei – und damit auch die Bestimmung der Buying Center-Größe. Angesichts der hohen Korrelation zwischen der Unternehmens- und Buying Center-Größe wurde auf die durch die Teilnehmer leichter zu bestimmende Anzahl an Mitarbeitern des Gesamtunternehmens zurückgegriffen.342 Anschließend wurde im Zeitraum vom 07. April 2022 bis 08. April 2022 ein quantitativer Pretest mit einer bereinigten Stichprobengröße von n = 32 durchgeführt. Dieser diente der Prüfung des Fragebogens und insb. der verwendeten Messinstrumente zur Operationalisierung der exogenen und endogenen Variablen. Hierbei zeigte sich, dass der Fragebogen ohne weitere Anpassungen in der Haupterhebung verwendet werden konnte.
Die Haupterhebung wurde im Zeitraum vom 26. April 2022 bis 04. Mai 2022 durchgeführt. Hierbei konnten insgesamt 740 Datensätze erhoben werden, von denen im Anschluss an eine strenge Datenbereinigung 308 Datensätze im Rahmen der Datenauswertung verwendet werden konnten. Analog zum Vorgehen in der ersten quantitativen Studie wurden als Bereinigungskriterien neben der bereits erwähnten Filter- und Kontrollfragen die Identifikation von Ausreißern, dem Straightlining und Missing Values zugrunde gelegt.343 Abschließend wurden noch die Antworten von Teilnehmern eliminiert, welche die Frage nach der Erlaubnis der Datenverwendung für Forschungszwecke verneinten oder deren Antworten sozialer Erwünschtheit unterlagen.344 Mithilfe eines G*Power-Tests nach Faul et al. wurde eine optimale Stichprobengröße von n = 173 berechnet.345 Hierfür wurden erneut die Kriterien nach Cohen zugrunde gelegt, sodass wiederum eine Effektstärke von d = 0,2, eine Irrtumswahrscheinlichkeit von α = 0,05 und eine Power von 1−β = 0,95 zur Berechnung verwendet wurden.346 Dementsprechend werden die methodischen Vorgaben erfüllt.
Zudem galt es, vorab die Erfüllung der Voraussetzungen der Strukturgleichungsanalyse zu prüfen. So setzt das zum Einsatz kommende Schätzverfahren Maximum-Likelihood347 voraus, dass normalverteilte Daten vorliegen.348 Gem. der Literatur ist eine Normalverteilung gegeben, sofern die absoluten Grenzwerte für die Schiefe von |<2| sowie für die Kurtosis von |<7| eingehalten werden.349 Diese Werte wurden bei allen Items der latenten Konstrukte unterschritten, sodass von normalverteilten Daten ausgegangen werden konnte (siehe Anhang 8 im elektronischen Zusatzmaterial). Schließlich wurden die Daten noch auf das Vorliegen von Multikollinearität geprüft, da bei einem Verstoß gegen diese Voraussetzung ein Effekt nicht mehr eindeutig einer bestimmten Variable zugeordnet werden kann.350 Es bietet sich an, die Multikollinearität auf Basis des Variance Inflation Factors (VIF) zu prüfen.351 Gem. der Literatur sollte der VIF den Grenzwert von fünf nicht überschreiten.352 Alle verwendeten Prädiktoren hielten diesen Schwellenwert ein, sodass keine Hinweise auf das Vorliegen von Multikollinearität identifiziert wurden.
Demzufolge wurden alle Voraussetzungen der Strukturgleichungsanalyse erfüllt, sodass mit der Beschreibung der Stichprobenzusammensetzung fortgefahren werden kann.

4.4.4.2 Zusammensetzung der Stichprobe

Auf Basis deskriptiver Statistiken wird die Zusammensetzung der Stichprobe veranschaulicht. So betrug das durchschnittliche Alter der Teilnehmer ca. 49 Jahre (MW = 48,75 Jahre, SD = 10,90 Jahre). Zudem zeigte sich bezüglich des Geschlechts nahezu eine Gleichverteilung: 54,5 % der Teilnehmer waren weiblich und 45,5 % männlich.
Hinsichtlich der Buying Center-Rollen der Befragten stellte sich ein Übergewicht der Entscheider-Position heraus (55,5 %). Die zweitgrößte Gruppe (31,6 %) ordnete sich der formalen Position des Einkäufers zu. Die übrigen Anteile verteilten sich auf die Rollen Benutzer (6,9 %), Informationsselektierer (1,7 %) und Gatekeeper (4,3 %). Obgleich diese Ungleichverteilung auf den ersten Blick kritisch erscheinen mag, ist jedoch anzuführen, dass vermutlich vermehrt Entscheider und Einkäufer in die Artikulation der Unzufriedenheit gegenüber dem Lieferanten eingebunden sind. Abbildung 4.9 fasst die Ergebnisse grafisch zusammen.
Mit Blick auf die Geschäftstypen, in welchen sich die Buying Center der Befragten in der Regel bewegten, zeigt Abbildung 4.10, dass mehr als ein Drittel der Befragten in dem Produktgeschäft agierten (38,6 %). Die restlichen Anteile verteilten sich nahezu identisch auf die drei weiteren Geschäftstypen: Projektgeschäft (22,1 %), Integrationsgeschäft (18,2 %) und Systemgeschäft (18,5 %). Demzufolge wurden alle vier Geschäftstypen in der Stichprobe hinreichend gut abgebildet.
Des Weiteren gewährleistete die vorhandene Stichprobe eine gute Varianz in Bezug auf die Unternehmensgröße – gemessen an der Beschäftigtenzahl. So waren sowohl Buying Center-Mitglieder aus kleinen und mittelständischen, aber auch großen Unternehmen vertreten. Der in der Literatur gezeigte Zusammenhang zwischen der Unternehmensgröße und des Buying Center-Umfangs lässt den Schluss zu, dass daher auch eine hinreichende Vielfalt in der Größe der Buying Center gegeben war. Abbildung 4.11 stellt die prozentuale Verteilung der Befragten auf die verschiedenen Unternehmensgrößen grafisch dar.
Auch hinsichtlich der in der Stichprobe vertretenen Unternehmensbranchen zeigte sich, dass eine gute Bandbreite gewährleistet war. So stammten 43,8 % der Teilnehmer aus Dienstleistungsunternehmen, 20,1 % aus Handelsunternehmen, 17,5 % aus dem produzierenden Gewerbe und 9,1 % aus dem Handwerksbereich. Hierbei konnten sich jedoch knapp 10 % der Teilnehmer keiner der vier vorgegebenen Branchen zuordnen und wählten die Kategorie „Andere“. Abbildung 4.12 legt die Ergebnisse grafisch dar.
Abschließend wird die deskriptive Auswertung der Variable wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz in den Blick genommen. Hier zeigte sich insofern ein interessantes Bild, als dass über alle drei Items hinweg etwa die Hälfte der Teilnehmer die Wahrnehmung äußerten, dass Kritik in der Gesellschaft wenig anerkannt ist und nicht ohne soziale Konsequenzen geäußert werden kann. Während je nach Item zwischen 14,6 % und 19,5 % der Befragten eine neutrale Position einnahmen, war lediglich knapp ein Drittel (Items 1 und 2) bzw. ein Viertel (Item 3) der Meinung, dass Kritik in der Gesellschaft generell akzeptiert wird. Aus dieser deskriptiven Betrachtung kann demzufolge vorläufig der Schluss gezogen werden, dass die Existenz einer gesellschaftlichen Kritikakzeptanz seitens der Befragten zu einem mehrheitlichen Anteil – zumindest – infrage gestellt bzw. kritisch gesehen wird. Abbildung 4.13 gibt das Antwortverhalten der Teilnehmer grafisch wieder.

4.4.5 Datenanalyse und -auswertung

4.4.5.1 Güteprüfung des Messmodells

Zur Gütebeurteilung des Messmodells wurden analog zum Vorgehen in der ersten quantitativen Studie in Abschnitt 4.3.5.1 die Kriterien der Validität und Reliabilität herangezogen.354 Konkret wurden die Inhaltsvalidität, Indikatorreliabilität, Konvergenzvalidität, Konstruktreliabilität und die Diskriminanzvalidität in den Blick genommen.
Zunächst wurde in Anbetracht der Prüfung der Inhaltsvalidität eine „quasi“ EFA durchgeführt. Hier zeigte sich, dass alle Konstrukte lediglich einen Faktor abbildeten und dementsprechend jeweils eine ein-faktorielle Lösung gegeben war. Des Weiteren wurden das KMO sowie der Bartlett-Test zur Gütebeurteilung hinzugezogen. Hinsichtlich des KMO ist anzuführen, dass alle Konstrukte den kritischen Grenzwert überstiegen haben.355 Ferner konnte auch die Null-Hypothese des Bartlett-Tests in allen Fällen abgelehnt werden, sodass die Inhaltsvalidität für alle Konstrukte bestätigt werden konnte (Tabelle 4.17).
Die Prüfung der Indikatorreliabilität erfolgte anhand der Faktorladungen und der KITK. Hinsichtlich dieser beiden Kriterien konnte das Vorliegen einer hinreichenden Indikatorreliabilität festgestellt werden. So übertrafen alle Items den Grenzwert der Faktorladungen von 0,7 und denjenigen der KITK von 0,4 deutlich – mit einer Ausnahme. Lediglich das Item FoG04 aus dem Messmodell des Formalisierungsgrads unterschritt den kritischen Wert der Faktorladung. Da auch die KITK im Vergleich zu den verbliebenen drei Items der Skala nach unten abfiel, wurde dieses Item eliminiert. Eine vollständige Übersicht über die einzelnen Items der jeweiligen Konstrukte befindet sich in Anhang 8 im elektronischen Zusatzmaterial.
Anschließend wurde die Konvergenzvalidität auf Konstruktebene wiederum unter Berücksichtigung der DEV geprüft. Diese übertraf bei allen Konstrukten den kritischen Grenzwert von 0,5 (Tabelle 4.17). Dabei betrug die niedrigste DEV knapp 66 % (Einstellung zum Noncomplaining) und die höchste etwa 78 % (gesellschaftliche Kritikakzeptanz). Demzufolge konnte auch dieses Gütekriterium erfüllt werden.
Schließlich wurde die Konstruktreliabilität mithilfe von Cronbachs Alpha sowie der Faktorreliabilität evaluiert. Im Falle beider Kriterien sollte der Schwellenwert von 0,7 überschritten werden. Die in Tabelle 4.17 errechneten Werte lassen die Schlussfolgerung zu, dass die Messmodelle aller Konstrukte als ausreichend reliabel eingeordnet werden können.
Tabelle 4.17
Quantitative Studie 2a – Ergebnisse der Validitäts- und Reliabilitätsprüfung
Konstrukt
Inhaltsvalidität
Konvergenzvalidität
Konstruktreliabilität
KMO
Bartlett-Test
DEV
Cronbachs Alpha
FR
Unternehmensgröße
Formalisierungsgrad
0,708
***
0,717
0,802
0,884
Heterogenität
0,712
***
0,773
0,852
0,911
Einstellung zum Noncomplaining
0,684
***
0,661
0,743
0,854
Gesellschaftliche Kritikakzeptanz
0,500
***
0,783
0,719
0,878
Relativer Einfluss
0,692
***
0,764
0,846
0,907
*** = Signifikanzniveau p < 0,001
Da jedoch eine isolierte Beurteilung der Messmodelle hinsichtlich der einzelnen Faktoren zu einer umfassenden Güteprüfung nicht ausreicht, wurden diese ebenfalls in Bezug auf ihre Beziehung zueinander überprüft. Hierbei wurde die Diskriminanzvalidität erneut auf Basis des Fornell-Larcker-Kriteriums untersucht. In Tabelle 4.18 werden auf der Diagonalen die DEV der Konstrukte mit den jeweiligen quadrierten Korrelationen mit allen anderen Konstrukten verglichen. Dabei muss die DEV alle quadrierten Korrelationen übertreffen. Gem. der entsprechenden Gegenüberstellung wurde ersichtlich, dass die Diskriminanzvalidität im Rahmen des vorliegenden Messmodells gewährleistet war.
Tabelle 4.18
Quantitative Studie 2a – Fornell-Larcker-Kriterium
 
UnG
FoG
Het
ENc
GKa
REi
UnG
         
FoG
0,093
0,717
       
Het
0,089
0,069
0,773
     
ENc
0,001
0,004
0,013
0,661
   
GKa
0,002
0,004
0,010
0,007
0,783
 
REi
0,051
0,014
0,009
0,008
0,000
0,764
quadrierte Korrelationen/DEV auf Diagonalen (fettgedruckt)
Zuletzt galt es zu überprüfen, ob ggf. eine Methodenverzerrung durch einen CMB verursacht wurde. Hierzu wurde erneut ein Harmans Ein-Faktor-Test durchgeführt. Dieser ergab, dass die Gesamtheit aller Konstrukte lediglich zu 28,88 % über einen einzigen Faktor erklärt werden konnte. Da dieser Anteil unter dem kritischen Wert von einer Varianzerklärung von 50 % lag, war nicht davon auszugehen, dass ein CMB vorgelegen hat.

4.4.5.2 Hypothesen- und Modellprüfung

Bevor im nächsten Schritt mit der Gütebeurteilung des Gesamtmodells und der darauffolgenden Hypothesenprüfung fortgefahren werden konnte, fand zunächst eine Plausibiliätsprüfung unter Berücksichtigung von Heywood-Cases statt. Nach einer entsprechenden Prüfung konnten jedoch keine unplausiblen Parameterschätzungen und damit keine Hinweise auf eine Fehlspezifikation des Modells ermittelt werden. Somit erfolgte im nächsten Schritt die Prüfung der Modellgüte anhand der in Abschnitt 4.4.2.2 vorgestellten Kriterien RMSEA, SRMR, Chi-Quadrat-Test, CFI und TLI.
Tabelle 4.19 gibt einen zusammenfassenden Überblick über die berechneten Werte der jeweiligen Gütekriterien. Für einen guten Model Fit soll der RMSEA die Schwelle von 0,05 unterschreiten.356 Das Modell wies einen RMSEA von gerundet 0,03 auf, sodass dies auf einen zufrieden stellende Anpassungsgüte hindeutet. Dieser Eindruck wurde ebenfalls durch das Ergebnis des SRMR gestützt. Mit einem Wert von gerundet 0,04 unterschritt er die kritische Grenze von 0,1 deutlich. Ferner wurde zur Gütebeurteilung der Chi-Quadrat-Wert in Relation zur Anzahl der Freiheitsgrade herangezogen. Legt man den strengeren Grenzwert nach Homburg/Giering von kleiner drei zugrunde357, so wurde bei einem errechneten Wert von etwa 1,2 eine hinreichende Modellgüte indiziert. Weiterhin kamen der CFI sowie TLI zum Einsatz. Auch diese beiden Maße überstiegen den jeweils kritischen Grenzwert von 0,9.
Insgesamt lassen die errechneten Werte der Gütekriterien demzufolge auf einen guten Model Fit schließen, sodass das aufgestellte Forschungsmodell als reliable und valide Grundlage angesehen werden kann und sich aus der anschließenden Hypothesenprüfung statistisch valide Aussagen ableiten lassen können.
Tabelle 4.19
Quantitative Studie 2a – Gütebeurteilung des Gesamtmodells
Gütebeurteilung des Gesamtmodells
RMSEA
SRMR
χ2 / d.f.
CFI
TLI
0,025
0,037
1,190
0,997
0,996
Sodann konnte die Prüfung der hergeleiteten Wirkungszusammenhänge aufgenommen werden. Hierbei muss jedoch angemerkt werden, dass auch in diesem Fall die Verifikation oder Falsifikation der Hypothesen – genau wie in der ersten quantitativen Studie erläutert – mit Blick auf den kritischen Rationalismus lediglich vorläufig erfolgen konnte. Die Prüfung der Wirkungsbeziehungen vollzog sich auf Basis der standardisierten Pfadkoeffizienten sowie ihrer jeweiligen Signifikanzen.
Zunächst wurden die postulierten Zusammenhänge bezüglich der Buying Center-Struktur geprüft. Dabei konnten die Hypothesen eins bis drei alle bestätigt werden. So wirkte sich die Unternehmensgröße signifikant positiv auf den Formalisierungsgrad des Buying Centers aus (β = 0,343; p < 0,001). Zudem wies die Unternehmensgröße den erwarteten signifikant positiven Einfluss auf die Heterogenität des Buying Centers auf (β = 0,229; p < 0,001). Darüber hinaus konnte ein signifikant positiver Effekt des Formalisierungsgrads auf die Heterogenität des Buying Centers gemessen werden (β = 0,334; p < 0,001).
In Hypothese vier wurde vermutet, dass die Heterogenität des Buying Centers positiv auf die Einstellung zum Noncomplaining des Buying Centers wirkt. Dieser Zusammenhang konnte bestätigt werden (β = 0,184; p < 0,01). In Anbetracht dieses Effekts wurde in Hypothese fünf postuliert, dass dieser durch die wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz negativ moderiert wird. Eine Variable wird dann als Moderator deklariert, sofern sie entweder die Richtung oder die Stärke einer Wirkungsbeziehung zwischen zwei Variablen beeinflusst.358 Da die wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz über eine kontinuierliche Skala gemessen wurde, erfolgte die Berechnung des Moderationseffekts auf Basis eines Interaktionsterms.359 Dieser Moderationseffekt konnte jedoch im Rahmen der Hypothesenprüfung nicht nachgewiesen werden (β = −0,041; p > 0,05).
Demgegenüber konnte der in Hypothese sechs formulierte direkte Einfluss der individuell wahrgenommenen gesellschaftlichen Kritikakzeptanz auf die Einstellung zum Noncomplaining des Buying Centers gemessen werden. So zeigte sich der vermutete negative Effekt (β = −0,155; p < 0,05). Dabei stellte sich heraus, dass diese Wirkungsbeziehung positiv durch den relativen Einfluss des einzelnen Buying Center-Mitglieds moderiert und damit verstärkt wird (β = 0,241; p < 0,01). Hypothese sieben konnte demzufolge ebenfalls bestätigt werden.
Abschließend wurden die Effekte der Kontrollvariablen Geschäftstyp und Buying Center-Rolle auf die Einstellung zum Noncomplaining untersucht. Hierbei zeigte sich ein signifikant positiver Einfluss des Projektgeschäfts auf die Einstellung zum Noncomplaining (p < 0,01). Zudem erwies sich der negative Effekt des Integrationsgeschäfts als leicht signifikant (p < 0,1). Hinsichtlich der beiden weiteren Geschäftstypen Produkt- und Systemgeschäft konnten keine signifikanten Effekte gemessen werden. Schließlich zeigten sich auch bei der Untersuchung der Buying Center-Rollen zwei signifikante Effekte. Sowohl die Rolle des Benutzers (p < 0,05) als auch die des Informationsselektierers (p < 0,1) wirkten positiv bzw. negativ auf die Einstellung zum Noncomplaining.
Insgesamt ließen sich damit sechs der sieben aufgestellten Hypothesen bestätigen. Dabei konnten die Buying Center-Struktur und die wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz die Varianz der Einstellung zum Noncomplaining zu knapp 12 % (R2 = 0,115) erklären. Tabelle 4.20 und Abbildung 4.14 fassen die Ergebnisse der Hypothesenprüfung abschließend zusammen.
Tabelle 4.20
Quantitative Studie 2a – Zusammenfassung der Hypothesenprüfung
Nr.
Hypothese
Effekt
Ergebnis
H1
Die Unternehmensgröße hat einen positiven Einfluss auf den Formalisierungsgrad des Buying Centers.
0,343***
Bestätigt
H2
Die Unternehmensgröße hat einen positiven Einfluss auf die Heterogenität des Buying Centers.
0,229***
Bestätigt
H3
Der Formalisierungsgrad des Buying Centers hat einen positiven Einfluss auf die Heterogenität des Buying Centers.
0,334***
Bestätigt
H4
Die Heterogenität des Buying Centers hat einen positiven Einfluss auf die Einstellung zum Noncomplaining.
0,184**
Bestätigt
H5
Die wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz hat einen negativen moderierenden Einfluss auf die Wirkungsbeziehung zwischen der Heterogenität des Buying Centers und der Einstellung zum Noncomplaining.
−0,041n.s.
Nicht bestätigt
H6
Die wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz hat einen negativen Einfluss auf die Einstellung zum Noncomplaining.
−0,155*
Bestätigt
H7
Der relative Einfluss hat einen positiven moderierenden Effekt auf die Wirkungsbeziehung zwischen der wahrgenommenen gesellschaftlichen Kritikakzeptanz und der Einstellung zum Noncomplaining.
0,241**
Bestätigt
Signifikanzniveau:
*** = p < 0,001; ** = p < 0,01; * = p < 0,05; n.s. = p > 0,05

4.4.6 Zusammenfassung des Erkenntnisbeitrags und Diskussion der Ergebnisse

Das Ziel der vorliegenden quantitativen Untersuchung war es, einerseits den Einfluss der BtB-typischen Gruppenkomponente des organisationalen Beschwerdeverhaltens – konkret der Buying Center-Struktur – und andererseits die Rolle gesellschaftlicher Einflüsse – genauer die der gesellschaftlichen Kritikakzeptanz – auf die Einstellung zum Noncomplaining in den Blick zu nehmen. In Anbetracht der im vorherigen Kapitel vorgestellten Ergebnisse kann geschlussfolgert werden, dass die beiden eingangs formulierten Forschungsfragen beantwortet werden konnten. Insgesamt konnten die Buying Center-Struktur sowie die gesellschaftliche Kritikakzeptanz knapp 12 % der Varianz der Einstellung zum Noncomplaining erklären. Obgleich sich dieser Wert auf den ersten Blick gering anmuten mag, so erscheint das Niveau jedoch wenig verwunderlich. Analog zu der Beurteilung der Varianzaufklärung über die individuelle Persönlichkeit in der ersten quantitativen Studie ist dieser Anteil vielmehr in Relation zu den potenziellen weiteren Determinanten des Nicht-Beschwerdeverhaltens – u. a. unternehmens-, leistungs-, markt- oder situationsbezogene – zu sehen. In Folge dessen kann eine Varianzaufklärung über diese zwei Konstrukte als durchaus beachtlich eingeschätzt werden. Zumal nicht die vollständige Varianzaufklärung der Einstellung zum Noncomplaining, sondern die Betrachtung der grundsätzlichen Einflüsse der zwei Variablen auf das Nicht-Beschwerdeverhalten das Untersuchungsziel war.
Die erste Forschungsfrage wurde dahingehend beantwortet, dass die Buying Center-Struktur einen Einfluss darauf hat, ob ein Buying Center generell und damit unabhängig von einer konkreten Beschwerde-Situation zum Noncomplaining tendiert oder nicht. Hierbei wurde zunächst ersichtlich, dass die Operationalisierung der Buying Center-Struktur über die Unternehmensgröße, den Formalisierungsgrad und das Ausmaß der Heterogenität zweckmäßig war. Aus diesen Zusammenhängen innerhalb der Gruppe folgte, dass die Heterogenität einen positiven Einfluss auf die Einstellung zum Noncomplaining ausübt. Demzufolge ist zu schlussfolgern, dass ein heterogenes und damit hinsichtlich der Kompetenzen, Interessen und Hintergründe vielfältiges Buying Center von vornherein eine höhere Beschwerdeschwelle360 aufweist, da es aufgrund seiner Zusammensetzung und Organisation eher zum Noncomplaining tendiert. Sodann könnte der Buying Center-Struktur eine gewissermaßen prädisponierende Rolle zugewiesen werden.
Somit könnte aus Sicht des nachfragenden Unternehmens ein heterogenes Buying Center in diesem Aspekt aus betriebswirtschaftlicher Perspektive durchaus nachteilig sein, da potenzielle Verbesserungspotenziale, Ansprüche auf Kompensationen oder Rückzahlungen nicht ausgeschöpft werden. Zudem besteht durch eine Nicht-Lösung entsprechender Leistungsverschlechterungen die Gefahr, auch das eigene Leistungsangebot durch Qualitätsmängel zu gefährden und so angesichts der BtB-typischen Mehrstufigkeit der Märkte die eigene Wettbewerbsposition zu schwächen. Gleichwohl ist an dieser Stelle anzumerken, dass eine gewisse Heterogenität innerhalb des Buying Centers auch Vorteile und Chancen ermöglicht.361 Diesbezüglich ist zu vermuten, dass ein kritischer Grenzwert vorherrscht, ab welchem die Nachteile der Heterogenität, wie z. B. das Entstehen von Konflikten, welche die Entscheidungsfindung erschweren, die Vorteile und damit den optimalen Heterogenitätsgrad übersteigen.362
Aufgrund der Wirkungszusammenhänge innerhalb der Buying Center-Struktur können weitere Schlussfolgerungen gezogen werden. So impliziert die positive Beziehung zwischen der Unternehmensgröße und der Heterogenität, dass Buying Center in großen Unternehmen eher zum Verzicht auf eine Unzufriedenheitsartikulation tendieren. Dies könnte durchaus auf eine bestimmte Inaktivität der Buying Center-Mitglieder zurückzuführen sein, die wiederum aus einer geringeren Betroffenheit und Verantwortung des Einzelnen hervorgerufen werden könnte.363 Einen Hinweis auf die Gültigkeit dieser Argumentation liefert die Betrachtung der Wirkung der Buying Center-Rollen, welche als Kontrollvariablen im Modell berücksichtigt wurden. So konnte ein positiver Zusammenhang zwischen der Rolle des Benutzers und der Einstellung zum Noncomplaining gemessen werden. Hier zeigt sich, dass der eigentlich von der Leistungsverschlechterung unmittelbar Betroffene möglicherweise nicht die (Macht-)Position innehat, um eine Beschwerdeartikulation vorantreiben zu können – und die Distanz für eine eigenständige Kontaktaufnahme zum Lieferanten zu groß ist.364 Aufgrund der geringeren Betroffenheit könnte bspw. dem Einkäufer oder Entscheider der Aufwand einer Beschwerde zu hoch sein. Ein umgekehrter Effekt – hier wurde ein negativer Zusammenhang gemessen – wurde dahingegen hinsichtlich des Einflusses des Informationsselektierers deutlich. Dies erscheint insofern nachvollziehbar, als dass er den zur Beschwerdeartikulation notwendigen Informationsfluss besser steuern und so eine Beschwerde vorantreiben kann.
Zudem bestätigte sich, dass die Zusammensetzung eines heterogenen Buying Centers durch einen entsprechenden Formalisierungsgrad bedingt ist. Dies hat jedoch im Umkehrschluss zur Folge, dass die Einstellung zum Noncomplaining positiv ist, obwohl formale Richtlinien und Vorgaben zur Koordination und Standardisierung der Gruppenprozesse existieren. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass zwar feste Regeln für die Buying Center-Mitglieder vorgegeben sind, aber diese sich nicht auf die Einreichung von Beschwerden beziehen. So erscheint durchaus denkbar, dass Unternehmen ein Beschwerdemanagement vielmehr auf die Bearbeitung eingehender Beschwerden ausrichten – und dadurch ausgehende Beschwerden vernachlässigt werden. Demzufolge würde der Bedarf nach einem zweiseitig ausgerichteten Beschwerdemanagement bestehen, um auf diese Weise den unmittelbar betriebswirtschaftlichen Konsequenzen des Verzichts auf eine Beschwerdeartikulation entgegentreten zu können.365
Des Weiteren offenbarten sich erwähnenswerte Wirkungszusammenhänge unter Berücksichtigung der verschiedenen Geschäftstypen, aus denen sich bereits in der Pilotstudie angedeutete Charakteristika des betrieblichen Beschwerdeverhaltens ableiten lassen. So zeigte sich u. a., dass die Einstellung zum Noncomplaining im Projektgeschäft positiv beeinflusst wurde. Dieses Ergebnis lässt sich dadurch begründen, dass das Projektgeschäft keinen Kaufverbund auslöst, sondern einmaliger Natur ist sowie keine Nachfrager-Quasirente, und damit keine direkte Abhängigkeit, vorliegt.366 Demnach würde der Kunde selbst nicht mehr in Zukunft von durch die Beschwerde initiierten Verbesserungen profitieren können – mit Ausnahme von finanziellen Ausgleichszahlungen. Diesbezüglich wurde jedoch bereits in der Pilotstudie deutlich, dass das BtB-Beschwerdeverhalten den Fokus vielmehr auf zukünftige Verbesserungen legt als auf die Generierung von Wiedergutmachungsleistungen oder Kompensationen.367 Dahingegen erscheint dieser Geschäftstyp aufgrund der herrschenden Anbieter-Quasirente und dem Verlust von Möglichkeiten der Fehleridentifikation für das anbietende Unternehmen problematisch. Im Gegensatz hierzu ist das Integrationsgeschäft zusätzlich durch eine nachfragerseitige Abhängigkeit gekennzeichnet – doch es weist ebenfalls einen positiven Einfluss auf die Einstellung zum Noncomplaining auf. Hier kommt möglicherweise die bereits in der Pilotstudie erwähnte Angst vor potenziellen negativen Konsequenzen einer Beschwerde zum Tragen.368 Generell ist jedoch hinsichtlich der Geschäftstypen zu vermuten, dass das Beschwerdeverhalten abhängig von dem Zeitpunkt der Realisation der Leistungsverschlechterung durch den Kunden ist. Bemerkt der Kunde den Fehler bspw. im Rahmen eines Projektgeschäfts bereits während der Projektdurchführung und nicht erst im Nachhinein, so könnte dennoch eine Beschwerdeäußerung wahrscheinlicher sein.
Neben der Betrachtung des Einflusses der Buying Center-Struktur war das zweite Forschungsziel die Untersuchung des neuartigen Phänomens der gesellschaftlichen Kritikakzeptanz. Kurz gesagt konnte die zweite Forschungsfrage dahingehend beantwortet werden, dass gesellschaftliche Entwicklungen auch im betrieblichen Kontext einen Einfluss auf das Beschwerdeverhalten ausüben können. Hierbei wurde ersichtlich, dass die wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz über das Individuum auf die Einstellung zum Noncomplaining des Buying Centers insgesamt wirkt. Dabei bestätigte sich die Vermutung, dass eine als hoch wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz einen negativen Einfluss auf die Einstellung zum Noncomplaining ausübt und damit die direkte Beschwerdeartikulation gegenüber dem Lieferanten fördert. Dieser Wirkungszusammenhang wird verstärkt, sofern das Individuum in dem Buying Center eine entsprechende (Macht-)Position einnimmt und damit einen hohen relativen Einfluss auf die anderen Mitglieder ausüben kann. Demzufolge kann geschlussfolgert werden, dass Individuen nicht nur im privaten, sondern auch im betrieblichen Kontext soziale Risiken verspüren und vor diesem Hintergrund ihr Verhalten anpassen. Durch diese Wahrnehmung können sie sogar das Gruppenverhalten bzw. -entscheidungen beeinflussen. Hinsichtlich des Verhaltens innerhalb eines heterogenen Buying Centers scheint die wahrgenommene Kritikakzeptanz indes keinen Einfluss auszuüben. Dies ist möglicherweise durch die vorherrschende Vertrautheit zwischen den Mitgliedern begründet.
Zudem kann in Anbetracht der Studienergebnisse konstatiert werden, dass die Überlegungen der Impression Management-Theorie auch im BtB-Kontext ihre Gültigkeit unter Beweis stellen konnten. So bestätigten sich die Befürchtungen des Individuums und damit letztlich der Gruppe, dass die Unzufriedenheitsartikulation gegenüber dem Lieferanten mit einem negativ konnotierten Image sanktioniert werden kann, sofern das Verhalten in der Gesellschaft wenig akzeptiert und kritisch gesehen wird. Diesbezüglich ist zu vermuten, dass eine Beschwerde bei einer gesellschaftlich geringen Kritikakzeptanz sowohl negative Konsequenzen für das Individuum und schließlich auch für das Unternehmen insgesamt zur Folge haben kann. Hierdurch könnten vor allem die psychologischen Beschwerdebarrieren steigen und mit Blick auf den reziproken Charakter von Beschwerden im Noncomplaining resultieren, um negativen Reaktionen seitens des Lieferanten oder der Gesellschaft vorzubeugen.369 Aus Sicht des nachfragenden Unternehmens erscheint jedoch die Entscheidung zum Verzicht auf eine Beschwerde aus betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten heraus nur dann sinnvoll, wenn die zu erwartenden Geschäftsbeziehungskonflikte oder Imageschäden und sich möglicherweise daraus ergebende Kundenverluste den Nutzen der Beschwerde übersteigen. Denn es ist stets zu berücksichtigen, dass auch durch das Noncomplaining versäumte Verbesserungspotenziale des eigenen Leistungsangebots Reputations- und Vertrauensschäden aufgrund eines abnehmenden Qualitätsniveaus mit sich bringen können.370
Im Umkehrschluss kann die Beschwerdeartikulation jedoch bei einer vorliegenden gesellschaftlichen Kritikakzeptanz auch als Tool zur Selbstpräsentation des Individuums oder des Unternehmens eingesetzt werden.371 So kann bspw. die eigene Kompetenz bzw. das Fachwissen oder die Machtposition gegenüber dem Lieferanten durch eine Beschwerde unterstrichen werden. Demnach könnte eine Beschwerde sogar ein Ausdruck von Stärke und Überlegenheit sein – und gegensätzlich das Noncomplaining ein Zeichen der Schwäche. Diese Überlegung wird dadurch gestützt, dass Personen, die überwiegend kritische oder negative Urteile ausstellen, als kompetenter wahrgenommen werden.372
Damit gehen die Studienergebnisse mit der bisherigen Forschungserkenntnis einher, dass negative Meta-Wahrnehmungen das Beschwerdeverhalten beeinflussen können.373 Demzufolge sollten sich Marketing-Manager zum Ziel setzen, positive Meta-Wahrnehmungen unter Einsatz geeigneter Kommunikationsstrategien an ihre Kunden zu vermitteln – bspw. über Schulungen des eigenen Personals.374
Nicht zuletzt bestätigte die deskriptive Auswertung des Antwortverhaltens der Studienteilnehmer hinsichtlich der wahrgenommenen gesellschaftlichen Kritikakzeptanz die Erkenntnisse der in Abschnitt 4.4.1.1 zitierten Meinungsumfragen, dass ein großer Anteil der Befragten der Gesellschaft insgesamt eine geringe Kritikakzeptanz zuspricht.375
Abschließend kann hinsichtlich der zweiten Forschungsfrage das Fazit gezogen werden, dass gesellschaftliche Einflüsse und Entwicklungen – hier konkret die gesellschaftliche Kritikakzeptanz – die Schwelle zur Beschwerdeartikulation verschieben können. Sind kritische Meinungen gesellschaftlich wenig akzeptiert, so erhöht dies die Hemmnis zur Äußerung von Unzufriedenheit – auch im betrieblichen Kontext. Umgekehrt sinkt die Sorge, dass die Beschwerde mit negativen Konsequenzen für die Geschäftsbeziehung verbunden sein könnte, sofern eine generelle Akzeptanz von Kritik wahrgenommen wird. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen sollten Marketing-Manager auch auf BtB-Märkten derartige allgemeine, gesellschaftliche Wahrnehmungen ihrer Kunden in den Blick nehmen und versuchen zu nutzen.

4.4.7 Limitationen der Studie

Obgleich mit der vorliegenden Untersuchung die eingangs formulierten Forschungsfragen zufrieden stellend beantwortet werden konnten, sind Limitationen anzuführen, aus denen sich wiederum weiterer Forschungsbedarf ableiten lässt.
Diesbezüglich ist zunächst zu erwähnen, dass im Rahmen der Erhebung jeweils nur ein Mitglied pro Buying Center quasi pars pro toto befragt wurde. Somit wurde hinsichtlich der abhängigen Variable Einstellung zum Noncomplaining ausschließlich die individuelle und damit subjektive Wahrnehmung der Gruppeneinstellung gemessen. Für zukünftige Arbeiten würde es sich anbieten, mehrere Mitglieder eines Buying Centers zu befragen und dann die Antworten zu aggregieren, um so eine möglichst objektive Antwort hinsichtlich der Buying Center-Einstellung generieren zu können. Zudem konnten aufgrund des gewählten Vorgehens keine Verhaltensdaten gewonnen werden. Vor diesem Hintergrund sollte zukünftig die Critical-Incident-Technique zum Einsatz kommen, um so real erlebte Fälle als Referenzpunkt wählen und bspw. situative oder leistungsbezogene Aspekte integrieren zu können.376
Zusätzlich könnte die Konzeptualisierung der Buying Center-Struktur bei diesem Vorgehen weiter ausdifferenziert werden, indem individuelle Aspekte der einzelnen Mitglieder, wie z. B. die individuelle Betroffenheit, das wahrgenommene Risiko oder bisherige Erfahrungen, berücksichtigt werden. Ferner bietet es sich im Rahmen einer simultanen Befragung mehrerer Buying Center-Mitglieder an, Beziehungen und Informationsprozesse zwischen den einzelnen Individuen abzubilden, um möglichen Einflüssen durch Konflikte zwischen den Mitgliedern Rechnung tragen zu können.
Abschließend sind noch Limitationen hinsichtlich des neuartigen Konstrukts wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz einzuwenden. Nachdem nun in der vorliegenden Studie eine grundsätzliche Relevanz dieses Phänomens aufgezeigt werden konnte, könnte nun der nächste Schritt in einer tieferen Ausdifferenzierung der Kritikakzeptanz liegen. So erscheint denkbar, dass die Akzeptanz von Kritik je nach Beobachtungssubjekt unterschiedlich stark wirkt. Demnach könnte eine Unterscheidung zwischen der Kritikakzeptanz des betroffenen Lieferanten, der Gesellschaft insgesamt und derjenigen des eigenen Buying Centers in Erwägung gezogen werden. Des Weiteren könnte auch die Wahrnehmung solcher gesellschaftlichen Einflüsse wiederum von individuellen Persönlichkeitsmerkmalen der Buying Center-Mitglieder abhängen, sodass die Persönlichkeit in künftigen Forschungsarbeiten zusätzlich als Kontrollvariable berücksichtigt werden sollte. Zuletzt wurde in der vorliegenden Erhebung ausschließlich die Einstellung zum Noncomplaining gegenüber dem Lieferanten, jedoch nicht das Kommunikationsverhalten gegenüber Dritten untersucht. So bietet sich dahingehend weiterer Forschungsbedarf, inwiefern die gesellschaftliche Akzeptanz von kritischen Äußerungen auch das negative WoM beeinflusst.377

4.5 Quantitative Studie 2b: Noncomplainer-Loyalität und ihre Konsequenzen

4.5.1 Untersuchungsziel und Herleitung der Hypothesen

4.5.1.1 Untersuchungsziel

In den bisherigen Studien der vorliegenden Arbeit – mit Ausnahme der zweiten und dritten Forschungsfrage der qualitativen Pilotstudie – lag der Fokus auf der Erfassung von Antezedenzien des Noncomplainings im BtB-Kontext, und damit weniger unmittelbar auf den betriebswirtschaftlichen Konsequenzen von Noncomplainern für das einzelne Unternehmen. So wurden insb. in den quantitativen Erhebungen eins und 2a die Untersuchung individueller und gruppenbezogener Einflussfaktoren der Beschaffungsstrukturen sowie die Wirkung gesellschaftlicher Entwicklungen – konkret die Kritikakzeptanz im sozialen Umfeld – in das Betrachtungszentrum gerückt. Nicht zuletzt gilt es jedoch vor dem Hintergrund eines praxisbezogenen Verständnisses des Marketings im Sinne der marktorientierten Unternehmensführung, die Erreichung psychografischer und wirkungsbasiert ökonomischer Zielgrößen – genauer kundenbeziehungs- und qualitätsrelevante Ziele des Beschwerdemanagements – in den Blick zu nehmen.378
Das wesentliche Ziel des Relationship Marketings ist der Aufbau langfristiger Geschäftsbeziehungen, da auf diese Weise die Profitabilität des einzelnen Kunden aus Unternehmenssicht im Zeitablauf gesteigert werden kann.379 In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, dass eine Veränderung der Loyalität bzw. Retention um 5 % eine Veränderung der Profitabilität von 25 % bis 100 % zur Folge haben kann.380 Daher strebt das Relationship Marketing die Realisation von Kundenloyalität an.
Obgleich der in den vorherigen Studien und bereits in der Literatur gewonnenen Erkenntnisse hinsichtlich der Einflussfaktoren des Noncomplainings und der von diesem Wissen abzuleitenden zielgerichteten Maßnahmen der Beschwerdestimulierung, wird sich eine Noncomplainer-Quote von 0 % in der Praxis kaum realisieren und sich damit die Noncomplainer-Problematik nicht vollständig lösen lassen.381 Demzufolge erscheint die Gefährdung der Erreichung kundenbeziehungs- sowie qualitätsrelevanter und damit ökonomischer Marketingziele stets präsent zu sein. Letztendlich zeichnen sich Noncomplainer durch eine höhere Wechselbereitschaft aus und motivieren durch ein negatives Kommunikationsverhalten auch andere Kunden zur Abwanderung bzw. verhindern die Akquisition dieser.382 Vor diesem Hintergrund bezeichnen Voorhees et al. Noncomplainer auch als „most damaging group“.383
Diese indes sehr generelle Aussage bedarf jedoch der Relativierung bzw. der kritischen Differenzierung, da durchaus anzunehmen ist, dass sich Noncomplainer obschon ihrer Unzufriedenheit dem Anbieter gegenüber weiterhin loyal verhalten. So zeigten sich bereits in der Pilotstudie unterschiedliche – insb. für BtB-Märkte typische – Loyalitätsmotive, wie z. B. angesichts langfristiger Geschäftspartnerschaften die Beziehungsqualität oder auch Abhängigkeiten bzw. Machtverhältnisse und die damit einhergehenden Sorgen vor Konsequenzen. Demzufolge sind differenzierte und spezifische Analysen darüber, welche Faktoren potenziell einen Einfluss auf die Noncomplainer-Loyalität im betrieblichen Kontext haben, notwendig. Für eine derartige Betrachtung bietet sich die in Abschnitt 3.​3.​1 entwickelte Erweiterung der Exit-Voice-Theorie um die vier Loyalitätsstufen nach Oliver (1997) an.
Gleichwohl kann möglicherweise auch die Erreichung psychografischer Marketingziele, wie z. B. akquisitorische Effekte auf Basis eines guten Images, durch Noncomplainer gefährdet werden, indem sie ihren Unmut zwar nicht unmittelbar gegenüber dem Anbieter artikulieren, diesen jedoch an Dritte – bspw. innerhalb des Buying Centers oder sogar der Unternehmensbranche – weitertragen. Möglicherweise kann dieses Risiko jedoch durch geeignete Kundenbindungselemente abgeschwächt werden.
In Anbetracht dieser Überlegungen adressiert die vorliegende empirische Untersuchung384 zunächst die folgenden Forschungsfragen:
  • Eignen sich die vier Stufen der Loyalität nach Oliver (1997), um die Loyalität von Noncomplainern zu operationalisieren?
  • Welche Typen von loyalen Noncomplainern können vor dem Hintergrund ausgewählter Einflussfaktoren ausdifferenziert werden?
  • Tragen auch loyale Noncomplainer ihre Unzufriedenheit an Dritte weiter?
Ergänzend hierzu soll in Fortführung der Überlegungen und gewonnenen Erkenntnisse der quantitativen Studie 2a dem Aspekt der gesellschaftlichen Einflussfaktoren Rechnung getragen werden. So zeigte sich dort, dass die grundsätzliche Einstellung eines Buying Centers zum Noncomplaining Einflüssen der von den einzelnen Individuen wahrgenommenen gesellschaftlichen Kritikakzeptanz unterliegt. Demzufolge wirken auch im betrieblichen Kontext soziale Risiken auf das Nicht-Beschwerdeverhalten ein. Unklar erscheint jedoch zum aktuellen Zeitpunkt, inwiefern möglicherweise das Kommunikationsverhalten von Noncomplainern gegenüber Dritten durch gesellschaftliche Entwicklungen beeinflusst wird. Konkret wird hinterfragt, inwiefern die Bereitschaft zur Äußerung kundenindividueller Kritik durch eine Veränderung der gesellschaftlichen Wahrnehmung beeinträchtigt wird. Insb. in Situationen der Kommunikation von negativem WoM ist das soziale Umfeld unmittelbar eingebunden, sodass gesellschaftliche Risiken noch stärker wirken könnten. Angesichts dieser Gedanken widmet sich die vorliegende Studie ergänzend der folgenden Forschungsfrage:
  • Welchen Einfluss spielt die wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz hinsichtlich des negativen Kommunikationsverhaltens gegenüber Dritten?
Im Folgenden wird mit der Herleitung der Untersuchungshypothesen sowie der hiermit korrespondierenden Konzeption des Wirkungsmodells fortgefahren.

4.5.1.2 Noncomplainer-Loyalität

Mit Blick auf die erste Forschungsfrage steht die Loyalität eines Noncomplainers als eine der drei verschiedenen Reaktionsmöglichkeiten im Sinne der in Abschnitt 3.​3.​1 entwickelten Erweiterung der Exit-Voice-Theorie im Zentrum des zu konzipierenden Hypothesensystems. Die Fokussierung auf loyale Noncomplainer ist letztlich dadurch zu begründen, dass die Kundenloyalität als wesentliches Ziel der im Relationship Marketing zum Ausdruck kommenden Beziehungsorientierung dem aus Anbietersicht erstrebenswerten Zustand entspricht. Besonders BtB-Märkte sind durch eine ausgeprägte Konzentration auf langfristige Geschäftsbeziehungen gekennzeichnet.385 Diese Form der Kundenbindung übersteigt die reine Zufriedenheitsorientierung des Transaktionsansatzes386 und ist schließlich mit einer wachsenden Profitabilität der Kundenbeziehung verbunden.387 In Anlehnung an die erweiterte Exit-Voice-Theorie bietet es sich an, die Noncomplainer-Loyalität zwecks einer differenzierten Betrachtung des Treueverhaltens auf Basis des Stufenmodells von Oliver (1997) zu operationalisieren. Auf diese Weise können verschiedene Intensitätsstufen der Noncomplainer-Loyalität herausgearbeitet werden. In seinem vierstufigen Modell unterscheidet Oliver (1997) zwischen der kognitiven, affektiven, konativen und aktionalen Loyalität.388
Als Ausgangspunkt des Loyalitätsmodells setzt die kognitive Loyalität an erfahrungsbasierten Informationen (z. B. Preis, Qualität, technische Eigenschaften) an und stellt im Rahmen eines kognitiven Vergleichsprozesses den Nettonutzen in den Mittelpunkt.389 Da es sich bei der kognitiven Loyalität um die schwächste Stufe handelt, kann auf dieser Ebene eine Leistungsverschlechterung und der hieraus hervorgehende (Nicht-)Beschwerdefall einen Anbieterwechsel mit sich bringen.390 Auf die kognitive folgt dann die affektive Loyalität, welche wiederum auf sich wiederholenden positiven und damit Kundenzufriedenheit auslösenden Erfahrungen beruht.391 Damit geht die affektive Loyalität über die kognitive hinaus, indem sie nicht ausschließlich auf Kognitionen, sondern vielmehr auf einer Gesamtzufriedenheit und auf einer im Zeitablauf entwickelten positiven Einstellung fußt. Im Anschluss an die affektive folgt die konative Loyalität. Aus dieser geht eine konkrete Verhaltensabsicht hervor – bspw. auf Basis einer engen Verbundenheit –, wobei es zu diesem Zeitpunkt noch unklar ist, ob es zum Wiederkauf kommt oder nicht.392 Die Fehlertoleranz des Kunden ist auf dieser Stufe jedoch spürbar höher als auf den beiden vorherigen.393 Ob der Wiederkauf nun tatsächlich realisiert wird oder nicht, wird durch die aktionale Loyalität beschrieben. Diese umfasst demzufolge das tatsächliche Treueverhalten des Kunden.394
Vor dem Hintergrund der erweiterten und auf Noncomplainer fokussierten Exit-Voice-Theorie aus Abschnitt 3.​3.​1.​2 können folgende, grundlegende Hypothesen hergeleitet werden:
H1:
Die kognitive Loyalität hat einen positiven Einfluss auf die affektive Loyalität.
H2:
Die affektive Loyalität hat einen positiven Einfluss auf die konative Loyalität.
H3:
Die konative Loyalität hat einen positiven Einfluss auf die aktionale Loyalität.

4.5.1.3 Wirkung des Machtverhältnisses

In Anbetracht der konstituierenden Besonderheiten von BtB-Märkten wird ersichtlich, dass diese durch hohe Abhängigkeiten auf Nachfrager- und/oder Anbieterseite charakterisiert sind – was wiederum nicht zuletzt in der Ausgestaltung der vier Geschäftstypen zum Ausdruck kommt. Vielfach gehen diese Abhängigkeiten und die sich hieraus ergebenden Machtverhältnisse auf die meist geringe Anzahl an Marktteilnehmern und die hohe Spezifität der Leistungen zurück.395 Generell erscheinen bspw. große Kunden vis-à-vis mit ihren Lieferanten machtvoller als kleine Kunden.396 Clark beschreibt den Handlungsspielraum von Unternehmen auch als „zones of manoeuvre“397, welcher wiederum abhängig von der wahrgenommenen Machtposition ist.398 Demnach liegt nahe, dass auch das Beschwerdeverhalten und die damit verbundenen Reaktionsformen von dem Machtverhältnis abhängig sind. Dahingehend lässt die bisherige Beschwerdeforschung bereits im BtC-Bereich den Schluss zu, dass das Beschwerdeverhalten in einer Beziehung durchaus durch ein ungleich verteiltes Machtverhältnis beeinflusst werden kann.399 Vor allem Noncomplainer empfinden eine aus ihrer Sichtweise nachteilige Machtdisbalance.400 Diese Beobachtung untermauert die Erkenntnis, dass ein unzufriedener Kunde sich eher beschwert, wenn er selbst in einer Machtposition gegenüber dem Geschäftspartner steht.401 Vor diesem Hintergrund lässt sich vermuten, dass ein sich vom Lieferanten abhängiger bzw. abhängig fühlender Kunde seine Unzufriedenheit eher nicht an den Anbieter artikuliert. Somit bliebe er aus rationalen Überlegungen heraus loyal – bspw. aufgrund eines Mangels an vorteilhafteren Alternativen.
Dieser Wirkungszusammenhang könnte zudem durch die Angst vor negativen Konsequenzen der Beschwerde für die Geschäftsbeziehung verschärft werden, wie z. B. eine zukünftige Nichtbelieferung. Diese Sorge bzw. Befürchtung könnte sich möglicherweise in einem hohen wahrgenommenen Risiko widerspiegeln. Es liegt nahe, dass eine höhere wahrgenommene Abhängigkeit von dem Lieferanten – und damit ein stärkeres Machtungleichgewicht – in einem wachsenden wahrgenommenen Risiko resultiert. Erste Hinweise hierfür lieferten bereits die Aussagen von Studienteilnehmern in der qualitativen Pilotstudie.402 Schließlich ließe sich vermuten, dass ein höheres wahrgenommenes Risiko nicht nur die Beschwerdeäußerung beeinträchtigt, sondern das Treueverhalten fördert, da ein Anbieterwechsel zu viele Unsicherheiten mit sich bringen könnte.
Demzufolge können hinsichtlich des Machtverhältnisses zwischen Anbieter und Nachfrager folgende Hypothesen formuliert werden:
H4:
Das Machtungleichgewicht hat einen positiven Einfluss auf die kognitive Loyalität.
H5:
Das Machtungleichgewicht hat einen positiven Einfluss auf das wahrgenommene Risiko.
H6:
Das wahrgenommene Risiko hat einen positiven Einfluss auf die kognitive Loyalität.

4.5.1.4 Wirkung des lieferantenseitigen Abwehrverhaltens

Ein zielgerichtetes Beschwerdemanagement bietet grundsätzlich viele Potenziale für Unternehmen – durch eine entsprechende Stimulierung, Behandlung und Analyse von Beschwerden –, um die Kundenzufriedenheit und damit die -loyalität zu steigern.403 Nicht zuletzt können so über die Adressierung derartiger psychografischer Größen ökonomische Ziele, wie z. B. der Marktanteil oder die Reduktion von Marketingkosten, erreicht werden.404
Demgegenüber werden Beschwerden in der Unternehmenspraxis vielfach als negativ angesehen, die es abzuwehren gilt. Dies führt dazu, dass Anbieter (un-)bewusst Abwehrmechanismen einsetzen, um solche Beschwerden zu verhindern.405 Dies scheint letztlich zum Ergebnis zu haben, dass mehr als die Hälfte der Kunden regelmäßig mit dem Umgang und der Bearbeitung ihrer Beschwerden unzufrieden sind.406 Die theoretische Grundlage dieser Abwehrmechanismen geht bis auf Freud (1946) zurück. Hierauf aufbauend werden in der Psychologie meist fünf verschiedene Typen von Abwehrmechanismen unterschieden.407 Basierend auf diesen Typen leiteten Homburg/Fürst das Konstrukt Defensive Organizational Behavior her, welches sich in die Abwehrmechanismen Isolation from Complaints und Hostile Behavior towards Complainants ausdifferenziert.408 Der Aspekt der Isolation spielt darauf an, dass Unternehmen bemüht sind, Beschwerden zu vermeiden und die entsprechenden Beschwerdekanäle nicht aktiv an ihre Kunden kommunizieren oder teilweise gar nicht erst einrichten.409 Mit Blick auf die Besonderheiten des BtB-Marketings – insb. das Interaktionsparadigma und dem damit verbundenen engen Austausch des Kunden mit einem direkten Ansprechpartner des Lieferanten – erscheint eine tiefergehende Differenzierung der Isolation zweckmäßig. Dementsprechend bietet es sich an, die Überlegungen von Homburg/Fürst (2007) dahingehend weiterzuentwickeln, dass Isolation from Complaints sowohl auf organisationaler als auch auf individueller Ebene zu beobachten sein kann. Während die organisationale Isolation mangelhafte Strukturen (z. B. leicht zugängliche Beschwerdekanäle) umfasst, bezieht sich die individuelle Isolation konkret auf das Verhalten des direkten Ansprechpartners. So sehen die beschwerdeempfangenden Kontaktpersonen eine solche oftmals als persönlichen Angriff an, sodass sie versuchen, Beschwerden auch mit individuellem Abwehrverhalten zu vermeiden.410 Mit diesem seitens der Kontaktperson als persönlich wahrgenommenen Konflikt geht zudem einher, dass diese innerhalb des eigenen Unternehmens potenzielle Konsequenzen befürchtet – insb. im Falle einer eigenen (Teil-)Schuld.411 Dies hat wiederum bisweilen aggressive bzw. wütende Reaktionen oder Schuldzurückweisungen seitens des Ansprechpartners zur Folge.412 Derartige Handlungen werden in der vorliegenden Arbeit als feindseliges Verhalten bezeichnet.413 Besonders mit Blick auf den für BtB-Märkte typischen direkten und persönlichen Kontakt könnte dies einen maßgeblichen Einfluss auf die Noncomplainer-Loyalität ausüben.
Vor diesem Hintergrund ist schließlich zu vermuten, dass das anbieterseitige Abwehrverhalten in einer „Double Deviation“414 resultiert und so noch intensivere negative Empfindungen gegenüber dem Lieferanten herrschen – über die eigentliche Leistungsverschlechterung hinausgehend. Sodann lassen sich folgende drei Wirkungszusammenhänge postulieren:
H7:
Die organisationale Isolation hat einen negativen Einfluss auf die kognitive Loyalität.
H8:
Die individuelle Isolation hat einen negativen Einfluss auf die kognitive Loyalität.
H9:
Das feindselige Verhalten hat einen negativen Einfluss auf die affektive Loyalität.

4.5.1.5 Wirkung der Beziehungsqualität

Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des BtB-Marketings ist der ökonomische Erfolg von sich wiederholenden Transaktionsprozessen nicht ausschließlich von der Preis-Leistungs-Performance des Angebots abhängig. Dieser definiert sich ergänzend über die Passung von strukturellen und Verhaltensmerkmalen der interagierenden Parteien.415 Dieses Match ist angesichts der Ausführungen in Abschnitt 2.​4.​4 sicherlich auch durch verhaltenswissenschaftliche Phänomene geprägt. So werden auch das organisationale Beschaffungsverhalten und diesbezüglich besonders der Aufbau loyaler und langfristiger Geschäftsbeziehungen durch verhaltenswissenschaftliche Aspekte, wie bspw. Emotionen, bestimmt.416 An dieser Stelle wird vielfach dem Konstrukt der Beziehungsqualität417 eine zentrale Rolle für den Aufbau und die Pflege langfristiger Partnerschaften beigemessen.418 In Anlehnung hieran könnte demnach vor allem im BtB-Bereich die Beziehungsqualität einen bedeutsamen Effekt auf die Noncomplainer-Loyalität aufweisen. Grundsätzlich konnte der Einfluss der Beziehungsqualität in der BtB-Forschung bereits nachgewiesen werden.419 Bisherige Arbeiten legen in diesem Zusammenhang die Commitment-Trust-Theorie von Morgan/Hunt (1994) zugrunde.420 Demnach werden in dem Vertrauen und dem Commitment zentrale Erfolgsfaktoren für den Aufbau loyaler Geschäftsbeziehungen und -partnerschaften gesehen.421 Somit übersteigt die Beziehungsqualität das rein kognitiv geprägte bzw. nutzenorientierte Verständnis von Austauschbeziehungen.
Hinsichtlich des Beschwerdeverhaltens konnte in der BtC-Forschung bereits gezeigt werden, dass sich an den Anbieter gebundene Kunden im Falle einer Leistungsverschlechterung generöser verhalten und eher von einer Beschwerde absehen.422 Des Weiteren wird der Verzicht auf eine Beschwerde regelmäßig als Belohnung für den Anbieter eingeordnet, sofern sich der Kunde persönlich gebunden fühlt.423 Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass persönlich gebundene Kunden negative Konsequenzen einer Beschwerde für die gesamte Geschäftsbeziehung stärker befürchten als weniger gebundene. Der Commitment-Trust-Theorie zufolge ergibt sich das Relationship Commitment aus dem Vertrauen und nach dem Loyalitätsmodell von Oliver (1997) folgt die konative auf die affektive Loyalität. In Anbetracht dieser Überlegungen lassen sich somit folgende zwei Hypothesen herleiten:
H10:
Das Vertrauen hat einen positiven Einfluss auf die affektive Loyalität.
H11:
Das Relationship Commitment hat einen positiven Einfluss auf die konative Loyalität.

4.5.1.6 Konsequenzen der Noncomplainer-Loyalität

Neben der Beschwerde i.e.S. können unzufriedene Kunden ihre Verärgerung auch an Dritte weitertragen. Dieses negative WoM kann aus Anbieterperspektive weitreichende Konsequenzen mit sich bringen, indem unzufriedene Kunden ihre negativen Erfahrungen an eine Vielzahl aktueller und potenzieller Kunden kommunizieren.424 Letztlich kann ein derartiges Kommunikationsverhalten die Reputation und Glaubwürdigkeit eines Lieferanten nachhaltig schädigen. Unter Berücksichtigung der Beschaffungsstrukturen eines BtB-Nachfragers erscheint es jedoch zweckmäßig, dass das negative WoM hinsichtlich seiner Adressaten – inner- oder außerhalb des eigenen Unternehmens – ausdifferenziert wird. Demnach wird an dieser Stelle zwischen privatem und öffentlichem WoM unterschieden. Privat bezieht sich hierbei auf das Kommunikationsverhalten innerhalb des Buying Centers und öffentlich auf Dritte außerhalb des eigenen Unternehmens, wie z. B. die Unternehmensbranche. Auf die Zweckmäßigkeit dieser Unterscheidung machten bereits Bonoma et al. (1977) sehr frühzeitig aufmerksam, indem sie darauf hinwiesen, dass Beschaffungsentscheidungen maßgeblich durch das interne WoM beeinflusst werden. Diesen Gedanken nahmen Ferguson/Johnston (2011) auf und entwickelten unter der Bezeichnung „within-firm voicing“425 eine Struktur zur Beschreibung von negativem WoM innerhalb des Buying Centers.
Auch Noncomplainer motivieren grundsätzlich andere Kunden durch ein negatives Kommunikationsverhalten zur Abwanderung und damit zu illoyalem Verhalten.426 Diese Risiken nehmen im Zuge des digitalen Wandels, der mittlerweile auch auf BtB-Märkten Einzug erhalten hat, gewiss noch weiter zu. Bereits in der analogen Welt betreiben Noncomplainer ein ausgeprägtes negatives WoM – gem. der bisherigen BtC-Forschung.427 Demgegenüber ist jedoch zu vermuten, dass loyale Noncomplainer ein weniger intensives (negatives) WoM ausführen, da sie auch in Zukunft noch erfolgreich mit dem Anbieter zusammenarbeiten möchten.
Dementsprechend werden die folgenden zwei Hypothesen formuliert:
H12:
Die aktionale Loyalität hat einen negativen Einfluss auf das negative private Word of Mouth.
H13:
Die aktionale Loyalität hat einen negativen Einfluss auf das negative öffentliche Word of Mouth.

4.5.1.7 Moderierende Wirkung der gesellschaftlichen Kritikakzeptanz

Bereits in dem vorherigen ersten Teilabschnitt der quantitativen Studie zwei konnte empirisch gezeigt werden, dass gesellschaftliche Entwicklungen – konkret die wahrgenommene Akzeptanz zur Äußerung von Kritik – das Beschwerdeverhalten im BtB-Kontext beeinflussen. So haben Buying Center eine positivere Einstellung zum Noncomplaining, sofern einzelne Mitglieder die Wahrnehmung haben, dass die Artikulation von Beschwerden bzw. Kritik in der Gesellschaft wenig angesehen ist und möglicherweise mit sozialen Risiken korrespondiert. Diese Ergebnisse bestätigten den grundsätzlichen Eindruck der bisherigen Beschwerdeforschung, dass Beschwerden vielfach mit negativen Konnotationen belastet sind.428 Im Kern wird befürchtet, das eigene Image bzw. das des Unternehmens durch sozial nicht erwünschtes Verhalten zu gefährden.429 In Anlehnung an die Hypothesenherleitung in Abschnitt 4.4.1.3 fußen diese Überlegungen ebenfalls auf der Impression Management-Theorie. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse der quantitativen Studie 2a liegt nahe, dass auch im BtB-Kontext nicht nur das Beschwerdeverhalten an sich, sondern auch das Artikulationsverhalten gegenüber Dritten durch die wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz beeinflusst wird. Demnach ließe sich vermuten, dass loyale Kunden – auch wenn sie ihre Unzufriedenheit nicht direkt an den Lieferanten kommunizieren – ihre Kritik gegenüber weiteren Mitgliedern des Buying Centers respektive Dritten äußern, sofern sie aufgrund einer wahrgenommenen gesellschaftlichen Kritikakzeptanz keine sozialen Risiken bzw. Konsequenzen befürchten müssen. Der postulierte negative Effekt der aktionalen Loyalität auf das WoM würde auf diese Weise abgeschwächt werden.
Abschließend können damit folgende zwei Moderationseffekte postuliert werden:
H14:
Die wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz moderiert die Wirkungsbeziehung zwischen der aktionalen Loyalität und dem negativen privaten Word of Mouth negativ.
H15:
Die wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz moderiert die Wirkungsbeziehung zwischen der aktionalen Loyalität und dem negativen öffentlichen Word of Mouth negativ.

4.5.1.8 Zusammenführung der Hypothesen

Schließlich wurden insgesamt 15 Hypothesen hergeleitet, die es in der vorliegenden Untersuchung empirisch zu prüfen gilt. Tabelle 4.21 zeigt eine zusammenfassende Übersicht der postulierten Wirkungszusammenhänge und Abbildung 4.15 das empirisch zu prüfende Hypothesensystem grafisch in einem Forschungsmodell.
Ergänzend zur Reduktion eines potenziellen Omitted Variable Bias wurden noch einige Kontrollvariablen berücksichtigt. Konkret waren dies hinsichtlich der Noncomplainer-Loyalität die Bestellhäufigkeit, die Beziehungsdauer, die Anzahl der Beschwerdefälle sowie der Zeitdruck. Dahingegen wurde das Machtverhältnis mithilfe der Marktstruktur, des Geschäftstyps und der in Bezug auf die Mehrstufigkeit von BtB-Märkten herrschenden vertikalen Distanz zur Fehlerquelle430 kontrolliert.
Tabelle 4.21
Quantitative Studie 2b – Zusammenfassung der Hypothesen
Nr.
Hypothese
H1
Die kognitive Loyalität hat einen positiven Einfluss auf die affektive Loyalität.
H2
Die affektive Loyalität hat einen positiven Einfluss auf die konative Loyalität.
H3
Die konative Loyalität hat einen positiven Einfluss auf die aktionale Loyalität.
H4
Das Machtungleichgewicht hat einen positiven Einfluss auf die kognitive Loyalität.
H5
Das Machtungleichgewicht hat einen positiven Einfluss auf das wahrgenommene Risiko.
H6
Das wahrgenommene Risiko hat einen positiven Einfluss auf die kognitive Loyalität.
H7
Die organisationale Isolation hat einen negativen Einfluss auf die kognitive Loyalität.
H8
Die individuelle Isolation hat einen negativen Einfluss auf die kognitive Loyalität.
H9
Das feindselige Verhalten hat einen negativen Einfluss auf die affektive Loyalität.
H10
Das Vertrauen hat einen positiven Einfluss auf die affektive Loyalität.
H11
Das Relationship Commitment hat einen positiven Einfluss auf die konative Loyalität.
H12
Die aktionale Loyalität hat einen negativen Einfluss auf das negative private Word of Mouth.
H13
Die aktionale Loyalität hat einen negativen Einfluss auf das negative öffentliche Word of Mouth.
H14
Die wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz moderiert die Wirkungsbeziehung zwischen der aktionalen Loyalität und dem negativen privaten Word of Mouth negativ.
H15
Die wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz moderiert die Wirkungsbeziehung zwischen der aktionalen Loyalität und dem negativen öffentlichen Word of Mouth negativ.

4.5.2 Untersuchungsdesign und Ablauf der Erhebung

In Anbetracht des Untersuchungsziels – die empirische Prüfung des in Abschnitt 4.5.1 hergeleiteten Forschungsmodells – gilt es, in Anlehnung an das Vorgehen in den beiden vorherigen quantitativen Studien ein strukturprüfendes Verfahren anzuwenden, um das aufgestellte Hypothesensystem prüfen zu können. Mit Blick auf die Vielzahl latenter Konstrukte und mehrstufiger Wirkungszusammenhänge sowie mehrerer abhängiger Variablen eignet sich an dieser Stelle ausschließlich die Strukturgleichungsanalyse. Zudem bietet sich angesichts des bereits etablierten theoretischen Modellfundaments erneut der kovarianzbasierte Ansatz an.
Zunächst werden die hypothetischen Konstrukte, welche intervenierenden und damit nicht zu beobachtenden Variablen entsprechen, operationalisiert, um sie entsprechend unter Anwendung eines standardisierten Fragebogens messen zu können (Abschnitt 4.5.3). Dafür ist die Bildung von Messinstrumenten notwendig, welche wiederum aus der Literatur übernommen oder mit Blick auf die Spezifität der Noncomplainer-Loyalität im BtB-Kontext eigens entwickelt wurden. Anschließend wird in Abschnitt 4.5.4 die Durchführung der Erhebung – konkret die Methodik der Datenerhebung und -aufbereitung sowie die Zusammensetzung der Stichprobe – beschrieben. Im Anschluss hieran werden die erhobenen Daten in Abschnitt 4.5.5 unter der Zuhilfenahme der Software SPSS Statistics und SPSS AMOS analysiert und das Hypothesensystem geprüft. Zuletzt werden die Ergebnisse der Hypothesenprüfung zusammengefasst sowie diskutiert (Abschnitt 4.5.6) und Limitationen der Erhebung aufgezeigt (Abschnitt 4.5.7).

4.5.3 Operationalisierung und Messinstrumente der Konstrukte

Analog zum Vorgehen im ersten Teil der zweiten quantitativen Studie wurden im Zuge der Operationalisierung der Modellkonstrukte sowohl bereits in der Literatur validierte als auch für den vorliegenden Kontext eigens entwickelte Skalen verwendet. Diese fußten weitestgehend auf siebenstufigen Likert-Skalen, auf Basis derer die Studienteilnehmer ihre Zustimmung oder Ablehnung der jeweiligen Itemaussagen auf einer eindimensionalen Skala von „Stimme überhaupt nicht zu“ (= 1) bis „Stimme voll und ganz zu“ (= 7) zum Ausdruck bringen konnten. Damit boten die verwendeten Skalen hinreichende Differenzierungsmöglichkeiten der Antworten sowie eine metrische Auswertung. Mit Ausnahme der Kontrollvariablen Bestellhäufigkeit, Beziehungsdauer, Anzahl der Beschwerdefälle, Marktstruktur und Geschäftstyp wurden ebenfalls ausschließlich Multi-Item-Skalen verwendet. Insb. mit Blick auf die Länge des Fragebogens431 wurden mehrfach Reverse-Coded Items zur Vorbeugung von Probandenmüdigkeit und Konzentrationsschwächen eingestreut.
Um vor der eigentlichen Haupterhebung die Skalen auf ihre Eignung im vorliegenden Kontext zu testen, wurde gemeinsam mit den Skalen der quantitativen Studie 2a ein quantitativer Pretest (n = 32) vollzogen. Deckungsgleich zum Vorgehen in Abschnitt 4.4.3 wurden notwendige Anpassungen der Itemformulierungen oder Eliminationen auf Basis von Cronbachs Alpha, den KITK und den Faktorladungen geprüft.
Zur Operationalisierung der kognitiven Loyalität wurde die bereits von Brock et al. (2011)432 im Beschwerde-Kontext validierte Skala verwendet und zwecks einer breiteren Datenerfassung um ein Item ergänzt. Diese Skala basiert auf den Formulierungen von Dodds et al. (1991) sowie Sirdeshmukh et al. (2002) und konnte ebenfalls von Harris/Goode (2004) in ähnlicher Form erfolgreich eingesetzt werden. Insb. der in den Itemaussagen erkennbare Nettonutzen-Fokus spricht für den Einsatz dieser Skala. Gem. den Ergebnissen des Pretests konnte die Skala ohne Anpassungen in der Haupterhebung zum Einsatz kommen (Tabelle 4.22).
Tabelle 4.22
Quantitative Studie 2b – Operationalisierung von Kognitive Loyalität
Kürzel
Indikator
Quelle der Skala
Pretest
Cronbachs Alpha = 0,847
KITK
FL
KogL01
Das Preisniveau des Lieferanten ist gut.
modifiziert nach Brock et al. (2011)
0,667
0,804
KogL02
Das Preis-Leistungs-Verhältnis des Lieferanten ist gut.
0,756
0,873
KogL03
Im Vergleich zu anderen Anbietern ist mein Lieferant preisgünstig.
0,695
0,816
KogL04
Die Leistung des Lieferanten ist sein Geld wert.
0,657
0,811
Hinsichtlich der Auswahl des Messinstruments für die affektive Loyalität wurde ebenfalls auf die bereits von Brock et al. (2011)433 eingesetzte Skala zurückgegriffen. Diese zudem von Evanschitzky/Wunderlich (2006) sowie Bettencourt (1997) gewählten Items wurden marginal für die vorliegende Erhebung modifiziert. Im Pretest wurden alle strengen Grenzwerte der drei Kriterien deutlich übertroffen, sodass die Skala unverändert verwendet werden konnte (Tabelle 4.23).
Tabelle 4.23
Quantitative Studie 2b – Operationalisierung von Affektive Loyalität
Kürzel
Indikator
Quelle der Skala
Pretest
Cronbachs Alpha = 0,813
KITK
FL
AffL01
Wir sind mit dem Lieferanten sehr zufrieden.
modifiziert nach Brock et al. (2011)
0,782
0,919
AffL02
Unser Lieferant ist besser als der Wettbewerb.
0,628
0,831
AffL03
Wir haben bisher gute Erfahrungen mit dem Lieferanten gemacht.
0,605
0,807
In Anbetracht der Operationalisierung der konativen Loyalität wurde erneut das Skalenmaterial von Brock et al. (2011)434 verwendet, wobei dieses um ein Item von Ro (2014) ergänzt wurde. Die Skala stammt ursprünglich von Zeithaml et al. (1996) und wurde von Homburg/Fürst (2005) in die Beschwerdeforschung eingeführt.435 Tabelle 4.24 fasst die Ergebnisse des Pretests zusammen, nach welchen die Skala unverändert in die Haupterhebung übernommen werden konnte.
Tabelle 4.24
Quantitative Studie 2b – Operationalisierung von Konative Loyalität
Kürzel
Indikator
Quelle der Skala
Pretest
Cronbachs Alpha = 0,924
KITK
FL
KonL01
Es ist wahrscheinlich, dass wir nach dem Vorfall wieder bei dem Lieferanten kaufen.
modifiziert nach Brock et al. (2011), ergänzt um Ro (2014)
0,867
0,942
KonL02
Zukünftig werden wir dem Lieferanten gegenüber treu bleiben.
0,859
0,938
KonL03
Wir beabsichtigen, dem Anbieter auch in Zukunft gegenüber loyal zu bleiben.
0,837
0,927
Da in der vorliegenden Studie – konträr zu den meisten Untersuchungen, die sich der Loyalität von unzufriedenen Kunden widmeten – keine Umsatzdaten erhoben werden konnten, wurde die aktionale Loyalität ebenfalls über eine Multi-Item-Skala gemessen. Hierfür wurden vier Items eigenständig entwickelt. Im Rahmen des Pretests wurden alle strengen Werte der drei Kriterien überschritten (Tabelle 4.25). Demzufolge wurden keine weiteren Anpassungen der Skala vorgenommen.
Tabelle 4.25
Quantitative Studie 2b – Operationalisierung von Aktionale Loyalität
Kürzel
Indikator
Quelle der Skala
Pretest
Cronbachs Alpha = 0,850
KITK
FL
AktL01
Eine erneute Bestellung der Leistung bei dem Lieferanten ist bereits in Planung.
Skala selbst entwickelt
0,701
0,846
AktL02
Wir haben die Leistung bereits wieder bei dem Lieferanten bestellt.
0,766
0,880
AktL03
Ein erneuter Beschaffungsprozess dieser Leistung ist bereits eingeleitet.
0,587
0,755
AktL04
Beim nächsten Bedarf werden wir die Leistung wieder dort beschaffen.
0,720
0,839
Die Skala zur Messung des Machtungleichgewichts basierte auf drei Items von Trawick/Swan (1981)436, welche in ihrer Richtung umcodiert und um zwei weitere Items (MUg04 und MUg05) ergänzt wurden. Auch wenn die Items eins und fünf die kritischen Grenzwerte deutlich unterschritten (Tabelle 4.26), wurden alle fünf Items angesichts der geringen Stichprobe und mangels Verständnisproblemen in einem kognitiven Pretest in der Haupterhebung berücksichtigt. Dieses Vorgehen erwies sich im weiteren Verlauf als zweckmäßig.
Tabelle 4.26
Quantitative Studie 2b – Operationalisierung von Machtungleichgewicht
Kürzel
Indikator
Quelle der Skala
Pretest
Cronbachs Alpha = 0,694
KITK
FL
MUg01
Der Lieferant ist größer als unser Unternehmen.
modifiziert nach Trawick/Swan (1981)
0,121
0,144
MUg02
Unser Unternehmen ist Hauptabnehmer dieses Lieferanten. (r)
0,437
0,723
MUg03
Ein weiterer Lieferant für diese Leistung ist nur sehr schwer verfügbar.
0,540
0,815
MUg04
Unser Unternehmen hat gegenüber diesem Lieferanten wenig Verhandlungsmacht.
0,557
0,826
MUg05
Unser Unternehmen ist stärker von diesem Lieferanten abhängig als dieser von uns.
0,269
0,491
Zur Operationalisierung des wahrgenommenen Risikos konnte auf keine für den vorliegenden Kontext geeignete Skala zurückgegriffen werden, welche die Sorge vor negativen Konsequenzen passend erfasst hätte. Demzufolge wurde eine eigene Skala – bestehend aus vier Items – entwickelt, die diesen Aspekt in ihren Aussagen erfasst.437 Das entwickelte Messinstrument überschritt dabei die notwendigen Grenzwerte deutlich, sodass dieses ohne Veränderungen in der Haupterhebung eingesetzt werden konnte (Tabelle 4.27).
Tabelle 4.27
Quantitative Studie 2b – Operationalisierung von Wahrgenommenes Risiko
Kürzel
Indikator
Quelle der Skala
Pretest
Cronbachs Alpha = 0,917
KITK
FL
WRi01
Ich hatte Sorge, dass eine Beschwerde in dieser Situation mit negativen Konsequenzen verbunden sein könnte.
Skala selbst entwickelt
0,842
0,913
WRi02
Ich wollte die Beziehung zum Lieferanten nicht durch eine Beschwerde belasten.
0,879
0,942
WRi03
Ich wollte die Beziehung zum Lieferanten nicht durch eine Beschwerde gefährden.
0,832
0,918
WRi04
Durch eine Beschwerde hätte das Risiko bestanden, den Lieferanten zu verärgern.
0,699
0,815
Zur Operationalisierung der Konstrukte Organisationale Isolation, Individuelle Isolation und Feindseliges Verhalten wurde jeweils aufgrund der Einführung dieser in die Beschwerdeforschung durch Homburg/Fürst (2007)438 auf die dortigen Originalskalen zurückgegriffen. Diese wurden für den vorliegenden BtB- und Noncomplainer-Fokus leicht modifiziert und umcodiert. Zur Messung des feindseligen Verhaltens wurden zudem die Items FVe03 und FVe04 ergänzt. Bezüglich der organisationalen Isolation ergab sich im Rahmen des Pretests, dass sich eine Elimination des Items OIs04 anbieten würde, damit die weiteren Items die liberalen Grenzwerte überschreiten (Tabelle 4.28). Hierauf wurde jedoch mit Blick auf die bereits erfolgte Validierung dieser Skala in der Originalquelle zunächst verzichtet. Demgegenüber übertrafen die verwendeten Skalen zur Operationalisierung der individuellen Isolation (Tabelle 4.29) sowie des feindseligen Verhaltens (Tabelle 4.30) die erforderlichen Maße deutlich, sodass diese ebenfalls ohne Anpassungen in die Haupterhebung einfließen konnten.
Tabelle 4.28
Quantitative Studie 2b – Operationalisierung von Organisationale Isolation
Kürzel
Indikator
Quelle der Skala
Pretest
Cronbachs Alpha = 0,669
KITK
FL
OIs01
Der Lieferant hat es mir ermöglicht, meine Unzufriedenheit persönlich zu kommunizieren (z. B. bei einem direkten Ansprechpartner). (r)
modifiziert nach Homburg/Fürst (2007)
0,458
0,699
OIs02
Der Lieferant hat es mir ermöglicht, meine Unzufriedenheit schriftlich zu äußern (z. B. per Mail, per Beschwerdeformular). (r)
0,467
0,757
OIs03
Der Lieferant hat es mir ermöglicht, meine Unzufriedenheit telefonisch zu äußern. (r)
0,442
0,667
OIs04
Der Lieferant hat es mir ermöglicht, meine Unzufriedenheit in einem kostengünstigen Weg zu äußern. (r)
0,188
0,354
OIs05
Der Lieferant hat es mir ermöglicht, meine Unzufriedenheit in einem einfachen und unkomplizierten Weg zu äußern. (r)
0,517
0,762
Tabelle 4.29
Quantitative Studie 2b – Operationalisierung von Individuelle Isolation
Kürzel
Indikator
Quelle der Skala
Pretest
Cronbachs Alpha = 0,865
KITK
FL
IIs01
Mein Ansprechpartner hat an mich seine Verantwortlichkeit für Beschwerden kommuniziert. (r)
modifiziert nach Homburg/Fürst (2007)
0,728
0,854
IIs02
Mein Ansprechpartner hat mich über die Beschwerdekanäle informiert. (r)
0,735
0,857
IIs03
Mein Ansprechpartner hat mich darüber informiert, wie und bei wem ich mich beschweren kann. (r)
0,840
0,921
IIs04
Mein Ansprechpartner hat sich meiner Unzufriedenheit gewidmet, um die Gründe meiner Unzufriedenheit herauszufinden und zu beseitigen. (r)
0,584
0,739
Tabelle 4.30
Quantitative Studie 2b – Operationalisierung von Feindseliges Verhalten
Kürzel
Indikator
Quelle der Skala
Pretest
Cronbachs Alpha = 0,943
KITK
FL
FVe01
Mein Ansprechpartner lehnt seine Verantwortlichkeit für die Aufnahme von Beschwerden ab, insb. dann, wenn er – zumindest teilweise – die Unzufriedenheit mitverschuldet hat.
modifiziert nach Homburg/Fürst (2007)
0,869
0,913
FVe02
Mein Ansprechpartner behandelt oftmals unzufriedene Kunden unhöflich und beschuldigt diese selber für das Problem, auch dann, wenn er selber – zumindest teilweise – das Problem verursacht hat.
0,869
0,921
FVe03
Mein Ansprechpartner verhält sich bei Problemen abweisend.
0,899
0,946
FVe04
Mein Ansprechpartner fühlt sich bei Problemen angegriffen und lässt mich dies spüren.
0,688
0,900
Die Messung von Vertrauen erfolgte anhand einer um zwei Items gekürzten Skala von Doney/Cannon (1997)439, da diese bereits im BtB-Kontext eingesetzt wurde und sich dort erfolgreich bewähren konnte. Im Pretest zeigte sich jedoch, dass das Reverse-Coded Item Ver01 aufgrund einer KITK von 0,129 und einer Faktorladung von 0,239 eliminiert werden sollte, um eine hinreichende Skalenreliabilität erzielen zu können (Tabelle 4.31). Demnach wurde die Skala für die Haupterhebung angepasst und auf vier Items reduziert.
Tabelle 4.31
Quantitative Studie 2b – Operationalisierung von Vertrauen
Kürzel
Indikator
Quelle der Skala
Pretest
Cronbachs Alpha = 0,898
KITK
FL
Ver01
Der Lieferant ist nicht immer ehrlich zu uns. (r)
modifiziert nach Doney/Cannon (1997)
0,129
0,239
Ver02
Wir glauben den Informationen, die uns von dem Lieferanten zur Verfügung gestellt werden.
0,686
0,821
Ver03
Dieser Lieferant ist ernsthaft an unserem Geschäftserfolg interessiert.
0,858
0,925
Ver04
Bei wichtigen Entscheidungen berücksichtigt der Lieferant unser Wohl genauso wie sein eigenes.
0,813
0,888
Ver05
Wir vertrauen darauf, dass der Lieferant unsere Interessen im Blick behält.
0,749
0,865
Das Relationship Commitment wurde über die Skala von Adjei et al. (2010)440 operationalisiert, welche ursprünglich von Morgan/Hunt (1994) adaptiert wurde. In Anbetracht der im Pretest errechneten Kriterien waren keine Veränderungen der Items notwendig. Die entsprechenden Grenzwerte wurden jeweils deutlich überschritten (Tabelle 4.32).
Tabelle 4.32
Quantitative Studie 2b – Operationalisierung von Relationship Commitment
Kürzel
Indikator
Quelle der Skala
Pretest
Cronbachs Alpha = 0,930
KITK
FL
RCo01
Die Beziehung zu unserem Lieferanten ist etwas, wofür ich mich sehr einsetze.
modifiziert nach Adjei et al. (2010)
0,797
0,864
RCo02
Die Beziehung zu unserem Lieferanten ist etwas, was mir sehr wichtig ist.
0,865
0,912
RCo03
Die Beziehung zu unserem Lieferanten ist etwas, was ich lange erhalten möchte.
0,722
0,809
RCo04
Die Beziehung zu unserem Lieferanten ist etwas, was sehr familiär für mich ist.
0,715
0,798
RCo05
Die Beziehung zu unserem Lieferanten ist etwas, worum ich mich sehr kümmere.
0,846
0,901
RCo06
Die Beziehung zu unserem Lieferanten verdient meine maximale Einsatzbereitschaft um sie zu erhalten.
0,866
0,910
Zur Operationalisierung des privaten und öffentlichen Word of Mouth wurde jeweils die Skala von Brüggen et al. (2011)441 verwendet. Diese wurde ursprünglich von Zeithaml et al. (1996) adaptiert und erweitert. Für die vorliegende Erhebung wurden die Formulierungen hinsichtlich der BtB-Begrifflichkeiten angepasst sowie zwecks der Erhebung des negativen Kommunikationsverhaltens in ihrer Richtung umgekehrt. Zudem wurden Anpassungen hinsichtlich der jeweiligen Bezugsobjekte – privat innerhalb des Buying Centers und öffentlich – vorgenommen. Beide Skalen wiesen im Rahmen des Pretests hinreichende Werte für Cronbachs Alpha, die KITK und die Faktorladungen auf, sodass diese unverändert in der Haupterhebung verwendet werden konnten (Tabellen 4.33 und 4.34).
Tabelle 4.33
Quantitative Studie 2b – Operationalisierung von Privates Word of Mouth
Kürzel
Indikator
Quelle der Skala
Pretest
Cronbachs Alpha = 0,937
KITK
FL
PWM01
Ich habe negative Dinge über diesen Lieferanten vor meinen Kollegen gesagt.
modifiziert nach Brüggen et al. (2011)
0,851
0,933
PWM02
Ich habe meinen Kollegen vom Kauf bei diesem Lieferanten abgeraten.
0,863
0,939
PWM03
Ich habe meine Kollegen dazu ermutigt, nicht mehr bei diesem Lieferanten zu kaufen.
0,894
0,955
Tabelle 4.34
Quantitative Studie 2b – Operationalisierung von Öffentliches Word of Mouth
Kürzel
Indikator
Quelle der Skala
Pretest
Cronbachs Alpha = 0,948
KITK
FL
ÖWM01
Ich habe öffentlich negativ über diesen Lieferanten gesprochen und geschrieben.
modifiziert nach Brüggen et al. (2011)
0,828
0,919
ÖWM02
Ich habe öffentlich von diesem Lieferanten abgeraten.
0,911
0,961
ÖWM03
Ich habe öffentlich andere ermutigt, nicht mehr bei diesem Lieferanten zu kaufen.
0,941
0,975
Angesichts der simultanen Erhebung der Daten für die vorliegende Studie mit dem ersten Teil der zweiten quantitativen Untersuchung wird hinsichtlich der Operationalisierung der wahrgenommenen gesellschaftlichen Kritikakzeptanz auf Abschnitt 4.4.3 verwiesen, wo bereits die eigens entwickelte Skala sowie die Ergebnisse des Pretests dargestellt wurden.
Abschließend galt es, geeignete Messinstrumente für die Kontrollvariablen zu entwickeln. So wurden die Bestellhäufigkeit442, die Beziehungsdauer443, die Anzahl der Beschwerdefälle444 sowie die Marktstruktur445 und der Geschäftstyp446 aus inhaltlichen sowie praktischen Überlegungen kategorial über Single-Item-Skalen abgefragt. Dahingegen wurden die Items zur Messung der vertikalen Distanz zur Fehlerquelle in Orientierung an der Skala von Chebat et al. (2005)447 zur Operationalisierung der Schuldattribution eigens entwickelt. Diese übertrafen im Falle von VDi01 und VDi02 die strengen sowie bei VDi03 die liberalen Grenzwerte, sodass die Skala ohne Veränderungen in der Haupterhebung berücksichtigt werden konnte (Tabelle 4.35).
Tabelle 4.35
Quantitative Studie 2b – Operationalisierung von Vertikale Distanz zur Fehlerquelle
Kürzel
Indikator
Quelle der Skala
Pretest
Cronbachs Alpha = 0,699
KITK
FL
VDi01
Die ursprüngliche Fehlerquelle liegt nicht bei unserem direkten Lieferanten, sondern bei einem Vorlieferanten.
Skala in Orientierung an Chebat et al. (2005) selbst entwickelt
0,656
0,882
VDi02
Zwischen uns und der ursprünglichen Fehlerquelle stehen mehrere Unternehmen.
0,524
0,802
VDi03
Aufgrund der Beteiligung mehrerer Unternehmen ist keine eindeutige Schuldzuweisung möglich.
0,389
0,672
Schließlich wurde der Zeitdruck mithilfe von drei Items gemessen, die auf Basis der Ausführungen von Suri/Monroe (2003)448 eigens entwickelt wurden. Diese erreichten im Pretest die jeweiligen Grenzwerte deutlich (Tabelle 4.36).
Tabelle 4.36
Quantitative Studie 2b – Operationalisierung von Zeitdruck
Kürzel
Indikator
Quelle der Skala
Pretest
Cronbachs Alpha = 0,859
KITK
FL
Zei01
In dieser Situation hat unser Buying Center einen gewissen Zeitdruck empfunden.
Skala in Orientierung an Suri/Monroe (2003) selbst entwickelt
0,666
0,842
Zei02
In dieser Situation hatte unser Buying Center nicht genug Zeit.
0,754
0,897
Zei03
In dieser Situation hätte unser Buying Center mehr Zeit gebraucht.
0,783
0,911
Insgesamt konnten die gewählten Messmodelle für den Einsatz in der quantitativen Haupterhebung mit Blick auf die Kriterien der Konstruktvalidität und -reliabilität als hinreichend geeignet evaluiert werden, sodass mit der Durchführung der Haupterhebung fortgefahren werden konnte.

4.5.4 Durchführung der Erhebung

4.5.4.1 Methodik der Datenerhebung und -aufbereitung

Das Vorgehen im Rahmen der Datenerhebung und -aufbereitung gestaltete sich im Wesentlichen simultan zur quantitativen Studie 2a in Abschnitt 4.4.4.1. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die Datengenerierung beider Studien in einer gemeinsamen Erhebung stattfand. Damit wurden die Daten der vorliegenden Studie genauso auf Basis eines mittels des Online-Tools Qualtrics programmierten standardisierten Online-Fragebogens unter Unterstützung durch das Marktforschungsinstitut Respondi AG gewonnen.
Die Messung der Konstrukte fand innerhalb des Fragebogens im Anschluss an diejenige des ersten Teils der zweiten quantitativen Studie statt. Hierbei wurde auf die sog. Critical-Incident-Technique zurückgegriffen. Critical Incidents beschreiben in diesem Zusammenhang Vorfälle, die durch Abweichungen von gewöhnlichen und üblichen Abläufen gekennzeichnet sind.449 Im Rahmen dieses Vorgehens wird der Studienteilnehmer gebeten, sich an einen tatsächlich erlebten Vorfall zu erinnern, anhand dessen die weitere Informationsabfrage erfolgen kann.450 Damit bildet die teilnehmerseitig genannte Situation den Bezugspunkt der sich dann im Fragebogen anschließenden Messskalen. Die Critical-Incident-Technique bietet mit Blick auf das Untersuchungsziel der Studie verschiedene Vorteile – insb. gegenüber der Szenariotechnik. So kann z. B. angenommen werden, dass der Befragte in der Regel eine Situation auswählt, die für ihn von hoher Bedeutung gewesen ist und an die er sich gut erinnern kann.451 Dies ist insofern vorteilhaft, als dass der Teilnehmer nicht gezwungen wird, sich in eine spezifisch konstruierte Situation hineinzuversetzen, und damit auf reales Verhalten zurückgegriffen werden kann.452 In der vorliegenden Arbeit wurde der Zeitraum des zurückliegenden Vorfalls auf zwei Monate begrenzt, um so potenzielle Verzerrungen durch Erinnerungslücken weitestgehend ausschließen zu können. Da das Ziel der vorliegenden Studie insb. die Untersuchung der Noncomplainer-Loyalität war, wurden ausschließlich Vorfälle berücksichtigt, in denen der Kunde mit dem Lieferanten unzufrieden war und sich nicht beschwert hat. Somit bestand das Sample der vorliegenden Studie ausschließlich aus Noncomplainern. Die konkrete Erinnerungsaufforderung gestaltete sich wie folgt:
„Erinnern Sie sich bitte an eine Situation aus den letzten zwei Monaten, in der Sie mit einem Produkt oder einer Dienstleistung eines Lieferanten unzufrieden waren, aber Ihre Unzufriedenheit nicht an den Lieferanten kommuniziert bzw. sich nicht beschwert haben.“
Anschließend wurde der Teilnehmer gebeten, den Grund seiner Unzufriedenheit in wenigen Worten zu beschreiben. Dies diente nicht ausschließlich der Datenauswertung, sondern auch der Hilfestellung bei der Erinnerung des Befragten. Ein Fehlen dieser Beschreibung hat zwecks der Qualitätssicherung zum automatischen Abbruch des Fragebogens geführt.
Sodann wurden die Variablen Leistungsgegenstand, Bestellhäufigkeit, Kauftyp, Geschäftstyp, finanzieller Wert sowie die Anzahl der Beschwerdefälle abgefragt, bevor im Anschluss hieran die weiteren Messskalen der Modellkonstrukte folgten. Hierbei wurde in thematischen Blöcken – bspw. anbieter-, beziehungs-, situationsbezogene Faktoren – vorgegangen, um dem Studienteilnehmer die Beantwortung des Fragebogens zu erleichtern.
Angesichts der simultanen Datenerhebung mit der quantitativen Studie 2a wurden die für diese Untersuchung relevanten Konstrukte bzw. deren Messskalen ebenfalls in den in Abschnitt 4.4.4.1 beschriebenen kognitiven und quantitativen Pretests geprüft, bevor diese in der Haupterhebung, in dem Zeitraum vom 26. April 2022 bis 04. Mai 2022, ohne weitere Anpassungen abgefragt wurden. Die Datenbereinigung fand anschließend gemeinsam mit den Daten der quantitativen Studie 2a unter Berücksichtigung von Ausreißern, dem Straightlining, Missing Values sowie der entsprechenden Kontroll- und Qualitätssicherungsfragen statt, sodass ebenfalls 308 Datensätze im Rahmen der Datenauswertung verwendet werden konnten. Damit erfüllt die Stichprobe die gem. des G*Power-Tests nach Faul et al. (2009) erforderliche Mindestgröße von n = 237.453
Schließlich wurden vorab die Voraussetzungen der Strukturgleichungsanalyse – Normalverteilung und keine Multikollinearität – geprüft. Mit Blick auf die Werte für die Schiefe und Kurtosis wurde die Annahme der Normalverteilung für alle latenten Konstrukte eingehalten. Diese unterschritten die Grenzwerte von |<2| (Schiefe) und |<7| (Kurtosis) (siehe Anhang 9 im elektronischen Zusatzmaterial). In Anlehnung an das Vorgehen in der quantitativen Studie 2a wurde die Multikollinearität auf Basis des VIF geprüft. Diese Werte blieben jeweils unter der kritischen Grenze von fünf, sodass keine Hinweise auf das Vorliegen von Multikollinearität identifiziert werden konnten. Demzufolge wurden die Voraussetzungen der Strukturgleichungsanalyse erfüllt.

4.5.4.2 Zusammensetzung der Stichprobe

In Anbetracht, dass die Stichprobe der vorliegenden Studie identisch mit derjenigen aus dem ersten Teil der zweiten quantitativen Erhebung ist, wird zwecks der Vermeidung von Redundanzen zunächst auf Abschnitt 4.4.4.2 verwiesen. Dort wurden bereits das durchschnittliche Alter, die Geschlechterverteilung, die Buying Center-Rolle, der Geschäftstyp, die Unternehmensgröße, die Branche sowie die wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz der Befragten deskriptiv ausgewertet. Vor diesem Hintergrund wird hier lediglich die Stichprobe hinsichtlich der Eigenschaften der Critical Incidents dargestellt, die als Referenzpunkt für die Beantwortung der Items dienten.
Hierbei waren in 57,4 % der genannten Vorfälle Produkte und in 42,6 % Dienstleistungen betroffen. Dabei führten die Befragten verschiedene Gründe für ihre Unzufriedenheit an. So wurde diese u. a. unmittelbar durch Mängel an der Kernleistung (z. B. unzureichende Qualität, teilweise oder vollständige Einschränkung der Funktionsfähigkeit), durch das Nicht-Einhalten von Absprachen (bspw. Lieferverzögerungen, Preiserhöhungen) sowie durch nicht zufrieden stellende Arbeitsprozesse oder Verhaltensweisen der lieferantenseitigen Ansprechpartner verursacht. Einem wesentlichen Anteil der angeführten Noncomplaining-Situationen gingen bereits identische oder zumindest vergleichbare Vorfälle bei diesem Lieferanten voraus. So offenbarten 41,6 % der Teilnehmer, dass unzufrieden stellende Situationen mit dem Lieferanten sehr häufig und in 40,7 % der Situationen häufig aufgetreten sind. In bloß 17,7 % der Vorfälle lag eine Ausnahmesituation vor und die Befragten ordneten die Anzahl der Beschwerdefälle als „sehr selten“ ein.
Hinsichtlich der Bestellhäufigkeit der Leistung wurde ein differenziertes Bild ersichtlich. So verteilte sich diese nahezu gleichmäßig auf hoch- und niedrig-frequentierte Bestellungen. Dabei handelte es sich in 17,7 % der Fälle um einen Neukauf, in 44,9 % um einen modifizierten und in 37,4 % um einen identischen Wiederkauf. Abbildung 4.16 fasst die Ergebnisse grafisch zusammen.
In Bezug auf die betroffene Leistung lässt sich zuletzt anführen, dass es sich bei mehr als ein Viertel um solche mit einem eher hohen, bei etwa 12 % um einen hohen und bei ca. 6 % um einen sehr hohen finanziellen Wert454 gehandelt hat. Dies erscheint insofern bemerkenswert, als dass in den bisherigen BtC-Studien das Noncomplaining regelmäßig mit niedrigen Kaufpreisen in Verbindung gebracht worden ist.455 Abbildung 4.17 gibt einen grafischen Überblick über den finanziellen Wert der betroffenen Leistungen in den erwähnten Noncomplaining-Situationen.
Wird nun die Dauer der Geschäftsbeziehung zu dem jeweiligen Lieferanten in den Blick genommen, so spiegelt sich hier der für den BtB-Bereich typische Fokus auf die Langfristigkeit wider. In mehr als 80 % der Fälle bestand die Geschäftsbeziehung bereits mehr als zwei Jahre – davon sogar 8,8 % mehr als 20 Jahre. Abbildung 4.18 fasst die Ergebnisse zusammen.
Abschließend wurde anhand des Antwortverhaltens der Teilnehmer hinsichtlich der Marktstruktur ersichtlich, dass der Lieferant in mehr als 95 % der Situationen nicht der einzige Anbieter dieser Leistung war. So herrschte lediglich in 4,3 % der Noncomplaining-Fälle ein Monopol – dafür jedoch in 40,1 % ein Oligopol und in 55,6 % eine vollständige Konkurrenz.

4.5.5 Datenanalyse und -auswertung

4.5.5.1 Güteprüfung des Messmodells

In Anlehnung an die Vorgehensweise in den ersten beiden quantitativen Studien456 wurden zur Gütebeurteilung des Messmodells die Kriterien der Validität und Reliabilität herangezogen – genauer die Inhaltsvalidität, die Konvergenzvalidität, die Konstruktreliabilität sowie die Diskriminanzvalidität.
Zur Prüfung der Inhaltsvalidität wurde wiederum eine „quasi“ EFA durchgeführt. Dabei konnte festgestellt werden, dass alle Konstrukte im Sinne einer ein-faktoriellen Lösung nur einen Faktor abbildeten. Zudem überschritt das KMO in allen Fällen den Grenzwert von 0,6 deutlich. Lediglich beim Konstrukt wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz betrug das KMO mit Blick auf die Messung über zwei Items exakt 0,5.457 Schließlich konnte die Null-Hypothese des Bartlett-Tests in allen Fällen abgelehnt werden. Demzufolge konnte das Kriterium der Inhaltsvalidität als hinreichend erfüllt bewertet werden (Tabelle 4.37).
Die Indikatorreliabilität wurde auf Basis der Faktorladungen und KITK der einzelnen Items innerhalb der Konstrukte geprüft. Im Rahmen dieser Überprüfung zeigte sich, dass drei Items (MUg02, MUg03 und OIs01) eliminiert werden mussten, da diese die kritischen Grenzen nicht erreichen konnten. Anschließend konnte jedoch das Vorliegen einer hinreichenden Indikatorreliabilität für alle verbliebenen Items konstatiert werden. Alle weiteren Indikatoren übertrafen die Grenzwerte von 0,4 (KITK) und 0,7 (FL) deutlich. Eine vollständige Übersicht über die in der Haupterhebung zum Einsatz gebrachten Items befindet sich in Anhang 9 im elektronischen Zusatzmaterial.
Im Anschluss hieran wurde die Konvergenzvalidität wiederum unter Zuhilfenahme der DEV begutachtet. Diese übertraf bei allen Konstrukten den kritischen Grenzwert von 0,5 (Tabelle 4.37), sodass auch dieses Kriterium durch die vorliegende Datenstruktur hinreichend erfüllt wurde. An dieser Stelle ist jedoch darauf hinzuweisen, dass im Zuge einer Verbesserung der Varianzaufklärung der einzelnen Konstrukte die Items OIs01, FVe01, RCo04 und GKa03 aus der weiteren Datenauswertung und insb. der später folgenden Strukturgleichungsanalyse ausgeschlossen wurden.
Die Konstruktreliabilität wurde analog zum Vorgehen in den vorherigen Studien mittels Cronbachs Alpha und der Faktorreliabilität geprüft. Hierbei wurde über alle Konstrukte hinweg jeweils der konservative Grenzwert von 0,7 für beide Kriterien übertroffen (Tabelle 4.37). Die berechneten Werte lassen demzufolge den Schluss zu, dass die verwendeten Messmodelle auf Konstruktebene als ausreichend reliabel beurteilt werden können.
Tabelle 4.37
Quantitative Studie 2b – Ergebnisse der Validitäts- und Reliabilitätsprüfung
Konstrukt
Inhaltsvalidität
Konvergenzvalidität
Konstruktreliabilität
KMO
Bartlett-Test
DEV
Cronbachs Alpha
FR
Kognitive Loyalität
0,780
***
0,720
0,866
0,911
Affektive Loyalität
0,713
***
0,813
0,884
0,929
Konative Loyalität
0,771
***
0,925
0,960
0,974
Aktionale Loyalität
0,832
***
0,801
0,916
0,942
Machtungleichgewicht
0,639
***
0,611
0,669
0,824
Wahrg. Risiko
0,791
***
0,808
0,919
0,944
Organisationale Isolation
0,759
***
0,665
0,830
0,888
Individuelle Isolation
0,802
***
0,740
0,882
0,919
Feindseliges Verhalten
0,761
***
0,893
0,940
0,961
Vertrauen
0,848
***
0,800
0,917
0,941
Relationship Commitment
0,873
***
0,812
0,940
0,956
Privates WoM
0,683
***
0,871
0,922
0,883
Öffentliches WoM
0,737
***
0,924
0,959
0,974
Gesellschaftliche Kritikakzeptanz
0,500
***
0,783
0,719
0,878
Zeitdruck
0,745
***
0,861
0,918
0,949
Vertikale Distanz zur Fehlerquelle
0,688
***
0,785
0,863
0,916
*** = Signifikanzniveau p < 0,001
Schließlich wurde erneut die Diskriminanzvalidität geprüft, um die Messmodelle hinsichtlich ihrer Beziehungen zueinander – und damit über eine isolierte Betrachtung hinausgehend – untersuchen zu können. Hierzu wurde wieder das Fornell-Larcker-Kriterium herangezogen. In Tabelle 4.38 werden auf der Diagonalen die DEV der einzelnen Konstrukte mit den jeweiligen quadrierten Korrelationen mit allen anderen Konstrukten abgetragen. Der Abgleich der DEV mit den entsprechenden quadrierten Korrelationen zeigt, dass in keinem der Fälle die jeweilige DEV übertroffen wurde. Demzufolge ist das Kriterium der Diskriminanzvalidität gewährleistet.
Tabelle 4.38
Quantitative Studie 2b – Fornell-Larcker-Kriterium
 
KogL
AffL
KonL
AktL
MUg
WRi
OIs
IIs
FVe
Ver
RCo
PWM
ÖWM
GKa
KogL
0,720
                         
AffL
0,399
0,813
                       
KonL
0,315
0,702
0,925
                     
AktL
0,234
0,461
0,610
0,801
                   
MUg
0,001
0,001
0,001
0,003
0,611
                 
WRi
0,021
0,000
0,002
0,001
0,060
0,808
               
OIs
0,151
0,182
0,173
0,096
0,000
0,017
0,665
             
IIs
0,168
0,273
0,221
0,223
0,028
0,001
0,257
0,740
           
FVe
0,148
0,172
0,198
0,099
0,030
0,204
0,121
0,129
0,893
         
Ver
0,285
0,520
0,432
0,326
0,007
0,000
0,140
0,430
0,154
0,800
       
RCo
0,266
0,567
0,529
0,433
0,000
0,015
0,203
0,362
0,076
0,561
0,812
     
PWM
0,142
0,241
0,319
0,139
0,021
0,080
0,042
0,054
0,308
0,198
0,132
0,871
   
ÖWM
0,022
0,054
0,115
0,042
0,064
0,100
0,044
0,016
0,256
0,038
0,017
0,513
0,924
 
GKa
0,001
0,000
0,001
0,001
0,017
0,018
0,002
0,002
0,037
0,001
0,014
0,004
0,015
0,783
quadrierte Korrelationen/DEV auf Diagonalen (fettgedruckt)
Abschließend galt es zu prüfen, ob möglicherweise eine Methodenverzerrung durch einen CMB verursacht wurde. Zu diesem Zweck wurde ein weiteres Mal ein Harmans Ein-Faktor-Test vorgenommen. Aus diesem resultierte, dass die Gesamtheit aller Konstrukte lediglich zu 35,69 % über einen einzigen Faktor erklärt werden konnte. Dieser Prozentsatz liegt erheblich unter einer Varianzerklärung von 50 %. Damit lagen keine Hinweise auf eine Verzerrung der Datenanalyse aufgrund eines CMB vor.

4.5.5.2 Hypothesen- und Modellprüfung

Im Nachgang an eine Plausibilitätsprüfung auf Basis von Heywood-Cases konnten sodann die Gütebeurteilung des Gesamtmodells und anschließend die Hypothesenprüfung durchgeführt werden. Als Gütekriterien kamen ebenfalls die Maße RMSEA, SRMR, CFI, TLI sowie der Chi-Quadrat-Test zum Einsatz.
In Tabelle 4.39 werden die Ergebnisse der Gütebeurteilung des Gesamtmodells unter Berücksichtigung der Kontrollvariablen in einer Übersicht dargestellt. Zunächst wurde der RMSEA berechnet. Diesbezüglich wies das Modell einen Wert von gerundet 0,05 auf, was wiederum auf eine gute Modelanpassung schlussfolgern lässt. Dieser Rückschluss wurde ebenfalls durch den berechneten Wert des SRMR von 0,092 zugelassen. Damit wurde der Grenzwert für eine akzeptable Modellgüte von kleiner 0,1 erfüllt. Auch das Verhältnis der Chi-Quadrat-Statistik und der Anzahl an Freiheitsgraden deutete auf eine zufrieden stellende Modellgüte hin. So unterschritt dieses mit einem Wert von 1,825 den strengen Grenzwert nach Homburg/Giering458 von kleiner drei. Abschließend wurden der CFI und TLI berechnet. Auch diese beiden Maße erfüllten die Grenzwerte für eine akzeptable Modellgüte, indem sie jeweils die Schwelle von 0,9 überschritten.
Demzufolge lässt sich insgesamt auf einen guten Model Fit schließen, sodass das aufgestellte Forschungsmodell als hinreichend reliabel und valide beurteilt werden kann und sich statistisch valide Aussagen aus der nachfolgenden Prüfung der Hypothesen ableiten lassen.
Tabelle 4.39
Quantitative Studie 2b – Gütebeurteilung des Gesamtmodells
Gütebeurteilung des Gesamtmodells
RMSEA
SRMR
χ2 / d.f.
CFI
TLI
0,052
0,092
1,825
0,925
0,917
Bevor jedoch auf die Verifikation oder Falsifikation der einzelnen Hypothesen, welche anhand der standardisierten Pfadkoeffizienten sowie deren Signifikanzen erfolgte, eingegangen wird, sei mit Blick auf den kritischen Rationalismus erneut auf die Vorläufigkeit der Ergebnisse hingewiesen.
Im Rahmen der Hypothesenprüfung wurden zunächst die postulierten Wirkungszusammenhänge hinsichtlich der Erweiterung der Exit-Voice-Theorie um die vier Stufen der Loyalität nach Oliver (1997) betrachtet. Hierbei zeigte sich, dass diese theoretische Ausdifferenzierung der Noncomplainer-Loyalität auch im BtB-Kontext ihre Gültigkeit aufweist und damit zweckmäßig erscheint, sodass die Hypothesen eins bis drei bestätigt werden konnten. Demnach beeinflusst die kognitive Loyalität die affektive Loyalität signifikant positiv (β = 0,468; p < 0,001) – und genauso wiederum die affektive Loyalität die konative Loyalität (β = 0,736; p < 0,001). Des Weiteren konnte ebenfalls der positive Wirkungszusammenhang zwischen der konativen Loyalität und der aktionalen Loyalität bestätigt werden (β = 0,859; p < 0,001).
Anschließend wurden die Zusammenhänge zwischen dem Machtverhältnis und der kognitiven Loyalität geprüft. Diesbezüglich konnte zunächst der in Hypothese vier postulierte positive Einfluss des Machtungleichgewichts auf die kognitive Loyalität gemessen werden (β = 0,165; p < 0,05). Weiter übte das Machtungleichgewicht den vermuteten positiven Effekt auf das wahrgenommene Risiko aus (β = 0,347; p < 0,001). Demgegenüber musste Hypothese sechs abgelehnt werden. So zeigte sich an dieser Stelle nicht die hypothesierte positive Wirkungsbeziehung zwischen dem wahrgenommenen Risiko und der kognitiven Loyalität, sondern eine negative (β = −0,125; p < 0,05).
Ferner wurde die Wirkung des lieferantenseitigen Abwehrverhaltens auf die Noncomplainer-Loyalität untersucht. Hier konnten alle drei Hypothesen sieben bis neun bestätigt werden. Somit wiesen sowohl die organisationale Isolation (β = −0,157; p < 0,05) als auch die individuelle Isolation (β = −0,471; p < 0,001) den vermuteten negativen Einfluss auf die kognitive Loyalität auf. Ferner konnte genauso die Hypothese neun, die einen negativen Einfluss des feindseligen Verhaltens des direkten Ansprechpartners auf die affektive Loyalität beschreibt, bestätigt werden (β = −0,112; p < 0,01).
Nachfolgend wurde der Wirkungszusammenhang zwischen der Beziehungsqualität – operationalisiert im Sinne der Commitment-Trust-Theorie über das Vertrauen und Relationship Commitment – auf die Noncomplainer-Loyalität geprüft. Dieser wurde wiederum in den Hypothesen zehn und elf formuliert. Im Rahmen der Datenauswertung konnten beide postulierten Effekte bestätigt werden. So beeinflusst das Vertrauen die affektive Loyalität (β = 0,430; p < 0,001) und das Relationship Commitment die konative Loyalität (β = 0,193; p < 0,001) jeweils signifikant positiv.
Hiernach folgte die Untersuchung der Hypothesen zwölf und 13, welche die Wirkung der Noncomplainer-Loyalität auf das negative Kommunikationsverhalten zum Inhalt hatten. Dabei konnte zuerst der negative Wirkungszusammenhang zwischen der aktionalen Loyalität und dem negativen privaten Word of Mouth bestätigt werden (β = −0,506; p < 0,001). Ebenso zeigte sich der negative Einfluss der aktionalen Loyalität auf das negative öffentliche Word of Mouth (β = −0,257; p < 0,001).
Dahingegen mussten die beiden Hypothesen 14 und 15 hinsichtlich der Moderationseffekte der wahrgenommenen gesellschaftlichen Kritikakzeptanz abgelehnt werden. So erwiesen sich die postulierten Moderationseffekte auf die negative Wirkungsbeziehung der aktionalen Loyalität, einerseits auf das private WoM (β = 0,133; p < 0,01) und andererseits auf das öffentliche WoM (β = 0,142; p < 0,01), als signifikant positiv – und nicht, wie vermutet, als negativ.
Abschließend wurden die Effekte der Kontrollvariablen auf die Noncomplainer-Loyalität sowie auf das Machtverhältnis betrachtet. Hier zeigten sich ein negativer Einfluss der Anzahl der Beschwerdefälle auf die kognitive Loyalität (β = −0,184; p < 0,001) sowie eine positive Wirkung der Dauer der Geschäftsbeziehung auf die affektive Loyalität (β = 0,176; p < 0,001). Während die Bestellhäufigkeit signifikant positiv auf die aktionale Loyalität wirkt (β = 0,255; p < 0,001), konnte jedoch kein signifikanter Effekt des Zeitdrucks auf die aktionale Loyalität gemessen werden (β = −0,023; p > 0,05). Mit Blick auf das Machtverhältnis konnten keine signifikanten Wirkungszusammenhänge zwischen den Geschäftstypen bzw. der Marktstruktur und dem Machtungleichgewicht nachgewiesen werden. Dahingegen übt die vertikale Distanz zur Fehlerquelle zwecks der Berücksichtigung der BtB-typischen Mehrstufigkeit der Märkte einen signifikant positiven Einfluss auf das wahrgenommene Risiko aus (β = 0,154; p < 0,05).
Insgesamt konnten damit zwölf der 15 aufgestellten Hypothesen bestätigt werden. Demnach mussten drei vermutete Wirkungszusammenhänge verworfen werden. Tabelle 4.40 und Abbildung 4.19 fassen die Ergebnisse der Hypothesenprüfung sowie der Strukturgleichungsanalyse abschließend zusammen.
Tabelle 4.40
Quantitative Studie 2b – Zusammenfassung der Hypothesenprüfung
Nr.
Hypothese
Effekt
Ergebnis
H1
Die kognitive Loyalität hat einen positiven Einfluss auf die affektive Loyalität.
0,468***
Bestätigt
H2
Die affektive Loyalität hat einen positiven Einfluss auf die konative Loyalität.
0,736***
Bestätigt
H3
Die konative Loyalität hat einen positiven Einfluss auf die aktionale Loyalität.
0,859***
Bestätigt
H4
Das Machtungleichgewicht hat einen positiven Einfluss auf die kognitive Loyalität.
0,165*
Bestätigt
H5
Das Machtungleichgewicht hat einen positiven Einfluss auf das wahrgenommene Risiko.
0,347***
Bestätigt
H6
Das wahrgenommene Risiko hat einen positiven Einfluss auf die kognitive Loyalität.
−0,125*
Nicht bestätigt
H7
Die organisationale Isolation hat einen negativen Einfluss auf die kognitive Loyalität.
−0,157*
Bestätigt
H8
Die individuelle Isolation hat einen negativen Einfluss auf die kognitive Loyalität.
−0,471***
Bestätigt
H9
Das feindselige Verhalten hat einen negativen Einfluss auf die affektive Loyalität.
−0,112**
Bestätigt
H10
Das Vertrauen hat einen positiven Einfluss auf die affektive Loyalität.
0,430***
Bestätigt
H11
Das Relationship Commitment hat einen positiven Einfluss auf die konative Loyalität.
0,193***
Bestätigt
H12
Die aktionale Loyalität hat einen negativen Einfluss auf das negative private Word of Mouth.
−0,506***
Bestätigt
H13
Die aktionale Loyalität hat einen negativen Einfluss auf das negative öffentliche Word of Mouth.
−0,257***
Bestätigt
H14
Die wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz moderiert die Wirkungsbeziehung zwischen der aktionalen Loyalität und dem negativen privaten Word of Mouth negativ.
0,133**
Nicht bestätigt
H15
Die wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz moderiert die Wirkungsbeziehung zwischen der aktionalen Loyalität und dem negativen öffentlichen Word of Mouth negativ.
0,142**
Nicht bestätigt
Signifikanzniveau:
*** = p < 0,001; ** = p < 0,01; * = p < 0,05; n.s. = p > 0,05

4.5.6 Zusammenfassung des Erkenntnisbeitrags und Diskussion der Ergebnisse

Ziel des zweiten Teils der zweiten quantitativen Studie war es zu untersuchen, ob unter Heranziehen des vierstufigen Loyalitätsmodells nach Oliver (1997) das Treueverhalten von Noncomplainern ausdifferenziert werden kann und ob loyale Noncomplainer generell ihre Unzufriedenheit an Dritte weitertragen und inwiefern dieses Kommunikationsverhalten dem Einfluss der wahrgenommenen gesellschaftlichen Kritikakzeptanz unterliegt.
Im Zuge des empirisch-quantitativen Vorgehens wurden dabei u. a. der Effekt des Machtverhältnisses zwischen Anbieter und Nachfrager, des lieferantenseitigen Abwehrverhaltens sowie der Beziehungsqualität auf die Noncomplainer-Loyalität geprüft. In Anbetracht der ersten Forschungsfrage kann zunächst konstatiert werden, dass das Loyalitätsstufenmodell von Oliver (1997) grundsätzlich für eine differenzierte Operationalisierung der Noncomplainer-Loyalität geeignet ist. Demzufolge ist es offenbar möglich, die Intensität und verschiedene Anknüpfungspunkte der Noncomplainer-Loyalität infolge einer Leistungsverschlechterung auf vier Stufen auszudifferenzieren: der kognitiven, affektiven, konativen und aktionalen.
Die kognitive Loyalität stellt demnach bei einem Noncomplainer die schwächste Stufe dar, auf der die größte Gefahr besteht, dass der Kunde abwandert, sobald ein Konkurrenzangebot mit einem höheren Nettonutzen vorliegt. Damit schaffen auf dieser Stufe ausschließlich solche Aspekte Loyalität und halten den Noncomplainer von einer Abwanderung ab, die auf einer rationalen Kosten-Nutzen-Analyse basieren. Sicherlich umfassen derartige Bindungselemente vordergründig die Leistungsqualität an sich. Dahingehend zeigte die Datenanalyse, dass die Anzahl der bisherigen Beschwerdefälle einen Einfluss auf diese kognitive Bewertung hat. So duldet und toleriert der Noncomplainer den Fehler offenbar – gem. dem Ausruf „das kann ja jedem einmal passieren“ –, sofern die Minderleistung zum ersten Mal aufgetreten ist. Wiederholt sich jedoch der Fehler, sinkt die wahrgenommene Vorziehenswürdigkeit des Angebots und somit auch die Loyalität.
Ergänzend zu diesen leistungsbezogenen Aspekten wurde ebenfalls ersichtlich, dass ein aus Nachfragersicht ungleiches Machtverhältnis mit den entsprechenden Abhängigkeiten einen direkten Einfluss auf die kognitive Loyalität aufweist. An dieser Stelle kommt somit ein für das BtB-Marketing typischer Effekt der Abhängigkeiten zwischen Anbieter und Nachfrager zum Tragen, wodurch der Nachfrager aus rationalen Überlegungen heraus nicht nur die Transaktion an sich, sondern genauso Ausstrahlungseffekte auf seine eigenen Absatzmöglichkeiten und Marktposition berücksichtigt, die möglicherweise infolge eines Verlusts der Beziehung gefährdet sind. Dieses Machtungleichgewicht resultiert u. a. darin, dass der Noncomplainer in einer Beschwerde ein Risiko für sich selbst sieht.459 Dieses Risiko scheint zu wachsen, sofern die Fehlerursache nicht zwangsläufig dem direkten, sondern einem in der Wertschöpfungskette vorgelagerten Unternehmen zuzuordnen ist.460 Dieser Aspekt ist neben der rein inhaltlichen Interpretation auch aus attributionstheoretischer Perspektive interessant, da demnach offenbar das klassischerweise betrachtete bilaterale Verhältnis zwischen Anbieter und Nachfrager aufgebrochen und um weitere Akteure ausgeweitet wird. Zudem kommt die vorliegende Hypothesenprüfung in Bezugnahme auf das wahrgenommene Risiko indes zu einer kontraintuitiven Erkenntnis: So führt das wahrgenommene Risiko und die damit verbundene Sorge vor negativen Konsequenzen einer Beschwerde nicht zu einer höheren kognitiven Loyalität, sondern zu einer reduzierten. Dies ließe vermuten, dass sich ein Noncomplainer bereits ein Stück weit von dem Lieferanten abgewendet hat und den Nutzen bzw. die Vorteilhaftigkeit einer Beziehung, in der keine Kritik geübt werden kann, in Frage stellt. Ein potenzieller Grund für die Treue und ggf. auch für die empfundene Abhängigkeit könnte angesichts dieser Überlegung in einem Mangel an Alternativen liegen.461 In diesem Punkt wird die Gefahr ungleicher Geschäftsbeziehungen auf BtB-Märkten sichtbar. Diese sollte anbieterseitig durch zielgerichtete Maßnahmen adressiert werden, um einerseits die Loyalität stärken und andererseits zwecks der Wissensgenerierung die Beschwerdeartikulation stimulieren zu können. Im Kern gilt es, diese Beschwerdestimulierung durch den Abbau von physischen und psychischen Beschwerdebarrieren voranzutreiben und mit loyalitätsfördernden Maßnahmen zu flankieren.
Diesbezüglich bietet die Auswertung der Wirkungszusammenhänge zwischen dem lieferantenseitigen Abwehrverhalten und der kognitiven Loyalität einige Anhaltspunkte. So zeigten sowohl die organisationale als auch die individuelle Isolation einen negativen Einfluss. Mit Blick auf die Effektstärken lässt sich jedoch schlussfolgern, dass zwar die Einrichtung von standardisierten Beschwerdekanälen generell das Treueverhalten fördert und beschwerdestimulierend wirkt462, aber dem Verhalten des individuellen Ansprechpartners eine noch bedeutsamere Rolle beiwohnt. So reduziert insb. das Abwehrverhalten der unmittelbaren Kontaktperson die Noncomplainer-Loyalität auf kognitiver Ebene, sodass im Anschluss derartiger Erfahrungen wiederum die Vorteilhaftigkeit der Geschäftsbeziehung in Frage gestellt wird. Damit ist eine Gefährdung der Zielerreichung durch den „Double Deviation“-Effekt von Marketing-Managern in den Blick zu nehmen.463 Dieser Aspekt unterstreicht insgesamt erneut die Bedeutung des persönlichen Austauschs in BtB-Beziehungen – ganz im Sinne des Interaktionsparadigmas. Dies impliziert, dass u. a. Schulungsmaßnahmen der Mitarbeiter auf Anbieterseite unabdinglich sind.464
Die hohe Relevanz des individuellen Mitarbeiters zeigt sich ebenfalls an den Ansatzpunkten der affektiven Loyalität. So lässt die negative Wirkung des feindseligen Verhaltens – und damit bisweilen aggressive Reaktionen – darauf schließen, dass ein aus Nachfragersicht abwehrendes Verhalten des Ansprechpartners nicht ausschließlich auf die kognitive Loyalität, sondern je nach Ausmaß der Reaktion auch die nächst intensivere Stufe beeinträchtigen kann. Demzufolge hat offenbar auch im BtB-Bereich das Verhalten von Individuen einen direkten Einfluss auf das Treueverhalten eines Unternehmens.
Grundsätzlich geben die negativen Effekte des lieferantenseitigen Abwehrverhaltens auf die Noncomplainer-Loyalität auch einen Hinweis auf das versäumte bzw. nicht ausgenutzte Kundenbindungspotenzial, welches eine proaktive und zufrieden stellende Beschwerdebearbeitung im Sinne des Service Recovery Paradox465 schaffen kann. Vor diesem Hintergrund würde die Vermeidung des anbieterseitigen Abwehrverhaltens nicht nur den „Double-Deviation“-Effekt verhindern und die Beschwerdestimulierung erleichtern, sondern gleichzeitig die Möglichkeit einer Kundenzufriedenheitssteigerung im Vergleich zur ex-ante-Situation bieten.466
Ferner lässt die Studie erkennen, dass die Beziehungsqualität einen maßgeblichen Einfluss darauf hat, ob Noncomplainer obgleich einer Leistungsverschlechterung loyal bleiben oder einen Anbieterwechsel anstreben. Demnach kann geschlussfolgert werden, dass ein sich an den Lieferanten gebunden fühlender Kunde, der eine aus seiner Sicht vertrauensvolle Geschäftsbeziehung führt und für deren Erhalt er sich einsetzt, offenbar schneller über Fehler hinwegsieht und dem Anbieter gegenüber loyal bleibt. In Situationen der Unsicherheit kann damit die Beziehungsqualität quasi in Form eines „Rettungsankers“ wirken. Dieser Eindruck wird ergänzend durch den positiven Effekt der Kontrollvariable Dauer der Geschäftsbeziehung gestärkt. Dieses Ergebnis stimmt mit der Erkenntnis von Ro/Mattila überein, dass emotional gebundene Kunden sich tendenziell nicht beschweren, um die Geschäftsbeziehung nicht zu belasten.467 In dieser Erkenntnis wird jedoch ein paradoxes Verhalten ersichtlich. So wird aufgrund der emotionalen Bindung eher auf eine Beschwerde verzichtet, was jedoch im Umkehrschluss mit sich bringt, dass der Anbieter keine Informationen über mögliche Verbesserungspotenziale erhält. Demzufolge schadet der Noncomplainer dem Geschäftspartner, obwohl er im Wesentlichen die Geschäftsbeziehung durch den Verzicht auf eine Beschwerde nicht beeinträchtigen möchte. Diese Beobachtung wird hier als Noncomplainer-Loyalty-Paradox bezeichnet. An dieser Stelle erwies sich – einmal mehr – die Commitment-Trust-Theorie von Morgan/Hunt (1994) als geeignet. So konnte bestätigt werden, dass das Vertrauen auf die affektive Loyalität sowie das Relationship Commitment als Folge von Vertrauen auf die konative Loyalität wirkt. Demzufolge resultiert das Vorliegen von Relationship Commitment in einer Wiederkaufabsicht. Mit Blick auf die Erreichung der auf Loyalität basierenden ökonomischen Zielgrößen, wie z. B. dem CLV, sollte ein Ziel des BtB-Marketings sein, über vertrauensschaffende Maßnahmen die Noncomplainer-Loyalität von der kognitiven zur affektiven bzw. konativen Intensitätsstufe zu steigern. Idealerweise sind an dieser Stelle kundebindende Maßnahmen einzusetzen, die parallel beschwerdestimulierend wirken. Ein fokales Ziel sollte dabei die Kommunikation einer grundsätzlichen Bereitschaft zur Annahme von Kritik sein.468 Denn ein offener Austausch hinsichtlich unzufrieden stellender Leistungen zwischen dem Kunden und seinem Lieferanten kann die Beziehung sicherlich intensivieren und zusätzliches Vertrauen aufbauen.469 Grundsätzlich ist jedoch für eine erfolgreiche Kundenbindung unabdingbar, dass die Fehlerursache zunächst behoben wird und für künftige Beschaffungen ausgeschlossen werden kann. Ansonsten wäre die kognitive Loyalität als Vorstufe nicht mehr gewährleistet.
Im Anschluss an die konative Loyalität spiegelt sich die aktionale dann im Treue- und letztlich Wiederkaufverhalten wider. Hierbei zeigte sich zudem ein positiver Effekt der Kontrollvariable Bestellhäufigkeit. Demzufolge tendiert ein Kunde auf BtB-Märkten dazu, eine Leistung erneut in Anspruch zu nehmen, sofern er dies schon mehrfach in der Vergangenheit getan hat. Dies bestätigt den in Abschnitt 2.​4.​4 dargelegten verhaltenswissenschaftlichen Einfluss des Bestandslieferantenstatus, welcher dem Anbieter in Situationen der Kundenunzufriedenheit offenbar einen gewissen Schutz bieten kann. Die Wirkung solcher Gewohnheitseffekte470 könnte u. a. auf den mit einem Lieferantenwechsel regelmäßig verbundenen enormen Aufwand zurückzuführen sein – verursacht bspw. durch Ausschreibungen oder Vergleichsangebote.471 Damit ist zu schlussfolgern, dass auch im BtB-Kontext in Situationen der Unsicherheit ein Rückgriff auf Bewährtes und Vertrautes (hier: der Bestandslieferant) zu beobachten ist.472
Insgesamt zeigt die vorliegende Studie damit in Bezug auf die ersten beiden Forschungsfragen, dass unter Berücksichtigung des Loyalitätsmodells nach Oliver (1997) unterschiedliche Typen und Intensitätsstufen der Noncomplainer-Loyalität ausdifferenziert werden können. So gibt es zunächst Noncomplainer, die aufgrund der rationalen Vorziehenswürdigkeit loyal bleiben, wobei hier neben der Anzahl an Beschwerdefällen das wahrgenommene Risiko sowie das lieferantenseitige Abwehr- bzw. Isolationsverhalten abschwächend und das Vorliegen eines Machtungleichgewichts verstärkend wirken. Des Weiteren tritt die Beziehungsqualität als intensiveres Loyalitätsmotiv in Erscheinung, wodurch Noncomplainer u. a. aufgrund ihrer bisherigen vertrauensvollen Beziehung ihrem Bestandslieferanten obgleich des Leistungsmangels treu bleiben und ihm bis auf Weiteres eine zweite Chance ermöglichen – bspw. auf Basis von Gewohnheitseffekten. Gemäß dem Noncomplainer-Loyalty-Paradox schaden sie dem Lieferanten allerdings dennoch, indem sie ihn durch das Noncomplaining nicht auf Verbesserungspotenziale aufmerksam machen.
Eine weitere Erkenntnis der vorliegenden Studie erscheint insb. mit Blick auf psychografische Zielgrößen (z. B. Image) relevant. So bleiben loyale Noncomplainer auch gegenüber Dritten dem Lieferanten treu – und dies sogar innerhalb des eigenen Unternehmens bzw. Buying Centers. Damit schützt diese Verbundenheit den Anbieter auch im Falle von Leistungsverschlechterungen offenkundig vor der Gefahr möglicher Image-Schäden oder Abwanderungen weiterer Kunden. Hier wird neben dem reinen Wiederkaufverhalten des betroffenen Kunden ein zusätzlicher positiver Effekt loyalitätsfördernder Maßnahmen ersichtlich.
Daneben deuten sich in Weiterentwicklung der Erkenntnisse der quantitativen Studie 2a an diesem Punkt Einflussfaktoren des gesellschaftlichen Wandels an, deren Wirkung zunächst kontraintuitiv erschien – aber im Zuge einer ganzheitlichen Betrachtung ein durchaus bedeutsames Ergebnis liefern. So zeigte sich, dass die von einem Noncomplainer wahrgenommene gesellschaftliche Kritikakzeptanz den reduzierenden Effekt der aktionalen Loyalität auf das negative innerhäusige sowie externe WoM verstärkt – und nicht abschwächt. Vor diesem Hintergrund verzichtet also ein Kunde, der wahrnimmt, dass er Kritik ohne soziale Risiken artikulieren kann, eher auf ein negatives Kommunikationsverhalten gegenüber Dritten. Eine mögliche und plausible Erklärung hierfür liefert die Zuhilfenahme der Erkenntnis aus der vorherigen Studie, dass sich ein Kunde eher bei seinem Anbieter beschwert, sofern er eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz von Kritik wahrnimmt. Demnach könnte eine Erklärung dieses zunächst kontraintuitiv erscheinenden Ergebnisses darin liegen, dass sich ein unzufriedener Kunde bei einer hohen gesellschaftlichen Kritikakzeptanz eher direkt bei dem Lieferanten beschwert als seine Verärgerung an Dritte weiterzugeben – ein aus Anbietersicht wünschenswertes Verhalten, da so unmittelbar Verbesserungspotenziale identifiziert, Wiedergutmachungsmaßnahmen eingeleitet und keine negativen Ausstrahlungseffekte auf weitere Kunden befürchtet werden müssen. Folglich scheinen die Hemmschwellen einer Beschwerde und damit einhergehend die Sorge vor negativen Konsequenzen für die Geschäftsbeziehung angesichts derartiger gesellschaftlicher Einflüsse zu sinken. Was auf den ersten Blick aus Anbietersicht als exogen gegeben sein mag, ließe sich jedoch auch zur Beschwerdestimulierung einsetzen, indem Marketing-Manager Meta-Wahrnehmungen ihrer Kunden durch geeignete Maßnahmen adressieren und nutzen.473
Abschließend darf bei der Betrachtung der Noncomplainer-Loyalität nicht außer Acht gelassen werden, dass zwar loyale Noncomplainer aus Anbietersicht zweifelsohne betriebswirtschaftlich vorteilhafter als abwandernde sind, doch grundsätzlich immer noch ein niedrigeres Kundenbindungsniveau aufweisen als Kunden, die infolge einer Beschwerdeartikulation eine zufrieden stellende Wiedergutmachung erfahren haben,474 und den Anbieter im Sinne des Noncomplainer-Loyalty-Paradoxes im Vergleich zu loyalen Beschwerdeführern dennoch benachteiligen.

4.5.7 Limitationen der Studie

Die durchgeführte Studie unterliegt gleichwohl einigen Limitationen, die Erwähnung finden sollen, aber gleichzeitig Ansatzpunkte für künftige BtB-spezifische Forschungsvorhaben liefern können. Analog zu dem ersten Teil der zweiten quantitativen Erhebung ist mit Blick auf die simultane Datengewinnung kritisch anzuführen, dass lediglich einzelne Buying Center-Mitglieder quasi pars pro toto befragt wurden – und damit nicht mehrere Mitglieder bzw. das gesamte Beschaffungsgremium. Hieraus könnten sich möglicherweise Verzerrungen ergeben, sofern die individuelle Wahrnehmung des Einzelnen von der tatsächlichen Gruppenmeinung abweicht. Demzufolge sollte in künftigen Forschungsvorhaben die Aggregation der Antworten mehrerer Mitglieder aus dem identischen Buying Center das Ziel sein.
Ferner unterliegt das betriebliche Beschaffungsverhalten insb. vor dem Hintergrund von Gruppenentscheidungen einer Vielzahl verschiedener und situationsspezifischer Einflussvariablen. Angesichts dieses Aspekts ist durchaus als Limitation anzuführen, dass in der vorliegenden Untersuchung ausschließlich ausgewählte Faktoren ihre Berücksichtigung fanden, wodurch diese Studie keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann. So erscheint ratsam, in künftigen Forschungsvorhaben verstärkt auch auf konkrete situations- und leistungsbezogene Faktoren einzugehen, da in der hier durchgeführten Erhebung vermehrt beziehungsbezogene Aspekte in den Blick genommen wurden.
In Anbetracht der kontraintuitiven Erkenntnisse – die umgekehrte Wirkungsrichtung des wahrgenommenen Risikos und der positive Moderationseffekt der wahrgenommenen gesellschaftlichen Kritikakzeptanz – ist es sicherlich zweckmäßig, diese Effekte in Replikationsstudien auf ihre Gültigkeit zu prüfen. Angesichts der Neuartigkeit des Phänomens der gesellschaftlichen Kritikakzeptanz bietet sich zudem eine tiefergehende Ausdifferenzierung an, um den Einfluss derartiger gesellschaftlicher Entwicklungen spezifischer analysieren zu können.
Zuletzt ist anzumerken, dass im Rahmen der Messung der aktionalen Loyalität auf Befragungsdaten zurückgegriffen wurde – und nicht auf Verhaltensdaten. In künftigen Studien könnte man bspw. den Ansatz von Brock et al. (2011) verfolgen und reale Umsatzdaten verwenden. Auf diese Weise könnte zusätzlich möglichen Endogenitätsproblemen vorgebeugt werden, indem nicht alle Daten zum gleichen Zeitpunkt erhoben würden.
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Fußnoten
1
Vgl. auch im Folgenden Kuß et al. (2018, S. 11); Esch et al. (2013, S. 96 f.); Auer-Srnka (2009, S. 162).
 
2
Vgl. Huber (2016, S. 87); Herrmann et al. (2006, S. 7 f.).
 
3
Vgl. Kuß et al. (2018, S. 9). Eine ähnliche Abfolge empfehlen ebenfalls Berekhoven et al. (vgl. Berekhoven et al. 2009, S. 32).
 
4
Angesichts der Durchführung von drei Datenerhebungen wird in dieser Arbeit sodann von drei empirischen Studien gesprochen – und nicht von vier. Da jedoch im Rahmen der dritten Datenerhebung zwei inhaltlich eigenständige Phänomene untersucht und vor diesem Hintergrund zwei voneinander isolierte Forschungsmodelle hergeleitet werden, wird die dritte Studie strukturell in einen Teil a und b untergliedert. Siehe hierzu auch Fußnote 42 in Kapitel 1.
 
5
Dieser wissenschaftstheoretische Orientierungsrahmen wird durch die Synthese des Verifikations- und Falsifikationsprinzips geprägt (vgl. Hollmann 2012, S. 46). Im Rahmen des Verifikationsprinzips werden Aussagen mit der Realität abgeglichen und im Falle von mehrfacher Verifikation als bestätigt beurteilt (vgl. Carnap 1953, S. 48). Hieraus lässt sich schlussfolgern, dass die Entdeckungszusammenhänge wiederholt bestätigter Theorien der Wirklichkeit entsprechen (vgl. Kuß 2013, S. 53). Dahingegen können Aussagen gem. dem Falsifikationsprinzip widerlegt werden, sofern sich diese infolge einer empirischen Prüfung nicht mit der Realität decken (vgl. Hunt 1992, S. 308).
 
6
Vgl. Denzin (2017, S. 301).
 
7
Die Exploration bedeutet in diesem Zusammenhang, dass auf Basis der Erkenntnisse aus dieser Pilotstudie im Sinne eines induktiven Vorgehens Ansätze für die Hypothesenherleitung der folgenden drei empirisch-quantitativen Studien geliefert werden.
 
8
Es ist jedoch zu betonen, dass das Vorliegen einer statistischen Abhängigkeit zwischen zwei Variablen nicht unmittelbar mit einer Kausalität gleichgesetzt werden kann. Vielmehr kann hierin ein Indiz für eine potenzielle Kausalbeziehung gesehen werden (vgl. Weiber/Mühlhaus 2014, S. 16 ff.). Um von einer Kausalbeziehung ausgehen zu können, müssen Dritteinflüsse eliminiert werden (vgl. Backhaus et al. 2015, S. 71). Dies ist bpsw. durch die Integration ausreichend vieler Kontrollvariablen möglich (siehe hierzu insb. die empirisch-quantitative Studie 2b in Abschnitt 4.5).
 
9
Vgl. Foscht et al. (2009, S. 255 f.). Das Forschungsparadigma bezieht sich letztlich auf die Gesamtkonzeption der empirischen Untersuchung. Das konfirmatorische Forschungsparadigma beschreibt, dass Hypothesen vorab deduktiv auf Basis der Literatur postuliert und anschließend geprüft werden. Im Rahmen konfirmatorischer Erhebungen bilden damit Hypothesensysteme den Ausgangspunkt der empirischen Untersuchung – hier insb. in den zwei quantitativen Studien.
 
10
Im Rahmen der Induktion wird basierend auf partikulären bzw. singulären Aussagen auf das Universelle geschlossen. Dahingegen beschreibt die Deduktion den Schluss von allgemeinen Aussagen und Gesetzen auf die Konklusion (vgl. Brinkmann 2018, S. 87).
 
11
An dieser Stelle bietet es sich an, auf das sog. wissenschaftstheoretische Dilemma hinzuweisen. Glaser/Strauss (2017) widmen sich der Kombination der Induktion und Deduktion im Detail. Ihre Überlegungen basieren dabei auf der Grounded Theory.
 
12
Die Vor- und Nachteile der beiden Methoden werden u. a. bei Meffert et al. (2019, S. 156 ff.) diskutiert.
 
13
Vgl. Mayring (2015, S. 23).
 
14
Vgl. Berekhoven et al. (2009, S. 89).
 
15
Der Begriff der Hypothese wird an dieser Stelle bewusst vermieden, da bisher diverse Aspekte andiskutiert, aber noch nicht formal im Sinne einer klassischen Hypothesenherleitung postuliert wurden. Dieses Vorgehen geht damit einher, dass die Überprüfung vorab festgelegter Hypothesen durch qualitative Untersuchungen zugunsten eines entdeckenden explorativen Vorgehens zumeist abgelehnt wird (vgl. Lamnek 2010, S. 106). Eine konfirmatorische Vorgehensweise im zuvor beschriebenen Sinne wird jedoch zunehmend akzeptiert und für zweckmäßig erachtet (vgl. Kuß et al. 2018, S. 49 ff.).
 
16
Vgl. Mayring (2020, S. 4). Eine Übersicht über verschiedene Verfahren liefern Lamnek/Krell (2016).
 
17
Vgl. Kepper (1996, S. 23).
 
18
Vgl. Berekhoven et al. (2009, S. 89 ff.).
 
19
Im Wesentlichen kann zwischen offenen, halb- und strukturierten Interviews unterschieden werden (vgl. Möhring/Schlütz 2013, S. 185 f.; Aghamanoukjan et al. 2009, S. 421; Hopf 2008, S. 351).
 
20
Vgl. Döring/Bortz (2016, S. 356); Kurz et al. (2009, S. 464).
 
21
Vgl. Döring/Bortz (2016, S. 356 ff.).
 
22
Vgl. Witzel (1982, 2000); Witzel/Reiter (2012, S. 24). Witzel definiert das problemzentrierte Interview wie folgt: „Bei diesem Verfahren handelt es sich um eine Methodenkombination bzw. -integration von qualitativem Interview, Fallanalyse, biographischer Methode, Gruppendiskussion und Inhaltsanalyse“ (Witzel 1982, S. 230).
 
23
Vgl. Lamnek (2010, S. 332 f.).
 
24
Vgl. Helfferich (2011, S. 36); Kurz et al. (2009, S. 473).
 
25
Vgl. Mayring (2016, S. 70); Mey/Mruck (2011, S. 262). Im folgenden Abschnitt 4.2.3 werden die Anforderungskriterien an einen Interviewleitfaden als Messinstrument dargestellt.
 
26
Neben der strukturierenden Inhaltsanalyse kann noch zwischen der zusammenfassenden Inhaltsanalyse und der Kontextanalyse unterschieden werden (vgl. Mayring/Fenzl 2019, S. 367 f.).
 
27
Vgl. Früh (2017, S. 66).
 
28
Vgl. Helfferich (2011, S. 180); Misoch (2019, S. 66 f.).
 
29
Vgl. Helfferich (2011, S. 182).
 
30
Siehe hierzu Anhang 4 im elektronischen Zusatzmaterial.
 
31
Auf eine im Vorhinein formulierte Einleitung und Beendigung des Gesprächs wird in dieser Arbeit verzichtet, um durch eine spontane und situativ angepasste Gesprächsführung die Barriere für den Befragten zu überwinden und das „Eis des Gesprächs zu brechen“ (Lehmann 2004, S. 58).
 
32
Vgl. Witzel/Reiter (2012, S. 61); Kurz et al. (2009, S. 468).
 
33
Vgl. Schreier (2011, S. 245).
 
34
Vgl. Helfferich (2011, S. 173 f.).
 
35
Vgl. Kurz et al. (2009, S. 468). Der Anspruch qualitativer Studien liegt jedoch auch vielmehr in dem „Status der Illustration […], nicht aber dem Status empirischer Daten“ (Helfferich 2011, S. 172).
 
36
So wurde darum gebeten, sowohl Situationen, in denen der Teilnehmer sich nicht beschwert hat und loyal geblieben ist, als auch solche, in denen er den Anbieter gewechselt hat, vorzubereiten.
 
37
Vgl. Helfferich (2011, S. 176).
 
38
Vgl. Helfferich (2011, S. 176). Ein Self-Selection Bias beschreibt den „failure to recognize when observed differences in groups are the result of self-selection rather than the characteristics of the group or individuals within the group“ (Whitman/Woodward 2012, S. 216).
 
39
Vgl. Glaser/Strauss (2017, S. 61). Siehe hierzu ebenfalls Döring/Bortz (vgl. 2016, S. 302).
 
40
Siehe hierzu Anhang 4 im elektronischen Zusatzmaterial.
 
41
Siehe hierzu die Auswertung in Anhang 5 im elektronischen Zusatzmaterial.
 
42
Dieser Begriff leitet sich aus dem lateinischen Wort „transcription“ ab, welches mit „Umschreibung“ übersetzt werden kann (vgl. Fuß/Karbach 2019, S. 17).
 
43
Neben der wörtlichen Transkription wird noch zwischen der kommentierten Transkription (Integration der nonverbalen Kommunikation) und der inhaltsanalytischen Transkription (Reduktion des Materials auf Aussagen hinsichtlich vorab definierter Kategoriensysteme) unterschieden. Für tiefergehende Informationen wird auf Dresing/Pehl (vgl. 2020, S. 842 ff.) und Höld (vgl. 2009, S. 658 ff.) verwiesen.
 
44
Vgl. Gläser/Laudel (2009, S. 200); Mayring (2015, S. 97).
 
45
Vgl. Mayring (2010, S. 49 f.).
 
46
Vgl. Gläser/Laudel (2009, S. 202).
 
47
Dies sind personen-, unternehmens-, beziehungs-, problem-/leistungs-, markt-/situations- und gesellschafts-/kulturbezogene Faktoren.
 
48
Vgl. Gläser/Laudel (2009, S. 206).
 
49
Vgl. Gläser/Laudel (2009, S. 199).
 
50
Siehe Grafiken in Anhang 5 im elektronischen Zusatzmaterial.
 
51
Interview 2.
 
52
Interview 10.
 
53
Interview 14.
 
54
Siehe Anhang 5.1 im elektronischen Zusatzmaterial.
 
55
Interview 11.
 
56
Interview 13.
 
57
Vgl. Fisher (1993, S. 303 f.); Nederhof (1985, S. 263 f.).
 
58
In der nachfolgenden Darstellung der zentralen Ergebnisse wird mit Blick auf den Umfang nur auf diejenigen eingegangen, aus denen Unterschiede zum BtC-Bereich erwachsen oder die neuartig sind. Auf eine reine Replikation von Antezedenzien, die bereits in der bisherigen Noncomplainer-Forschung (siehe Abschnitt 3.​4) berücksichtigt wurden, wird an dieser Stelle verzichtet.
 
59
Siehe hierzu die quantitative Studie 2a (Abschnitt 4.4).
 
60
Demzufolge lässt sich auch hier der Bedarf nach einer isolierten quantitativen Untersuchung des Einflusses der Persönlichkeitsmerkmale auf das Noncomplaining ableiten. Die quantitative Studie eins trägt dieser Erkenntnis Rechnung (siehe Abschnitt 4.3).
 
61
Interview 3. Der Teilnehmer gab zuvor an, dass er sich zu Beginn seiner Arbeitskarriere eher nicht beschwert und bei sich nun ein Wandel beobachtet hat.
 
62
Interview 13.
 
63
Interview 1.
 
64
Interview 20.
 
65
Interview 1.
 
66
Interview 2.
 
67
Interview 2.
 
68
Interview 1.
 
69
Interview 10.
 
70
Interview 7.
 
71
Interview 1.
 
72
Interview 20.
 
73
Interview 2.
 
74
Interview 11.
 
75
Interview 20.
 
76
Interview 1.
 
77
Interview 2.
 
78
Interview 2.
 
79
Interview 14.
 
80
Interview 3.
 
81
Interview 4.
 
82
Interview 14.
 
83
Interview 17.
 
84
Interview 1.
 
85
Interview 3.
 
86
Interview 13.
 
87
Interview 2.
 
88
Interview 3.
 
89
Interview 14.
 
90
Interview 10. Siehe hierzu auch die Ausführungen in Abschnitt 2.​4.​4.
 
91
Interview 14.
 
92
Siehe hierzu die Ausführungen in Abschnitt 2.​4.​4.
 
93
Interview 11.
 
94
Interview 13.
 
95
Interview 5.
 
96
Interview 3.
 
97
Interview 6.
 
98
Interview 8.
 
99
Interview 18.
 
100
Diese Berücksichtigung erfolgt in den quantitativen Studien 2a (Abschnitt 4.4) und 2b (Abschnitt 4.5).
 
101
Da sich die in Abschnitt 3.​3.​1.​2 entwickelte Erweiterung der Exit-Voice-Theorie nicht ausschließlich dem Noncomplainer-Verhalten im Kontext von BtB-Märkten widmet, wird in der Beantwortung dieser Forschungsfrage nicht zwischen den beiden Teilstichproben differenziert. Mit Blick auf den Untersuchungsgegenstand der empirischen Gesamterhebung wird es jedoch als zielführend erachtet, vornehmlich Befragte aus der BtB-Teilstichprobe zu zitieren.
 
102
Vgl. Hirschman (1970, S. 38).
 
103
Vgl. Rusbult et al. (1982, S. 1231). Siehe hierzu im Detail Abschnitt 3.​3.​1.​2.
 
104
Interview 4.
 
105
Interview 8.
 
106
Vgl. Sivakumar/Raj (1997, S. 79); Keaveney (1995, S. 71). Siehe hierzu auch Abschnitt 3.​3.​1.​2.
 
107
Interview 7.
 
108
Interview 2.
 
109
Interview 1.
 
110
Interview 1.
 
111
Interview 4.
 
112
Interview 17.
 
113
Interview 6.
 
114
Interview 14.
 
115
Interview 13. Im Zuge der Anführung von Reputation als Bindungselement wird an dieser Stelle erneut die Relevanz der Noncomplainer-Problematik deutlich. So können Noncomplainer einerseits die Reputation des Anbieters durch ein negatives Kommunikationsverhalten gefährden. Andererseits schützt eine gute Reputation vor Abwanderungen der Noncomplainer. Widmet sich ein Unternehmen demzufolge nicht der Noncomplainer-Problematik, so besteht das Risiko von Verstärkungseffekten im Sinne einer Negativspirale.
 
116
So stellten u. a. Keaveney (1995), Blodgett et al. (1993, 1997), Tax et al. (1998), Voorhees et al. (2006) und Ro/Mattila (2015) fest, dass Noncomplainer ein extensives negatives WoM betreiben und den Versuch unternehmen, auch andere Kunden durch ein entsprechendes Kommunikationsverhalten z. B. von einer Abwanderung zu überzeugen.
 
117
Vgl. Ganesha et al. (2020).
 
118
Interview 2.
 
119
Interview 10.
 
120
Interview 14.
 
121
Interview 13.
 
122
Interview 14.
 
123
Interview 3.
 
124
Interview 20.
 
125
Vgl. Tojib/Khajehzadeh (2014, S. 1550); Kowalski (1996).
 
126
Vgl. Williams/Rao (1980, S. 302).
 
127
Vgl. u. a. Souiden et al. (2019, S. 373); Ekinci et al. (2016, S. 8); Bodey/Grace (2007, S. 590 f.); Gursoy et al. (2007, S. 374 ff.). Siehe hierzu im Detail Abschnitt 3.​4.​1.
 
128
Vgl. Kuß (2013, S. 64).
 
129
Vgl. De Vries et al. (2019, S. 163).
 
130
Vgl. Goldberg (1993, S. 27).
 
131
Vgl. Costa/McCrae (1992).
 
132
Vgl. Ashton et al. (2004, S. 363).
 
133
Vgl. Moshagen et al. (2014, S. 87); Ashton /Lee (2001, S. 330).
 
134
Vgl. Lee/Ashton (2004, S. 331).
 
135
Vgl. De Vries et al. (2019, S. 1).
 
136
Vgl. Lee et al. (2022, S. 346); Zettler et al. (2020, S. 732); Saucier (2009, S. 1606).
 
137
Vgl. Lee et al. (2022, S. 346); Lee/Ashton (2004, S. 332).
 
138
Vgl. Moshagen et al. (2014, S. 88). Dies wird aus einigen Studienergebnissen ersichtlich – u. a. bei Thalmayer et al. (2011); Ashton/Lee (2008); Marcus et al. (2007); Lee/Ashton (2005).
 
139
Vgl. Thielmann et al. (2020, S. 43); Van Doesum et al. (2020, S. 184).
 
140
Vgl. Lee/Ashton (2004, S. 332).
 
141
Vgl. Moshagen et al. (2014, S. 87).
 
142
Vgl. Lee/Ashton (2004, S. 334).
 
143
Vgl. Lee/Ashton (2004, S. 335).
 
144
Vgl. Lee et al. (2022, S. 348); Lee/Ashton (2004, S. 333).
 
145
Vgl. Moshagen et al. (2014, S 87).
 
146
Vgl. die Übersicht über die lexikalischen Studien in Ashton et al. (2004).
 
147
Vgl. Lee/Ashton (2004, S. 336 f.).
 
148
Dieser Aspekt geht mit dem in der Marketing-Forschung etablierten Konstrukten Novelty- und Variety-Seeking einher.
 
149
Vgl. Lee/Ashton (2004, S. 336 f.).
 
150
Ashton/Lee (2007, S. 156).
 
151
Vgl. Zettler et al. (2020, S. 726).
 
152
Vgl. Hilbig et al. (2013, S. 601 f.).
 
153
Vgl. Hilbig/Zettler (2009, S. 518).
 
154
Vgl. Abschnitt 4.2.5.2.
 
155
Vgl. Johnson et al. (2011, S. 860).
 
156
Vgl. Zettler/Hilbig (2010, S. 570).
 
157
Vgl. Costa/McCrae (2006).
 
158
Vgl. McCroskey (1977, S. 78 f.). Dieses Phänomen wird auch als Communication Apprehension bezeichnet.
 
159
Vgl. Hayes et al. (2005, S. 299 f.).
 
160
Vgl. Bolkan/Goodboy (2011, S. 471); MacIntyre (1994, S. 137); Sallinen-Kuparinen et al. (1991, S. 59 ff.).
 
161
Vgl. Bodey/Grace (2007, S. 589).
 
162
Vgl. Keng et al. (1995, S. 72 ff.).
 
163
Vgl. Tronvoll (2011, S. 121).
 
164
Vgl. Mahlamäki et al. (2019, S. 176).
 
165
Vgl. Mooradian/Olver (1997, S. 389 f.).
 
166
Vgl. Kowalski (1996, S. 183).
 
167
Vgl. Harris/Mowen (2001, S. 1171).
 
168
Vgl. Richins (1983, S. 69).
 
169
Vgl. u. a. Keng et al. (1995, S. 72 ff.); Bolfing (1989, S. 10).
 
170
Vgl. Yoo/Gretzel (2011, S. 617); Manner/Lane (2017, S. 24).
 
171
Vgl. Wang/Yang (2007).
 
172
Vgl. Mahlamäki et al. (2019, S. 181); Bipp et al. (2008, S. 1462 f.); Zweig/Webster (2004, S. 1704).
 
173
Vgl. Shepherd/Belicki (2008, S. 392); Berry et al. (2005, S. 197).
 
174
Vgl. Lee/Ashton (2012, S. 598); Ashton/Lee (2007, S. 157 f.).
 
175
Vgl. Hilbig et al. (2013, S. 601 f.).
 
176
Vgl. Bearden/Mason (1984).
 
177
Vgl. Harris/Mowen (2001, S. 1161).
 
178
Vgl. Kowalski (1996, S. 183).
 
179
Vgl. Barrick et al. (2013); Costa/McCrae (2006); Pervin (2003).
 
180
Vgl. Ekinci et al. (2016, S. 38); Roberts et al. (2009).
 
181
Vgl. Roberts et al. (2014, S. 1318).
 
182
Vgl. Bodey/Grace (2007, S. 589).
 
183
Vgl. Manner/Lane (2017, S. 25); Roesch et al. (2006).
 
184
Vgl. Mahlamäki et al. (2019, S. 177); Chamorro-Premuzic (2007).
 
185
Vgl. hierzu die Ausführungen eines Teilnehmers der qualitativen Pilostudie: „Das hängt davon ab, wie wichtig das Produkt oder die Dienstleistung ist. Man kann ja auch gewisse Prozesse umstellen, sodass man das Produkt gar nicht mehr braucht oder unwichtig wird.“ (Interview 2).
 
186
Vgl. Goclowska et al. (2018, S. 262); Gordon/Luo (2011, S. 93).
 
187
Vgl. Costa et al. (2014, S. 556).
 
188
Vgl. Interview 17: „Über die anderen Unternehmen hat man ja noch keine Informationen, dann kann man das ja einfach ausprobieren. Vielleicht so Variety Seeking.“ Der Studienteilnehmer verwendet hier den Begriff Variety Seeking. Dieses beschreibt die Neigung, zwischen verschiedenen Anbietern der gleichen Produktkategorie zu wechseln (vgl. Sevilla et al. 2018, S. 91). Der Fokus liegt somit auf der Neuartigkeit des Anbieters und im Gegensatz zum Novelty-Seeking nicht auf der Leistung selbst.
 
189
Vgl. Backhaus et al. (2021, S. 12 ff.). Zu den strukturprüfenden Verfahren zählen in erster Linie die Regressionsanalyse, Varianzanalyse, Diskriminanzanalyse, logistische Regression und die Strukturgleichungsmodellierung.
 
190
Vgl. Backhaus et al. (2021, S. 13). Zu diesen Verfahren zählen u. a. die Faktorenanalyse, multidimensionale Skalierung, Korrespondenzanalyse und künstliche neuronale Netze.
 
191
Eine Variable wird als latent bezeichnet, sofern sie nicht unmittelbar gemessen werden kann, sondern auf geeignete Indikatoren zurückgegriffen werden muss. Diese umfassen beobachtbare Ausprägungen der jeweiligen Variable (vgl. Weiber/Mühlhaus 2014, S. 24). Demgegenüber sind sog. manifeste Variablen empirisch direkt beobachtbar.
 
192
Dieses Verfahren nutzten bspw. auch Bodey/Grace zur Untersuchung der Wirkung einzelner Persönlichkeitsmerkmale auf das Beschwerdeverhalten auf Konsumgütermärkten (vgl. Bodey/Grace 2006, S. 182).
 
193
Vgl. Backhaus et al. (2021, S. 224 f.).
 
194
Vgl. Wentura/Pospeschill (2015, S. 130).
 
195
Vgl. Backhaus et al. (2021, S. 228).
 
196
Vgl. Backhaus et al. (2021, S. 228).
 
197
Idealerweise wird zusätzlich eine Normierung der Diskriminanzkoeffizienten vorgenommen und zwar derart, dass der kritische Diskriminanzwert gleich null ist und somit bspw. bei einem Zwei-Gruppen-Fall – wie hier – Beobachtungen mit einem positiven Diskriminanzwert der einen Gruppe und mit einem negativen der anderen zugeordnet werden können (vgl. Backhaus et al. 2021, S. 232).
 
198
Vgl. Backhaus et al. (2021, S. 239).
 
199
Zum anderen kann auch zwischen der geschätzten und tatsächlichen Gruppenzugehörigkeit unterschieden werden. Dieses Verfahren fokussiert jedoch eher die Klassifizierungs- und weniger die Diskriminierungsaufgabe, sodass dieses in dieser Arbeit weitestgehend unerwähnt bleibt. Für eine detaillierte Beschreibung dieses Vorgehens siehe Backhaus et al. (2021, S. 243 ff.).
 
200
Vgl. Backhaus et al. (2021, S. 240).
 
201
Vgl. Tatsuoka (1988, S. 235).
 
202
Vgl. Backhaus et al. (2021, S. 242).
 
203
Vgl. Backhaus et al. (2021, S. 247).
 
204
Vgl. Backhaus et al. (2021, S. 248).
 
205
Vgl. Backhaus et al. (2021, S. 257 f.). Dahingegen stützt sich die logistische Regression nicht auf die Normalverteilungsannahme.
 
206
Weiber/Mühlhaus (2014, S. 104).
 
207
Vgl. Weiber/Mühlhaus (2014, S. 42).
 
208
Vgl. Weiber/Mühlhaus (2014, S. 110). Diese Annahme wird auch als Homogenitätsannahme bezeichnet.
 
209
Vgl. Fassott/Eggert (2005, S. 38).
 
210
Vgl. Ashton/Lee (2009, S. 344). Mit Blick auf den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Studie, die nicht eine isolierte und detaillierte Persönlichkeitsanalyse zum Ziel hat, erscheint das Skalenmaterial mit 100 oder sogar 200 Indikatoren als wenig zweckmäßig. Dies würde in einer BtB-Stichprobe vermutlich vielmehr zu einer hohen Zahl an Fragebogenabbrüchen bei den Teilnehmern führen.
 
211
Vgl. Moshagen et al. (2019, S. 192); Ashton/Lee (2009, S. 344).
 
212
Vgl. De Vries (2013).
 
213
Als Kriterien wurden in erster Linie sowohl die inhaltliche Passung der Indikatoren zum Untersuchungsgegenstand als auch die Integration von mehr als einer Facette pro Persönlichkeitsfaktor zugrunde gelegt. Auch die Auswahl der Facetten erfolgte nach inhaltlich-theoretischen Überlegungen. Aufgrund der inhaltlich sehr weit gefassten Konstruktdefinition von Openness wurden hier alle vier Facetten berücksichtigt.
 
214
Vgl. Ashton/Lee (2009, S. 341).
 
215
Vgl. Weijters/Baumgartner (2012, S. 738). Ein Item wird als Reverse-Coded bezeichnet, wenn sein Inhalt gegensätzlich zu den anderen Items einer Skala formuliert ist.
 
216
Konkret lautete das Item wie folgt: „Haben Sie in den letzten drei Monaten Situationen erlebt, in denen Sie mit einem Anbieter bzw. seiner Leistung unzufrieden waren und die Möglichkeit gehabt hätten sich zu beschweren, aber sich dennoch nicht beschwert haben?“
 
217
Als wesentliche Argumente für diese Erhebungsmethode sprechen eine schnelle Durchführbarkeit, geringe Erhebungskosten und eine direkte Erfassung der Daten durch die Befragten (vgl. Homburg 2020, S. 295 ff.). Zudem bietet dieses Verfahren die Möglichkeit, dass die Teilnehmer ehrlicher antworten und die Gefahr einer Antwortverzerrung durch z. B. soziale Erwünschtheit reduziert werden kann (vgl. Berekhoven et al. 2009, S. 107).
 
218
Vgl. Berekhoven et al. (2009, S. 36).
 
219
Angesichts der hohen Validierung und der standardisierten Verwendung des HEXACO-Messmodells in der bisherigen Forschung konnte auf einen quantitativen Pretest verzichtet werden. Im Zentrum des kognitiven Pretests stand vor diesem Hintergrund insb. die Messung der abhängigen Variable Noncomplaining.
 
220
Vgl. Reegen (2020, S. 75).
 
221
Ausreißer liegen vor, wenn einzelne Daten merklich von den anderen Daten der Erhebung abweichen (vgl. Aggarwal 2015). Straightlining bezeichnet ein monotones und undifferenziertes Anwortverhalten der Teilnehmer über den nahezu vollständigen Fragebogen hinweg (vgl. Zhang/Conrad 2014, S. 127).
 
222
Vgl. Kline (1998, S. 75).
 
223
Vgl. Faul et al. (2009, S. 1149 f.). Im Rahmen der Poweranalyse wurden die Kriterien nach Cohen (1988) zugrunde gelegt. Demnach wird eine Effektstärke von d = 0,2, eine Irrtumswahrscheinlichkeit von α = 0,05 und eine Power von 1−β = 0,95 empfohlen (vgl. Cohen 1988, S. 24 f.).
 
224
Hierfür wurde den Empfehlungen von Backhaus et al. (2021, S. 257 f.) gefolgt. Der optische Test auf die multivariate Normalverteilung wurde auf Basis von Q-Q-Plots durchgeführt. Die Gleichheit der Varianz-Kovarianz-Matrizen wurde unter Zuhilfenahme des Box-M-Tests geprüft. Zur Beurteilung der Multikollinearität wurde der Variance Inflation Factor herangezogen.
 
225
Auf den ersten Blick wird eine ungleiche Geschlechterverteilung erkennbar – insb. unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Geschlechterverteilung von Erwerbstätigen innerhalb Deutschlands (männlich: 53,2 %, weiblich: 46,8 %). Werden jedoch ausschließlich Führungskräfte in Betracht gezogen, so verändert sich die Geschlechterverteilung innerhalb Deutschlands auf 70,8 % Männer und 29,2 % Frauen (vgl. Statistisches Bundesamt 2021). Berücksichtigt man nun die Annahme, dass in erster Linie auch Führungskräfte am organisationalen Beschaffungsverhalten – zumindest – beteiligt sind, so erscheint die Geschlechterverteilung wiederum zweckmäßig.
 
226
Vgl. Weiber/Mühlhaus (2014, S. 325). Dieser Beurteilung liegt die Annahme zugrunde, dass reflektive Messmodelle immer fehlerbehaftet sind. Das Kriterium der Reliabilität wird dann verletzt, wenn ein zufälliger Fehler vorliegt, d. h. die Messungen unsystematisch verzerrt sind. Dahingegen wird gegen die Validität verstoßen, sofern ein systematischer Fehler vorliegt, wodurch nicht mehr das gemessen wird, was gemessen werden sollte (vgl. Berekhoven et al. 2009, S. 80 ff.).
 
227
Vgl. Huber et al. (2007, S. 34 ff.).
 
228
Vgl. Weiber/Mühlhaus (2014, S. 132).
 
229
Vgl. Weiber/Mühlhaus (2014, S. 133); Kaiser/Rice (1974, S. 111 ff.). Die Nullhypothese des Bartlett-Tests besagt, dass die Variablen einer unkorrelierten Grundgesamtheit angehören (vgl. Dziuban/Shirkey 1974, S. 358 ff.).
 
230
Vgl. Hair et al. (2014, S. 102).
 
231
Vgl. Hair et al. (2014, S. 103).
 
232
Vgl. Hulland (1999, S. 198).
 
233
Vgl. Hair et al. (2014, S. 102 f.).
 
234
Vgl. Hair et al. (2014, S. 101 f.); Weiber/Mühlhaus (2014, S. 136).
 
235
Vgl. Nunnally/Bernstein (1994, S. 252).
 
236
Vgl. Homburg/Giering (1996, S. 8). So wird für Skalen mit zwei Items oftmals ein Wert von über 0,5 und bei drei Items von über 0,6 akzeptiert.
 
237
Vgl. Bagozzi/Yi (1988, S. 80).
 
238
Vgl. Hair et al. (2014, S. 104 f.).
 
239
Vgl. Fornell/Larcker (1981, S. 46).
 
240
Vgl. Fornell/Larcker (1981, S. 46); Hair et al. (2014, S. 104 f.).
 
241
Vgl. Podsakoff et al. (2003, S. 881).
 
242
Demnach kann von einem CMB ausgegangen werden, sofern die Gesamtheit aller Konstrukte über einen einzigen Faktor zu mehr als 50 % erklärt werden kann (vgl. Weiber/Mühlhaus 2014, S. 360; Chang et al. 2010, S. 180). Im vorliegenden Fall beträgt diese lediglich 25,76 %.
 
243
Hinsichtlich der Hypothesenprüfung muss jedoch beachtet werden, dass die Bestätigung oder Ablehnung der Hypothesen ausschließlich einen vorläufigen Charakter aufweist. Dies ist mit dem sog. kritischen Rationalismus zu begründen. Demnach ist eine endgültige Verifikation im Sinne von allgemeingültigen Aussagen nicht möglich (vgl. Chalmers 2007, S. 53 ff.).
 
244
Neben der Diskriminanzanalyse können die vorliegenden Hypothesen auch mithilfe der logistischen Regression geprüft werden. Diesbezüglich zeigten sich jedoch identische Ergebnisse. So wiesen ebenfalls Honesty-Humility, Emotionality und Conscientiousness signifikante Effekte mit den entsprechenden Wirkungsrichtungen auf. Die erklärte Varianz betrug Cox & Snell R2 = 0,179 und Nagelkerkes R2 = 0,239. Die Trefferquote der richtigen Klassifizierungen entsprach mit 69,0 % nahezu derjenigen der geschätzten Diskriminanzfunktion.
 
245
Die Beurteilung der Trefferquote der geschätzten Diskriminanzfunktion sollte in Relation zu der Trefferquote, die durch eine rein zufällige Zuordnung der Beobachtungen erzielt würde, erfolgen. Angesichts der nahezu hälftigen Aufteilung der Stichprobe in Noncomplainer und Complainer liegt diese bei knapp 50 %. Damit übersteigt die Trefferquote der geschätzten Diskriminanzfunktion den Richtwert deutlich.
 
246
Siehe hierzu die Darstellung der Erkenntnisse in der bisherigen Noncomplainer-Forschung in Abschnitt 3.​4.
 
247
In beiden Studien betrug die erklärte Varianz ca. 21 %. Hierbei legten Bodey/Grace die Persönlichkeitsmerkmale Self-Efficacy, Machiavellianism und Risk-Taking und Harris/Mowen Extraversion, Agreeableness, Instability, Conscientiousness und Creativity zugrunde (vgl. Bodey/Grace 2007, S. 588; Harris/Mowen 2001, S. 1169).
 
248
Vgl. Thielmann et al. (2020, S. 43).
 
249
Vgl. Bellucci et al. (2019, S. 7). Die Wirkungsbeziehung zwischen ehrlichem Verhalten und dem Entstehen von Vertrauen konnte bereits in neurowissenschaftlichen Studien gezeigt werden.
 
250
Vgl. Thielmann et al. (2022, S. 874).
 
251
Inwiefern gesellschaftliche Aspekte tatsächlich das organisationale Beschwerdeverhalten beeinflussen, ist noch empirisch zu prüfen. Dies ist u. a. Gegenstand der quantitativen Studien 2a (Abschnitt 4.4) und 2b (Abschnitt 4.5).
 
252
Eine umfassende Darstellung der aus den Studien hervorgehenden Handlungsimplikationen für die Praxis erfolgt in Abschnitt 5.​2.​1.
 
253
Vgl. Mooradian/Olver (1997, S. 389).
 
254
Vgl. Bodey/Grace (2006, S. 183).
 
255
Vgl. Picazo-Vela et al. (2010, S. 693); Manner/Lane (2017, S. 32).
 
256
Vgl. Judge/Cable (1997, S. 379).
 
257
Vgl. Lee et al. (2022, S: 348); Lee/Ashton (2004, S. 333).
 
258
Vgl. Birkeland et al. (2022, S. 4).
 
259
Vgl. Yang et al. (2011, S. 376 f.).
 
260
Vgl. Cabanelas et al. (2023, S. 71 f.).
 
261
Vgl. Lee/Ashton (2006, S. 185).
 
262
Vgl. Büschken (1994).
 
263
Diesbezüglich konnte bereits gezeigt werden, dass Meta-Wahrnehmungen von Individuen hinsichtlich gesellschaftlicher und sozialer Aspekte das individuelle Beschwerdeverhalten von Kunden beeinflussen können (vgl. u. a. Tojib/Khajehzadeh 2014).
 
264
Vgl. Kowalski (1996, S. 186 f.).
 
265
Vgl. Statista (2022). So empfinden lediglich 24 % der Bürger in Österreich, dass auch kritische Äußerungen in Diskussionen oder öffentlichen Debatten geäußert werden können. Zudem kam ein Bericht von Statista Consumer Insights durch Umfragen in Deutschland zu der Erkenntnis, dass knapp ein Drittel der Befragten das Empfinden haben, nicht mehr ihre wahren Gedanken und Ansichten öffentlich äußern zu können und ein Viertel der Teilnehmer ist infolge ihrer kritischen Meinungsäußerung vor sozialen Konsequenzen besorgt (vgl. Statista Consumer Insights 2020). In einer Befragung von IfD Allensbach gaben sogar 63 % der Teilnehmer an, dass man heuzutage grundsätzlich aufpassen muss, kritische Themen öffentlich anzusprechen (vgl. Statista 2019b).
 
266
Vgl. Backhaus/Voeth (2014, S. 45); Hutt/Speh (2004); Fließ (2000, S. 305 f.); Webster/Wind (1972a).
 
267
Vgl. Osmonbekov/Johnston (2018, S. 785 f.); Herbst/Kemmerling (2015, S. 37); Homburg et al. (2010a, S. 204).
 
268
Die Unternehmensgröße wird hier somit nicht, wie in anderen Kontexten, über Finanz- oder Vertriebskennzahlen definiert.
 
269
Vgl. Cabanelas et al. (2023, S. 70); Bello/Lothia (1993, S. 315); Wind/Thomas (1980).
 
270
Vgl. Wind/Robertson (1982, S. 172).
 
271
Vgl. Bello/Lohtia (1993, S. 316); LaForge/Stone (1989, S. 31 f.); Bellizzi (1981, S. 19).
 
272
Vgl. Wood (2005, S. 270); Patton et al. (1986, S. 134); Berkowitz (1986, S. 39); Bellizzi (1981, S. 21).
 
273
Die Wahl der Unternehmensgröße anstatt der Anzahl an Buying Center-Mitgliedern ist im Wesentlichen darin begründet, dass die Befragten eines kognitiven Pretests der Studie zu Bedenken gaben, dass sie bspw. Informationsselektierer oder Gatekeeper nicht eindeutig identifizieren können – und damit letztlich die Größe des Buying Centers.
 
274
Vgl. Berkowitz (1986, S. 39); Bellizzi (1981, S. 19 ff.).
 
275
Vgl. Cabanelas et al. (2023, S. 71); Lewin/Donthu (2005, S. 1383); Wood (2005, S. 265); Barclay (1991, S. 148); Mintzberg (1989).
 
276
Vgl. Homburg et al. (2010a, S. 203 f.).
 
277
Vgl. Dawes et al. (1998, S. 58); Robbins (1990).
 
278
Vgl. Cabanelas et al. (2023, S. 72); Wood (2005); Johnston/Lewin (1996, S. 313).
 
279
Vgl. Osmonbekov/Johnston (2018, S. 786).
 
280
Vgl. u. a. Tosuntas (2020); Forsyth et al. (2002, S. 63); Mynatt/Sherman (1975).
 
281
Dieses Verhalten wird in der Psychologie auch als Social Loafing oder Ringelmann-Effekt bezeichnet (vgl. Ilgin 2013; Piezon/Ferree 2008; Latane et al. 1979; Ingham et al. 1974).
 
282
Vgl. Horwitz/Horwitz (2007, S. 990).
 
283
Vgl. Amason/Schweiger (1994).
 
284
Vgl. Jackson et al. (1995); Milliken/Martins (1996, S. 414 f.).
 
285
Vgl. Kenning (2010); Kolodinsky (1995, S. 49 f.); Ro (2015, S. 438 f.). Dies setzt jedoch voraus, dass der erwartete Nutzen der Beschwerde die Kosten nicht deutlich übersteigt. Übersteigt der Nutzen auch die zusätzlichen Kosten der Buying Center-Problematik, so ist dennoch die Beschwerdeäußerung die Folge.
 
286
Angesichts der vielfach in einer breiten Öffentlichkeit geführten Diskussion, u. a. über die Thematik der freien Meinungsäußerung oder der Diskriminierung von Minderheiten, hat sich im allgemeinen Sprachgebrauch der Begriff Cancel Culture etabliert (vgl. Tandoc et al. 2022, S. 2; Bouvier/Machin 2021; Bouvier 2020; Clark 2020, S. 88 f.). Hierbei erfolgt die Ausrichtung und Verwendung dieses Begriffs weitestgehend in politisch konnotierten Zusammenhängen (vgl. Fahey et al. 2023, S. 69 f.). Gleichwohl eine gewisse Nähe dieses Phänomens zu der in der vorliegenden Arbeit zugrunde gelegten wahrgenommenen gesellschaftlichen Kritikakzeptanz herrscht, wird mit Blick auf den Untersuchungsgegenstand des Noncomplainer-Verhaltens in betrieblichen Geschäftsbeziehungen – und nicht das Beschwerdeverhalten im politischen Umfeld – dieser Terminus als inadäquat beurteilt und daher vermieden.
 
287
Vgl. Tojib/Khajehzadeh (2014, S. 1538); Leary/Kowalski (1995, S. 95 ff.).
 
288
Vgl. Chen et al. (1996, S. 272).
 
289
Vgl. Wirtz/Chew (2002, S. 145); Sperduto et al. (1978).
 
290
Vgl. Mattila/Wirtz (2004, S. 152).
 
291
Vgl. Tojib/Khajehzadeh (2014, S. 1550 f.); Kowalski (1996, S. 186 f.). In der qualitativen Pilotstudie wurde dies konkret in Interview drei durch den Befragten geäußert: „Trotzdem kenne ich das auch selber, dass man oftmals in der Situation ist, dass man sich nicht beschweren möchte, weil Sachen wie soziale Erwünschtheit aufkommen können.“
 
292
Vgl. Huang et al. (2014, S. 181); Trafimow et al. (2010, S. 303 f.).
 
293
Vgl. Halstead/Dröge (1991).
 
294
Vgl. Wan (2011); Chan/Wan (2008, S. 85 f.); Lowe/Corkindale (1998, S. 860).
 
295
Vgl. Lee/Sparks (2007, S. 520 ff.); Ngai et al. (2007, S. 1387).
 
296
Vgl. FitzPatrick et al. (2012, S. 741).
 
297
Vgl. Chan/Wan (2008, S. 85 f.); Liu/McClure (2001, S. 63 f.); Hofstede (1980).
 
298
Vgl. Kowalewski (2019, S. 454); Wojciszke (2004, S. 56 f.).
 
299
Vgl. Kowalewski (2019, S. 454).
 
300
Vgl. Staehle et al. (2014); Tellefsen (2006); Venkatesh et al. (1995); Kohli (1989).
 
301
Vgl. Clarke (2019, S. 2); Klarmann/Feurer (2018, S. 26).
 
302
Vgl. Backhaus et al. (2018, S. 19).
 
303
Teilweise wird die SGA auch als Kausalanalyse bezeichnet. Dieser Begriff wird hier jedoch vermieden, da eine tatsächliche Kausalität innerhalb der Methodik nur bedingt belegt werden kann (vgl. Fassott 2006, S. 68).
 
304
Vgl. Backhaus et al. (2018, S. 560 ff.).
 
305
Vgl. Weiber/Mühlhaus (2014, S. 7 ff.).
 
306
Vgl. Backhaus et al. (2018, S. 560 ff.).
 
307
Vgl. Weiber/Mühlhaus (2014, S. 7).
 
308
Vgl. Weiber/Mühlhaus (2014, S. 45).
 
309
Vgl. Weiber/Mühlhaus (2014, S. 48 f.). An dieser Stelle ist anzumerken, dass diese Gleichungen ein Strukturgleichungsmodell in allgemeiner Form darstellen und sich nicht unmittelbar auf die Abbildung 4.8 beziehen. Zudem werden lediglich Gleichungen unter Berücksichtigung von reflektiven Messmodellen formuliert, da in der vorliegenden Arbeit keine formativen Messmodelle eingesetzt werden.
 
310
Vgl. Weiber/Mühlhaus (2014, S. 24).
 
311
Vgl. Hair et al. (2016, S. 4); Herrmann et al. (2006, S. 45).
 
312
Vgl. Hair et al. (2017, S. 163 ff.); Weiber/Mühlhaus (2014, S. 54).
 
313
Vgl. Hair et al. (2016, S. 15); Huber et al. (2007, S. 13).
 
314
Vgl. Weiber/Mühlhaus (2014, S. 25).
 
315
Vgl. Hair et al. (2016, S. 16 ff.); Herrmann et al. (2006, S. 44); Weiber/Mühlhaus (2014, S. 74).
 
316
Vgl. u. a. Hair et al. (2012, S. 415); Steenkamp/Baumgartner (2000).
 
317
An dieser Stelle werden jedoch nur Gütemaße zur Beurteilung des Gesamtmodells aufgeführt. Analog zum in Abschnitt 4.3.5.1 beschriebenen Vorgehen wird die Gütebeurteilung der einzelnen Teilmodelle anhand der dort beschriebenen Kriterien der Inhalts- und Konvergenzvalidität sowie Konstruktreliabilität auch im Rahmen der Strukturgleichungsmodellierung durchgeführt.
 
318
Vgl. Homburg/Giering (1996, S. 9 f.).
 
319
Vgl. Weiber/Mühlhaus (2014, S. 205); Kenny et al. (2015).
 
320
Vgl. Byrne (2001, S. 79 ff.); Arbuckle/Wothke (1999, S. 77).
 
321
Vgl. Kuß et al. (2018, S. 302).
 
322
Vgl. Homburg/Giering (1996, S. 13). Teilweise wird sogar ein Wert kleiner fünf als akzeptabel gesehen (vgl. Schumacker/Lomax 2004, S. 82).
 
323
Vgl. Reinecke (2003, S. 25 ff.).
 
324
Vgl. Bentler (1990, S. 238 ff.).
 
325
Vgl. Bentler (1990, S. 238 ff.).
 
326
Vgl. Berekhoven et al. (2009, S. 74). Eine monotone Itemcharakteristik bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit der Zustimmung zu einer Aussage mit zunehmender Ausprägung der Variable monoton steigt bzw. sinkt.
 
327
Vgl. Weiber/Mühlhaus (2014, S. 112).
 
328
Vgl. Weiber/Mühlhaus (2014, S. 113).
 
329
Dieser Aspekt war insb. mit Blick auf die simultane Erhebung der Daten für die quantitative Studie 2b und die daraus resultierende hohe Anzahl an Items von hoher Bedeutung.
 
330
Vgl. Brock et al. (2013, S. 320).
 
331
Das Item lautete konkret: „Wie groß ist die Anzahl an Mitarbeitern in Ihrem Unternehmen?“
 
332
Vgl. Wood (2005, S. 274).
 
333
Vgl. Homburg et al. (2010a, S. 210).
 
334
Vgl. Herbst/Austen (2011, S. 534).
 
335
Vgl. Blodgett (1994, S. 8).
 
336
Bspw. wurde das Produktgeschäft wie folgt beschrieben: „Standardisiert; Keine Abhängigkeiten durch notwendige Folgekäufe; Massenmarkt; Mehrfachfertigung (z. B. Schrauben)“. Analog gestaltete sich die Erläuterung der drei weiteren Geschäftstypen.
 
337
Zur Vermeidung von Wiederholungen und Redundanzen, die keinen inhaltlichen Mehrwert bieten, wird auf Argumentationen zur Begründung des Vorgehens in diesem Kapitel verzichtet, sofern dies bereits in der ersten quantitativen Studie vollzogen wurde – bspw. die Vorteilhaftigkeit der Verwendung eines standardisierten Fragebogens oder die Auswahl eines Marktforschungsinstituts zur Datenerhebung.
 
338
Die Filterfrage lautete: „Sind Sie regelmäßig an Beschaffungsentscheidungen und -prozessen in Ihrem Unternehmen beteiligt?“. Wurde diese Frage mit „nein“ beantwortet, so wurde der Fragebogen für diesen Teilnehmer unverzüglich beendet.
 
339
Die Kontrollfrage lautete: „Ich kann mir vorstellen, was unter einem Buying Center verstanden wird.“
 
340
Die Daten und damit die jeweiligen Variablen der quantitativen Studie 2b wurden ebenfalls im Rahmen dieses Fragebogens erhoben. Der entsprechende Abschnitt schloss sich an diesen Fragenblock an.
 
341
Das Sample setzte sich aus je fünf Teilnehmern aus einem Produktions- und einem Handelsunternehmen zusammen.
 
342
Vgl. hierzu die entsprechenden Ausführungen in der Herleitung der Hypothese H1 in Abschnitt 4.4.1.2.
 
343
Zum Vorgehen im Rahmen der Prüfung der genannten Kriterien siehe Abschnitt 4.3.4.1.
 
344
Die Abfrage von sozialer Erwünschtheit erfolgte mittels des Items: „Die meisten Leute beantworten Meinungsumfragen ehrlich.“
 
345
Vgl. Faul et al. (2009, S. 1149 f.). Hierbei muss jedoch angemerkt werden, dass die tatsächliche Stichprobengröße die berechnete bei Weitem übersteigt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass im Rahmen der gleichen Befragung die Daten für die quantitative Studie 2b mit einer hohen Anzahl weiterer Variablen erhoben wurden.
 
346
Vgl. Cohen (1988, S. 24 f.).
 
347
Bei diesem Verfahren werden die Schätzer so ausgewählt, dass die Plausibilität der realisierten Daten maximiert wird (vgl. Backhaus et al. 2015, S. 91; Weiber/Mühlhaus 2014, S. 189).
 
348
Vgl. Backhaus et al. (2015, S. 91).
 
349
Vgl. Backhaus et al. (2015, S. 112); Weiber/Mühlhaus (2014, S. 180).
 
350
Vgl. Disatnik/Sivan (2016).
 
351
Dieser beschreibt, wie stark die Schätzfehlervarianz eines Faktors erhöht wird (vgl. Weiber/Mühlhaus 2014, S. 364).
 
352
Vgl. Hair et al. (2014, S. 125).
 
353
Die Datenreihe „Keine Zustimmung“ umfasst die Antworten „Stimme überhaupt nicht zu“ (= 1), „Stimme nicht zu“ (= 2) und „Stimme eher nicht zu“ (= 3). „Neutral“ entspricht der Antwortkategorie „Weder noch“ (= 4). „Zustimmung“ umfasst die Antworten „Stimme eher zu“ (= 5), „Stimme zu“ (= 6) sowie „Stimme voll und ganz zu“ (= 7).
 
354
Zur Vermeidung von Redundanzen wird in den folgenden Ausführungen auf eine erneute Beschreibung der einzelnen Kriterien sowie Darstellung der jeweiligen kritischen Grenzwerte verzichtet. Stattdessen wird diesbezüglich auf die Erläuterungen in Abschnitt 4.3.5.1 verwiesen und sich auf die Präsentation und Interpretation der Ergebnisse beschränkt.
 
355
In Abschnitt 4.3.5.1 wurde ein Schwellenwert von 0,6 zugrunde gelegt. Einige Autoren wie u. a. Cleff (vgl. 2015, S. 220) oder Field (2013) beurteilen jedoch für Skalen mit drei oder weniger Items einen Wert von 0,5 als akzeptabel.
 
356
Vgl. Byrne (2001, S. 79 ff.); Arbuckle/Wothke (1999, S. 77).
 
357
Vgl. Homburg/Giering (1996, S. 13).
 
358
Vgl. Baron/Kenny (1986, S. 1174); Weiber/Mühlhaus (2014, S. 374).
 
359
Alternativ kann eine Moderationsanalyse mittels der Mehrgruppenkausalanalyse vollzogen werden. Diese empfiehlt sich jedoch vor allem für diskrete Moderatorvariablen (vgl. Weiber/Mühlhaus 2014, S. 374).
 
360
In der Literatur wird die Grenze, die zwecks der Artikulation einer Beschwerde überschritten werden muss, auch als Complaining Threshold bezeichnet (vgl. Kowalski 1996, S. 183 ff.; Kowalski/Erickson 1997; Kowalski 2002, S. 1025; Tronvoll 2012, S. 293). Damit wird vor dem Hintergrund der Noncomplaining-Formel derjenige Schwellenwert bezeichnet, an dem der erwartete Nutzen die Kosten der Beschwerde übersteigt.
 
361
So führt ein heterogenes Buying Center u. a. zu einem umfangreicheren Fachwissen und ermöglicht dadurch differenziertere Urteile im Rahmen von Beschaffungsentscheidungen (vgl. Homburg et al. 2010a, S. 204). Ein heterogenes Buying Center kann zudem bspw. in komplexen Situationen durch ein größeres Repertoire an Informationen vorteilhaft sein (vgl. Cabanelas et al. 2023, S. 71; Howard/Doyle 2006).
 
362
Derartige Effekte sind in der Marketingwissenschaft bspw. aus dem Bereich der Marktsegmentierung und der damit verbundenen Optimierung des Segmentierungsgrads bekannt (vgl. Ahlert/Kenning 2007, S. 48 f.).
 
363
Dies ist u. a. darauf zurückzuführen, dass mit einer steigenden Anzahl an Buying Center-Mitgliedern das Involvement und der wahrgenommene Einfluss des Einzelnen abnimmt (vgl. Cabanelas et al. 2023, S. 71).
 
364
Dies wird durch die Erkenntnisse der Literatur dahingehend gestützt, dass der relative Einfluss innerhalb des Buying Centers weitestgehend von der Machtposition und dem damit einhergehenden Involvement zusammenhängt (vgl. Pedeliento et al. 2019, S. 155 f.). Der Benutzer ist regelmäßig hierarchisch niedriger angesiedelt – bspw. ein Maschinenbediener oder Produktionshelfer (vgl. Ronchetto et al. 1989, S. 57 ff.).
 
365
Siehe hierzu insb. die Handlungsimplikationen in Abschnitt 5.​2.​1.
 
366
Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt 2.​3.
 
367
Vgl. hierzu Abschnitt 4.2.5.2.
 
368
Vgl. hierzu Abschnitt 4.2.5.2.
 
369
Vgl. Kowalski (1996, S. 190); Fincham (1992).
 
370
So kann bspw. eine leistungsbezogene negative Publicity die wahrgenommene Vertrauenswürdigkeit eines Anbieters nachhaltig beschädigen (vgl. Liu et al. 2018, S. 137).
 
371
Vgl. Kowalski (1996, S. 186).
 
372
Vgl. Alicke et al. (1992, S. 287). Dieses Phänomen wird in der Literatur u. a. als Reverse Halo Effect bezeichnet (vgl. Amabile 1983, S. 19).
 
373
Vgl. Tojib/Khajehzadeh (2014, S. 1552).
 
374
Denn Verhaltensweisen des Personals spielen im Rahmen der Beschwerdestimulierung eine tragende Rolle (vgl. Bove/Robertson 2005, S. 91 f.). Tiefergehende Handlungsimplikationen für die Praxis werden studienübergreifend in Abschnitt 5.​2 hergeleitet.
 
375
Ein belastbarer Rückschluss auf die deutsche Gesellschaft bedarf hier jedoch weiterer Untersuchungen, sodass von einer Verallgemeinerung einer geringen Kritikakzeptanz und einer Zurückhaltung kritischer Meinungen in der deutschen Gesellschaft Abstand genommen wird.
 
376
Diese Limitation wurde im Zuge der quantitativen Studie 2b in Abschnitt 4.5 adressiert, indem dort die Critical-Incident-Technique angewendet wurde.
 
377
Diesem Aspekt wird in der quantitativen Studie 2b Rechnung getragen.
 
378
Vgl. hierzu auch die in Abschnitt 1.​1 u. a. grafisch dargestellte Gefährdung der Erreichung psychografischer und ökonomischer Zielgrößen des Marketings durch die Noncomplainer-Herausforderung.
 
379
Vgl. Reichheld/Sasser (1990); Kenning (2002b, S. 85); Bruhn (2016, S. 4 f.). In diesem Zusammenhang wird als zentrale betriebswirtschaftliche Kennzahl dem sog. Customer Lifetime Value (CLV) eine fokale Bedeutung beigemessen (vgl. Bruhn 2016, S. 316 ff.). Dieser dient der Berechnung des Kundenwerts auf Basis von Ansätzen der dynamischen Investitionsrechnung, die u. a. auf das Kapitalwertverfahren zurückgehen (vgl. Stahl et al. 2006, S. 430). Dabei bindet der CLV die gesamte Dauer der Kundenbeziehung in den Beitrag des Kunden zur Erreichung psychografischer und ökonomischer Ziele des Unternehmens ein (vgl. Helm 2006, S. 108 f.). Auf die Bedeutung der Noncomplainer-Problematik für den CLV wird im Detail in den übergreifenden Handlungsimplikationen der vorliegenden Arbeit Bezug genommen (siehe Abschnitt 5.​2.​2).
 
380
Vgl. Reichheld et al. (2000); Reichheld/Teal (1996).
 
381
Vgl. Brock (2009, S. 175).
 
382
Vgl. u. a. Voorhees et al. (2006, S. 523); Blodgett/Anderson (2000, S. 329).
 
383
Voorhees et al. (2006, S. 524).
 
384
An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass ein Teil der hier erhobenen Daten bereits in Laschet et al. (2023) verwendet und entsprechend veröffentlicht wurde.
 
385
Vgl. Ivens/Leischnig (2015, S. 68).
 
386
Vgl. Agustin/Singh (2005, S. 97 ff.).
 
387
Vgl. Reichheld/Sasser (1990).
 
388
Im Folgenden werden lediglich die Grundzüge der vier Loyalitätsstufen erläutert. Für eine tiefergehende Betrachtung wird an dieser Stelle auf das Abschnitt 3.​3.​1.​2 verwiesen.
 
389
Vgl. Oliver (1996, S. 392); Oliver (1999, S. 36); Harris/Goode (2004, S. 154); Evanschitzky/Wunderlich (2006, S. 331 f.).
 
390
Vgl. Evanschitzky/Wunderlich (2006, S. 332); Vogel (2006, S. 38); Kalyanaram/Little (1994, S. 415); Sivakumar/Raj (1997, S. 79); Keaveney (1995, S. 71).
 
391
Vgl. Oliver (1999, S. 35 f.); Bitner (1990); Brock (2009, S. 12); Evanschitzky/Wunderlich (2006, S. 332).
 
392
Vgl. Oliver (1996, S. 393); Oliver (1999, S. 36).
 
393
Vgl. Oliver (1996, S. 394); Oliver (1999, S. 37); Brock (2009, S. 14).
 
394
Vgl. Brock et al. (2011, S. 63); Oliver (1996, S. 397); Oliver (1999, S. 36).
 
395
Vgl. Backhaus/Voeth (2014, S. 10).
 
396
Vgl. Hingley (2005).
 
397
Clark (2000, S. 299).
 
398
Vgl. Sanderson (2004, S. 392).
 
399
Vgl. Hansen et al. (1997a); Trawick/Swan (1981, S. 27 f.).
 
400
Vgl. Hansen (1997, S. 139).
 
401
Vgl. Trawick/Swan (1981, S. 28); Min/Kim (2019, S. 65); Popelnukha et al. (2021, S. 109 f.).
 
402
Vgl. u. a. Interview 2: „Aber das bedarf schon immer einer sachbezogenen Abwägung. Auch den Risiken muss man sich bewusst sein. Ich sag mal so, es gibt Geschäftsbeziehungen, da weiß man genau, dass man von dem Dienstleister oder dem Produkt abhängig ist und dass eventuell eine Beschwerde dazu führen kann, dass auch die Gegenseite sagen kann, mit dir möchte ich nicht mehr zusammenarbeiten.“
 
403
Vgl. Agnihotri et al. (2022, S. 417); Morgeson et al. (2020, S. 84); Homburg/Fürst (2007, S. 532); Smith et al. (1999, S. 369); Fornell (1981, S. 210).
 
404
Vgl. Fornell/Wernerfeldt (1987, S. 344 f.); TARP (1986); Rust et al. (1992).
 
405
Vgl. Homburg/Fürst (2007, S. 532).
 
406
Vgl. Estelami (2000, S. 296); Grainer (2003).
 
407
Vgl. u. a. Laughlin (1970). So wird in der Regel zwischen der Isolation, Verweigerung, Projektion, Rationalisierung und der Repression unterschieden.
 
408
Die Autoren nehmen insgesamt eine phasenbezogene Differenzierung des anbieterseitigen Abwehrverhaltens vor. Damit unterscheiden sie zwischen der Beschwerdeakquisition, der -verarbeitung und der -auswertung (vgl. Homburg/Fürst 2007, S. 525). Mit Blick auf den Kontext des Noncomplainings bietet es sich an, lediglich die Akquisitionsphase zu betrachten, da die nachfolgenden Phasen eine Beschwerdeartikulation voraussetzen, die wiederum bei Noncomplainern definitionsgemäß ausgeschlossen ist.
 
409
Vgl. Estelami (1999, S. 166).
 
410
Vgl. Plymire (1990, S. 51); Berry (1995, S. 99); Homburg/Fürst (2007, S. 526).
 
411
Vgl. Homburg/Fürst (2007, S. 526).
 
412
Vgl. Rust et al. (1996); Tax/Brown (1998); Best (1981); Menon/Dubé (2000, S. 296).
 
413
Homburg/Fürst bezeichnen das Konstrukt als Hostile Behavior towards Complainants (vgl. Homburg/Fürst 2007, S. 526).
 
414
Frasquet et al. (2021, S. 1641); Bitner et al. (1990, S. 80).
 
415
Vgl. Backhaus/Voeth (2015, S. 23).
 
416
Vgl. u. a. Bornemann et al. (2020, S. 449); Kemp et al. (2018, S. 19); Singh/Venugopal (2015); Bagozzi (2006).
 
417
In der Literatur sind eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen der Beziehungsqualität zu finden (vgl. Jiang et al. 2016, S. 300 ff.). Für die vorliegende Arbeit wird diejenige von Hennig-Thurau (2000) herangezogen. Sein Verständnis orientiert sich an den Grundüberlegungen der Commitment-Trust-Theorie von Morgan/Hunt (1994), sodass Vertrauen und Commitment die Rolle der Schlüsselvariablen der Beziehungsqualität einnehmen. Demnach handelt es sich bei der Beziehungsqualität um ein dreidimensionales Konstrukt – bestehend aus der leistungsorientierten Qualitätswahrnehmung, dem Vertrauen und dem Commitment (vgl. Hennig-Thurau 2000, S. 62).
 
418
Vgl. Casidy/Nyadzayo (2019, S. 37 f.); Zhang et al. (2016); Palmatier (2008); Hewett et al. (2002).
 
419
Vgl. Cater/Cater (2010, S. 1330); Rauyruen/Miller (2007, S. 27 f.).
 
420
Diese Theorie ordnet grundsätzlich Vertrauen und Commitment als zentrale Erfolgsfaktoren des Relationship Marketings ein. Demnach folgt das Commitment auf das Vertrauen und beeinflusst kooperatives Verhalten sowie den Verbleib bzw. die Abwanderung (vgl. Morgan/Hunt 1994, S. 31).
 
421
Vgl. u. a. Hennig-Thurau et al. (2002, S. 242 f.); Ganesan (1994); Anderson/Weitz (1992).
 
422
Vgl. Ro (2014, S. 210).
 
423
Vgl. Dewitt/Brady (2003, S. 202).
 
424
Vgl. Ferguson/Johnston (2011, S. 118); Money et al. (1998).
 
425
Ferguson/Johnston (2011, S. 122).
 
426
Vgl. Blodgett/Anderson (2000, S. 329); Voorhees et al. (2006, S. 523); Huang (2010, S. 205).
 
427
Vgl. u. a. Halstead (2002, S. 7); Voorhees et al. (2006, S. 523); Bolfing (1989, S. 8).
 
428
Vgl. Sperduto et al. (1978).
 
429
Vgl. Tojib/Khajehzadeh (2014, S. 1550 f.); Kowalski (1996, S. 186 f.).
 
430
Diese Kontrollvariable geht in erster Linie auf die in Abschnitt 3.​3.​2.​2 vorgestellte Attributionstheorie zurück.
 
431
An dieser Stelle sei erneut auf die simultane Erhebung der Daten für die quantitativen Studien 2a und 2b mittels eines gemeinsamen Fragebogens hingewiesen.
 
432
Vgl. Brock et al. (2011, S. 67).
 
433
Vgl. Brock et al. (2011, S. 67).
 
434
Vgl. Brock et al. (2011, S. 67).
 
435
An dieser Stelle ist anzumerken, dass Homburg/Fürst (2005) sowohl die Verhaltensabsicht als auch das tatsächliche Verhalten (aktionale Loyalität) in ihrer Skala simultan abgefragt haben. Analog zu Brock et al. (2011) wird jedoch angesichts der CMB-Problematik und des Mangels an umsatzbasierten Verhaltensdaten eine getrennte Befragung der Konstrukte vorgenommen.
 
436
Vgl. Trawick/Swan (1981, S. 25).
 
437
Im Rahmen der Skalenentwicklung wurde sich u. a. an den Aussagen der Teilnehmer aus der Pilotstudie orientiert.
 
438
Vgl. Homburg/Fürst (2007, Anhang).
 
439
Vgl. Doney/Cannon (1997, S. 48).
 
440
Vgl. Adjei et al. (2010, S. 642).
 
441
Vgl. Brüggen et al. (2011, S. 85).
 
442
Hier wurde auf das folgende Item von Brock et al. (2013, S. 320) zurückgegriffen: „In welcher Häufigkeit wird diese Leistung bestellt?“ (1 = „Täglich“ bis 7 = „Einmalige Beschaffung“).
 
443
Die Abfrage erfolgte über ein Item von Brock et al. (2011, S. 73): „Seit wann dauert die Geschäftsbeziehung an?“ (1 = „Seit einem halben Jahr“ bis 6 = „Länger als 20 Jahre“).
 
444
Hier wurde ein Item von Chebat et al. (2005, S. 341) übernommen: „Wie häufig sind Beschwerdefälle oder Situationen, in denen Sie mit dem Lieferanten unzufrieden waren, aufgetreten?“ (1 = „Sehr selten“ bis 7 = „Sehr häufig“).
 
445
Hierbei wurden das Monopol, Oligopol und die vollständige Konkurrenz in einem kurzen Satz beschrieben. Der Befragte konnte dann eine Antwort auswählen.
 
446
Vgl. hierzu Abschnitt 4.4.3.
 
447
Vgl. Chebat et al. (2005, S. 340).
 
448
Vgl. Suri/Monroe (2003, S. 93 f.).
 
449
Vgl. Paulssen/Sommerfeld (2015, S. 292); van Doorn/Verhoef (2008); Roos (2002).
 
450
Vgl. Gremler (2004, S. 66 f.); Roos (2002, S. 194). Diese Methodik wurde bereits von Flanagan (1954) eingeführt und wurde seitdem in einer Reihe von Studien im vorliegenden Kontext eingesetzt (vgl. u. a. Bitner et al. 1994; Reynolds/Harris 2005; Ro/Wong 2012; Zhang/Wang 2018).
 
451
Vgl. Gremler (2004, S. 66).
 
452
Vgl. Stauss (1993).
 
453
Analog zum Vorgehen in den vorherigen Studien wurde eine Effektstärke von d = 0,2, eine Irrtumswahrscheinlichkeit von α = 0,05 und eine Power von 1−β = 0,95 zur Berechnung angesetzt.
 
454
Der finanzielle Wert wurde hierbei nicht über objektive Zahlen gemessen, da für die Entscheidung sich zu beschweren vermutlich der subjektive finanzielle Wert der Leistung für das Individuum bzw. für die Gruppe im Vordergrund steht.
 
455
Vgl. u. a. Kolodinsky (1993, S. 208); Bolfing (1989, S. 7).
 
456
Vgl. Abschnitt 4.3.5.1 und 4.4.5.1.
 
457
Vgl. Fußnote 355 in Abschnitt 4.4.5.1.
 
458
Vgl. Homburg/Giering (1996, S. 13).
 
459
Vgl. Hansen (1997, S. 139).
 
460
Diesen Hinweis liefert die Auswertung der Wirkung der Kontrollvariable vertikale Distanz zur Fehlerquelle – und damit dem erkennbaren BtB-Charakteristikum der Mehrstufigkeit.
 
461
Vgl. Wu (2011, S. 317).
 
462
Vgl. u. a. Homburg/Fürst (2003, S. 14 ff.); Stauss/Seidel (2019, S. 88 ff.). Auf die Beschwerdestimulierung wird im Detail in den studienübergreifenden Handlungsimplikationen dieser Arbeit eingegangen (siehe Abschnitt 5.​2.​1).
 
463
Vgl. hinsichtlich der Gefahr von „Double-Deviation“-Effekten u. a. Basso/Pizzutti (2016); Tax et al. (1998).
 
464
Aus der bisherigen Literatur geht hervor, dass das Personal einen großen Einfluss auf eine erfolgreiche Service Recovery ausüben kann (vgl. u. a. Luu 2020; Fernandes et al. 2018; van Vaerenbergh/Orsingher 2016).
 
465
Siehe hierzu auch die grafische Darstellung in Anhang 1 im elektronischen Zusatzmaterial.
 
466
Vgl. Hübner et al. (2018, S. 299); Magnini et al. (2007, S. 220 f.); Michel (2001, S. 30 f.).
 
467
Vgl. Ro/Mattila (2015, S. 106).
 
468
Vgl. van Noort/Willemsen (2012, S. 137). Die Autoren zeigten in ihrer Studie, dass ein proaktives Verhalten im Umgang mit Online-Beschwerden eine deutlich positivere Wirkung auf die Anbieterbewertung ausübt als reaktive Maßnahmen.
 
469
Vgl. Doney et al. (2007, S. 1108 f.).
 
470
Diese Effekte werden u. a. als „psychological inertia“ bezeichnet (Brown 1995, S. 173).
 
471
Vgl. Backhaus/Voeth (2015, S. 22).
 
472
Vgl. Bornemann et al. (2020, S. 464); Hada et al. (2014); Heide/Weiss (1995).
 
473
Vgl. Tojib/Khajehzadeh (2014, S. 1551).
 
474
Vgl. Brock et al. (2011, S. 69 f.).
 
Metadaten
Titel
Empirische Studien zu Noncomplainern im BtB-Kontext
verfasst von
Fabio-Yannick Laschet
Copyright-Jahr
2024
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-44272-9_4

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