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Open Access 2024 | OriginalPaper | Buchkapitel

12. Potenzialanalyse industrieller Datenanalysen in der Produktion am Beispiel des Kunststoffschweißens

Umsetzungsszenario für Neuanlagen oder im Retrofit bei der automatisierten, industriellen Fertigung

verfasst von : Tobias Beiß, Edin Klapic, Tina Hardt, Jörn Schwenken, Jochen Deuse

Erschienen in: Industrielle Datenanalyse

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Das Kapitel beschreibt die Umsetzung der Datenakquise am Beispiel des Heizelementschweißens von Kunststoffen an einer Laborschweißanlage sowie an einer industriellen Produktionsanlage. Die Identifizierung der relevanten Datenquellen und die Verknüpfung des Expertenwissens über den Prozess sind Kernbestandteile der Realisierung. Dazu wurde zunächst er Schweißprozess in die relevanten Prozessphasen eingeteilt. Innerhalb der Phasen wurden wichtige und an der Maschine verfügbare Prozessgrößen identifiziert und mithilfe eines Datensammlers (ARENDAR) über die gesamte Prozesszeit aufgezeichnet. Im Anschluss wurden die Daten mittels KI-Methoden analysiert. Es zeigte sich u. a., dass der Prozessablauf in der Maschine Fehler enthielt. Auch der Prozessablauf war in den ersten Messungen mit falschen Parametern eingestellt, die über die Auswertungen identifiziert und korrigiert werden konnten. In weiteren Versuchsreihen wurden gezielt mit Fehlern präparierte Probekörper geschweißt und die Auswirkungen auf die erfassten Daten untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass der Prozess sehr robust ist und die automatisierte Erkennung von Fehlern im Prozess im Labormaßstab nicht eindeutig möglich war. Weitere Messungen werden in einem industriellen Szenario durchgeführt, bei dem eine größere Anzahl an Bauteilen als im Labor geschweißt werden kann. Zusammenfassend zeigte sich, dass nur im Zusammenspiel von Datenquellen, Expertenwissen und einer geeigneten Interpretation mittels Data Science Methoden eine erfolgreiche KI-gestützte Inline-Prozessanalyse möglich ist.

12.1 Motivation

Beim Schweißen von Kunststoffen wird der Kunststoff im Schweißbereich der Bauteilhälften in einen schmelzförmigen Zustand gebracht, der dann durch Druck zusammengepresst und abgekühlt wird, um eine Schweißnaht zwischen den Bauteilhälften zu erzeugen. Die Anforderungen an Schweißverbindungen sind vielfältig und umfassen u. a. hohe Festigkeit sowie Dichtheit gegen Gase und Flüssigkeiten. In der Serienfertigung werden Kunststoffbauteile häufig nach dem Urformen im Spritzgießprozess durch Schweißen finalisiert. Dabei muss der Schweißprozess alle Toleranzen und Fehler bewältigen, die aus dem Material, der Lagerung und den Vorverarbeitungsschritten resultieren, um ein spezifikationsgemäßes Bauteil zu erzeugen. Dafür steht ein gewisses Prozessfenster zur Verfügung, das während des Ablaufs eingehalten werden muss.
Der Erfolg des Schweißprozesses bzw. die Qualität der Schweißverbindung wird derzeit fast ausschließlich durch das Abfragen statischer Werte bestimmt. Dabei werden beispielsweise das Erreichen einer bestimmten Achsposition (Fügeposition) oder bestimmter Prozesskräfte abgefragt und in ein Toleranzfenster eingegeben. In Fällen komplexer Schweißvorgänge, z. B. mit vielen einzelnen Heizzonen bei großen Bauteilen, gehen jedoch viele Informationen aus dem Prozess verloren, und die erreichten Endwerte sind nur repräsentativ für das gesamte Bauteil. Es kann lokal zur Entstehung von Fehlern kommen, die anhand der detektierten Prozess-Endwerte nicht erkannt werden können. Die Idee des vorliegenden Anwendungsbeispiels besteht darin, mittels vollständiger Datenaufzeichnung und Inline-Auswertungen Anomalien zu erkennen, die durch die Kontrolle fixer Endkennwerte nicht erkannt werden können. Die Erkennung von Anomalien mittels Datenanalysen gilt insbesondere im Qualitätsmanagement als ein relevanter Anwendungsfall industrieller Datenanalysen (Schlegl et al., 2022, S. 1 ff.; West et al., 2021a, b, S. 762). Im Sinne der Prozesskette der industriellen Datenanalyse wird in diesem Kapitel also ein vollständiger Durchlauf der Schritte Datenzugriff, -analyse und -nutzung angestrebt (siehe Kap. 4).

12.2 Ablauf des Kunststoffschweißens

Das Schweißen von Kunststoffen erfolgt auf unterschiedliche Weise, abhängig von der Wärmeeinbringung. Beispielsweise kann der Kunststoff mittels direkten Kontaktes mit einem heißen Werkzeug, einer Konvektionsströmung, Infrarotstrahlung oder durch Reibung aufgeschmolzen werden (Baur et al., 2022, S. 369; DIN 1910 Teil 3). Der Anwendungsfall entstammt dem Forschungsprojekt AKKORD und behandelt ein Beispiel industrieller Datenanalysen das sich mit dem Heizelementschweißen (HE) beschäftigt (siehe Kap. 1). Der in diesem Kapitel behandelte Anwendungsfall wurde bereits kurz in Kap. 2 eingeführt. Dabei wird der Schweißsteg des Kunststoffbauteils mit einem heißen, metallischen Heizelement in direkten Kontakt gebracht.
Der Schweißzyklus umfasst eine Angleichphase, eine Anwärmphase, eine Umstellphase, eine Fügephase und eine Abkühlphase (Ehrenstein, 2004, S. 179 ff.). Da Kunststoffbauteile meist uneben oder verzogen sind, wird zu Beginn des Schmelzvorgangs durch die bewegliche Achse der Bauteile ein kleiner Teil des Schweißsteges abgeschmolzen und verdrängt, sodass es zu einem vollflächigen Kontakt des Schweißsteges mit dem Heizelement kommt (Angleichphase). Anschließend verweilen die Bauteilhälften auf dem Heizelement, bis ein definiertes Schmelzepolster erreicht ist (Anwärmphase). Nachdem das Heizelement entfernt ist (Umstellphase), werden die Bauteilhälften zusammengepresst, wobei ein Teil der Schmelze in einen Schweißwulst verdrängt wird und die Bauteilhälften miteinander den Stoffschluss durch Abkühlen ausbilden (Fügephase und Abkühlphase).

12.2.1 Prozessparameter und Datenquellen beim Schweißen

Um den Schweißprozess reibungsfrei durchzuführen, müssen verschiedene Randbedingungen und Parameter innerhalb eines für das Material und die Aufgabe geeigneten Prozessfensters liegen. Bei der PolyMerge GmbH wird Expertenwissen über den Prozess genutzt, um Erkenntnisse aus der Datensammlung für das Kunststoffschweißen zu gewinnen.
Für eine erfolgreiche Schweißung muss das Heizelement eine bestimmte, materialabhängige Temperatur aufweisen. Das Temperaturfenster variiert je nach dem zu verarbeitenden Kunststoff zwischen 120 und 480 °C. Im Rahmen des Anwendungsfalles werden die Temperaturen kontinuierlich aufgezeichnet, um sie für die Analyse zu nutzen.
Die Achsen der Maschine, die das Heizelement und die Bauteilhälften der Schweißteile in die jeweiligen Positionen bewegen und gegebenenfalls Druck ausüben können, werden durch mehrere Parameter überwacht. Die Zeit, die benötigt wird, um eine bestimmte Position zu erreichen, sowie das Auslesen des elektrischen Stroms (Servo-Antrieb), der für die Bewegung erforderlich ist, enthalten zusätzliche Informationen über die Reibungskräfte von Führungen und Antrieben. Für elektrische Antriebe ist es darüber hinaus möglich, Beschleunigungs- und Verzögerungswerte auszuwerten. Bei pneumatischen Antrieben könnten die Zeit für die Bewegung, der Druck und der Luftverbrauch gemessen werden. In aktuellen Maschinen wird dies oft nicht detailliert überwacht, was das Anwendungsbeispiel potenziell neue Erkenntnisse liefern lässt. Die Daten können für die einzelnen Prozessphasen folgende Aussagen liefern und auf Probleme im Prozess hinweisen
  • Angleichphase: Eine kombinierte Weg-Zeit-Messung überwacht, ob das Erreichen der Angleichposition immer gleich lang dauert. Eine Verzögerung könnte auf Probleme beim Antrieb (schwergängig), beim Material (falscher Kunststoff) oder bei der Heizelementtemperatur (zu niedrig) hinweisen. Ein zu schnelles Erreichen der Position deutet auf eine eventuelle Materialverwechslung oder eine zu hohe Heizelementtemperatur hin. Die Überwachung der Kraft oder der benötigten Antriebsenergie (Strom oder Luftdruck) ermöglicht eine weitere Einschränkung potenzieller Probleme. Wenn die benötigte Kraft bei einer verkürzten Angleichzeit geringer ist als bei den Vergleichsdaten, könnte die Viskosität des Kunststoffs niedriger sein (falsches Material oder zu hohe Temperatur).
  • Anwärmphase: Direkt im Anschluss an die Angleichphase wird die Kraft an den Antrieben reduziert, damit die Wärme den Kunststoff in der Tiefe aufschmelzen kann, ohne die Schmelze weiter zu verdrängen. Der Verlauf der Anpresskraft in dieser Phase kann Aussagen über das Relaxationsverhalten des Kunststoffes, während das Material erweicht wird und schmilzt, liefern. Es ist jedoch aus dem bisherigen Erfahrungsschatz über das Kunststoffschweißen nicht gesichert, ob sich in dieser Phase Auffälligkeiten erkennen lassen, die eine Aussage über die Qualität der Schweißnaht erlauben.
  • Umstellphase: Beim Umstellen werden die geschmolzenen Schweißstege der Bauteilhälften vom Heizelement abgelöst. Eine Kraftmessung ermöglicht die Messung und Überwachung der Ablösekraft. Durch eine Kombination mit der Wegmessung kann ein Kraft-Weg-Verlauf aufgezeichnet und analysiert werden. Es gibt jedoch keine Gewissheit darüber, ob diese Daten Aussagen über die Eigenschaften des Prozesses enthalten. Daher ist es im Rahmen des Projekts interessant, weitere spezifische Daten zu erfassen und mithilfe des vorhandenen Expertenwissens zu analysieren.
  • Fügephase: In dieser Phase werden die geschmolzenen Schweißstege unter Druck zusammengepresst, um den Stoffschluss in der Schweißverbindung zu erzeugen. In dieser Phase werden ebenfalls Kraft-Weg- und Kraft-Zeit-Verläufe aufgezeichnet und analysiert. Hier können Einflüsse von Antrieben, Führungen, Temperatur der Schmelze und Werkstoffcharakteristika erkannt und charakterisiert werden.

12.3 Nachrüstung zur Datenerfassung mittels ARENDAR

Zur Erfassung der Daten aus dem Prozess wurde das IoT-Edge-Gateway ARENDAR eingesetzt. Dieses erfasst Werte aus dem Prozess und übergibt sie an Datenbanken. Zudem kann über eine Webapplikation die Datenaufzeichnung gestartet und aktuelle Werte überwacht werden (siehe Kap. 14). Diese Nachrüstung bestehender Anlagen wird auch als Retrofitting bezeichnet (Wöstmann et al., 2019, S. 94 f.) und weiterführend beschrieben. Die weiteren Schritte in dieser Arbeit sind an die Prozesskette der Industriellen Datenanalyse angelehnt (siehe Kap. 4) und betrachten im Folgenden die Erfassung, Analyse und Darstellung von Daten aus einem Anwendungsfall des Kunststoffschweißens.

12.3.1 Datenakquisition

Der ARENDAR ist in einer Testanlage von PolyMerge mit einer Kraftmesszelle (analog) und mit der Speicherprogrammierbaren Steuerung, kurz SPS, (digital, LAN) verbunden. Über das Protokoll S7 werden 15 Werte ausgelesen. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Boole’sche Werte, die bestimmte Prozessphasen der Schrittkette anzeigen. Zu Beginn wurden deutlich mehr Datenpunkte als nötig adressiert, um festzustellen, welche für die Triggerung der Aufzeichnung geeignet sind. Nach einigen Versuchen wurden folgende Datenpunkte als relevant für die automatisierte Prozessdatenaufzeichnung identifiziert:
  • Startsignal zur Triggerung der Aufzeichnung über den Startknopf der Maschine (Bool)
  • Wegsignal des Servoencoders am Achsantrieb des Oberwerkzeugs (Digital, Integer)
  • Stromaufnahme des Servoantriebes in der SPS intern umgerechnet in einen Kraftwert (Digital, Integer)
  • Kraftsignal einer in das Oberwerkzeug eingebauten Kraftmesszelle (Analog, Integer)
  • Zwei Temperatursignale aus den Heizelementen für die obere und die untere Bauteilhälfte (Digital, Integer)
  • Signal für Prozessende „EndeFügen“ aus der SPS-Schrittkette (Bool)
Die Daten werden mit einer Abtastrate von 100 Millisekunden erfasst. Ein limitierender Faktor für eine schnellere Erfassung ist dabei hauptsächlich die CPU der SPS beziehungsweise die Anzahl der erfassten Werte. Der ARENDAR führt alle erfassten Werte in einem JSON-Objekt zusammen und gibt die Daten an eine Influx-Datenbank zur permanenten Speicherung weiter. Es stehen zwei Datenbanken zur Auswahl: Eine für Bauteile, die ohne erzeugte Bauteilfehler in den Prozess gegeben wurden und eine für Teile, welche mit Fehlern präpariert wurden. Durch die Triggerung wird die Aufzeichnung zwischen den Schweißungen pausiert, um die Datenmenge zu reduzieren.

12.3.2 Webapplikation

Zur nutzerfreundlichen Bedienung der Datenaufzeichnung, zur Überwachung aktueller Werte und zur Darstellung erfasster Werte in Line-Charts wurde eine Webapplikation erstellt. Diese besteht aus derzeit zwei Seiten: Eine für die Steuerung der Messung und die Echtzeitdarstellung der Werte und eine zur Darstellung einzelner Messungen in Form von Line-Charts, auf der gezielt Messungen anhand des Namens ausgewählt und dargestellt werden können.
Abb. 12.1 zeigt exemplarisch die erste Seite mit der Darstellung aktueller Werte (grau hinterlegter Bereich) samt der Benutzeroberfläche (weiß hinterlegter Bereich) mit der Möglichkeit dem Test einen Namen zu geben, eine Datenbank für die Testergebnisse auszuwählen sowie einen Namen und einen Kommentar zum Test in der Datenbank zu hinterlegen. Die Aufzeichnung der Daten wird über die Schaltfläche „Aufzeichnung starten“ initiiert. Dadurch wird gleichzeitig ein Zeitstempel für die Aufzeichnung in der Datenbank hinterlegt.

12.4 Datenauswertung

Die Datenauswertung eines typischen Prozessablaufs, wie in Abschn. 12.2.1 beschrieben, ist in Abb. 12.2 dargestellt. Die einzelnen Prozessphasen sind gut voneinander abzugrenzen. Zum Prozessstart bekommt der Servoantrieb (grün) einen starken Impuls, um in die Angleich- und Anwärmposition am Heizelement zu fahren. Die Position der Schweißteile (schwarz) am Heizelement bei ca. 118 mm zeigt sich in einem Peak der Kraft in der Messzelle (hellblau). Die Oberfläche des Kunststoffteils wird zunächst mit erhöhter Kraft auf das Heizelement gedrückt, um Oberflächenunebenheiten abzuschmelzen und einen vollflächigen Kontakt herzustellen. Im Anschluss wird die Kraft reduziert und der Kunststoff mittels Wärmeleitung weiter aufgeschmolzen. Anschließend wird das Heizelement entfernt und die geschmolzenen Bauteiloberflächen werden unter Druck gefügt und abgekühlt. Der Regler des Servoantriebes wird dabei permanent angesteuert, um eine voreingestellte Fügeposition zu erreichen und die gewählte Fügekraft dort zu halten.

12.5 Diskussion und Interpretation der Ergebnisse

Nach der Datenauswertung der Versuche konnte ein Programmierfehler in der Maschine identifiziert werden. Normalerweise läuft der Prozess automatisch ab, einschließlich des automatischen Entspannens des geschweißten Bauteils am Ende des Prozesses und dem Zurückkehren der Maschine in die Ausgangsposition. Allerdings erfordert das verwendete Werkzeug einen manuellen Schritt zum Lösen der Spannkraft. Die Maschine muss in der Fügeposition verbleiben, bis der Startknopf betätigt wird, bevor sie in die Ausgangsposition zurückkehrt. Durch die Messungen wurde festgestellt, dass der Antrieb nach Ablauf der Abkühlzeit nicht in der Lageregelung verbleibt, sondern die Kraft stark erhöht wird (siehe Abb. 12.3). Als Reaktion darauf wurde die Schrittkette angepasst und der Fehler behoben.
Durch die Analyse der aufgezeichneten Daten konnte festgestellt werden, dass die Einstellung der Fügeposition zu Beginn nicht korrekt war. Nach Abschluss des Prozesses erreicht die Achse des Oberwerkzeugs eine vorgegebene Position, woraufhin sich der Antrieb ausschaltet und die Kraft am Servoantrieb sofort reduziert wird. Aufgrund der Schwindung, die durch das Abkühlen und Erstarren des Kunststoffs entsteht, nimmt auch die Kraft in der Kraftmesszelle am Oberwerkzeug schnell ab (siehe Abb. 12.4). Dadurch erstarrt der Kunststoff ohne Rest-Fügedruck, was oft zu einer schlechten Schweißnahtqualität führt, da sich Fehlstellen in der Schweißnaht bilden können.
Trotz korrigierter und bereinigter Daten konnten in der automatisierten Datenanalyse nur geringfügige Unterschiede zwischen den untersuchten Proben festgestellt werden. Tendenzielle Abweichungen in der Angleich- und Anwärmphase sowie in der Fügephase sind erkennbar. Diese sind jedoch nicht signifikant genug, damit sie automatisch von KI-Technologie erkannt werden. Eine Ausnahme stellen hier die Proben aus einem anderen Kunststoff-Material dar. Sie zeigen erkennbare Unterschiede bei der Schmelzebildung und dem Fügeweg. Daher ist eine tiefere Analyse der Prozessdaten mit hoher Aufzeichnungsfrequenz weiterhin lohnend. Ein Hinweis auf weitere Effekte ist bereits in der Analyse der Servo-Kraft entlang der Zeitachse zu erkennen (siehe Abb. 12.5). Vor allem in der Fügephase zeigt die Servo-Kraft unterschiedliche Verläufe abhängig von der Fehlerart. So zeigt sich deutlich in Grau, dass das Material 2 mit einem höheren Kraftbedarf gefügt werden muss als das erste Material. Während der Fügephase ist der Servo-Kraft-Verlauf von Gutteilen (blaue Kurve) insgesamt niedriger als bei Fehlteilen. Auch zwischen den Fehlerarten sind Unterschiede im Verlauf zu erkennen.
Zur Darstellung der Messungen wurde auf der AI-Toolbox ein Analysemodul hochgeladen (siehe Abb. 12.6). Dieses visualisiert den Kraft-Weg-Druck-Verlauf der einzelnen Messungen. Anwender:innen können sich über die Messungsnummer die zu analysierende Messung ausgeben. Das Modul soll dabei helfen, dass sich Anwender:innen einen schnellen Überblick über die Messung verschaffen können, damit sie ggf. erste Auffälligkeiten entdecken können.
Bei der beispielhaften Messung handelt es sich um eine fehlerhafte Schweißung. Die Messung zeigt nur im hinteren Verlauf Auffälligkeiten. Es ist zu sehen, dass die Servokraft (grün) und die Druckmessdose (blau) nach oben ausschlagen. Dies ist zurückzuführen darauf, dass der Weg des Schlittens scheinbar minimal zugenommen hat (orange). Diese geringen Abweichungen in der Steuerung können zu einem fehlerhaften Teil führen.

12.6 Fazit

Die automatisierte Sammlung von Daten einer industriellen Produktionsmaschine hat schon bei der manuellen Auswertung zahlreiche Schwächen im Prozess aufgezeigt, die dadurch behoben werden konnten. Die automatisierte Erkennung von Anomalien oder Fehlern im Prozess funktionierte aufgrund des möglichen Versuchsumfangs und der Parametervariation im Labormaßstab nicht zuverlässig. Doch auch hierbei konnten bei entsprechender Darstellung und kombiniert mit Expertenwissen Unterschiede in den Prozessabläufen erkennbar gemacht werden. Es wird erwartet, dass insbesondere bei den Daten aus industrieller Serienproduktion durch die entsprechende Stückzahl deutlich mehr Effekte erkennbar sind. Eine weitere Möglichkeit stellt die erweiterte Betrachtung einer durchgängigen Datenanalysequalität im Prozess dar (West et al., 2021a, b, S. 131 ff.). Es ist geplant, mit dem Referenzkunden aus dem Projekt weiterhin Daten der Anlage zu erfassen und zu analysieren. Abschließend sei für eine ausführlichere Betrachtung der Weiterentwicklung industrieller Datenanalysen im Einklang mit Mensch, Technik und Organisation auf die zusammenfassenden Arbeiten in Kap. 20 hingewiesen.
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Literatur
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Metadaten
Titel
Potenzialanalyse industrieller Datenanalysen in der Produktion am Beispiel des Kunststoffschweißens
verfasst von
Tobias Beiß
Edin Klapic
Tina Hardt
Jörn Schwenken
Jochen Deuse
Copyright-Jahr
2024
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-42779-5_12

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