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Open Access 2024 | OriginalPaper | Buchkapitel

9. Datengetriebene Arbeitsplangestaltung in der Automobilfertigung

Entwicklung eines mehrstufigen Vorgehensmodells zur datenbasierten Optimierung und Gestaltung von Montagelinien

verfasst von : Christine Rese, Sven Krzoska, Edin Klapic, Nikolai West, Philipp Schlunder, Ralf Klinkenberg, Mathias Gebler, Jochen Deuse

Erschienen in: Industrielle Datenanalyse

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Methoden und Werkzeuge der industriellen Datenanalyse erweitern das bisherige Methoden- und Kompetenzportfolio des Industrial Engineerings. Der Einsatz von datengetriebenen Entscheidungsunterstützungen in einem Produktionsnetzwerk leistet einen vielversprechenden Beitrag für ein ganzheitliches Produktivitätsmanagement durch das Industrial Engineering. Innovative Assistenzfunktionen zur Gestaltung und Optimierung von Arbeitssystemen steigern die Produktivität in Unternehmensumfeldern mit hoher Produkt- und Prozessvariabilität und schaffen somit einen Mehrwert. Durch die Implementierung entlang des Produktentstehungsprozesses und in der Serienphase wird der Fokus stärker auf Gestaltungsaufgaben und Wissenstransfer gelegt. Die Realisierung der datenbasierten Assistenzfunktionen für das Industrial Engineering erfolgte in verschiedenen Analyseschritten. Diese wurden am Beispiel der Türenvormontage eines Automobilherstellers validiert. Hierfür erfolgte zunächst eine automatische Standardisierung der Prozessbeschreibungen mithilfe von Text-Mining-Verfahren, welche die maschinelle Lesbarkeit der Prozessbeschreibungen sicherstellen. In weiteren Analyseschritten wurden exemplarisch sechs Vergleichskriterien implementiert. Es konnten mehr als 80 % der bauteilbezogenen Montageprozesse automatisch in sieben Arbeitsplänen der Türenvormontage identifiziert und marken- und werkübergreifend verglichen werden. Durch den datengetriebenen Vergleich bauteilbezogener Montageprozesse können dem Arbeitsgestalter insbesondere bewährte Lösungsansätze marken- und werksübergreifend bereitgestellt werden. Die im Referenzbaukasten integrierten Lösungen unterstützen das automatische Auffinden, Wiederverwenden und Vergleichen relevanter Prozessplanungsdaten und tragen einen wichtigen Teil zur konsistenten und an besonders bewährten Lösungen orientierten Prozessgestaltung in Produktionsnetzwerken bei. Die Realisierung der datenbasierten Assistenzfunktionen in eigenständigen Analyseschritten ermöglicht zudem die Verwendung der Teilergebnisse für weitere nachgelagerte Anwendungsfälle wie beispielsweise Taktungsoptimierung oder Simulationserstellung.

9.1 Motivation

Im produzierenden Gewerbe werden betriebliche Entscheidungen traditionell anhand von zahlenbasierten Beobachtungen getroffen (Deuse et al., 2021, S. 1). In Zeiten stetig zunehmender Möglichkeiten zur Datenerfassung und -speicherung stellen datenbasierte Assistenzsysteme eine geeignete Weiterentwicklung dieser Entscheidungsunterstützung dar. Solche Systeme eignen sich, um Datenpotenziale in komplexen Unternehmensumfeldern zu erschließen und um daraus nutzbare Informationen und Wissen zu extrahieren (West et al., 2021, S. 133). Insbesondere die Mitarbeitenden benötigen digitale Werkezeuge zur Beherrschung der Datenvielfalt und -menge, um mit fachlicher Expertise und entsprechendem Domänenwissen schnell und zielgerichtet Entscheidungen treffen zu können.
Aus Sicht der Produktion und des Produktivitätsmanagements ist die Automobilindustrie durch eine mehrdimensionale Komplexität geprägt. Neben einer möglichst effizienten Abarbeitung kundenindividueller Fahrzeugbestellungen in standardisierten Fließfertigungen, gilt es in Mixlinien unterschiedliche Fahrzeugmodelle zu integrieren, sodass Verrichtungszeitdauer bzw. deren Spreizung, Wertschöpfungsanteil, Materialanstellung, Betriebsmittelauswahl, Verbaureihenfolge und weitere Planungsperspektiven berücksichtigt werden (Gebler, 2021, S. 32 ff.). Dabei ist wettbewerbsentscheidend, dass sowohl für die Mitarbeitenden in der Produktion als auch für die übergreifende Produktivität, ein optimaler Fertigungsablauf als Kombination der Komplexitätstreiber zu einem Gesamtoptimum ausgestaltet werden.
Die Herstellung eines Fahrzeugs bedarf der Ausführung einer Vielzahl von komplexen Montageschritten (Demlehner et al., 2021, S. 2), welche typischerweise anhand von Arbeitsplänen strukturiert und dokumentiert werden (Manns et al., 2015, S. 349; Rese et al., 2023, S. 11 f.; Wallis et al., 2014a, S. 181 f.). Ein Arbeitsplan basiert dabei auf Daten aus der Stückliste und weiterer Ressourcenübersichten und wird entlang des Produktentstehungsprozesses mit Daten angereichert, um die oben dargestellten Planungsperspektiven zu integrieren und abzubilden (Kropik, 2009, S. 55).
Insbesondere für Unternehmen mit verteilten Fertigungsstandorten zählt es in der Produktionsplanung zur gängigen Praxis, bei der Gestaltung und Optimierung von Montageprozessen auf bewährte Lösungsansätze aus Arbeitsplänen zurückzugreifen. Durch eine Verbreitung dieser etablierten Praktiken kann eine werks- und standortübergreifende Konsistenz der Prozessgestaltung unterstützt werden. Zusätzlich wird die Anpassbarkeit und Nutzung von bestehendem Prozesswissen über Produktlinien hinweg gewährleistet. Einer standardisierten Dokumentation dieser Fertigungsabläufe für unterschiedliche Produktkonfigurationen kommt somit vor dem Hintergrund einer zukünftigen Nutzung datengetriebener Assistenzsysteme eine wettbewerbsrelevante Bedeutung zu.
Dieses Kapitel zeigt am Beispiel der Fahrzeugmontage, wie industrielle Datenanalysen eingesetzt werden können, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Im Speziellen wird die Entwicklung einer datenbasierten Analyse, die sich aus Modulen zum automatischen Auffinden, Wiederverwenden und Vergleichen relevanter Prozessplanungsdaten zusammensetzt, betrachtet. Dieser Anwendungsfall stellt eine der acht Erfolgsgeschichten im Referenzbaukasten des Forschungsprojekts AKKORD dar (siehe Kap. 4).

9.2 Datenbasierte Optimierung und Gestaltung von Montagelinien

Das durch Erfahrungen und inkrementelle Verbesserungen gewonnene Wissen zur Erstellung von adäquaten Arbeitsplänen ist in produzierenden Unternehmen häufig nicht an einem Ort gebündelt (Wallis et al., 2014b, S. 262). Zum einen findet es sich dezentral als Wissen bei den Mitarbeitenden der Planungsabteilungen und zum anderen ist es innerhalb der erprobten und etablierten Arbeitspläne selbst enthalten.
Sowohl entlang des Produktentstehungsprozesses als auch in der sich anschließenden Serienfertigung muss der Aspekt der Datendurchgängigkeit Berücksichtigung finden. Angesichts der Produktvarianz und der Komplexität globaler Produktionsnetzwerke sind damit einige Herausforderungen verbunden. Ein Arbeitsplan ist analog dem Fertigungsprozess strukturiert und umfasst sowohl produktbezogene, prozessuale als auch organisationale Informationen. Er beinhaltet alle Fertigungs- und Prüfschritte, die für die Fertigung eines Fahrzeugmodells erforderlich sind. Zudem dienen Arbeitspläne als Datengrundlage, die in IT-Systemen im Produktionsumfeld wie z. B. in Informationssystemen für Werker:innen weiterverwendet werden (Kropik, 2009, S. 55, S. 235 ff.).
Im Folgenden wird am Beispiel der Fahrzeugmontage die Charakteristik dieser Arbeitspläne dargestellt. Die Fließfertigung lässt sich in einzelne Arbeitssysteme zerlegen. Ein Arbeitssystem besteht aus mehreren Mikroprozessen, die beispielsweise durch einen Mitarbeitenden im Rahmen der Taktzeit bearbeitet werden. Ein einzelner Arbeitsplan beinhaltet mehrere zehntausend einzelne Mikroprozesse, die als Arbeitsvorgänge bezeichnet werden. Diese lassen sich nicht mehr sinnvoll aufteilen. Es können wertschöpfende, bauteilbezogene Arbeitsvorgänge, in denen z. B. ein einzelnes Bauteil dem Fahrzeug hinzugefügt wird, von prozessual erforderlichen Mikroprozessen, in denen z. B. vorbereitende oder prüfende Tätigkeiten erfolgen, unterschieden werden. Nicht alle Arbeitsvorgänge sind für jede kundenspezifische Produktkonfiguration relevant. Zwischen verschiedenen Fahrzeugmodellen, die auf einer Montagelinie gefertigt werden, kann es Unterschiede zwischen den jeweils gültigen Arbeitsvorgängen geben (Kropik, 2009, S. 55 ff.; Bracht et al., 2015, S. 291 ff.). Abb. 9.1 zeigt beispielhaft die Struktur eines Arbeitsplans.
In einem globalen Produktionsnetzwerk mit einer Vielzahl von Produktionsstandorten und verschiedenen Produkten sind im Rahmen der Produktentstehung und in der Serienphase verschiedene Fragestellungen zur Produktivitätsgestaltung relevant. Als Teil der Planungsarbeit müssen besonders bewährte Lösungen in den Produktionsprozessen identifiziert werden. Dazu stellen quantitative und qualitative Vergleiche einen wichtigen Ausgangspunkt für Verbesserungen von Arbeitsplänen dar. Eine manuelle Suche nach ähnlichen Mikroprozessen ggfs. in fremdsprachigen Arbeitsplänen ist jedoch vor dem Hintergrund der oben dargestellten Anzahl an Arbeitsvorgängen je Arbeitsplan eine komplexe und zeitaufwendige Aufgabenstellung. Zur Arbeitsprozessgestaltung werden häufig computerbasierte Planungssysteme eingesetzt. In diesen existieren umfangreiche Daten in Form von Arbeitsplänen, die verschiedene Szenarien der Fahrzeugfertigung innerhalb des globalen Produktionsnetzwerkes beschreiben. Werkzeuge, um dieses Planungswissen zugänglich zu machen und insbesondere spezifische Arbeitsvorgänge eindeutig zu identifizieren und diese Eindeutigkeit maschinenlesbar abzubilden und bereitzustellen, fehlen heutzutage.
Im Rahmen des Anwendungsfalls wurden datengetriebene Methoden und Werkzeuge entwickelt, die ein ganzheitliches Produktivitätsmanagement im Industrial Engineering unterstützen. Durch die Erweiterung des Kompetenzportfolios um Methoden und Werkzeuge der industriellen Datenanalyse und die damit verbundene Implementierung von datenbasierten Entscheidungsunterstützungen entlang des Produktentstehungsprozesses und in der Serienphase wird der Fokus stärker auf die Gestaltungsaufgaben im Industrial Engineering gelegt. Durch die Integration, Aufbereitung, Analyse und kontextbezogene Bereitstellung von vorhandenen Daten aus computerbasierten Planungssystemen, wird im Unternehmen bereits bestehendes Wissen zum Produktivitätsmanagement leichter zugänglich und teilweise überhaupt erst nutzbar. Heute sind Gestaltungs- und Optimierungslösungen für manuelle Arbeitsprozesse in der Fertigung stark von den beteiligten Personen und deren Erfahrungswissen abhängig. Zukünftig wird durch die automatische Analyse von Arbeitsplänen der manuelle Aufwand zur Identifikation und die Auswertung von relevanten Prozessplanungsdaten stark reduziert und mit dem beschriebenen Assistenzsystem wird ein Beitrag zur Verbesserung der Auffindbarkeit und Wiederverwendbarkeit von bestehendem Prozesswissen aus Arbeitsplänen geleistet. Mithilfe der zielgerichteten Entscheidungsunterstützungen und Planungsempfehlungen wird die Gestaltung und Optimierung von Montagelinien vereinfacht und verbessert.

9.3 Umsetzung der datenbasierten Entscheidungsunterstützung

Für den AKKORD-Referenzbaukasten wurden verschiedene Lösungsbausteine entwickelt (siehe Kap. 1 und 2). Die konzeptionelle und technische Umsetzung der datengetriebenen Assistenzfunktionen zur Gestaltung und Optimierung von Arbeitssystemen erfolgt im Rahmen eines mehrstufigen Vorgehensmodells (siehe Abb. 9.2) und fokussierte deutschsprachige Arbeitspläne der Türenvormontage (Rese et al., 2023, S. 11 f.).
Für die erfolgreiche Anwendung datengetriebener Assistenzfunktionen ist die Datenvorverarbeitung unerlässlich (García et al., 2016, S. 1). Die technische Realisierung dieser vorbereitenden Aktivitäten sowie des mehrstufigen Vorgehensmodells erfolgte in RapidMiner Studio, einer Software-Lösung für Data Mining und Maschinelles Lernen sowie in Python. Zu den entwickelten Lösungen für die Datenvorverarbeitung zählen beispielsweise die Visualisierung von fehlenden Werten in Prozessplänen, der Einsatz von Datenschemata oder die Vereinfachung von Prozessbeschreibungen zur Verringerung der sprachlichen Komplexität. Abb. 9.3 zeigt beispielhaft die Ergebnisse zur automatischen Reduktion der sprachlichen Komplexität der Prozessbeschreibungen. Diese erfolgt wie in Rese et al. (2023) ausführlich beschrieben (S. 5 f.). Reguläre Ausdrücke ersetzen im Vorfeld definierte Satzbausteine, z. B. bei der Angabe von Multiplikatoren oder Trennzeichen. Die Vereinfachung dient der besseren Identifikation von Mustern und Zusammenhängen in den Daten. Auf eine Rechtschreibkorrektur wird zugunsten der Datenintegrität verzichtet (Rese et al., 2023, S. 5 f.).
Zur automatischen Identifizierung gleichartiger Arbeitssysteme innerhalb verschiedener Prozesspläne bedarf es zudem der maschinellen Auslesbarkeit der Montageprozesse (Rese et al., 2023, S. 11 f.). Durch die Überführung der Textdaten in ein strukturiertes semantisches Modell, wie eine kontrollierte Sprache, kann der Analyseaufwand maßgeblich reduziert oder teils überhaupt erst möglich werden. In der Produktionsplanung ist die Verwendung einer kontrollierten Sprache jedoch nicht verbreitet. Gründe hierfür liegen u. a. im Zeitaufwand, die dessen Etablierung erfordert (Manns et al., 2015, S. 349). Der entwickelte Referenzbaukasten enthält Analyseschritte, die natürlichsprachliche Prozessbeschreibungen automatisch in eine kontrollierte Sprache überführen. Durch die Verwendung der synthetisch generierten, kontrollierten Sprache können unstrukturierte, textuelle Prozessbeschreibungen standardisiert und Fehler bei der Beschreibung vermieden werden. Damit trägt die maschinelle Auslesbarkeit der Montageprozesse zu einer höheren Qualität der Prozesspläne bei. Abb. 9.4 zeigt eine manuell erstellte Prozessbeschreibung und die entsprechende automatisch durch verschiedene Text-Mining-Verfahren (u. a. Part of Speech Tagging, Named Entity Recognition) generierte Beschreibung inklusive ihrer numerischen Repräsentationen. Für die Überführung der Montageprozessbeschreibungen in ein maschinenlesbares Format wurde die in Rese et al. (2023) vorgestellte Methodik verwendet und erweitert. Es erfolgte beispielsweise eine Erweiterung des Trainingsdatensatzes für das Named-Entitiy-Recognition-Modell von ursprünglich 134 auf mehr als 2000 Montagebeschreibungen).
Neben den textuellen Prozessbeschreibungen werden für die automatische Überführung in die kontrollierte Sprache die hinterlegten Teilenummern als nicht textuelle Informationen genutzt. Die Validierung dieses Teilschrittes erfolgte auf Grundlage von 2740 Montagebeschreibungen der Türenvormontage und ergab, dass durchschnittlich 87 % der gefundenen numerischen Repräsentationen korrekt zurückgeführt werden konnten. Eine Rückführung auf die kontrollierte Sprache war insbesondere nicht möglich, wenn die vorliegenden Daten nicht vollständig gepflegt waren (z. B. fehlende Informationen zu Tätigkeiten oder Wortneuschöpfungen) (Rese et al., 2023, S. 10). Durch die standardisierte, numerische Abbildung der Prozessbeschreibungen sind Montageschritte einem Einbauteil zuordenbar. Das identifizierte Einbauteil bildet die Grundlage eines bauteilbezogenen Montageprozesses. Ihre inhaltliche Ähnlichkeit bestimmt sich über die automatisch extrahierte Bauteilzugehörigkeit. Damit gelingt es Montageprozesse mit ähnlichen Bauteilen in verschiedenen Prozessplänen aufzufinden, um die in ihnen enthaltenen Informationen zu extrahieren und in einem späteren Schritt Vergleiche zu ermöglichen.
Der automatische Vergleich bzw. die Bewertung der Montageprozesse basiert auf der im Vorfeld durchgeführten automatischen Identifikation der bauteilbezogenen Montageprozesse. Derzeit sind Gestaltungs- und Optimierungslösungen für manuelle Prozesse in der Fertigung stark vom Domänenwissen und der individuellen Erfahrung abhängig. Mit einer steigenden Anzahl von Produkten und einem großen Produktionsnetzwerk verlieren das persönliche Netzwerk und frühere Erfahrungen an Bedeutung. Gleichzeitig ist der Aufbau von Querverbindungen und der Wissenstransfer in komplexen Unternehmensumfeldern eine anspruchsvolle Aufgabe. Die Ergebnisse der Extraktion reduzieren den manuellen Aufwand zur Identifikation relevanter Daten. Insbesondere ermöglicht die maschinelle Auslesbarkeit die Identifikation von besonders bewährten Montageprozessen. Die Bewertung und der Vergleich der bauteilbezogenen Montageprozesse basieren auf entwickelten Gestaltungskriterien. Grundlage dieser sind Kriterien, die zur Bewertung von arbeitsplatzbezogenen Taktungsvorschlägen entwickelt wurden (Gebler, 2021, S. 119 ff.). Die dort enthaltenen Bedingungen wurden an die Anforderungen einer montageprozessorientierten Betrachtungsweise angepasst und erweitert. Somit können Montageprozesse u. a. hinsichtlich ihrer Wertschöpfung, Fertigungszeit, Materialanstellung, Arbeitshöhe und Betriebsmittel bewertet und verglichen werden. Abb. 9.5 zeigt die Umsetzung der datenbasierten Entscheidungsunterstützung für die Gestaltung- und Optimierung von Montageprozessen in Power-BI. Der erstellte Bericht ermöglicht einen marken- und werksübergreifenden Vergleich, der automatisch identifizierten Montageprozesse hinsichtlich verschiedener Vergleichskriterien.
Auf Basis der ermittelten Unterschiede der betrachteten Montageprozesse werden Optimierungspotenziale aufgezeigt. Dies ermöglicht die automatische Bereitstellung von Vorschlägen zur Prozessgestaltung und -optimierung. Dem Arbeitsgestalter werden somit automatisch besonders bewährte Lösungen für Montageprozesse bereitgestellt. Für die untersuchten Prozesspläne der Türenvormontage konnten mehr als 80 % der bauteilbezogenen Montageprozesse automatisch aus sieben Prozessplänen identifiziert und marken- und werksübergreifend verglichen werden. Hierfür bedurfte es keinen manuellen Anpassungen an den Eingangsdaten beispielsweise Korrekturen der Montagebeschreibungen.

9.4 Fazit

Am Beispiel der Automobilfertigung wurde gezeigt wie der Prozess zur Gestaltung und Optimierung von Montageprozessen datengetrieben unterstützt werden kann. Durch die Integration, Aufbereitung, Analyse und kontextbezogene Bereitstellung von bereits vorhandenen Prozessplanungsdaten, wird bestehendes Wissen zum Produktivitätsmanagement leichter zugänglich bzw. überhaupt erst nutzbar. Das entwickelte dreistufige Vorgehensmodell ermöglicht das automatische Auffinden, Wiederverwenden und Vergleichen der vor und nach Produktionsbeginn generierten Prozessplanungsdaten. Die Methodik zur Überführung von textuellen Prozessbeschreibungen in eine strukturierte semantische Darstellung liefert einen wertvollen Beitrag für die Extrahierung von Prozesswissen im Rahmen der Produktionsplanung und kann mitunter für weiterführende Aufgaben wie Textgenerierung, Wissensgenerierung oder Simulationserstellung genutzt werden. Durch die Implementierung von datenbasierten Entscheidungsunterstützungen entlang des Produktentstehungsprozesses und in der Serienphase wird der Fokus stärker auf die Gestaltungsaufgaben im Industrial Engineering gelegt.
Der Vergleich und die darauf aufbauende Identifikation der besonders bewährten Lösungen sind nicht nur für einzelne bauteilbezogene Montageprozesse möglich. Zukünftig können Fertigungsabschnitte bzw. komplette Arbeitspläne mit sämtlichen Bauteilen der Fahrzeugmontage gegenübergestellt werden. Hierfür bedarf es u. a. der Weiterentwicklung der Methodik zur Überführung der natürlich-sprachlichen Montagebeschreibungen in die kontrollierte Sprache. Verbesserungsmöglichkeiten bieten eine datenbasierte Erweiterung der Referenzdaten (z. B. der Synonymlisten) sowie der Einsatz von Wortvektoren. Für die Integration in den Planungsprozess eines globalen Produktionsnetzwerkes ist zudem die Berücksichtigung der Mehrsprachigkeit von Arbeitsplänen notwendig sowie die Ausdehnung auf weitere Gewerke wünschenswert.
Schlussendlich sei für eine ausführlichere Betrachtung der allgemeinen Weiterentwicklung industrieller Datenanalysen im Einklang mit Mensch, Technik und Organisation auf Kap. 20 verwiesen.
Open Access Dieses Kapitel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Literatur
Zurück zum Zitat Gebler, M. (2021). Industrialisierung von Optimierungsmethoden zur automatisierten Fließbandabstimmung in der Automobilindustrie. Dissertation, Friedrich Schiller University, Jena. Gebler, M. (2021). Industrialisierung von Optimierungsmethoden zur automatisierten Fließbandabstimmung in der Automobilindustrie. Dissertation, Friedrich Schiller University, Jena.
Zurück zum Zitat Rese, C., West, N., Gebler, M., Krzoska, S., Schlunder, P., & Deuse, J. (2023). Pipeline for the automatic extraction of procedural knowledge from assembly instructions into controlled natural language. Journal of Software, 18(1), 1–14. https://doi.org/10.17706/jsw.18.1.1-14. Rese, C., West, N., Gebler, M., Krzoska, S., Schlunder, P., & Deuse, J. (2023). Pipeline for the automatic extraction of procedural knowledge from assembly instructions into controlled natural language. Journal of Software, 18(1), 1–14. https://​doi.​org/​10.​17706/​jsw.​18.​1.​1-14.
Zurück zum Zitat West, N., Gries, J., Brockmeier, C., Göbel, J. C., & Deuse, J. (2021). Towards integrated data analysis quality. Criteria for the application of industrial data science. IEEE International Conference on Information Reuse and Integration for Data Science (IRI), 22(1), 131–138. https://doi.org/10.1109/IRI51335.2021.00024. West, N., Gries, J., Brockmeier, C., Göbel, J. C., & Deuse, J. (2021). Towards integrated data analysis quality. Criteria for the application of industrial data science. IEEE International Conference on Information Reuse and Integration for Data Science (IRI), 22(1), 131–138. https://​doi.​org/​10.​1109/​IRI51335.​2021.​00024.
Metadaten
Titel
Datengetriebene Arbeitsplangestaltung in der Automobilfertigung
verfasst von
Christine Rese
Sven Krzoska
Edin Klapic
Nikolai West
Philipp Schlunder
Ralf Klinkenberg
Mathias Gebler
Jochen Deuse
Copyright-Jahr
2024
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-42779-5_9

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