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Open Access 2024 | OriginalPaper | Buchkapitel

2. Institutioneller Rahmen

verfasst von : Jörg Bogumil, David H. Gehne, Louisa Anna Süß

Erschienen in: Ehrenamtliche Bürgermeister in Deutschland

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Der institutionelle Rahmen für ehrenamtliche Bürgermeister in den einzelnen Bundesländern zeigt in vielen Bereichen deutliche Varianzen auf. Dies betrifft die in den Kommunalverfassungen festgeschriebenen Aufgaben und Kompetenzen, das Wahlverfahren, die allgemeine Organisation der unteren kommunalen Ebene und die Eingliederung in zwischen der Gemeinde und dem Kreis angeordnete Verwaltungsgemeinschaften. Trotz dieser strukturellen Unterschiede zeigen sich in der Praxis Gemeinsamkeiten für die Ausübung des Amtes eines eBm, die in Kap. 5 beschrieben werden.
Der institutionelle Rahmen für ehrenamtliche Bürgermeister in den einzelnen Bundesländern zeigt in vielen Bereichen deutliche Varianzen auf. Dies betrifft die in den Kommunalverfassungen festgeschriebenen Aufgaben und Kompetenzen, das Wahlverfahren, die allgemeine Organisation der unteren kommunalen Ebene und die Eingliederung in zwischen der Gemeinde und dem Kreis angeordnete Verwaltungsgemeinschaften. Trotz dieser strukturellen Unterschiede zeigen sich in der Praxis Gemeinsamkeiten für die Ausübung des Amtes eines eBm, die in Kap. 5 beschrieben werden.

2.1 Wahl zum ehrenamtlichen Bürgermeister

Bereits die Wahl zum eBm unterscheidet sich in den einzelnen Bundesländern durch das Wahlverfahren in Form einer Direktwahl oder Ratswahl. Aber auch die Länge der Legislaturperioden variiert zwischen 5 und 8 Jahren (s. Tab. 2.1), wobei der Großteil der eBm auf 5 Jahre gewählt wird.
Tab. 2.1
Amtszeiten ehrenamtlicher Bürgermeister nach Bundesland
Dauer
Legislaturperiode
5 Jahre
6 Jahre
7 Jahre
8 Jahre
Bundesland
Niedersachsen
Rheinland-Pfalz
Schleswig-Holstein
Brandenburg
Mecklenburg-Vorpommern
Bayern
Thüringen
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Baden-Württemberg
Quelle: Kommunalverfassungen der Bundesländer (Stand Juni 2023)
Während in fast allen Bundesländern eine Direktwahl des eBm stattfindet, bilden Niedersachsen und Schleswig-Holstein eine Ausnahme, da der Gemeinderat aus seiner Mitte in seiner ersten Sitzung den eBm wählt (vgl. § 105 Abs. 1 NKomVG; § 51, Abs. 1 GO SH). Diese Ratswahl bildet in Rheinland-Pfalz, Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern eine Rückfalloption, sollten sich für die Direktwahl keine Kandidierenden finden (§ 53 Abs. 2 Gemo; BbgKVerf § 72; § 67 Abs. 4 LKWG MV). In den Bundesländern Rheinland-Pfalz, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern finden die Direktwahlen zum eBm im Regelfall parallel zu den Wahlen zum Gemeinderat statt (vgl. § 52 Abs. 2 GemO; BbgKVerf § 72 Abs 1–2.; § 37, Abs. 3 KV M-V; Art. 41 GLKrWG).
In weiteren Bundesländern gibt es Sonderregelungen bzgl. des Wahlverfahrens: So existiert beispielsweise in Thüringen die spezifische Option im Zuge der Direktwahl, wenn kein oder nur ein Kandidat zur Wahl zugelassen wurde, eine Person mit Nachnamen, Vornamen und Beruf in ein offenes Feld auf dem Stimmzettel einzutragen (vgl. § 24 Abs. 7 ThürKWG). In Sachsen besteht eine ähnliche Regelung, die jedoch durch eine weniger konkrete Formulierung des Wahlgesetzes („eine andere Person durch eindeutige Benennung als gewählt kennzeichnet“ (§ 43 Abs. 3 KomWG)) mehr Interpretationsspielraum zulässt.
Die Direktwahl zum eBm stellt also den Normalfall dar, jedoch stehen in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Wege in das Amt offen. Welchen Einfluss diese verschiedenen Optionen auf das Angebot der Kandidierenden bei den Wahlen und das Ergebnis hat, wird in Kap. 4 analysiert.
Das Kommunalrecht und so auch die kommunalwahlrechtlichen Regelungen werden durch die Länder festgesetzt. So zeigen sich auch hier einige Varianzen, die besonders in Hinblick auf das passive Wahlrecht relevant werden. Bereits seit 1992 können Personen mit Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaats an Kommunalwahlen teilnehmen (vgl. Art. 28 Abs. 1 GG). Somit besteht die Möglichkeit in fast allen Bundesländern mit Ausnahme Bayerns (Art. 39 GLKrWG) für Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft zum ehrenamtlichen Bürgermeister gewählt werden zu können (z. B. § 53, Abs. 3 GemO Rheinland-Pfalz; § 49 Abs. 1 SächsGemO). Jenseits der Staatsangehörigkeit zeigen sich größere Varianzen im passiven Wahlrecht hinsichtlich einer Altersbegrenzung. So können beispielsweise in Bayern Personen bereits mit der Vollendung des 18. Lebensjahres zum eBm gewählt werden, während in Baden-Württemberg dies erst nach Erreichen des 25. Lebensjahres möglich ist. Zusätzlich sind Altersgrenzen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg definiert, weshalb dort ein eBm nicht mehr zur Wahl zugelassen werden kann, wenn er älter als 65 bzw. 68 Jahre alt ist. (vgl. Tab. 2.2).
Tab. 2.2
Altersregelungen des passiven Wahlrechts zum eBm nach Bundesland
Altersregelung
> 18 Jahre
> 21
23–65
25–68 Jahre
Bundesland
Bayern
Sachsen
Brandenburg
Mecklenburg-Vorpommern
Sachsen-Anhalt
Niedersachsen
Schleswig-Holstein
Thüringen
Rheinland-Pfalz
Baden-Württemberg
Quelle: Kommunalverfassungen und Kommunalwahlgesetze der Bundesländer (Stand Juni 2023)
Die Regelungen, ob der erste Wohnsitz des eBm in der Kommune selbst sein muss, unterscheiden sich ebenfalls. Wer in Thüringen zum ehrenamtlichen Bürgermeister gewählt werden möchte, muss neben dem Mindestalter von 21 Jahren auch seit mindestens sechs Monaten seinen Aufenthalt in der Gemeinde haben (§ 24 Abs. 2 ThürKWG). In Baden-Württemberg ist dies nicht der Fall. Hier muss der eBm keinen Wohnsitz in der Gemeinde haben und es ist sogar möglich, dass eine Person in Personalunion eBm mehrerer benachbarter Kommunen sein kann (§ 63 GemO B.-W.). In Sachsen-Anhalt hingegen schreibt die Kommunalverfassung explizit fest, dass ein eBm nur in einer Kommune tätig sein darf (§ 96 Abs. 2 KVG LSA). Die Wirkungen dieser Regelungen unterscheiden sich, da die Beziehung des eBm zu der Kommune eine andere ist. Lebt ein eBm in der Gemeinde und nimmt aktiv am Leben vor Ort teil, ist er nicht nur in die lokalen Diskurse involviert, sondern auch eher ansprechbar für die Belange der Bürger. Die Verbundenheit mit dem Ort kann als höher angesehen werden, da es sich um das eigene Wohnumfeld handelt. Hat jedoch ein eBm hauptsächlich über seine Tätigkeit einen Bezug zur Kommune oder ist sogar in mehreren Orten tätig, so ist die Verbindung eher eine funktionale und es kann eine gewisse (räumliche) Distanz zu den Bürgern angenommen werden
Des Weiteren lassen sich unterschiedliche Regelungen hinsichtlich der Akteure, die Nominierungen einreichen können, erkennen. In allen im Rahmen des Forschungsvorhabens betrachteten Bundesländern können Parteien und Wählervereinigungen bei Direktwahlen Personen nominieren. In manchen Fällen sind gemeinsame Nominierungen durch diese möglich, wie beispielsweise in Bayern, Rheinland-Pfalz oder Mecklenburg-Vorpommern. Einzelkandidierende können in fast allen Bundesländern mit Ausnahme Bayerns einen Wahlvorschlag einreichen, wenn dieser von einer bestimmten Anzahl Wahlberechtiger unterzeichnet wird. In Thüringen und Sachsen kann es vorkommen, dass ein eBm auch ohne formal eingereichten Wahlvorschlag durch eine Direktwahl ins Amt gewählt werden kann, da durch die Option eines offenen Feldes auf dem Wahlschein diese Vorbedingung nicht erfüllt sein muss. Bei Ratswahlen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein wählt der Gemeinderat aus seiner Mitte den eBm, weshalb kommunalwahlrechtlich die Regelungen zur Wahl des Gemeinderates greifen.
Hauptamtliche Bürgermeister werden eher selten abgewählt. Wenn dies geschieht, erregen diese Fälle eine hohe mediale Aufmerksamkeit, wie der Fall Peter Feldmann als Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main zeigt. Die rechtlichen Hürden für eine Abwahl sind eher hoch und schreiben ein mehrstufiges Verfahren fest. In anderen Bundesländern besteht diese Option nicht, wie in Baden-Württemberg. Diese Regelung lässt sich für Baden-Württemberg auch auf ehrenamtliche Bürgermeister übertragen. In Sachsen, Brandenburg, Thüringen und Sachsen-Anhalt ist jedoch nicht nur die Möglichkeit der Abwahl festgeschrieben, sondern auch das Verfahren benannt. In Sachsen bedarf es beispielsweise zunächst eines Bürgerbegehrens gefolgt von einem Bürgerentscheid, der mit einer Mehrheit der gültigen Stimmen, wenn diese mindestens 50 % der Bürger beträgt, abgewählt werden (§ 51 Abs. 7–8 SächsGemO). In Tab. 2.3 finden sich zusammenfassend zentrale wahlrechtliche Regelungen bei Direktwahlen von eBm im Ländervergleich.
Tab. 2.3
Überblick zum Wahlrecht
Land
Amts-zeit
Nominierung
Haupt-
wahl
Zweiter Wahlgang
Kopplung
Keine Bewerbung
Rheinland-Pfalz
5
P; Wgr.; EB
absolute Mehrheit
Stichwahl
ja
Rat wählt
Bayern
6
P; Wgr.
absolute Mehrheit
Stichwahl
ja
-
Brandenburg
5
P; Wgr.; EB
absolute Mehrheit
Stichwahl
ja
Rat wählt
Mecklenburg-Vorpommern
5
P; Wgr.; EB
absolute Mehrheit
Stichwahl
ja
Rat wählt
Sachsen
7
P; Wgr.; EB
absolute Mehrheit
Zweiter Wahlgang
-
Namensnennung
Sachsen-Anhalt
7
P; Wgr.; EB
absolute Mehrheit
Stichwahl
-
neue Wahl
Thüringen
6
P; Wgr.; EB
absolute Mehrheit
Stichwahl
-
Namensnennung
Quelle: Kommunalwahlrecht der Bundesländer

2.2 Kompetenzen des ehrenamtlichen Bürgermeisters

Ein exakter Überblick der Kompetenzen nach Bundesland ist schwierig. Zum einen sind immer wieder Abweichungen in der Ausgestaltung des Kommunalrechts in der kommunalpolitischen Praxis zu verzeichnen, und zum anderen ermöglichen insbesondere Optionsmodelle den Kommunen in Zusammenarbeit mit anderen Gebietskörperschaften einen Gestaltungsspielraum. So sind die Kompetenzen und Tätigkeitsbereiche des eBm davon abhängig welche Aufgaben in der Kommune erledigt werden und welche nach Weisung durch eine andere oder eine Verwaltungsgemeinschaft ausgeführt werden. Ebenso kann der Gemeinderat dem eBm weitere Aufgaben übertragen (z. B. in Bayern) sowie der Verbandsgemeindebürgermeister in Rheinland-Pfalz den eBm („Ortsbürgermeister“) mit einzelnen Amtsgeschäften beauftragen oder durch Gemeinderatsbeschluss einzelne Aufgaben des eBm durch ein Ratsmitglied erledigt werden, wie in Niedersachsen möglich.
Trotzdem lassen sich aus den rechtlichen Bestimmungen Tätigkeitsfelder ableiten, welches in den Befragungsergebnissen (s. Kap. 5) mit der Praxis der Amtsausgestaltung der eBm gespiegelt wird. In allen betrachteten Bundesländern lassen sich folgende Aufgaben der eBm identifizieren:
  • Vorsitz im Gemeinderat (kann übertragen werden)
  • Vertretung nach außen
  • Repräsentation der Kommune gegenüber den Bürgern
  • Ansprechpartner/Fürsprecher der Bürger
  • Bürgerbeteiligung und Unterrichtung in wichtigen Gemeindeangelegenheiten
  • Entscheidungsbefugnis bei Dringlichkeit
  • Dienstvorgesetzter der Beschäftigten der Gemeinde
  • Weitere durch Gemeinderat übertragene Aufgaben
Deutliche Unterschiede lassen sich jedoch in den Befugnissen bezüglich der Verwaltungstätigkeiten erkennen. In Rheinland-Pfalz kann der eBm kleinere Verwaltungstätigkeiten, wie das Ausstellen von Bescheinigungen, selbst erledigen. In Niedersachsen bedarf es dazu einer zusätzlichen Absprache mit dem Samtgemeindebürgermeister. Eine weitere relevante Aufgabe kann die Dienstaufsicht gegenüber den Beschäftigten der Gemeinde und somit Personalverantwortung sein. In den Kommunalverfassungen Bayerns, Baden-Württembergs und Mecklenburg-Vorpommerns kommt diese allein den eBm und in Thüringen, Sachsen und Schleswig-Holstein gemeinsam mit dem Gemeinderat zu. Diese Beschäftigten können in unterschiedlichen Bereichen der kommunalen Tätigkeit angestellt sein und sind von der Infrastruktur und den gemeindeeigenen Einrichtungen geprägt. Ist die Gemeinde Träger einer Kindertagesstätte oder eines eigenen Schwimmbades, so geht dies auch mit Bedarf nach Personal einher (vgl. Bogumil et al. 2022, S. 254).

2.3 Struktur der Verwaltungsgemeinschaften

Ein zentraler Bezugspunkt für die Arbeit der eBm im ländlichen Raum sind die Verwaltungsgemeinschaften (VG). Festgeschrieben in den Kommunalverfassungen und weiteren rechtlichen Bestimmungen der Bundesländer ist interkommunale Zusammenarbeit zu unterschiedlichem Grad institutionalisiert (vgl. Wallerath 2011; Zsinka 2013). Unter dem Sammelbegriff „Verwaltungsgemeinschaft“ werden im Folgenden verschiedene Formen dieser interkommunalen Zusammenarbeit einzelner Kommunen unterhalb der Kreisebene, die Verwaltungstätigkeiten übernehmen, verstanden. Henneke und Ritgen beschreiben diese Konstrukte als zusätzliche „gemeindliche Verwaltungseinheiten“ (Henneke und Ritgen 2021, S. 64). Sie ermöglichen die Beibehaltung einer kleinteiligen Gemeindestruktur und stärken die „politisch-demokratische Funktion der kommunalen Selbstverwaltung“ (Henneke und Ritgen 2021, S. 65) aufgrund der Repräsentation durch einen ehrenamtlichen Bürgermeister sowie den gewählten Gemeinderat. Diese Möglichkeit der Partizipation am Gemeinwesen für Bürger der kleinen Kommune stellt einen hohen politischen Integrationswert dar. Gleichzeitig geht die Kleinteiligkeit mit Konsequenzen für die Verteilung der Aufgaben einher (vgl. Henneke und Ritgen 2021, S. 65).
Nicht nur die Bezeichnungen der VG sind verschieden (vgl. Tab. 2.4). Diese variieren auch in ihrem Umfang hinsichtlich der Einwohnerzahl, der Fläche und der Anzahl an Mitgliedsgemeinden nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb einzelner Bundesländer. Betrachtet man beispielhaft Rheinland-Pfalz mit vielen kleinen und Kleinstgemeinden, zeigen sich große Unterschiede: Mit nur 7116 Einwohnern verteilt auf 33 Mitgliedsgemeinden ist die Verbandsgemeinde Kelberg gemessen an der Einwohnerzahl die kleinste. Die Verbandsgemeinde Rhein-Selz hingegen umfasst mit 41.491 Personen aufgeteilt auf 20 Mitgliedsgemeinden eine deutlich größere Bevölkerungsanzahl (vgl. Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz 2020).
Tab. 2.4
Bezeichnung der Verwaltungsgemeinschaften nach Bundesland
Bundesland
Bezeichnung Verwaltungsgemeinschaft
Durchschnittliche Einwohner VG
Baden-Württemberg
Verwaltungsgemeinschaft, Verwaltungsverband
19.931
Bayern
Verwaltungsgemeinschaft
6773
Brandenburg
Amt
10.788
Mecklenburg-Vorpommern
Amt
11.348
Niedersachsen
Samtgemeinde
17.508
Rheinland-Pfalz
Verbandsgemeinde
17.330
Sachsen
Verwaltungsgemeinschaft, Verwaltungsverband
8756
Sachsen-Anhalt
Verbandsgemeinde
13.858
Schleswig-Holstein
Amt
13.632
Thüringen
Verwaltungsgemeinschaft
7908
Quelle: Kommunalverfassungen der Bundesländer; Destatis Gemeindeverzeichnis, Stand Oktober 2019 nach Henneke und Ritgen (2021), S. 66
Die Verteilung der Aufgaben zwischen den Mitgliedsgemeinden und der VG verläuft nach ähnlichen Prinzipien. Die rechtswissenschaftliche Literatur unterscheidet in Bezug auf die Zuordnung der Tätigkeitsbereiche in „geborene“ und „gekorene“ Selbstverwaltungsaufgaben. „Geborene“ Aufgaben sind gesetzlich den Verwaltungsgemeinschaften zugeordnet, während „gekorene“ Aufgaben von der Gemeinde auf die VG übertragen werden können. Dabei unterscheiden sich die Bundesländer deutlich: „Diese gesetzliche Vorab-Hochzonung von Selbstverwaltungsaufgaben unterscheidet das Verbandsgemeindemodell insbesondere von den Ämtern, bei denen Selbstverwaltungsaufgaben grundsätzlich von den Gemeinden individuell auf das Amt übertragen werden“ (Zsinka 2013, S. 64). Besonders häufig ist das Modell der Verbandsgemeinde in Rheinland-Pfalz genannt, da die Gemeindeordnung (GemO) grundlegende Aufgabenbereiche festschreibt und auch durch die Kleinteiligkeit der Gebietsstruktur viele Kommunen durch einen ehrenamtlich tätigen sogenannten „Ortsbürgermeister“ regiert werden. Dabei werden die Verwaltungsgeschäfte durch eine in der Verbandsgemeinde angesiedelte hauptamtliche Verwaltung ausgeführt, deren Verwaltungsleitung bei den Ortsgemeinden jedoch im Ehrenamt ausgeübt wird (vgl. Wallerath 2011, S. 886). Folglich lässt sich eine Struktur identifizieren, die das Verhältnis zwischen dem eBm und der VG qua rechtlichen Regelungen unterschiedlich definiert und Aufgaben der Selbstverwaltung zum Teil direkt bei der VG ansiedelt.
Über die Koordination der Erledigung der Verwaltungsgeschäfte durch die VG hinaus, kommt dem eBm eine wichtige Repräsentationsfunktion zu. Diese richtet sich gegen höhere Ebenen im politischen Mehrebenensystem und somit neben der VG auch gegenüber dem Kreis.1 Dabei ist die Mitwirkung der eBm in den Gremien der Verwaltungsgemeinschaft rechtlich unterschiedlich festgeschrieben. Während in den allermeisten betrachteten Bundesländern die eBm qua Amt stimmberechtigte Mitglieder in den beschlussfassenden Gremien der Verwaltungsgemeinschaft sind, gibt es wenige Ausnahmen. In Rheinland-Pfalz sowie in Sachsen-Anhalt haben eBm durch ihr Amt das Recht der Teilnahme mit beratender Stimme an Sitzung des Verbandsgemeinderates, wenn Angelegenheiten der Gemeinde betroffen sind (vgl. § 69 Abs. 3 GemO Rheinland-Pfalz; § 96 Abs. 5 KVG LSA). In Niedersachsen besteht keine Regelung zur direkten Vertretung in den politischen Gremien. Jedoch werden in diesen drei Bundesländern in direkter Verhältniswahl nach Kommunalwahlrecht der Verbandsgemeinderat bzw. Samtgemeinderat sowie ebenso in direkter Personenwahl ein hauptamtlicher Bürgermeister als Leiter der VG durch die Bürger bestimmt. In anderen Bundesländern, wie beispielsweise Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg ist der eBm – in manchen Fällen je nach Einwohnerzahl noch durch weitere Personen der kommunalen Gemeinde ergänzt – als Mitglied des Amtsausschuss entsandt (vgl. § 132 Abs. 1 KV M-V; § 9 Abs. 1 AO), welcher den Amtsvorsteher wählt, der in kleineren Ämtern auch ehrenamtlich tätig sein kann. Einzelne Bundesländer folgen demnach einer anderen Repräsentationslogik zwischen Mitgliedsgemeinden und der Verwaltungsgemeinschaft, welches sich auch auf das Aufgabenportfolio der eBm auswirkt.

2.4 Wahlmöglichkeit der Kommune zwischen Ehrenamt und Hauptamt

Während in den meisten Kommunen qua Zugehörigkeit zu einer Verwaltungsgemeinschaft der Einsatz des Bürgermeisters im Ehrenamt definiert ist, besteht in einigen Bundesländern eine bedingte Wahlmöglichkeit vor Ort (s. Tab. 2.5).
Tab. 2.5
Wahlmöglichkeit zum Einsatz des Bürgermeisters im Haupt- oder Ehrenamt
 
Wahlmöglichkeit
Keine Wahlmöglichkeit
Bundesland
Bayern
Baden-Württemberg
Thüringen
Schleswig-Holstein
Sachsen
Niedersachsen
Rheinland-Pfalz
Brandenburg
Mecklenburg-Vorpommern
Sachsen-Anhalt
Quelle: Kommunalverfassungen der Bundesländer
So kann beispielsweise der Gemeinderat einer bayerischen Kommune2 mit weniger als 5000 Einwohnern vor der Bürgermeisterwahl beschließen, dass der erste Bürgermeister kein Ehrenbeamter, sondern Beamter auf Zeit und somit hauptamtlich tätig sein soll (vgl. Art. 34 Abs. 2, S. 2 BayGO). Diese Entscheidung entspricht dem Prinzip des opt-out-Verfahrens, da grundsätzlich das Ehrenamt den Regelfall darstellt. Zusätzlich besteht jedoch für Kommunen mit 5000 bis 10.000 Einwohnern eine entgegengesetzte opt-in-Regelung. In dieser Gemeindegröße ist die Position des Bürgermeisters im Hauptamt vorgesehen, jedoch besteht auch hier für den Gemeinderat die Möglichkeit den Status in den des ehrenamtlichen Bürgermeisters per Beschluss vor der Wahl zu ändern (vgl. Art. 34 Abs. 2, S. 1 BayGO). Eine ähnliche Regelung sieht die Gemeindeordnung Baden-Württembergs vor; jedoch mit einer deutlich niedrigeren Schwelle der Einwohnerzahl. So kann in der Hauptsatzung von Kommunen kleiner als 2000 Einwohner aber größer als 500 bestimmt werden, dass der Bürgermeister statt Ehrenbeamter auf Zeit hauptamtlicher Bürgermeister wird (vgl. § 42, Abs. 2 GemO Baden-Württemberg).
In Thüringen unterscheidet sich das Verfahren deutlich. In Gemeinden mit weniger als 3000 Einwohnern ist der Bürgermeister ehrenamtlich tätig. Es besteht jedoch die Option, dass die obere Rechtsaufsichtsbehörde auf Antrag in begründeten Einzelfällen Ausnahmen zulassen kann, bei dessen Annahme vor der Wahl in der Hauptsatzung die Position als Beamter auf Zeit festgeschrieben werden muss (§ 28, Abs. 2 ThürKO). Somit wird diese Entscheidung nicht nur auf Ebene der Gemeinde gefällt, sondern übergeordnete Behörden sind an diesem Prozess mit Vetopotenzial beteiligt. Eine opt-in-Möglichkeit existiert in Kommunen zwischen 3000 und 10.000 Einwohnern, in denen der Gemeinderat vor der Wahl bestimmt, dass der Bürgermeister Ehrenbeamter sein soll. Die obere Rechtsaufsichtsbehörde wird hierbei nicht beteiligt.
Wenn auch die Gemeindeordnung in Schleswig-Holstein definiert, dass amtsangehörige Gemeinden, die nicht die Geschäfte des Amtes führen, ehrenamtlich verwaltet werden (§ 48 Abs. 1 GO Schleswig-Holstein), besteht auch hier die Option der Hauptamtlichkeit. Die Gemeindevertretung kann in Kommunen über 4000 Einwohnern die Wahl eines hauptamtlichen Bürgermeisters beschließen (vgl. § 48 Abs. Abs. 2 GO Schleswig-Holstein). Das Verfahren wäre jedoch etwas umfangreicher, da ehrenamtliche Bürgermeister in Schleswig-Holstein durch die kommunale parlamentarische Vertretung gewählt werden und die Wahl zum hauptamtlichen Bürgermeister als Direktwahl vollzogen werden muss.
Diese Regelungen der einzelnen Bundesländer schreiben den kommunalen Entscheidungsträgern eine gewisse Autonomie in dieser Frage zu. Auch kleinere Kommunen haben die Möglichkeit in einer sonst nicht stark geänderten Struktur einen hauptamtlichen Bürgermeister einzusetzen, um den Herausforderungen vor Ort mit einem höheren Zeitkontingent begegnen zu können. Gleichzeitig bedeutet dies jedoch auch eine größere finanzielle Belastung des kommunalen Haushalts, da ein hauptamtlicher Bürgermeister nicht nur in seiner Besoldung teurer ist als die Aufwandsentschädigung, sondern auch die Pensionsansprüche in der kommunalen Kasse zu Buche schlagen. Daher hängt diese Entscheidung von verschiedenen Faktoren ab und ist sehr wichtig, um die quantitative Verteilung der eBm in Deutschland nachvollziehen zu können.

2.5 Aufwandsentschädigung

Hauptamtlichen Bürgermeistern steht als Beamten auf Zeit ein Anspruch auf Besoldung zu. Ehrenamtliche Bürgermeister hingegen haben als Ehrenbeamte auf Zeit lediglich Anspruch auf eine Aufwandsentschädigung, die in einigen Bundesländern durch weitere Zulagen erhöht werden kann. Da die Höhe der Entschädigung und die Berechnungsmechanismen in den Ländern unterschiedlich sind, kann im Folgenden nur ein Überblick gegeben werden, der jedoch die Spannweite der Aufwandsentschädigungen für eBm verdeutlicht. Die Höhe orientiert sich an der Einwohnerzahl und ist in einigen Bundesländern festgeschrieben, während in anderen ein Maximum oder ein Spektrum angegeben wird, innerhalb dessen der Gemeinderat durch Beschluss die Höhe festlegen kann (vgl. Tab. 2.6). In Niedersachsen hingegen wird vor jeder Kommunalwahl eine neue Empfehlung durch eine Kommission ausgegeben (§ 55 Abs. 2 NKomVG).
Tab. 2.6
Aufwandsentschädigung ehrenamtliche Bürgermeister
Bundesland
500 Einwohner
2000 Einwohner
5000 Einwohner
BW
984–1898
2493–4273
BY
1299–3376
3246–4869
4934–6233
BB
320
980
1530
MV
Max. 700
1500
2500
NI
1050/1575
1050/1575
1050/1575
RP
602–664
889–978
1894–2273
SN
630
1410
1720
ST
470–780
690–1060
1000–1530
SH
492–664
1116–1507
1482–2001
TH
660
1469
1777
Quelle: Kommunale Entschädigungsverordnungen, Angaben in Euro. (Stand: Juni 2023)
Das rheinland-pfälzische Innenministerium hat eine Erhöhung der Aufwandsentschädigungen um jeweils 6 % für die Jahre 2023 und 2024 angekündigt. Diese sind zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch nicht veröffentlicht worden (Stand 27.06.2023)
Es zeigen sich große Unterschiede: Ein eBm in einer Kommune mit 5000 Einwohnern in Bayern kann also über 6000 € Entschädigung enthalten, während ein Kollege in Sachsen-Anhalt in einer gleich großen Kommune nur 1000 € bekommen könnte. Diese Regelungen sind eher hypothetisch, da die meisten Kommunen mit eBm deutlich kleiner sind in diesen beiden Bundesländern, aber die große Spannweite wird exemplarisch deutlich. Wichtig ist in diesem Kontext nicht nur auf die reale Größe der Kommunen in den Bundesländern zu verweisen (s. Kap. 3), sondern auch auf Varianzen der Aufgaben und des realen Arbeitsaufwands (s. Abschn. 5.​3). Es hat sich gezeigt, dass eBm in Bayern viele Aufgaben zukommen und daher der Arbeitsaufwand deutlich höher ist als in anderen Bundesländern, was die unterschiedliche Höhe der Aufwandsentschädigungen im Ansatz erklären könnte.
Je nach Regelung der jeweiligen Bundesländer können den eBm noch weitere Zulagen beispielsweise für die Teilnahme an Sitzungen oder Fahrtkostenerstattungen zukommen. Besonders in Bayern gibt es nach dem Gesetz über kommunale Wahlbeamte und Wahlbeamtinnen (KWBG) finanzielle Unterstützung für eBm auch nach ihrer Tätigkeit. So steht ihnen beispielsweise eine Überbrückungshilfe nach Ausscheiden aus dem Amt und ein Ehrensold nach 12 Jahren als eBm zu, wenn sie das 60. Lebensjahr überschritten haben (Art. 58–59 KWBG), als zusätzliche Leistungen zu.
Deutlich geworden ist, dass der rechtliche Rahmen der Bundesländer erhebliche Varianzen aufzeigt. Somit agieren die eBm in den einzelnen Bundesländern unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen. Welche Auswirkungen dies auf die Wahlen zum eBm (vgl. Kap. 4), das Sozialprofil der Gewählten (vgl. Abschn. 5.​1) und die Tätigkeit selbst (vgl. Abschn. 5.​3 ff.) hat, wird im Folgenden untersucht.
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Fußnoten
1
Im Folgenden wir der Fokus auf die VG gelegt, da dieser Akteur in der alltäglichen Arbeit des eBm einen wichtigeren Bezugspunkt darstellt.
 
2
Aufgrund einer sich noch im Gesetzgebungsverfahren befindlichen umfassenden Kommunalrechtsnovelle in Bayern, werden sich Änderungen bzgl. der Einwohnerzahl ändern. Somit wird die Schwelle vermutlich von 5000 auf 2500 Einwohner sinken.
 
Literatur
Zurück zum Zitat Bogumil, J., Gehne, D. H., & Süß, L. (2022). Nebenberuflich Verwalten: Die Rolle des ehrenamtlichen Bürgermeisters in der Verwaltungszusammenarbeit. Verwaltung & Management 6, 251–257CrossRef Bogumil, J., Gehne, D. H., & Süß, L. (2022). Nebenberuflich Verwalten: Die Rolle des ehrenamtlichen Bürgermeisters in der Verwaltungszusammenarbeit. Verwaltung & Management 6, 251–257CrossRef
Zurück zum Zitat Henneke, H.-G., & Ritgen, K. (2021). Kommunalpolitik und Kommunalverwaltung in Deutschland. München: C.H. Beck Henneke, H.-G., & Ritgen, K. (2021). Kommunalpolitik und Kommunalverwaltung in Deutschland. München: C.H. Beck
Zurück zum Zitat Wallerath, M. (2011). Steuerung des Wandels durch kommunale Gebiets- und Funktionalreformen – Zur aktuellen Kommunal- und Verwaltungsreform in Rheinland-Pfalz. Die Öffentliche Verwaltung 8, 289–299 Wallerath, M. (2011). Steuerung des Wandels durch kommunale Gebiets- und Funktionalreformen – Zur aktuellen Kommunal- und Verwaltungsreform in Rheinland-Pfalz. Die Öffentliche Verwaltung 8, 289–299
Zurück zum Zitat Zsinka, E. (2013). Die Verbandsgemeinde: ein Zukunftsmodell? Die Öffentliche Verwaltung 2, 61–64 Zsinka, E. (2013). Die Verbandsgemeinde: ein Zukunftsmodell? Die Öffentliche Verwaltung 2, 61–64
Metadaten
Titel
Institutioneller Rahmen
verfasst von
Jörg Bogumil
David H. Gehne
Louisa Anna Süß
Copyright-Jahr
2024
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-43894-4_2

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