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Open Access 2024 | OriginalPaper | Buchkapitel

6. Zusammenfassung und Handlungsvorschläge

verfasst von : Jörg Bogumil, David H. Gehne, Louisa Anna Süß

Erschienen in: Ehrenamtliche Bürgermeister in Deutschland

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

6451 aller Gemeinden in Deutschland haben einen eBm, damit sind in der Fläche gesehen die deutliche Mehrheit der Bürgermeister (60 %) in Deutschland ehrenamtlich tätig. Es gibt allerdings klar sichtbare regionale Schwerpunkte der eBm in Deutschland im Norden und Nordosten (Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Teile von Niedersachsen) und im Südwesten vor allem in Rheinland-Pfalz und im Südosten in Bayern. Dagegen gibt es in Baden-Württemberg nur sehr wenige Gemeinden mit eBm und in drei Bundesländern (NRW, Hessen und im Saarland) gar keine.
6451 aller Gemeinden in Deutschland haben einen eBm, damit sind in der Fläche gesehen die deutliche Mehrheit der Bürgermeister (60 %) in Deutschland ehrenamtlich tätig. Es gibt allerdings klar sichtbare regionale Schwerpunkte der eBm in Deutschland im Norden und Nordosten (Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Teile von Niedersachsen) und im Südwesten vor allem in Rheinland-Pfalz und im Südosten in Bayern. Dagegen gibt es in Baden-Württemberg nur sehr wenige Gemeinden mit eBm und in drei Bundesländern (NRW, Hessen und im Saarland) gar keine.
Der institutionelle Rahmen für ehrenamtliche Bürgermeister in den einzelnen Bundesländern zeigt in vielen Bereichen deutliche Varianzen auf. Dies betrifft die in den Kommunalverfassungen festgeschriebenen Aufgaben und Kompetenzen, das Wahlverfahren, die allgemeine Organisation der unteren kommunalen Ebene, die Gemeindegröße und die Eingliederung in zwischen der Gemeinde und dem Kreis angeordnete Verwaltungsgemeinschaften. Auch wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen der Länder zwar de jure unterschiedlich sind, zeigen sich diese de facto in der Amtsausführung der eBm nur zu einem geringen Maße. Trotz dieser strukturellen Unterschiede gibt es in der Praxis viele Gemeinsamkeiten in der Ausübung des Amtes eines eBm. Eine Ausnahme stellt der Freistaat Bayern dar, da besonders der Zeitaufwand der eBm und die Eingliederung der Kommune in eine übergeordnete Verwaltungsgemeinschaft spezifisch sind.
Das Sozialprofil der eBm ist gekennzeichnet durch das 3-M-Mantra (male, middle-aged, middle-class) und einem großen Anteil an Befragten, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen, jedoch viele diese wegen ihres Ehrenamtes im Stundenumfang reduziert haben. Dort wo sozialstrukturelle Merkmale der eBm sich unterscheiden, haben diese zu einem gewissen Anteil einen Einfluss auf die Amtsausführung, da nur in wenigen Bereichen Zusammenhänge zwischen beispielsweise dem Alter oder dem Geschlecht identifiziert werden konnten. Jedoch gibt es Unterschiede hinsichtlich der Einbindung in eine Partei/WG, der wahrgenommenen einschränkenden Faktoren und auch Maßnahmen zur Nachwuchsgewinnung sowie der Einführung der Hauptamtlichkeit. Trotzdem gibt es in der Gesamtbetrachtung mehr Ähnlichkeiten als Unterschiede und die Herausforderungen für eBm sind bundesweit vergleichbar.
Besonders die berufliche Situation der Befragten und der für das Ehrenamt als Bürgermeister aufgebrachte Zeitaufwand zeigten im Kontext der Befragung signifikante Zusammenhänge auf und können somit als zentrale Aspekte identifiziert werden. Nicht nur die Amtsausführung ist dadurch beeinflusst, sondern auch persönliche Einschränkungen insbesondere im Hinblick auf die familiäre Situation und Vereinbarkeitsfragen.
Die wichtigsten Aufgaben der eBm sind es Ansprechpartner und Fürsprecher der Bürger zu sein, die Umsetzung der Gemeinderatsbeschlüsse zu gewährleisten und neue Projekte in der Gemeinde zu fördern. Die Umsetzung des Parteiprogramms oder der eigenen politischen Vorstellungen werden als am wenigsten wichtig wahrgenommen. Parteien und Wählervereinigungen sind eher weniger relevant für eBm in ländlichen Räumen. Trotzdem sind etwa zwei Drittel der Befragten Mitglied in einer dieser Organisationen. Die Größe der Kommune und das jeweilige Bundesland haben einen Einfluss auf den Anteil der Parteimitgliedschaften der eBm, was erneut die Thesen der Konkordanz- und Konkurrenzdemokratie auf der kommunalen Ebene bestätigt.
Die Situation der Kommunen, die von einem eBm verwaltet werden, unterscheiden sich zum Teil stark und hängen vor allem mit der Gemeindegröße und der Eingliederung in eine VG zusammen. Je größer die Kommune ist, desto mehr Beschäftigte hat sie. Mit steigender Einwohnerzahl verfügt die Kommune auch über eigenes Verwaltungspersonal, weshalb der eBm auf diese Ressource zurückgreifen kann und nicht alles mit der VG abstimmen muss. Generell zeigen sich die eBm mit der Zusammenarbeit mit der VG zufrieden, jedoch wurde der Personalmangel in der Verwaltung, aber auch ein allgemeiner Fachkräftemangel stark kritisiert. Auf einer strukturellen Ebene fühlen sie sich am stärksten eingeschränkt durch eine bürokratische Überregulierung und eingeschränkte finanzielle Mittel der Gemeinde, während auf der Ebene der persönlichen Begleiterscheinung vor allem weniger Zeit für Familie und Privates bleibt und das Privatleben eher öffentlich wird.
Im Rahmen einer multiplen Regression konnte der Einfluss der verschiedenen Faktoren der Amtsführung analysiert werden. Ein eBm mit hoher Zufriedenheit im Amt ist auch zufrieden mit der Verwaltungszusammenarbeit, schätzt die Entscheidungsmuster im Rat als konkordant ein, hat eine geringe persönliche Belastung und sieht weniger Einschränkungen im Amt.
Anfeindungen erlebten mehr als die Hälfte der eBm im ländlichen Raum. Befragte in größeren Kommunen berichteten eher von diesen Erfahrungen als jene in kleineren. Das Ausmaß der Anfeindungen reicht dabei von persönlichen Beleidigungen und Drohbriefen bis hin zu körperlicher Gewalt oder gar Morddrohungen gegenüber dem eBm oder seiner Familie.
Sowohl bei der Wahlanalyse als auch bei der Befragung zeichnen sich große Nachwuchsprobleme im Amt des eBm ab. So verdeutlichen die Befragungsdaten, dass viele der derzeit aktiven eBm nicht erneut kandidieren möchten. Zusätzlich sehen viele von ihnen keinen potenziellen Nachwuchs. Die Befragten merkten verschiedene Maßnahmen an, um das Amt attraktiver zu gestalten, wobei Unterschiede in der Wahrnehmung zwischen den Geschlechtern und Altersklassen deutlich wurden, weshalb verschiedene Maßnahmen notwendig sind, um unterschiedliche Gruppen anzusprechen.
Auch wenn insgesamt verschiedene Baustellen deutlich wurden, zeigt sich in der Befragung, dass die eBm zufrieden sind mit ihrem Ehrenamt und dieses gerne ausüben. Im Großen und Ganzen scheinen die eBm durchaus gefordert, aber nicht überfordert zu sein. Sie sehen sich als respektierte Gestalter ihrer Gemeinden, auch wenn die Bevölkerung nicht immer Aufgaben und Rolle der Ehrenamtler richtig einordnen kann. Trotzdem wird eine starke Belastung auf verschiedenen Ebenen deutlich, die vom beruflichen bis zum familiären im Privaten verortet ist, aber auch durch bürokratische Verfahren, fehlende Personalkapazitäten und einen hohen Zeitaufwand direkt im Amt begründet sind. Wir konnten also verschiedene Baustellen für eBm identifizieren, an die Handlungsempfehlungen ansetzen können. Um die Attraktivität des Amtes zu erhalten und zu steigern, gibt es aus unserer Sicht mehrere Ansatzpunkte.
(1)
Ehrenamtliche Bürgermeister sollten durch bessere finanzielle Ausstattung und durch Kooperation mit den Verwaltungsgemeinschaften mehr Handlungsspielräume eröffnet werden, um ihre Kommunen mit einem vertretbaren zeitlichen Aufwand zu gestalten. Dabei müssen sie aber auch selbst im Blick behalten, nur das als Gemeinde selbst zu erledigen, was nicht besser auf einer anderen Ebene getan werden kann. Mehr lokale Aufgaben und mehr Personal führen zu einem deutlich gesteigerten Arbeitsaufwand des eBm. Im Bereich KITA-Versorgung kann beispielsweise auch ein freier Träger oder eine auf der Ebene der Verwaltungsgemeinschaft angesiedelte Trägerschaft eine Einrichtung betreiben. Zudem würden stärkere Entbürokratisierungsbemühungen wie z. B. die Vereinfachung von Förderanträgen eBm deutlich entlasten, da sie am meisten unter immer komplexer werdenden Regeln leiden und in der Regel nicht über ausreichend Ressourcen verfügen mit diesen umzugehen.
 
(2)
Für viele eBm stellt auch auf der sozialen Ebene das Anspruchsdenken der Bürger und die Diskussionskultur im Alltag einen Grund dar, nicht erneut zu kandidieren. Hier könnten diskursiv und durch stärkere Aufklärung auf die Aufgaben und Kompetenzen des eBm hingewiesen werden, um eine bessere Kultur und mehr Verständnis für Bürgermeister im Ehrenamt zu etablieren. Die Bürgerschaft sollte ihre Erwartungshaltungen ebenfalls anpassen. Wenn Personen mit Familie und Beruf dieses Ehrenamt ausüben sollen, da sie eine gewünschte Lebenserfahrung einbringen können, muss klar sein, dass diese Personen nicht 24 h sieben Tage die Woche verfügbar sein können. Wenn in diesem Sinne die Vereinbarkeit verbessert werden kann, steigen vielleicht auch die Chancen, mehr Frauen und Personen mit einem anderen Sozialprofil für das Amt zu interessieren.
 
(3)
Wenn eBm Ziel von Angriffen, Hass und Hetze werden, müssen sie bestmöglich davor geschützt werden bis hin zur strafrechtlichen Verfolgung. Aber auch unterhalb dieser Schwelle sollte es Angebote für Betroffene geben, die Hilfe bei der Bewältigung benötigen. Dafür braucht es finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern, daher ist es nicht sinnvoll, wenn bei Unterstützungsangeboten wie „Hate aid“ oder in der politischen Bildung die Bundeszuschüsse gekürzt werden.
 
(4)
Es sollten Vereinfachung der Regelungen der Kommunalverfassungen (z. B. Aufgabenteilung zwischen Gemeinderat, eBm und VG) erfolgen und so zu einer klareren Aufgabenzuteilung führen, um Varianzen der Aufgaben und Zuständigkeiten der eBm zu verkleinern.
 
(5)
Ein Mittel gegen den Nachwuchsmangel wäre die Attraktivität des Amtes zu steigern. Parteien und Wählervereinigungen sollten offener für soziale Gruppen sein, die in ihnen noch nicht vertreten sind (junge Menschen, Migranten, Frauen) und überlegen, wie sie ein breiteres Abbild der Gesellschaft abbilden können. Auch könnte die Vereinbarkeit mit Berufstätigkeit erhöht werden. Dazu gehört auch eine gewisse personelle Verstärkung zur Unterstützung des eBm, wie direkte Ansprechpartner in Verwaltungsgemeinschaften (z. B. Verwaltungs-Lotsen).
 
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Metadaten
Titel
Zusammenfassung und Handlungsvorschläge
verfasst von
Jörg Bogumil
David H. Gehne
Louisa Anna Süß
Copyright-Jahr
2024
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-43894-4_6

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