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Open Access 2024 | OriginalPaper | Buchkapitel

4. Ehrenamtliche Bürgermeister und Wahlen

verfasst von : Jörg Bogumil, David H. Gehne, Louisa Anna Süß

Erschienen in: Ehrenamtliche Bürgermeister in Deutschland

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Die Direktwahl von Bürgermeistern ist bei den hauptamtlichen Amtsinhabern seit Mitte der 1990er-Jahre in Deutschland flächendeckend eingeführt worden. Bei den eBm ist das nicht so, denn in Schleswig-Holstein und in Niedersachsen wurde die Direktwahl nicht eingeführt und die eBm werden weiterhin durch den Rat gewählt. Bisher gibt es keine Forschung zur Direktwahl von eBm, da sich die meisten Wahlanalysen entweder auf einzelne Länder konzentrieren (z. B. Gehne 2008, 2020 für NRW, Klein 2014 für Baden-Württemberg oder Klein und Lüdecke 2018 für Hessen), die keine eBm haben, oder diese nicht einbezogen wurden, oder erst ab einer bestimmten Gemeindegröße Daten gesammelt und ausgewertet wurden (z. B. Holtkamp und Garske 2020 ab 20.000 Einwohnende). Im Rahmen dieses Forschungsprojektes konnte erstmals Direktwahldaten für kleine Gemeinden in sieben von zehn Bundesländern mit eBm gesammelt und systematisch ausgewertet werden. Im folgenden Kapitel werden zunächst die Wahldaten hinsichtlich des Kandidatenangebotes und der Wahlergebnisse bei Direktwahlen der eBm ausgewertet, um abschließend auch im Vergleich zum Forschungsstand bei hBm die Fragen zu diskutieren, wie stark die personelle Parteipolitisierung von Direktwahlen der eBm ausgeprägt ist und ob die Wahlergebnisse Hinweise auf einen Nachwuchsmangel bei eBm liefern. Die ratsgewählten Bürgermeister werden im Weiteren nicht berücksichtigt.
Die Direktwahl von Bürgermeistern ist bei den hauptamtlichen Amtsinhabern seit Mitte der 1990er-Jahre in Deutschland flächendeckend eingeführt worden. Bei den eBm ist das nicht so, denn in Schleswig-Holstein und in Niedersachsen wurde die Direktwahl nicht eingeführt und die eBm werden weiterhin durch den Rat gewählt. Bisher gibt es keine Forschung zur Direktwahl von eBm, da sich die meisten Wahlanalysen entweder auf einzelne Länder konzentrieren (z. B. Gehne 2008, 2020 für NRW, Klein 2014 für Baden-Württemberg oder Klein und Lüdecke 2018 für Hessen), die keine eBm haben, oder diese nicht einbezogen wurden, oder erst ab einer bestimmten Gemeindegröße Daten gesammelt und ausgewertet wurden (z. B. Holtkamp und Garske 2020 ab 20.000 Einwohnende). Im Rahmen dieses Forschungsprojektes konnten erstmals Direktwahldaten für kleine Gemeinden in sieben von zehn Bundesländern mit eBm gesammelt und systematisch ausgewertet werden.1 Im folgenden Kapitel werden zunächst die Wahldaten hinsichtlich des Kandidatenangebotes und der Wahlergebnisse bei Direktwahlen der eBm ausgewertet, um abschließend auch im Vergleich zum Forschungsstand bei hBm die Fragen zu diskutieren, wie stark die personelle Parteipolitisierung von Direktwahlen der eBm ausgeprägt ist und ob die Wahlergebnisse Hinweise auf einen Nachwuchsmangel bei eBm liefern. Die ratsgewählten Bürgermeister werden im Weiteren nicht berücksichtigt.
Die Amtszeit der eBm reicht, wie in Kap. 2 ausgeführt, von 5 Jahren (Rheinland-Pfalz, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern) über sechs (Bayern, Thüringen) bis zu sieben Jahren (Sachsen, Sachsen-Anhalt). In vier Ländern sind die Wahlen der eBm mit den Ratswahlen gekoppelt, in den anderen Ländern finden die Direktwahlen als Einzeltermine zwischen den Ratswahlen statt. Dies hat in der Regel eine deutlich niedrigere Wahlbeteiligung zur Folge als bei gekoppelten Wahlen. In allen Ländern können Parteien und Wählergruppen Kandidierende nominieren sowie Einzelbewerber mit Unterstützungsunterschriften antreten, außer in Bayern, wo keine Einzelbewertungen möglich sind. In allen Ländern gilt im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit als Entscheidungsregel für den Wahlsieg. Falls kein Bewerber oder keine Bewerberin diese erreicht, findet in allen Ländern außer Sachsen eine Stichwahl der beiden Bewerber statt, auf die im ersten Wahlgang die meisten Stimmen entfallen sind. In Sachsen dagegen findet ein zweiter Wahlgang statt, an dem auch mehr als zwei Bewerber aus dem ersten Wahlgang teilnehmen können. In diesem zweiten Wahlgang gewinnt dann der Kandidierende, der die meisten Stimmen erhalten hat (relative Mehrheit).
Ausgehend von der Frage, ob ein Nachwuchsmangel zu beobachten ist, wurde gezielt recherchiert, ob es Regelungen für den Fall gibt, dass keine Kandidatur bei der Direktwahl vorliegt. In Bayern gibt es keine speziellen Regelungen. In Rheinland-Pfalz, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern wird in diesem Fall der eBm vom Rat gewählt. In Sachsen-Anhalt ist explizit festgeschrieben, dass eine neue Wahl stattfinden muss. In Thüringen und Sachsen findet die Wahl auch ohne vorab eingereichte Kandidaturen statt. In Fällen mit einem oder keinem Kandidierenden (sog. Wahlen ohne Bindung an den Wahlvorschlag) enthält der Stimmzettel ein offenes Textfeld, in das von den Wähler Namen eingetragen werden können.
Die Länder haben also unterschiedliche Regelungen gefunden, die dazu führen, dass das Amt besetzt wird, auch wenn es im Vorfeld keine Kandidaturen gibt. Daher haben wir auch keine Fälle gefunden, in denen es zu keiner Besetzung des Amtes des eBm kam, also Positionen dauerhaft frei bleiben.

4.1 Kandidatenangebot, Bedeutung von Parteien und Amtsbonus

Aus dem Forschungsstand ist bekannt, dass bei Direktwahlen der hBm die Anzahl der Kandidierenden und der Anteil der von Parteien nominierten Kandidierenden an allen Kandidierenden mit der Gemeindegröße sinkt (vgl. z. B. für NRW Gehne 2008, S. 197 ff., allerdings kleinste Gemeinde bei knapp unter 5000 Einwohnern). In den teils sehr kleinen Gemeinden mit eBm liegt die durchschnittliche Anzahl der Kandidierenden insgesamt bei 1,7 (vgl. Tab. 4.1).
Tab. 4.1
Überblick zum Kandidatenangebot nach Ländern
Land
Durchschnittliche Anzahl Kandidierender
Anteil ein Kandidierender (in %)
Anteil zwei Kandidierende (in %)
Anteil Partei-kandidierende (in %)
BB
1,6
53,8
33,5
24,1
BY
2
39,1
35,3
56,5
MV
1,6
52,6
35,7
25,1
RP
1,4
69,8
20,3
23,4
SN
1,7
47,7
35,4
23,3
ST
1,9
45,6
28,1
16,3
TH
1,4
67,9
27,4
19,6
Gesamt
1,7
54,4
31,2
30
Quelle: Eigene Darstellung, eBm-Direktwahldatensatz
Etwas höher als der Durchschnitt war der Wert in Bayern mit 2,0 und in Sachsen-Anhalt mit 1,9, deutlich darunter in Rheinland-Pfalz (1,4) und in Thüringen (1,4). In 54 % der untersuchten Gemeinden gab es nur einen Kandidierenden, in weiteren 31 % zwei und in knapp unter 15 % mehr als zwei Kandidierende. Dies bedeutet, dass in mehr als der Hälfte der Fälle keine Konkurrenzsituation besteht und sehr viele Wählende keine Auswahl zwischen verschiedenen Kandidierenden haben. Noch häufiger war dies in Rheinland-Pfalz (70 %) und in Thüringen (68 %) der Fall. Wie weiter oben erläutert, können in Sachsen bei einem Kandidierenden und in Thüringen bei Wahlen ohne Kandidierende in Freitextfelder auf dem Stimmzettel Namen eingetragen werden. In unserer Stichprobe wurde dies in Sachsen in 79 von 125 Fällen genutzt. In keinem dieser Fälle hat dies aber den Wahlausgang wesentlich beeinflusst, da die zusätzlichen eingetragenen Personen meist nur sehr wenige Stimmen bekamen.
Insgesamt waren von allen Kandidierenden nur 30 % von Parteien nominiert worden, nur in Bayern waren es mit 57 % die deutliche Mehrheit. Die niedrigsten Anteile an parteinominierten Kandidierenden gab es in Sachsen-Anhalt mit 16 % und in Thüringen mit 20 %. Dies entspricht der bisher im Forschungsstand gemachten Beobachtung, dass in Ostdeutschland Parteien bei Direktwahlen eine deutlich geringere Rolle spielen als beispielsweise in NRW (Holtkamp 2008, S. 153; Holtkamp und Garske 2020, S. 49). Die personelle Parteipolitisierung bei eBm Direktwahlen ist insgesamt betrachtet sehr niedrig.
Vergleicht man das Kandidatenangebot nach Gemeindegrößenklassen, steigt der Anteil der Parteikandidierenden deutlich mit der Gemeindegröße von 16 % unter 1000 Einwohner auf 70 % zwischen 5000 und 10.000 Einwohnern.2 Außerdem sinkt der Anteil an Gemeinden mit einem Kandidierenden, der Anteil mit zwei steigt leicht an und die durchschnittliche Kandidatenanzahl steigt mit der Gemeindegröße von 1,4 unter 1000 auf 2,7 zwischen 5000 und 10.000 Einwohnern (vgl. Tab. 4.2). Mit steigender Gemeindegröße nähert sich die Wettbewerbssituation auch bei Direktwahlen von eBm langsam den Strukturen an, wie sie für hBm beschrieben worden sind (vgl. z. B. Gehne 2008).
Tab. 4.2
Überblick zum Kandidatenangebot nach Gemeindegrößenklassen
Gemeindegrößenklasse
Durchschnittliche Anzahl Kandidierender
Anteil ein Kandidierender
Anteil zwei Kandidierende
Anteil Parteikandidierende
unter 1000
1,4
69,2
25,6
15,6
über 1000, unter 5000
1,8
43,5
37,3
40,6
über 5000, unter 10.000
2,7
14,4
31,7
69,6
über 10.000, unter 20.000
4,0
0,0
0,0
50,0
Gesamtergebnis
1,7
54,4
31,2
30,0
Quelle: Eigene Darstellung, eBm-Direktwahldatensatz
Wechselt man nun die Perspektive weg von den Kandidierenden und schwenkt auf die Gemeindeebene, lässt sich der Deckungsgrad von Parteikandidaturen vergleichen, d. h. der Anteil der Gemeinden in einem Land mit Kandidatur einer Partei, mit mindestens einer Wählergruppe oder mindestens einem Einzelbewerber (vgl. Abb. 4.1).
Insgesamt gesehen treten in jeweils über 40 % der Gemeinden mindestens eine Wählergruppe oder ein Einzelbewerber an, die CDU/CSU in knapp über dreißig Prozent und die SPD knapp über 10 % der Gemeinden. Einen deutlich höheren Deckungsgrad erreichen Einzelbewerber in Sachsen-Anhalt (88 %), Sachsen (71 %) und Rheinland-Pfalz (67 %). Wählergruppen prägen etwas stärker das Bild in Bayern (63 %), Mecklenburg-Vorpommern (55 %) und Brandenburg (55 %). In allen Ländern hat die CDU/CSU einen deutlich höheren Deckungsgrad als die SPD, die in Ostdeutschland unter den eBm-Kandidierenden nur in Brandenburg präsent ist. Am stärksten parteipolitisiert erscheint das Angebot in dieser Betrachtung in Bayern, die CSU ist in über sechzig Prozent der Gemeinden auf dem Wahlzettel zu finden und auch die SPD in etwas über einem Fünftel (vgl. Abb. 4.2).
Die Kandidatur von Amtsinhabern ist laut Forschungsstand zu hBm ein sehr wichtiger Faktor für den Ausgang von Direktwahlen, da Amtsinhabende eine sehr große Siegchance bei Direktwahlen haben (vgl. Gehne 2008, S. 211; Klein und Lüdecke 2018, S. 138; Holtkamp und Garske 2020). Die Kandidatur eines Amtsinhabers beeinflusst daher auch das Angebot, denn mögliche Kandidierende beziehen den Amtsbonus in ihre Entscheidung zur Kandidatur mit ein und entscheiden sich dann häufig dagegen, da sie sich selbst keine Siegchancen einräumen. Daher ist die Anzahl der Kandidierenden in solchen Fällen oft niedriger als ohne Amtsinhaberkandidatur (Klein 2014, S. 188; Holtkamp und Garske 2020, S. 50).
In etwas über einem Drittel aller Fälle tritt kein Amtsinhaber zur Wahl an. Etwas höher lag dieser Anteil in Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt, niedriger in Brandenburg und Thüringen (vgl. Abb. 4.3). Im Einzelnen war im Rahmen der Recherche nicht feststellbar, warum ein Amtsinhaber nicht mehr antrat. Theoretisch sind die wichtigsten Gründe sicher lange Amtsdauer und höheres Alter und Amtsmüdigkeit bzw. hohe Arbeitsbelastung im Ehrenamt verbunden mit beruflichen Veränderungen (vgl. Kap. 5). Auch hier zeigt sich wieder die besondere Parteipolitisierung in Bayern, dort sind mit Abstand die meisten kandidierenden Bürgermeister von CSU und SPD zu finden und, aufgrund der fehlenden Möglichkeit, als Einzelbewerbende anzutreten, auch der zweithöchste Anteil an Amtsinhaber von Wählergruppen. Die höchsten Anteile an kandidierenden Einzelbewerbenden finden sich in Sachsen-Anhalt, Thüringen und Rheinland-Pfalz. Von Wählergruppen nominierte Bürgermeister traten häufiger in Bayern, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern an.
Die Kandidatur eines Amtsinhabers hat in fast allen Ländern Auswirkungen auf die Konkurrenzsituation. Ohne Amtsinhaberkandidatur gab es durchschnittlich 1,9 Kandidierende, mit 1,5. Noch deutlicher war der Unterschied in Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt zu erkennen, nur geringe Unterschiede des Mittelwertes gab es in Brandenburg und Thüringen. Der Anteil an Amtsinhabern ohne Gegenkandidaten lag insgesamt bei 60 % (vgl. Abb. 4.4), in Fällen ohne Amtsinhaberkandidatur lag der Anteil der Fälle mit einem Kandidierenden bei 45 % (ohne Abbildung). Deutlich unterm Durchschnitt lag der Anteil der eBm in Bayern ohne Konkurrenz (46 %), deutlich darüber der Anteil in Rheinland-Pfalz mit 74 % und in Thüringen (70 %).
In Fällen mit einer Kandidierendenzahl von 1 muss man davon ausgehen, dass es sich nicht mehr um eine kompetitive Wahl handelt, sondern der Wahlgang nur noch der Bestätigung des Gewählten dienen kann und nicht der Auswahl und damit dem Vergleich von Kandidierenden. Die Zustimmung kann allerdings auch verweigert werden, da die Wählenden die Möglichkeit haben, mit „Nein“ zu stimmen und auch in diesen Wahlen eine absolute Mehrheit der Ja-Stimmen erreicht werden muss. Allerdings ist im aktuellen Datensatz kein Fall aufgetaucht, in dem die „Nein“-Stimmen überwogen und deshalb ein Bewerber nicht gewählt wurde.

4.2 Wahlbeteiligung und Wahlergebnisse

Die Wahlbeteiligung bei Direktwahlen ist vor dem Hintergrund des Forschungsstandes abhängig von der Gemeindegröße (je größer, desto niedriger, vgl. Klein 2014, S. 163; Gehne 2008, S. 209) und von der Frage, ob Wahlen gekoppelt sind oder an einem alleinstehenden Termin stattfinden.
Die durchschnittliche Wahlbeteiligung lag bei 64 %. Die Koppelungsthese lässt sich hier bestätigen. In Ländern mit gekoppelter Wahl von eBm und Rat lag die Wahlbeteiligung über dem Durchschnitt, in Ländern ohne Koppelung darunter. Besonders niedrig lag die durchschnittliche Wahlbeteiligung in Sachsen-Anhalt mit 47 % (vgl. Abb. 4.5). Hinsichtlich der Gemeindegröße bestätigt sich die Annahme einer höheren Wahlbeteiligung in kleineren Gemeinden hier. In Gemeinden unter 1000 Einwohnern lag die Wahlbeteiligung bei 66 % und damit etwas höher als der Gesamtanteil von 64 %.
Wie Abb. 4.6 zeigt, spielten Parteikandidierende bei den Wahlsiegern eine untergeordnete Rolle, gut ein Viertel waren von CDU/CSU oder SPD nominiert worden und knapp 5 % von sonstigen Parteien. 37 % traten dagegen als Einzelbewerber zur Wahl an und 33 % wurden von Wählergruppen nominiert. Den höchsten Anteil an parteinominierten Bürgermeistern wies Bayern auf (38 % CSU, 7 % SPD, 8 % Sonstige), den niedrigsten Sachsen-Anhalt (17 % CDU, 1 % SPD, 3 % Sonstige). Bayern hatte außerdem den höchsten Anteil an eBm, die von Wählergruppen nominiert waren (47 %), was mit dem Wahlrecht zusammenhängen wird (keine Einzelbewerbungen möglich). Sachsen-Anhalt hatte den höchsten Anteil an parteiunabhängigen eBm (76 % Einzelbewerber), gefolgt von Rheinland-Pfalz mit 61 %.
Stichwahlen bzw. ein zweiter Wahlgang wie in Sachsen fanden in 139 von insgesamt 1812 Direktwahlen statt. Bezieht man diese Anzahl aber nur auf die Fälle, in denen überhaupt Stichwahlen stattfinden konnten (drei oder mehr Kandidierenden), fanden in 53 % der Wahlen Stichwahlen statt. Dabei handelt es sich überwiegend um Fälle ohne Amtsinhaberkandidatur. Wie ausgeführt haben kandidierende Amtsinhaber eine hohe Wiederwahlchance. Dies bestätigt sich auch bei den eBm. Die Wiederwahlquote insgesamt lag bei 90 % (vgl. Abb. 4.7). Allerdings haben Amtsinhaber, die in eine Stichwahl mussten, eine deutlich niedrigere Wiederwahlquote von 37 %.
Etwas höher lag der Anteil bei von den Wählergruppen Nominierten mit 93 %, etwas niedriger bei von der SPD nominierten eBm (85 %) und der sonstigen Parteien (86 %). Dies überrascht vielleicht noch weniger als ähnlich hohe Erfolgsquoten bei den hauptamtlichen Bürgermeistern, da wie gezeigt knapp 60 % der kandidierenden Amtsinhaber keine Gegenkandidaten hatten.
Obwohl diese Wiederwahlquoten so hoch sind, gibt es trotzdem regelmäßigen Wechsel auf den Bürgermeisterposten. Auf das Gesamtergebnis der analysierten Direktwahlen bezogen, findet in 42 % der Wahlen ein Wechsel an der Stadtspitze statt (Wechselquote), sei es, weil kein Amtsinhaber antrat (35 %) oder ein kandidierender Amtsinhaber abgewählt wurde (7 %). Warum Amtsinhaber nicht mehr antreten, wurde zwar nicht erhoben, aber häufig wohl aus Altersgründen oder aufgrund der hohen Arbeitsbelastung oder Anfeindungen (Vgl. Kap. 5). Außerdem werden sie eben doch abgewählt, wenn auch nicht sehr häufig. Im Rahmen der Wahlanalyse konnte leider nicht erhoben werden, wie lange kandidierende Amtsinhaber zum Zeitpunkt der Wahl bereits im Amt waren. Daher kann auch nicht genau gesagt werden, wie häufig Bürger einer Gemeinde in der Regel einen Wechsel an der Stadtspitze erleben werden.

4.3 Zusammenfassung

Nur eine Minderheit der Kandidierenden bei Direktwahlen der eBm waren von Parteien nominiert worden. Von regionalen Besonderheiten wie in Bayern abgesehen, war die personelle Parteipolitisierung recht gering ausgeprägt. Im Gegenteil sogar, die Direktwahl der eBm ist die Domäne der Einzelbewerbenden und der Kandidierenden von Wählergruppen. Vor allem in Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ist der Deckungsgrad der Einzelbewerbenden sehr hoch, die Hochburgen der Wählergruppen liegen in Bayern, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.
Für das Kandidierendenangebot und das Wahlergebnis ist entscheidend, ob ein Amtsinhaber antritt. Wie gezeigt, beeinflusst die Amtsinhaberkandidatur das Angebot und Amtsinhaber haben eine sehr hohe Wiederwahlchance. Trotzdem findet auch regelmäßiger Wechsel an der Gemeindespitze statt, auch wenn aufgrund fehlender Längsschnittdaten nicht genau gesagt werden kann, wie häufig ein Wählender so einen Wechsel in seiner Gemeinde erleben wird.
Direktwahlen von eBm in eher kleinen Gemeinden sind häufig nicht kompetitiv, in der Mehrheit der Fälle tritt nur ein Kandidat an und wird auch gewählt. Daraus lässt sich jedoch nicht unmittelbar auf einen Nachwuchsmangel bei eBm schließen. Normativ betrachtet kann man es für sinnvoll und notwendig halten, wenn es mehrere Kandidierende bei einer Wahl gibt, da dann ein Vergleich und eine Auswahl aus einem Angebot stattfinden kann, also die Entscheidungsgrundlage breiter ist als bei der Kandidatur einer Person, vielleicht sogar einem Amtsinhaber. Keine Auswahl zu haben ist aber unter den Bedingungen von Freiheit der Kandidatur und vertretbaren Hürden zur Kandidatur keine Hindernisgrund für eine rechtmäßige Durchführung einer Wahl und eine Legitimation des Amtsinhabers, denn das Angebot ergibt sich aufgrund der Kandidaturentscheidungen der möglichen Bewerber. Zu dieser Entscheidung gehört auch die Frage, ob ein Amtsinhaber wieder antritt. Aufgrund der bekannten sehr hohen Wiederwahlchancen von Amtsinhabern kann auch deshalb von einer Kandidatur abgesehen werden. Daher ist das häufige Auftreten von Ein-Kandidierenden-Wahlen auch nicht zwingend ein Indikator für Nachwuchsmangel in der Wahlarena, da aufgrund der Direktwahlanalyse nicht unterschieden werden kann, was die Ursache für eine nicht-kompetitive Wahl ist: fehlender Nachwuchs oder eine Entscheidung gegen eine Kandidatur aufgrund mangelnder Erfolgsaussichten?
Ein Hinweis für Nachwuchsmangel aus der Wahlarena findet sich aber dort, wo der Rat anstelle der Bürgerschaft wählt, wenn keine Kandidaturen vorliegen. Bei der Kommunalwahl 2019 in Rheinland-Pfalz gab es in 456 von 2260 Städten und Gemeinden in Rheinland-Pfalz (20 %) keine Kandidatinnen oder Kandidaten für die Direktwahl der Bürgermeister, sodass in diesen Fällen die Bürgermeister vom Rat gewählt werden mussten.3 Daher wurden diese Fälle auch nicht im Direktwahldatensatz erfasst. Dies war im Vergleich zu 2014 eine Steigerung um 3 Prozentpunkte. Zwar bleibt der Bürgermeistersessel nicht frei, aber offenbar wollte niemand in den recht kleinen Gemeinden sich bei der Direktwahl bewerben und einen Wahlkampf auf sich nehmen.
Open Access Dieses Kapitel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Fußnoten
1
Ausgeklammert wurde Baden-Württemberg aufgrund der sehr geringen Anzahl an Gemeinden mit eBm. In Schleswig-Holstein und Niedersachsen finden keine Direktwahlen statt.
 
2
Zwischen 10.000 und 20.000 Einwohnern gibt es nur acht Städte und Gemeinden mit eBm, diese sind nicht typisch für eBm und werden hier nur der Vollständigkeit halber aufgeführt.
 
3
Pressemitteilung des Landeswahlleiters Rheinland-Pfalz vom 24.09.2019 https://​www.​wahlen.​rlp.​de/​de/​service/​presse/​einzelansicht/​news/​detail/​News/​103/​ (12.12.2022).
 
Literatur
Zurück zum Zitat Gehne, D. H. (2008). Bürgermeisterwahlen in Nordrhein-Westfalen. Stadtforschung aktuell Band 111. Wiesbaden: Springer Gehne, D. H. (2008). Bürgermeisterwahlen in Nordrhein-Westfalen. Stadtforschung aktuell Band 111. Wiesbaden: Springer
Zurück zum Zitat Holtkamp, L. (2008). Kommunale Konkordanz- und Konkurrenzdemokratie. Parteien und Bürgermeister in der repräsentativen Demokratie. Wiesbaden: Springer Holtkamp, L. (2008). Kommunale Konkordanz- und Konkurrenzdemokratie. Parteien und Bürgermeister in der repräsentativen Demokratie. Wiesbaden: Springer
Zurück zum Zitat Holtkamp, L., & Garske, B. (2020). Der Einfluss von Amtsinhaberkandidaturen und des parteipolitischen Hintergrundes auf die Direktwahl des (Ober-) Bürgermeisters – Eine vergleichende Analyse bundesdeutscher (Ober-) Bürgermeisterwahlen. In B. Egner, & D. Sack (Hrsg.), Neue Koalitionen – alte Probleme, Stadtforschung aktuell, (S. 37–58) Holtkamp, L., & Garske, B. (2020). Der Einfluss von Amtsinhaberkandidaturen und des parteipolitischen Hintergrundes auf die Direktwahl des (Ober-) Bürgermeisters – Eine vergleichende Analyse bundesdeutscher (Ober-) Bürgermeisterwahlen. In B. Egner, & D. Sack (Hrsg.), Neue Koalitionen – alte Probleme, Stadtforschung aktuell, (S. 37–58)
Zurück zum Zitat Klein, A. (2014). Bürgermeisterwahlen in Baden-Württemberg. Wahlbeteiligung, Wahltypen und Sozialprofil. Stuttgart: Kohlhammer Klein, A. (2014). Bürgermeisterwahlen in Baden-Württemberg. Wahlbeteiligung, Wahltypen und Sozialprofil. Stuttgart: Kohlhammer
Zurück zum Zitat Klein, M., & Lüdecke, Y. (2018). Ent-Parteipolitisierung und faktischer Konkurrenzausschluss bei Bürgermeister- und Landratswahlen. Eine empirische Analyse für Hessen (1993–2017). Zeitschrift für Politikwissenschaft 28, 125–146CrossRef Klein, M., & Lüdecke, Y. (2018). Ent-Parteipolitisierung und faktischer Konkurrenzausschluss bei Bürgermeister- und Landratswahlen. Eine empirische Analyse für Hessen (1993–2017). Zeitschrift für Politikwissenschaft 28, 125–146CrossRef
Metadaten
Titel
Ehrenamtliche Bürgermeister und Wahlen
verfasst von
Jörg Bogumil
David H. Gehne
Louisa Anna Süß
Copyright-Jahr
2024
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-43894-4_4

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