1 Einleitung
1.1 Spezifika des Pflegeberufs
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den Kommunikationsprozess zwischen Pflegebedürftigen und Pflegenden in der Interaktionsarbeit Pflege (Böhle et al. 2014) nicht aus dem Blick zu verlieren,
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relevante Akteur*innen aus der Pflege zu beteiligen,
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und die arbeitsentlastende Einbindung neuer Technologien in pflegerische Arbeits- und Organisationsprozesse rechtzeitig und ausreichend zu berücksichtigen (Fuchs-Frohnhofen et al. 2018, S. 3 ff.).
1.2 Die Untersuchung von Nutzungsintention einer digitalen Pflegetechnologie anhand eines Fallbeispiels
2 Theoretische Fundierung
2.1 Technologieakzeptanzmodelle
2.2 Technikakzeptanz in der Pflege
3 Herleitung Forschungsmodell und Hypothesen
3.1 Übertragung klassischer Technologieakzeptanzfaktoren auf den konkreten ambulanten Pflegekontext
Nr. | Item | Faktorzugehörigkeit der Items im Modellstrang Technikakzeptanz |
---|---|---|
1 | Ich bin neugierig auf den Einsatz von Technik in der (ambulanten) Pflege | Neugierde |
2 | Ich mache mir oft Sorgen darüber, dass mich neue technische Geräte überfordern könnten | Angst |
3 | Ich wollte mich schon früher mit dem Einsatz von Technik in der (ambulanten) Pflege beschäftigen | Neugierde |
4 | Wenn ich ein neues technisches Gerät verwenden soll, bin ich erst mal misstrauisch | Angst |
5 | Ich bin bestrebt mehr über den Einsatz von Technik in der (ambulanten) Pflege zu erfahren | Neugierde |
6 | Mir fällt es schwer technischen Geräten zu vertrauen | Angst |
7 | Mich hat die Verwendung von Technik in der Pflege schon immer interessiert | Neugierde |
8 | Die Vorstellung, bei der Verwendung technischer Geräte etwas falsch zu machen, macht mir Angst | Angst |
9 | Im Laufe meines Lebens habe ich mir viel technisches Wissen angeeignet | Interesse |
10 | Ich versuche stets aktuelle Informationen über neue technische Entwicklungen in der Pflege zu bekommen | Interesse |
11 | Ich erwarte, dass die Anwendung der textilen Sensormatte die ambulante Pflegesituation für mich als Pflegekraft komfortabler macht | Nützlichkeit |
12 | Ich denke, dass die Nutzung der textilen Sensormatte mit einem gewissen Risiko verbunden ist | Skepsis |
13 | Ich erwarte, dass die Anwendung der textilen Sensormatte leicht verständlich ist | Benutzerfreundlichkeit |
14 | Wenn ein neues technisches Gerät für die Pflege auf den Markt kommt, informiere ich mich darüber | Interesse |
15 | Wenn ein neues technisches Gerät für die Pflege in meiner Pflegeeinrichtung angeschafft wird, informiere ich mich darüber | Interesse |
16 | Ich denke, dass die textile Sensormatte mir hilft, meine täglichen Aufgaben in der ambulanten Pflege bequemer zu erledigen | Nützlichkeit |
17 | Ich denke, dass die textile Sensormatte Gefahren für mich birgt | Skepsis |
18 | Ich denke, dass die Anwendung der textilen Sensormatte insgesamt einfach ist | Benutzerfreundlichkeit |
19 | Ich denke, dass sich die textile Sensormatte finanziell fast jeder Pflegedienst leisten könnte | Zugänglichkeit |
20 | Ich denke, dass sich die textile Sensormatte finanziell alle zu pflegenden Personen leisten könnten | Zugänglichkeit |
21 | Auf Basis der mir vorliegenden Informationen würde ich meinen zu pflegenden Personen empfehlen, sich die textile Sensormatte anzuschaffen | Nützlichkeit |
22 | Ich denke, dass die Sensormatte meinen Arbeitsalltag stört | Skepsis |
23 | Ich denke, dass die Anwendung der textilen Sensormatte kompliziert ist | Benutzerfreundlichkeit |
24 | Ich denke, dass die textile Sensormatte grundsätzlich für jeden erhältlich ist | Zugänglichkeit |
25 | Ich denke, dass die Sensormatte nicht für jede zu pflegende Person verwendbar ist | Zugänglichkeit |
26 | Ich denke, dass die textile Sensormatte mich dabei unterstützt, meine alltäglichen Aufgaben in der ambulanten Pflege zu erfüllen | Nützlichkeit |
27 | Ich denke, dass die Anwendung der textilen Sensormatte mir mehr Nachteile als Vorteile bringt | Skepsis |
28 | Ich denke, dass die Anschaffung der textilen Sensormatte mit wenig Aufwand verbunden ist | Zugänglichkeit |
29 | Ich informiere mich über technologische Entwicklungen | Interesse |
30 | Ich würde die textile Sensormatte in meinem Arbeitskontext anwenden | Nutzungsintention |
31 | Ich würde die textile Sensormatte in meinem privaten Kontext anwenden | Nutzungsintention |
32 | Ich wünsche mir, dass eine textile Sensormatte in meinem Arbeitskontext der ambulanten Pflege angeschafft wird | Nutzungsintention |
33 | Ich hätte gerne Zugang zu einer textilen Sensormatte für den Pflegekontext | Nutzungsintention |
34 | Ich hätte gerne Zugang zu einer textilen Sensormatte im privaten Kontext | Nutzungsintention |
3.2 Herleitung der Faktoren zur konkreten Pflegesituation am Fallbeispiel:
Die Pflegekräfte kommen zu den Pflegebedürftigen nach Hause und führen dort die Grundversorgung durch. In einer bisherigen Pflegesituation liegen dem Pflegepersonal bisher die Stammdaten, Diagnosen und evtl. Pflegeberichte aus den vorherigen Tagen vor. Aktuelle Vitaldaten und Bewegungsprofile müssen entweder erhoben oder durch Begutachtung des Körpers bewertet werden oder können nicht in die Pflegesituation miteinbezogen werden. Durch den Einsatz einer digitalen Technologie wie z. B. eine textile Sensormatte können die Pflegekräfte mit elektronischen Daten über die Pflegebedürftigen informiert werden. Für die Pflegesituation werden dann drei Zeiträume relevant: (1) vor der Ankunft bei der pflegebedürftigen Person, (2) während der Tätigkeit vor Ort, (3) nach Abfahrt der Pflegekraft. Die relevanten Daten könnten entweder kontinuierlich oder punktuell (z. B. unmittelbar vorher/nachher oder ausschließlich während der Pflegesituation) übermittelt bzw. abgerufen werden.
Nr. | Item | Faktorzugehörigkeit der Items im Modellstrang Pflegesituation |
---|---|---|
Vor Ankunft bei den zu pflegenden Personen: | ||
1 | Ich habe genügend Zeit mich auf die zu pflegenden Personen vorzubereiten | Zeit |
2 | In der aktuellen Pflegesituation liegen mir vor der Ankunft bei der zu pflegenden Person Informationen zur Bewegungsintensität seit dem letzten Besuch des Pflegedienstes vor | Vorbereitung |
3 | In der aktuellen Pflegesituation liegen mir vor der Ankunft bei der zu pflegenden Person Informationen zu den Vitaldaten seit dem letzten Besuch des Pflegedienstes vor | Vorbereitung |
4 | Ich würde mich gerne besser auf die zu pflegenden Personen vorbereiten | Vorbereitung |
5 | In der aktuellen Pflegesituation liegen mir vor der Ankunft bei der zu pflegenden Person Informationen zu möglicher Nässe im Bett seit dem letzten Besuch des Pflegedienstes vor | Vorbereitung |
6 | Im Vergleich zu meiner aktuellen Arbeitssituation: Zur besseren und individuellen Vor- und Nachbereitung der Pflegesituation würde ich mir vor meiner Ankunft mehr Daten zum Befinden der zu pflegenden Person wünschen (Puls, Atemfrequenz, Bewegungsdaten, Bettnässeinformationen) | Vorbereitung |
7 | In der aktuellen Pflegesituation liegen mir vor Ankunft bei der zu pflegenden Person ausreichend Informationen zu Geschehnissen seit dem letzten Besuch des Pflegedienstes vor | Vorbereitung |
8 | Ich mache mir manchmal Sorgen, was mich bei den zu pflegenden Personen bei der Ankunft erwartet | Stress |
Während der Tätigkeit vor Ort: | ||
9 | In der aktuellen Pflegesituation ist für das Messen des Pulses genügend Zeit vorgesehen | Zeit |
10 | In der aktuellen Pflegesituation ist für das Messen des Körpergewichts genügend Zeit vorgesehen | Zeit |
11 | Bei Wegfall der Messung und Dokumentation von Puls und Körpergewicht, hätte ich spürbar mehr Zeit zur Erfassung anderer relevanter Vitalparameter (wie z. B. Blutdruck, Blutzucker oder Körpertemperatur) | Zeit |
12 | Die Aufzeichnung der Atemfrequenz durch die textile Sensormatte halte ich für eine hilfreiche Funktion in der ambulanten Pflege | Ausstattung |
13 | Ich habe genügend Zeit, um mit den zu pflegenden Personen über alltägliche Dinge zu sprechen | Interaktionsqualität |
14 | Um mit den zu pflegenden Personen auch über die reine Pflege hinaus zu interagieren, fehlt mir häufig die Zeit | Interaktionsqualität |
15 | Ich habe Zeit, um mit den Angehörigen der zu pflegenden Personen in den Austausch zu treten | Interaktionsqualität |
16 | Ich denke, dass ich durch den Einsatz der Sensormatte mehr Zeit für die soziale Interaktion mit den Angehörigen der zu pflegenden Person habe werde | Interaktionsqualität |
17 | Zur Messung einzelner Vitalparameter (z. B. Körpergewicht) fehlen mir vor Ort teils Hilfsmittel oder Geräte | Ausstattung |
18 | Ich kann nachvollziehen, ob sich die zu pflegende Person in meiner Abwesenheit selbstständig umgelagert hat | Informationsstand |
19 | Zur Vorbeugung eines Dekubitus oder anderer chronischer Wunden wünsche ich mir mehr Informationen über das Ausmaß der Bewegungen der zu pflegenden Person | Informationsstand |
20 | Die Bewegungsintensität der zu pflegenden Person in meiner Abwesenheit wird mir häufig von den Betroffenen selbst oder von deren Angehörigen berichtet | Informationsstand |
21 | Die Selbstauskünfte über die Bewegungsintensität der zu pflegenden Personen erscheinen mir als unzuverlässig und verzerrt | Informationsstand |
22 | Zur angemessenen Thromboseprophylaxe sind mehr Informationen über das Ausmaß der Bewegungen der zu pflegenden Personen in meiner Abwesenheit hilfreich | Informationsstand |
23 | Zur Überwachung von gesundheitlichen Veränderungen bzw. der Prophylaxe der zu pflegenden Personen (z. B. Erkennen einer Unterversorgung, Dekubitusvermeidung) genügen die Daten, die ich derzeit ambulant während der Pflegesituation erhebe | Ausstattung |
24 | Bei der Dokumentation der Vitaldaten der zu pflegenden Personen habe ich Sorgen etwas zu vergessen oder falsch einzutragen | Stress |
Nach Abfahrt der Pflegekraft: | ||
25 | Nach der Versorgung und Abfahrt mache ich mir oft Gedanken über den Zustand der zu pflegenden Personen | Stress |
26 | Mir fehlt die Möglichkeit, nach Abreise in kritischen Gesundheitssituationen bestimmte Vitaldaten der zu pflegenden Personen beobachten zu können | Informationsstand |
27 | Die Möglichkeit zur dauerhaften Überwachung der Vitaldaten aller zu pflegenden Personen nach der Abreise würde bei mir Stress auslösen | Stress |
28 | Die Möglichkeit zur dauerhaften Überwachung der Vitaldaten aller zu pflegenden Personen nach der Abreise würde bei mir ein beruhigendes Gefühl auslösen | Stress |
29 | Die Möglichkeit zur Überwachung der Vitaldaten einzelner zu pflegenden Personen in kritischen Situationen würde bei mir Stress auslösen | Stress |
30 | Die Möglichkeit zur Überwachung der Vitaldaten einzelner zu pflegenden Personen in kritischen Situationen würde bei mir ein beruhigendes Gefühl auslösen | Stress |
31 | Ich wäre beruhigter, wenn ich wüsste, dass in bestimmten Situationen die Angehörigen oder ein Notdienst durch ein Alarmsystem benachrichtigt werden würden | Stress |
32 | In der aktuellen Pflegesituation verlasse ich die zu pflegenden Personen häufig mit einem unguten Gefühl | Stress |
33 | Stellen Sie sich bitte vor, dass Sie als Pflegekraft bei der Abfahrt entscheiden sollen, ob eine zu pflegende Person wegen eines kritischen Zustands durch die Daten der Sensormatte überwacht werden soll. Diese Entscheidung zu treffen, löst in mir Unbehagen aus | Stress |
34 | Ich halte die Sensormatte für ein nützliches Hilfsmittel um Inkontinenz besser diagnostizieren zu können | Ausstattung |
35 | Mit der mir aktuell möglichen Gesamtpflege der zu pflegenden Personen bin ich zufrieden | Stress |
3.3 Hypothesenformulierung
Nr. | Hypothese | Erläuterung |
---|---|---|
H1 | Technikakzeptanz hat einen positiven Effekt auf die Nutzungsabsicht der Pflegekräfte bezüglich der entwickelten Sensormatte | |
H1a | Neugierde hat einen positiven Effekt auf die Technikakzeptanz der Pflegekräfte | Im TAM wird Neugierde als eine die Technikakzeptanz befördernde Eigenschaft eines Individuums bezogen auf den Gebrauch einer neuartigen Technologie beschrieben (Davis 1989). Eine vorhandene Neugierde, durch die das Individuum versucht herauszufinden, wie eine neue Technologie funktioniert, reduziert die empfundene Komplexität der Technologienutzung und unterstützt die Überwindung einer potenziellen Technologieängstlichkeit. Im Gegensatz dazu werden Individuen, die eine geringe Neugierde aufweisen, die neue Technologie ggf. als zu herausfordernd oder eine Auseinandersetzung mit ihr als langweilig empfinden (Kothgassner et al. 2012) |
H1b | Technologieängstlichkeit hat einen negativen Effekt auf die Technikakzeptanz der Pflegekräfte | Technologieängstlichkeit beschreibt negative Gefühle oder Assoziationen bezüglich der Nutzung einer neuen Technologie. Sie äußert das Ausmaß der Bedenken oder Ängste des Individuums, wenn es mit der Möglichkeit konfrontiert wird, eine neue Technologie zu nutzen (Venkatesh und Davis 2000) |
H1c | Interesse hat einen positiven Effekt auf die Technikakzeptanz der Pflegekräfte | Neben Neugierde und Technologieängstlichkeit inkludieren Kothgassner et al. (2012) im TUI zusätzlich den Faktor des grundsätzlichen Interesses des Individuums, sich mit einer neuen Technologie auseinanderzusetzen. Dabei wird erfasst, wie viel technisches Wissen ein Individuum generell aufweist und wie hoch die intrinsische Motivation ist, sich über den Fortschritt der Digitalisierung selbstständig zu informieren. Ein solches Interesse/Desinteresse spiegelt sich sowohl im privaten als auch im beruflichen Kontext in der Bereitschaft zur Techniknutzung wider |
H1d | Nützlichkeit hat einen positiven Effekt auf die Technikakzeptanz der Pflegekräfte | Die Nützlichkeit einer Technologie ist definiert als das Ausmaß der Überzeugung eines Individuums, dass die Nutzung des neuen Systems die Ausführung der eigentlichen Aufgabe oder des Verhaltens verbessern wird (Davis 1989). Kothgassner et al. (2012) zeigen eine starke Korrelation zwischen der wahrgenommenen Nützlichkeit und der die Nutzungsabsicht bedingenden Technikakzeptanz |
H1e | Skepsis hat einen negativen Effekt auf die Technikakzeptanz der Pflegekräfte | Skepsis wird als das Risiko oder die Unsicherheit beschrieben, die mit der Nutzung einer neuen Technologie verbunden ist. Auf einer individuellen Ebene geht es um den Zweifel, ob die betreffende Technologie bei der Erfüllung einer Aufgabe hilfreich ist oder nicht |
H1f | Benutzer*innenfreundlichkeit hat einen positiven Effekt auf die Technikakzeptanz der Pflegekräfte | Venkatesh und Davis (2000) beschreiben Benutzer*innenfreundlichkeit als das Ausmaß, in dem eine Person glaubt, dass die Benutzung des Systems mühelos sein wird. Sie hat einen starken Einfluss auf die Nutzungsabsicht, da sie mit dem Stresserleben im Nutzungsprozess korreliert (Kothgassner et al. 2012) |
H1g | Zugänglichkeit hat einen positiven Effekt auf die Technikakzeptanz der Pflegekräfte | Zugänglichkeit bezieht sich auf die Verfügbarkeit und Bequemlichkeit der Anschaffung einer neuen Technologie (Kothgassner et al. 2012). Im Kontext der ambulanten Pflege bedeutet dieser Faktor also, wie Pflegekräfte die Finanzierbarkeit und Beschaffung einer Technologie entweder seitens der Pflegedienste oder seitens der zu Pflegenden selbst einschätzen. Sofern dieser Anschaffungsprozess als kompliziert und nicht finanzierbar erachtet wird, reduziert dieser Faktor die Technikakzeptanz, wohingegen eine gute Zugänglichkeit sich als förderlich erwiesen hat (Kothgassner et al. 2012) |
Nr. | Hypothese | Erläuterung |
---|---|---|
H2 | Eine erwartete Verbesserung der Pflegesituation hat einen positiven Effekt auf die Nutzungsabsicht der Pflegekräfte bezüglich der entwickelten Sensormatte | Aus den qualitativen Informationen des Workshops zur Pflegesituation wird abgeleitet, dass die erwartete Verbesserung der Pflegesituation einen positiven Einfluss auf die Nutzungsabsicht der digitalen Pflegetechnologie, also der betrachteten Sensormatte, hat |
H2a | Ausreichend Zeit während der Pflege hat einen positiven Effekt auf die Qualität der aktuellen Pflegesituation | Durch den allgegenwärtigen Fachkräftemangel im Pflegesektor herrscht sowohl im stationären als auch im ambulanten Pflegebereich starker Zeitdruck für die Pflegearbeit. Eine Schicht im ambulanten Pflegedienst gestaltet sich durch eine abzufahrende Klient*innen-Route mit im Vorfeld festgelegten Zeitintervallen, die die Pflegekräfte bei den zu Pflegenden für die vereinbarten Leistungen zur Verfügung haben. Dabei sind die Zeitressourcen gesetzlich durch die Pflegezeitbemessung geregelt (Buchmann 2014). Ein Zeitverzug durch unerwartete Zwischenfälle im Pflegeplan wirkt sich negativ auf die Pflegesituation aus, da er sowohl für das Pflegepersonal als auch für die zu pflegenden Personen Stress erzeugt. Das aktuelle Zeitbudget und die erwartete Veränderung unter Nutzung einer neuen Technologie müssen auf faktorieller Ebene für die untersuchte Fragestellung also mitbetrachtet werden |
H2b | Stress hat einen negativen Effekt auf die Qualität der aktuellen Pflegesituation | Zeitdruck ist nicht der einzige wiederkehrende, stresserzeugende Faktor für Pflegekräfte im ambulanten Dienst. Die Ungewissheit über den Gesundheitszustand der Gepflegten in der Abwesenheit des Pflegepersonals hat eine weitere maßbegliche Auswirkung auf das Stressempfinden der Pflegekraft. Durch die ausschließlich temporäre Betreuung von meist nur wenigen Minuten am Tag und eine eingeschränkte Vorbereitungsmöglichkeit können Sorgen beim Pflegepersonal vor oder nach dem Besuch bei den Gepflegten entstehen. Neue sensorbasierte Technologien können eine bessere Überwachung und Kontrolle des Gesundheitszustands der Klient*innen ermöglichen. In diesem Zusammenhang kann sowohl eine Stressreduktion durch eine Verringerung der Ungewissheit entstehen als auch eine Stresserhöhung durch die Option der durchgehenden Überwachung. Im Falle von Auffälligkeiten müsste von den Pflegekräften eine Reaktion initiiert werden, was wiederum den Personalbedarf und die Arbeitsbelastung erhöhen würde. Dieser Mechanismus wird im vorgeschlagenen Modell als Faktor „Stress“ beschrieben und ist losgelöst vom Zeitdruck als Faktor der psychischen Belastung des Pflegepersonals zu betrachten. Stressende Faktoren vermindern die Pflegequalität und verschlechtern somit die Pflegesituation |
H2c | Eine gute Interaktionsqualität hat einen positiven Effekt auf die Qualität der aktuellen Pflegesituation | Die Interaktionsqualität umfasst neben der körperlichen Pflegearbeit auch das Ausmaß des persönlichen Gesprächs und Austauschs zwischen der Pflegeperson und den Klient*innen (Kumbruck 2010). Darüber hinaus gibt es im Pflegeberuf zusätzlich die Interaktion mit den Angehörigen der Gepflegten, welche häufig im selben Haushalt wohnen und im ambulanten Bereich meist aktiv in der Pflege integriert sind. Durch assistive Technologien, wie die hier beschriebene Sensormatte und die damit verbundene Automatisierung gewisser Pflegeprozesse, zum Beispiel die Messung und Dokumentation von Vitalwerten, bleibt dem Pflegepersonal nach der aktuellen Pflegezeitbemessung mehr Zeitbudget für die soziale Interaktion mit den Klient*innen und deren Angehörigen. Die Erhöhung des Zeitbudgets verbessert wiederum die Interaktionsqualität, die einen positiven Effekt auf die empfundene Qualität der Pflegesituation haben kann |
H2d | Eine gute Ausstattung an verfügbaren Pflegehilfsmitteln hat einen positiven Effekt auf die Qualität der aktuellen Pflegesituation | Im Kontext ambulanter Pflege wird die „Ausstattung“ als verfügbare Pflegehilfsmittel, die den Pflegekräften für die Überwachung und Versorgung der Klient*innen zur Verfügung stehen, beschrieben. Die im Rahmen von DigiKomp-Ambulant entwickelte textile Sensormatte soll als ein solches digitales Hilfsmittel unterschiedliche Vitalparameter automatisiert aufzeichnen und über eine App an die Pflegekräfte zur Überwachung des Gesundheitszustands der Klient*innen vermitteln. Der Faktor der Güte der Ausstattung beschreibt die Ausstattung mit zur Verfügung stehenden Hilfsmittel für den Pflegeprozess bei den Gepflegten zuhause. Gelingt es durch die zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln die pflegespezifischen Bedarfe der ambulanten Pflege zu adressieren, wird der Pflegeprozess vereinfacht. Hilfsmittel verbessern somit die aktuelle Pflegesituation |
H2e | Ein guter Informationsstand über den Gesundheitsstatus der zu Pflegenden hat einen positiven Effekt auf die Qualität der aktuellen Pflegesituation | Der Informationsstand beschreibt den Kenntnisstand der Pflegekräfte von relevanten Ereignissen, wie zum Beispiel das Ausmaß der körperlichen Bewegung der Klient*innen während deren Abwesenheit. Wenn die Pflegetechnologie in der Lage ist, zusätzliche gesundheitsrelevante Informationen zu liefern, dann kann die Pflegekraft den Gesundheitszustand der Klient*innen besser verfolgen und die Pflegesituation zum Wohle der Klient*innen gestalten. Durch einen besseren Informationsstand kann die Pflege darüber hinaus prophylaktisch gestaltet und Spätfolgen, wie z. B. ein Dekubitus resultierend aus mangelnder Lagerung, vermieden werden |
H2f | Das Gefühl auf den Zustand der zu Pflegenden vorbereitet zu sein hat einen positiven Effekt auf die Qualität der aktuellen Pflegesituation | Der Faktor Vorbereitung bezieht sich auf das Ausmaß, inwieweit die Pflegekräfte sich auf die individuellen Klient*innen und deren tagesaktuellen Bedürfnissen vorbereiten können. Da die Sensormatte das Potenzial hat die Vitalwerte der Klient*innen zu überwachen und aufzuzeichnen, kann die Vorbereitungsphase des nächsten Pflegetermins bereits anhand dieser Daten optimiert werden. Durch diese Möglichkeit zur gezielteren Vorbereitung kann der Grad an Unsicherheit für die Pflegekräfte bei Ankunft bei den zu Pflegenden reduziert werden |
4 Methodik
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der PLS-SEM Ansatz ermöglicht ein exploratives Vorgehen. PLS-SEM strebt nicht danach, bereits etablierte Theorien zu untersuchen. Vielmehr ermöglicht PLS-SEM Zusammenhänge zwischen Konstrukten zu erforschen, die noch nicht fundiert untersucht wurden (Hair et al. 2019; Jahn 2007; Richter et al. 2016).
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PLS-SEM ist ein prognoseorientierter varianzbasierter Ansatz, der sich auf endogene Zielkonstrukte im Modell konzentriert. Er zielt darauf ab, deren erklärte Varianz (d. h. ihren R2-Wert) zu maximieren. Neben dem Aufdecken neuer Einflussfaktoren beschäftigt sich diese Arbeit mit einer Prognoserelevanz der eingebundenen, herausgearbeiteten Faktoren. Diese Fähigkeit wird insbesondere dem PLS-SEM Ansatz zugeschrieben (Hair et al. 2019; Jahn 2007).
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Das aufgestellte Messmodell ist ein rein reflektives Messmodell mit einer hohen Anzahl von Faktoren. Für die strukturgleichungsbasierte Untersuchung mit vielen Faktoren wird die Nutzung unter zu Hilfenahme des varianzbasierten Ansatzes ausdrücklich empfohlen (Hair et al. 2019; Jahn 2007; Richter et al. 2016).
5 Ergebnisse
5.1 Bewertung der internen Konsistenz und diskriminanten Validität
Konstrukte | Cronbachs Alpha | CR | AVE |
---|---|---|---|
Nutzungsabsicht | 0,846 | 0,752 | 0,649 |
Technikakzeptanz | 0,758 | 0,797 | 0,612 |
Pflegesituation | 0,711 | 0,719 | 0,551 |
Neugierde | 0,836 | 0,891 | 0,671 |
Technologieängstlichkeit | 0,729 | 0,753 | 0,642 |
Interesse | 0,762 | 0,838 | 0,516 |
Nützlichkeit | 0,874 | 0,914 | 0,727 |
Skepsis | 0,703 | 0,746 | 0,576 |
Benutzerfreundlichkeit | 0,774 | 0,868 | 0,688 |
Zugänglichkeit | 0,743 | 0,829 | 0,749 |
Zeit | 0,716 | 0,798 | 0,530 |
Stress | 0,840 | 0,791 | 0,632 |
Interaktionsqualität | 0,772 | 0,859 | 0,793 |
Ausstattung | 0,780 | 0,856 | 0,548 |
Informationsstand | 0,756 | 0,778 | 0,717 |
Vorbereitung | 0,795 | 0,854 | 0,791 |
Konstrukte | Ausstattung | Benutzerfreundlichkeit | Informationsstand | Intention to Use | Interaktionsqualität | Interesse | Neugierde | Nützlichkeit | Pflegesituation | Skepsis | Stress | Technologieakzeptanz | Technologieängstlichkeit | Vorbereitung | Zeit | Zugänglichkeit |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Ausstattung | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – |
Benutzerfreundlichkeit | 0,500 | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – |
Informationsstand | 0,598 | 0,491 | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – |
Interaktionsqualität | 0,816 | 0,634 | 0,734 | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – |
Interesse | 0,823 | 0,441 | 0,598 | 0,476 | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – |
Neugierde | 0,499 | 0,438 | 0,464 | 0,587 | 0,344 | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – |
Nützlichkeit | 0,685 | 0,561 | 0,516 | 0,844 | 0,291 | 0,615 | – | – | – | – | – | – | – | – | – | – |
Pflegesituation | 0,777 | 0,699 | 0,630 | 0,816 | 0,475 | 0,490 | 0,818 | – | – | – | – | – | – | – | – | – |
Skepsis | 0,490 | 0,489 | 0,611 | 0,670 | 0,579 | 0,465 | 0,480 | 0,641 | – | – | – | – | – | – | – | – |
Stress | 0,714 | 0,726 | 0,527 | 0,747 | 0,518 | 0,329 | 0,588 | 0,829 | 0,586 | – | – | – | – | – | – | – |
Technologieakzeptanz | 0,643 | 0,475 | 0,836 | 0,679 | 0,717 | 0,440 | 0,512 | 0,695 | 0,519 | 0,668 | – | – | – | – | – | – |
Technologieängstlichkeit | 0,779 | 0,804 | 0,639 | 0,190 | 0,512 | 0,764 | 0,398 | 0,791 | 0,656 | 0,582 | 0,673 | – | – | – | – | – |
Vorbereitung | 0,578 | 0,371 | 0,536 | 0,521 | 0,359 | 0,475 | 0,700 | 0,541 | 0,493 | 0,496 | 0,452 | 0,835 | – | – | – | – |
Vorbereitung | 0,514 | 0,327 | 0,771 | 0,320 | 0,645 | 0,454 | 0,258 | 0,351 | 0,849 | 0,284 | 0,476 | 0,405 | 0,361 | – | – | – |
Zeit | 0,623 | 0,226 | 0,566 | 0,361 | 0,727 | 0,214 | 0,165 | 0,324 | 0,839 | 0,198 | 0,529 | 0,297 | 0,229 | 0,697 | – | – |
Zugänglichkeit | 0,510 | 0,468 | 0,363 | 0,665 | 0,394 | 0,412 | 0,386 | 0,744 | 0,453 | 0,611 | 0,444 | 0,842 | 0,590 | 0,240 | 0,265 | – |
5.2 Auswertung des postulierten Modells
Hypothese | Beziehung | Pfadkoeffizient | t-Wert | p-Wert |
---|---|---|---|---|
H1 | Technikakzeptanz (+a) → Intention to Use | 0,761 | 3,566 | 0,012 |
H2 | Pflegesituation (+) → Intention to Use | 0,152 | 3,331 | 0,046 |
H1a | Neugierde (+) → Technikakzeptanz | 0,211 | 3,526 | 0,043 |
H1b | Technologieängstlichkeit (−a) → Technikakzeptanz | −0,124 | 2,061 | 0,026 |
H1c | Interesse (+) → Technikakzeptanz | 0,153 | 3,270 | 0,008 |
H1d | Nützlichkeit (+) → Technikakzeptanz | 0,332 | 3,517 | 0,035 |
H1e | Skepsis (−) → Technikakzeptanz | −0,174 | 2,193 | 0,014 |
H1f | Benutzerfreundlichkeit (+) → Technikakzeptanz | 0,167 | 3,347 | 0,019 |
H1g | Zugänglichkeit (+) → Technikakzeptanz | 0,165 | 3,484 | 0,038 |
H2a | Zeit (+) → Pflegesituation | 0,124 | 3,282 | 0,033 |
H2b | Stress (−) → Pflegesituation | −0,241 | 2,337 | 0,020 |
H2c | Interaktionsqualität (+) → Pflegesituation | 0,292 | 3,488 | 0,005 |
H2d | Ausstattung (+) → Pflegesituation | 0,195 | 3,310 | 0,027 |
H2e | Informationsstand (+) → Pflegesituation | 0,236 | 3,485 | 0,021 |
H2f | Vorbereitung (+) → Pflegesituation | 0,247 | 3,479 | 0,017 |
Konstrukte | Nutzungsabsicht | Pflegesituation | Technikakzeptanz |
---|---|---|---|
Ausstattung | – | 1,859 | – |
Benutzerfreundlichkeit | – | – | 1,741 |
Informationsstand | – | 2,820 | – |
Interaktionsqualität | – | 2,391 | – |
Interesse | – | – | 1,724 |
Neugierde | – | – | 1,965 |
Nützlichkeit | – | – | 1,733 |
Pflegesituation | 1,246 | – | – |
Skepsis | – | – | 2,591 |
Stress | – | 1,950 | – |
Technikakzeptanz | 1,261 | – | – |
Technologieängstlichkeit | – | – | 1,847 |
Vorbereitung | – | 1,913 | – |
Zeit | – | 1,667 | – |
Zugänglichkeit | – | – | 1,962 |
Konstrukte | Nutzungsabsicht | Pflegesituation | Technikakzeptanz |
---|---|---|---|
Ausstattung | – | 0,268 | – |
Benutzerfreundlichkeit | – | – | 0,263 |
Informationsstand | – | 0,274 | – |
Interaktionsqualität | – | 0,289 | – |
Interesse | – | – | 0,252 |
Neugierde | – | – | 0,311 |
Nützlichkeit | – | – | 0,394 |
Pflegesituation | 0,261 | – | – |
Skepsis | – | – | 0,377 |
Stress | – | 0,193 | – |
Technikakzeptanz | 0,427 | – | – |
Technologieängstlichkeit | – | – | 0,365 |
Vorbereitung | – | 0,224 | – |
Zeit | – | 0,215 | – |
Zugänglichkeit | – | – | 0,259 |
Konstrukte | R2 | R2 (adjustiert) |
---|---|---|
Nutzungsabsicht | 0,449 | 0,218 |
Technikakzeptanz | 0,312 | 0,182 |
Pflegesituation | 0,251 | 0,132 |