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28.09.2023 | Energienutzung | Im Fokus | Online-Artikel

Wie die chemische Industrie dekarbonisiert werden kann

verfasst von: Frank Urbansky

3:30 Min. Lesedauer

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Die chemische Industrie verbraucht 450 Terawattstunden Energie. Eine Dekarbonisierung ist dringend nötig: Erdgas könnte durch Wasserstoff ersetzt werden, wie eine aktuelle Studie zeigt.

Der Klimawandel kann nur mit Hilfe verringerter Treibhausgasemissionen abgemildert werden. "Die Reduktion der CO2-Emissionen […] ist wesentlich, um die gesteckten Klimaziele zu erreichen. Dieser Vorgang wird auch als Dekarbonisierung oder Defossilisierung bezeichnet", schreibt Springer-Gabler-Autor Tim Wawer in seinem Buchkapitel Rahmenbedingungen der Elektrizitätswirtschaft auf Seite 4 über diese Transformation.

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Das betrifft auch die chemische Industrie. Sie nutzt fossile Ressourcen wie Erdgas nicht nur zur Energiegewinnung, sondern auch als Ausgangsstoffe für chemische Prozesse. 2021 betrug allein der Energieverbrauch der chemischen Industrie in Deutschland etwa 450 Terawattstunden oder mehr als 20 Prozent des gesamten energetischen Verbrauchs der deutschen Industrie.

Doppelter Wasserstoffbedarf

Angesichts der Notwendigkeit der Defossilisierung steht die Branche vor der Herausforderung, nicht nur alternative Brennstoffe zu finden, sondern auch auf eine alternative Rohstoffbasis umzusteigen. Eine kürzlich von acatech (Deutsche Akademie der Technikwissenschaften) und DECHEMA (Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie) veröffentlichte Analyse zur Verwendung von Wasserstoff in der chemischen Industrie vergleicht mehrere Szenarien, die von verschiedenen Forschungseinrichtungen entwickelt wurden.

Demnach könnte der Wasserstoffbedarf der chemischen Industrie bis zum Jahr 2050 mindestens verdoppelt werden. Einige Szenarien modellieren sogar eine Erhöhung des Bedarfs um das Fünf- bis Siebenfache. Die Defossilisierung der chemischen Industrie ist auch davon abhängig, dass die Standorte der Industrie an Wasserstoff- und CO2-Gasnetze sowie an das Stromnetz angeschlossen sind. Die Infrastruktur für den Transport und die Verteilung von Wasserstoff und erneuerbarem Strom wird daher eine Schlüsselrolle bei der Transformation der chemischen Industrie spielen.

Die chemische Industrie in Deutschland hatte im Jahr 2021 einen Wasserstoffbedarf von 37 Terawattstunden, was etwa 1,1 Millionen Tonnen entspricht. Die in der Metaanalyse untersuchten Szenarien gehen für das Jahr 2050 von einem Wasserstoffbedarf zwischen 80 und 283 Terawattstunden aus. Die große Spannbreite ergibt sich durch die unterschiedliche Gewichtung der verschiedenen Wasserstoffanwendungen in den Szenarien.

Große Bandbreite, viele Szenarien

Die untersuchten Szenarien zeigen, dass in der chemischen Industrie verschiedene Anwendungen für Wasserstoff bestehen:

  1. Aktuell wird bereits eine erhebliche Menge an fossil-basiertem Wasserstoff benötigt, beispielsweise für die Ammoniakproduktion. Diese Bedarfe werden auch zukünftig weiterhin bestehen und erfordern die Bereitstellung von CO2-neutralem Wasserstoff.
  2. Um fossile Rohstoffe in der chemischen Industrie zu ersetzen, können die Fischer-Tropsch-Synthese und der Ausbau der Methanol-to-X-Prozesse eingesetzt werden. Diese Verfahren sind ebenfalls auf Wasserstoff angewiesen. Durch die Fischer-Tropsch-Synthese kann beispielsweise synthetisches Naphtha erzeugt werden, welches fossiles Naphtha als wichtigen stofflichen Rohstoff substituieren kann.
  3. Die chemische Industrie benötigt hohe Mengen an Prozesswärme, insbesondere bei Temperaturen von 300 bis 1.000 Grad Celsius. In Zukunft könnten Wasserstoff oder synthetisches Methan zur Erzeugung von Prozesswärme eingesetzt werden. Insbesondere in Situationen, in denen keine elektrifizierbaren oder biomassebasierten Alternativen verfügbar sind, könnte die Nutzung von Wasserstoffderivaten für die Prozesswärmeerzeugung relevant werden.
  4. Um den Stoffkreislauf zu schließen, ist es wichtig, den Anteil des stofflichen Recyclings von Kunststoffabfällen zu erhöhen. Durch die stoffliche Nutzung von Kunststoffabfällen kann der Bedarf an neuen Kunststoffen und somit an fossilen Rohstoffen reduziert werden. Derzeit werden jedoch noch etwa 65 Prozent der Kunststoffabfälle verbrannt, anstatt sie stofflich zu verwerten. Die Aufbereitung von Kunststoffabfällen und auch biogenen Reststoffen mit Hilfe von Wasserstoff kann dabei eine wichtige Rolle spielen, um fossile Ressourcen zu substituieren.

Das ist auch nötig. "In der Chemieindustrie wird Wasserstoff hauptsächlich zur Hydrierung und Abtrennung von Sauerstoff, Schwefel und anderen Heteroatomen aus Erdöl und zum Hydrocracking, sowie zur Ammoniak- und zur Methanolsynthese eingesetzt", zeigt ein Springer-Vieweg-Autorenkollektiv um Matthias Jahn in seinem Buchkapitel Einsatz von Wasserstofftechnologien in der Industrie auf Seite 83 f. die Alternativlosigkeit des Einsatzes von Wasserstoff in dieser Branche.

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