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28.11.2023 | Globalisierung | Interview | Online-Artikel

"Für Global Champions wird Resilienz immer wichtiger"

verfasst von: Andrea Amerland

6 Min. Lesedauer

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Große Unternehmen agieren weltweit und sind vielen Krisen und Veränderungen unterworfen. Das hat auch Konsequenzen für Leadership und Unternehmensführung. Was das für Global Champions bedeutet, erklärt Jörg Ritter im Gespräch.  

springerprofessional.de: Sie sind (Mit-)Herausgeber des Buches "Leading Global Champions", in dem Sie Interviews mit Führungskräften veröffentlicht haben. Wie definieren Sie Global Champions?

Jörg Ritter: Prof. Hermann Simon, der den Unternehmenstyp Hidden Champions in den 1980-iger Jahren geprägt hat, musste inzwischen mehrfach seine Kriterien anpassen. Von den circa 3.000 sogenannten Hidden Champions zählen wir bereits mehr als 1.000 zu den Global Champions. Diese differenzieren sich von Hidden Champions vor allem dadurch, dass es keine Umsatzlimitation gibt, dass sie intern und extern alles dafür tun, die Unternehmensmarke global bekannt zu machen und durch die Nutzung sozialer Medien auch neue sinnvolle Kommunikationskanäle anwenden können. 

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2023 | Buch

Leading Global Champions

Das CEO-Buch

Dieses Buch zeigt die Entwicklung von Hidden Champions zu Global Champions in Deutschland und Europa und der daraus entstehenden Herausforderungen, die durch deren Chairpersons, CEOs, CFOs und CHROs zu bewältigen waren und zukünftig sind.

Es ist nicht mehr der Unternehmensgründer oder die starke Persönlichkeit, die an der Spitze steht, sondern ein Topmanagement-Team, das von einem CEO geführt und durch eine professionelle Governance begleitet und beaufsichtigt wird, die der Strategie des Unternehmens entsprechend besetzt ist. Ein Kriterium haben Hidden- und Global Champions gemeinsam: dass sie sich mit ihren Produkten und Leistungen in einer globalen Nische bewegen, zur Weltspitze gehören oder die Nummer eins in Europa darstellen. 

Wie haben sich die Rahmenbedingungen für die Unternehmensführung in den letzten Jahren verändert? 

Zunächst waren es Globalisierung und Digitalisierung, danach vielfache Krisen, die in kurzen Zeitsequenzen durch die Governance-Gremien und das Topmanagement zu managen waren und sind. Hinzu kommt die schiere Zahl der Mammut-Projekte, die die Rolle von Führung bei Global Champions verändert haben; die Tatsache, dass Erläutern und Zuhören das neue Durchregieren bedeuten und somit eine größere Nähe zum Unternehmen und zu den Führungskräften und Mitarbeitern geschaffen werden soll sowie die Fähigkeit, in größeren Maßstäben zu denken, das heißt über die Interessen des eigenen Unternehmenszwecks hinweg Führungsentscheidungen zu hinterfragen. 

Was bedeutet das für den CEO?

Durch CEOs wird von solchen Unternehmen öfter verlangt, Haltung zu zeigen und sich bei gesellschaftsbereichsübergreifenden Themen einzumischen. Nicht zuletzt definieren viele CEOs mit ihren Teams veränderte und strategieadäquate Werte, hinterfragen den Sinn von Führung und fordern eine klare Governance ein. Die Erfahrungen der Digitalisierung und zunehmend auch die Einführung von KI-Anwendungen zeigen, dass Topmanagement-Entscheidungen durch kompetente und funktionsübergreifende Teams vorbereitet werden müssen und aktiv eine entsprechende Fehlerkultur im Unternehmen gelebt werden sollte. 

Wie müssen sich Unternehmen transformieren, um diesen neuen Herausforderungen gewachsen zu sein? 

Viele Transformationen werden durch die allgemeinen Trends, die für jedes Unternehmen gelten, notwendig und den veränderten Geschäftssystemen folgen mehr und mehr neue und agile Organisationsstrukturen. Für viele der Global Champions haben sich die Exportanteile auf weit über 50 Prozent ihres Umsatzes entwickelt. Eine der größten Herausforderungen besteht darin, die geopolitischen Veränderungen mit der strategischen Ausrichtung des jeweiligen Unternehmens permanent abzugleichen. Dabei stehen Fragen im Vordergrund wie: Kann man China als systemischen Wettbewerber einstufen? Muss man die USA neu in den Blick nehmen? Kann man auf globale Regeln für Handel und Investitionen vertrauen? Gilt Europa als Teil des Problems oder der Lösung? Wie wird es möglich sein, den Standort Deutschland zu neuer Kraft zu führen und Investitionen im Heimatmarkt auch in der Zukunft tätigen zu können? 

Darüber hinaus müssen wichtige Transformationsthemen durch Eigentümer, Governance-Gremien, Führungskräfte und Mitarbeiter umgesetzt werden. Dazu gehören der Weg zur Industrie 4.0, eine klimaneutrale Industrie zu schaffen, bestehende internationale Lieferketten zu überdenken, die Breite und Tiefe von Wertschöpfungsketten im deutschen Markt zu hinterfragen und die nahezu tagtägliche Ambiguitäten und Unsicherheiten zu entschlüsseln und zu meistern. 

Welche Implikationen hat das für Führung beziehungsweise die Rolle des CEOs?

Für CEOs und für das C-Level von Global Champions wird das Thema Resilienz immer wichtiger, da sie einer großen wirtschaftlichen Unsicherheit gegenüberstehen und in immer kürzeren Abstand wichtige Entscheidungen treffen müssen. Neun von zehn CEOs stehen nach eigener Aussage im Mittelpunkt eines lautstarken und vielfältigen Stakeholder-Umfeldes. Für die meisten Unternehmenslenker bilden zwar die traditionellen Finanzkennzahlen die wichtigste Entscheidungsgrundlage, viele wissen aber, dass sie ihre Strategie- und Wachstumsziele mit bedeutenden sozialen und ökologischen Beiträgen verbinden und entsprechend der neuen ESG-Kriterien öffentlich kommunizieren müssen. 

Welche Leadership-Fähigkeiten sind dafür nötig?

Es wird für viele CEOs und Topmanagementführungskräfte notwendig, an ihren interpersonellen Fähigkeiten zu arbeiten, etwa Selbstreflektion zu üben, Feedback aktiver einzufordern und den Meinungsaustausch mit Führungskräften und Mitarbeitern zu suchen. Dieser Meinungsaustausch betrifft nicht nur die Mitglieder eigener Gremien, persönliche Mentoren oder andere CEOs, sondern beziehen zunehmend Vertreter der Zivilgesellschaft und anderer Stakeholder ein. Eigenschaften wie Anpassungsfähigkeit, Beziehungsfähigkeit und Selbsterkenntnis sind neben fachlichen und funktionalen Kompetenzen und Erfahrungen die Kriterien, die zukünftig zum Erfolg in diesen verantwortungsvollen Positionen führen werden. 

Wie sollte Executive Education vor diesem Hintergrund aussehen?

Die Weiterbildungslandschaft ist aufgrund vorgenannter Entwicklungstendenzen im globalen Wandel, dabei insbesondere für die C-Suite. Man sieht das auch daran, dass das Thema Weiterentwicklung heute oftmals ein integraler Bestandteil bei Beratungsprozessen ist. Erfahrungslernen und soziales Lernen, Stichwort Experiential Learning, ist ein neues Erfolgsrezept, was nicht immer automatisch mit einem abgeschlossenem Academic Degree verbunden ist. Dazu gehören Formate wie Art Thinking Experience, Flight Simulator Experience, Interactive VR Simulation oder Professional Acting. 

Business Schools und Weiterbildungseinrichtungen, insbesondere für Führungskräfte und Nachwuchsführungskräfte, müssen eine Individualisierung des Lernens ermöglichen, was wiederum eine so genannte Deep Customization voraussetzt. Unternehmen und Weiterbildungseinrichtungen arbeiten viel enger zusammen und konzipieren und realisieren maßgeschneiderte Formate für die Führungsteams von Global Champions. Ein wichtiges weiteres Kriterium besteht darin, mit den neuen Weiterbildungsformaten einen stärkeren Impact erzeugen und belegen zu können. Dazu hat etwa die ESMT Berlin einen Impact Toolkit zur Beurteilung der Effektivität einer Weiterbildungsmaßnahme entwickelt, die bei jedem Format angewendet wird. Diese besteht aus Reaktion, Lernen, Verhalten und Resultate. 

Welchen Rat möchten Sie Unternehmenslenkern in der aktuellen Krisenlage mit auf den Wege geben?

Im Ergebnis der 47 Einblicke in die Führung und Entwicklung von Global Champions wurden sieben Felder des Erfolges analysiert: 

Governance & Stakeholder- Management, Performance & Nachhaltigkeit, Innovation & Technology, Organisation & Talent, Markt, Kunde & Produkt, Wachstum & Internationalisierung. Dabei hat sich in allen Interviews gezeigt, dass Leadership & Kultur das wichtigste Feld darstellt, was auch bereits für Hidden Champions galt, jedoch zumeist in der Ausprägung sehr stark agierender Eigentümer, die zwar einseitig, aber in den meisten Fällen sehr erfolgreich eine Kultur geprägt haben, die letztlich die Voraussetzung zur Entwicklung von späteren Global Champions war. 

Die Schlussbetrachtungen ziehen eine positive Bilanz und zeigen auf, dass die Entwicklung zu Global Champions in starkem Maße auch die Balance von Performance, People & Planet gefördert haben. Diesen Unternehmen geht es nicht in erster Linie um Shareholder Value, sondern um die tägliche Erfüllung der wichtigsten Kriterien, die für Global Champions gültig sind und in diesem Buch herausgearbeitet wurden. Somit liefern Global Champions der Politik und Gesellschaft Beispiele dafür, wie die Menschen die Grundlagen für Leben und Wohlstand erhalten können. 

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2023 | OriginalPaper | Buchkapitel

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Eine Außenperspektive auf Global Champions und ihr Potenzial
Quelle:
Leading Global Champions

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