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07.07.2023 | Investmentgesellschaft | Nachricht | Online-Artikel

Immobilieninvestoren manövrieren in schwierigem Fahrwasser

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

4:30 Min. Lesedauer

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Das herausfordernde wirtschaftliche Umfeld und der durch die Notenbanken eingeleitete Zinserhöhungszyklus hat die Transaktionsvolumen bei Immobilieninvestments deutlich schrumpfen lassen. Mit einer Marktbelebung rechnen Experten erst zum Jahresausklang.

Das Transaktionsvolumen von deutschen Immobilieninvestments beträgt laut der Immobilienberatungsgesellschaft Jones Lang LaSalle (JLL) 14,9 Milliarden Euro im ersten Halbjahr. Damit liegt die Anzahl der Käufe und Verkäufe gewerblicher und Wohnimmobilien auf dem schwachen Niveau des Jahres 2012. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Minus von 59 Prozent. Die Experten von BNP Paribas Real Estate zählten in der ersten Jahreshälfte Investitionen von insgesamt knapp 9,8 Milliarden Euro in gewerblich genutzte Immobilien und Entwicklungsgrundstücke. Das sind 68 Prozent weniger als der Halbjahresrekord aus dem Vorjahr. Das Transaktionsvolumen bei Wohnimmobilien ab 30 Einheiten sei mit zusammen 2,6 Milliarden Euro von Januar bis Juni ebenfalls deutlich unterdurchschnittlich ausgefallen.

Zinserhöhungszyklus bremst Investitionen

"Die Investmentmärkte sind mit einer Reihe unterschiedlicher Einflussfaktoren konfrontiert, die eine ausgesprochen herausfordernde Gemengelage bilden", erklärt Marcus Zorn, CEO von BNP Paribas Real Estate Deutschland. "An erster Stelle zu nennen ist der noch nicht abgeschlossene Zinserhöhungszyklus der Zentralbanken, der sich vor dem Hintergrund der nach wie vor hohen Inflationsraten voraussichtlich auch im zweiten Halbjahr noch fortsetzen dürfte, wenn auch auf moderaterem Niveau." Vor diesem Hintergrund sei die laufende Preisfindungsphase für neue und nachhaltige Kaufpreisniveaus trotz erkennbarer Fortschritte noch nicht abgeschlossen und begrenze den Investmentumsatz. 

"Das rapide Zinswachstum und Banken, die bei der Kreditvergabe zurückhaltend agieren, haben den generellen Ask-Bid-Gap bislang kaum verringert", sagt auch Konstantin Kortmann, Country Leader JLL Germany. "Allerdings sehen wir, dass der Kapitaldruck auf der Verkäuferseite aufgrund der hohen Betriebs- und Refinanzierungskosten stetig steigt. Auf der anderen Seite sind sich viele Käufer in ihren Planungen mittlerweile sicher und nicht bereit, zum weiterhin vielerorts alten Preisniveau einzukaufen."

Unsicherheit bei Büroimmobilien

Zurückhaltung stellen die Experten beider Unternehmen vor allem im Bereich Büroimmobilien fest. Dieser liege laut BNP Paribas RE aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen mit 3,23 Milliarden Euro rund 75 Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum, der allerdings mit einem Rekordumsatz glänzte. Auch wenn Büros mit einem Umsatzanteil von einem Drittel an der Spitze der wichtigsten Assetklassen liegen, habe es vor allem an großvolumigen Transaktionen gemangelt. Im ersten Halbjahr konnten nur sieben Deals im dreistelligen Millionenbereich erfasst werden. In kleinere Objekte bis 25 Millionen Euro wurde fast so viel investiert wie im Vorjahr. Dieses Ergebnis spreche dafür, dass die Preisfindungsphase in den kleineren Preissegmenten bereits weiter vorangeschritten ist als im großvolumigen Bereich.

Für Büroimmobilien herrsche neben der Suche nach dem richtigen Preis auch große Unsicherheit über die künftige Gesamtentwicklung, heißt es bei JLL. Wenig beruhigend seien Nachrichten aus den USA über steigende Leerstände und einer nur sehr schleppenden Rückkehr der Beschäftigten in die Büros der Metropolen. Allerdings sei die dortige Entwicklung nicht mit Europa oder gar Deutschland vergleichbar, was vor allem internationalen Investoren nicht immer bewusst sei. Auch wenn in Deutschland eine Auslese im Büromarkt stattfindet, gehen die Experten davon aus, "dass das Bürosegment auch in Zukunft eines der wichtigsten Segmente im Immobilieninvestmentmarkt bleiben wird."

Deutliche weniger Transaktionen in Metropolen

Dennoch spüren derzeit die großen deutschen Metropolen die Vorsicht der Investoren. "Das Investitionsvolumen in den deutschen A-Standorten Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München, Stuttgart beläuft sich im ersten Halbjahr auf knapp 4,8 Milliarden Euro und verfehlt das Rekordergebnis des Vorjahres um knapp 69 Prozent", betont Nico Keller, Deputy CEO der BNP Paribas Real Estate Deutschland. 

Unangefochten an der Spitze liegt Berlin. Für die deutsche Hauptstadt zählten die Experten ein Transaktionsvolumen von 2,08 Milliarden Euro - ein Minus von 55 Prozent. Auch in der langfristigen Betrachtung schneide die Metropole relativ gut ab, da das Ergebnis nur rund ein Drittel unter dem zehnjährigen Durchschnitt liegt. 

Laut JLL ist hingegen Frankfurt besonders betroffen. Hier habe sich das Vorjahresminus von 84 Prozent gegenüber dem vergangenen Quartal kaum verringert. In Hamburg seien mit rund 740 Millionen Euro zwar gut 100 Millionen Euro mehr verkauft worden als in der Bankenmetropole, aber das Minus liege mit 80 Prozent auf ähnlichem Niveau. 

Investitionsoptionen in einzelne Sektoren

Aufgrund der Unsicherheiten bleibe allerdings bei vielen Investoren Abwarten derzeit das Gebot der Stunde. Dabei biete der Markt aktuell Investitionsmöglichkeiten, insbesondere für eigenkapitalstarke Käufer. "Und in den Sektoren, in denen sich das Repricing bereits deutlicher manifestiert hat, wie zum Beispiel im Einzelhandelssektor, oder bei denen strukturelle Indikatoren für eine hohe Nachfrage sorgen wie Logistik und Wohnen, rechnen wir mit einer leichten Belebung des Marktgeschehens in den nächsten Monaten", sagt Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany. "Unsere Prognose für das Transaktionsvolumen 2023 setzen wir nun bei 40 Milliarden Euro an. Das entspräche in etwa dem Ergebnis des Jahres 2012 und läge um rund 47 Prozent unter dem Zehnjahresschnitt."

"Die aktuellen Investmentumsätze und Rahmenbedingungen sprechen dafür, dass sich die Investmentmärkte auch im zweiten Halbjahr noch in schwierigem Fahrwasser befinden werden. Die Hoffnung auf eine sich schneller rückläufig entwickelnde Inflation, die den Notenbanken mehr Spielräume eröffnen würde, hat sich bislang leider nicht erfüllt", meint Immobilienfachmann Keller. In der Konsequenz spreche alles für weitere, wenn auch voraussichtlich moderate Zinsschritte im zweiten Halbjahr. "Hierdurch verlängert sich auch die Preisfindungsphase, deren Abschluss aber Voraussetzung für mehr Sicherheit und Vertrauen auf Investorenseite und damit eine spürbare Belebung der Investmentmärkte ist."

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