Darmstädter Wissenschaftler gehen dem weltweiten Netzwerk der Kühl- und Gefriertechnik auf den Grund. Ziel ist es, nachhaltigere Lösungen für diese Kryosphäre zu finden. Denn die derzeitigen Technologien sind zu energieintensiv.
Kühl- und Gefriertechniken haben die Welt tiefgreifend verändert. Sie beeinflussen zahlreiche Bereiche unseres Alltags – von der Ernährung über die Gesundheitsfürsorge und Reproduktionsmethoden bis hin zu Wohnraumgestaltung, Telekommunikation, Forschung und Wirtschaftsproduktivität.
Diese Technologien haben ein umfassendes, energieintensives, aber oft übersehenes Netzwerk aus Kühllagern, Kühlketten und klimatisierten Räumen geschaffen, das als künstliche Kryosphäre bezeichnet wird.
Künstliche Kältewelten weitgehend unerforscht
Trotz ihrer tiefgreifenden Einflüsse auf unseren Alltag und die Umwelt bleibt das volle Ausmaß dieser Technologien weitgehend unerforscht. Prognosen zufolge könnte sich der globale Bedarf an Kühlung bis 2050 verfünffachen. Das würde für den Energieverbrauch eine drastische Herausforderung bedeuten. Forscher schätzen, dass dann der weltweite Kühlbedarf den Heizbedarf übersteigt. Die weitverbreiteten bisherigen Kompressionskältetechnologien benötigen etwa das dreifache an Energie für das gleiche Temperaturdelta wie eine Heiztechnologie.
Wissenschaftler der Universitäten in Darmstadt, Paderborn, Essen-Duisburg und Canberra starteten deswegen das Projekt "CultCryo – The Cultures of the Cryosphere". Dabei werden in vier interdisziplinäre Fallstudien in den Bereichen Lebensmittelversorgung, Klimatisierung, Biomedizin und Informatik durchgeführt.
Das Projekt zielt auch darauf ab, das Verständnis der Verflechtungen zwischen der künstlichen Kälteinfrastruktur und kulturellen Praktiken zu vertiefen, um eine bevorstehende Versorgungskrise für Kälte zu verhindern.
Nachhaltigere künstliche Kühlung gesucht
CultCryo soll folgende Ergebnisse liefern: die erste geografische Kartierung der Kryosphäre, eine historische Aufarbeitung ihrer Entwicklung, eine ethnografische Untersuchung ihrer kulturellen Bedeutung sowie eine philosophische und ethische Analyse der zugrunde liegenden Normen und Werte.
Das Projekt will kritische Einblicke in ein dringendes globales Phänomen liefern und gleichzeitig Wege für eine nachhaltigere künstlichen Kühlung aufzeigen.
Der Europäische Forschungsrat ERC hat der TU Darmstadt als Trägereinrichtung einen Synergy Grant in Höhe von etwa 9,9 Millionen Euro bewilligt, wovon 2,8 Millionen Euro auf die TU Darmstadt entfallen. Das sechsjährige Projekt strebt eine umfassende Analyse der weltweiten künstlichen Kühlung an.