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Open Access 06.05.2024 | Praxisberichte

(Selbst‑)Coachingprogramm für Long Covid-Betroffene

verfasst von: Stefanie Nüßlein

Erschienen in: Organisationsberatung, Supervision, Coaching

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Zusammenfassung

Das von der Autorin entwickelte (Selbst‑)Coachingprogramm richtet sich speziell an Personen, die unter den anhaltenden Symptomen von Long Covid leiden. Basierend auf aktuellen Leitlinienempfehlungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Krankheitsbewältigung, begleitet das 8‑Schritte-Programm Betroffene durch verschiedene Phasen ihrer Erkrankung. Das übergeordnete Ziel ist die Förderung des Selbstmanagements im Umgang mit der Erkrankung sowie die Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen. Angesichts der Herausforderungen in der Versorgung von Long Covid-Patient:innen stellt das Programm sowohl für Betroffene als auch für professionelle Coaches im Rahmen von Gesundheitscoachings einen niederschwelligen Zugang zu evidenzbasierten Interventionen dar. Positive Erfahrungsberichte unterstreichen den Nutzen des vorliegenden (Selbst-)Coachingprogramms.
Hinweise

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

1 Einführung

Unter Long Covid werden langanhaltende oder neu auftretende Symptome nach einer Coronainfektion verstanden (World Health Organization 2022). Aktuelle Metaanalysen schätzen die Prävalenzrate von Long Covid auf bis zu 40 % (Chen et al. 2022; Woodrow et al. 2023). Diese Langzeitfolgen gehen oft mit erheblichen Einschränkungen in der Leistungs- und Arbeitsfähigkeit sowie der Lebensqualität der Betroffenen einher (Davis et al. 2021; Decker et al. 2023). Trotz intensiver Forschung stehen bisher keine evidenzbasierten Therapien für Long Covid zur Verfügung (Davis et al. 2023; Koc et al. 2022), und Betroffene haben Schwierigkeiten, angemessene und spezialisierte Hilfe im medizinischen Versorgungssystem zu finden (Reuken et al. 2023; Stengel et al. 2022).
Angesichts dieser Herausforderungen rücken Selbstmanagementansätze und alternative Unterstützungsangebote wie (Gesundheits‑)Coaching zunehmend in den Fokus, um Long Covid-Betroffene im Umgang mit der Erkrankung zu unterstützen. Auf dieser Basis stellt das im Folgenden dargestellte (Selbst‑)Coachingprogramm für Long Covid (Nüßlein 2022) sowohl für Betroffene wie auch für professionelle Akteure einen ganzheitlichen Ansatz zur Förderung des Selbst- und Symptommanagements dar. Es basiert auf theoretischen Modellen der Krankheitsbewältigung und auf empirischen Befunden aus der Forschung zu chronischen Erkrankungen, insbesondere dem Chronischen Fatigue-Syndrom (CFS).
Das 8‑Schritte-Programm verbindet verschiedene psychologische Ansätze wie Psychoedukation, Selbstbeobachtung, Ressourcenaktivierung, Stressbewältigung oder Strategien zur Emotionsregulation, um Betroffene durch verschiedene Phasen der Erkrankung zu begleiten. Damit bietet das hier vorgestellte Programm nicht nur für Betroffene selbst, sondern auch für Coaches eine fundierte Grundlage, um individuelle Bewältigungsstrategien auf behavioraler, kognitiver und emotionaler Ebene zu fördern und damit einhergehend die Gesundheit und die Lebensqualität von Long Covid-Patient:innen zu erhöhen. Seit Juni 2022 wird der Nutzen des Programms von Betroffenen wie von professionellen Akteuren aus der beraterischen Praxis (z. B. im Rahmen von Gesundheitscoachings, psychologischen Beratungen oder psychotherapeutischen Interventionen) durch zahlreiche positive Rückmeldungen bestätigt.

2 Long Covid bzw. Post Covid und seine Folgen

Long Covid ist ein Sammelbegriff für die gesundheitlichen Langzeitfolgen, die sich vier bis zwölf Wochen nach einer Covid-19-Infektion manifestieren oder entwickeln. Halten Symptome länger als drei Monate an und können nicht durch andere Ursachen erklärt werden, sprechen Mediziner:innen von Post Covid (World Health Organization 2022). Dennoch wird in dieser Veröffentlichung sowie im beschriebenen (Selbst‑)Coachingprogramm der allgemein gebräuchliche Begriff Long Covid für alle auftretenden gesundheitlichen Langzeitfolgen infolge einer Corona-Infektion verwendet. Dies umfasst die gesamte Zeitspanne, in der die Symptome auftreten können, sei es direkt nach der akuten Covid-19-Infektion, nach Abklingen mit späterem Wiederkehren oder dem Neuauftreten von Symptomen erst nach Wochen und Monaten (Koczulla et al. 2022).
Zu den häufigsten Symptomen einer Long Covid-Erkrankung zählen anhaltende Erschöpfung (Fatigue), kognitive Beeinträchtigungen wie Konzentrations‑, Wortfindungs- und Gedächtnisstörungen sowie Belastungsintoleranz, auch bekannt als Post-Exertionelle Malaise (PEM; Davis et al. 2021). Dabei erleben Betroffene nach körperlicher, emotionaler oder geistiger (Über‑)Belastung (zum Teil zeitverzögert) eine deutliche Verschlimmerung der Symptome (z. B. Renz-Polster und Scheibenbogen 2022). Weitere Kernsymptome von Long Covid sind Kopfschmerzen, Kurzatmigkeit, Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns, Muskel- und Gelenkschmerzen sowie Brustschmerzen und Herzprobleme (Cabrera Martimbianco et al. 2021; Lopez-Leon et al. 2021). Obwohl bestimmte Symptome häufiger auftreten, lässt sich für Long Covid kein einheitliches Krankheitsbild festlegen. Insgesamt wurden mehr als 200 verschiedene Symptome mit Long Covid in Verbindung gebracht, die sich auf mehrere Körpersysteme gleichzeitig auswirken können (Davis et al. 2021).
Die Häufigkeit von Long Covid bleibt trotz fortlaufender Untersuchungen weiterhin unklar (Robert Koch-Institut 2023). Prävalenzschätzungen variieren aufgrund einer Vielzahl von Faktoren, darunter Unterschiede in den Studienpopulationen, angewandten Erhebungsmethoden oder Kriterien zur Symptombetrachtung (Astin et al. 2023; Cabrera Martimbianco et al. 2021; Robert Koch-Institut 2023). Aktuelle Metaanalysen kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass bis zu 40 % der Corona-Infizierten von Long Covid betroffen sein könnten (Chen et al. 2022; Woodrow et al. 2023). Expert:innen schätzen die tatsächliche Gesamtprävalenz jedoch niedriger, da bisherige Metaanalysen die methodischen Unterschiede zwischen den einzelnen Studien nur begrenzt berücksichtigen (ECDC 2022).
Die Langzeitfolgen können nach unterschiedlichen Schweregraden der Corona-Infektion auftreten, selbst bei symptomfreien oder milden Verläufen (Davis et al. 2023). Dabei zeigt sich, dass Frauen häufiger von Long Covid betroffen sind (Hanson et al. 2022; Tsampasian et al. 2023). Zudem ist eine hohe Prävalenz von Long Covid bei Menschen im erwerbsfähigen Alter festzustellen, insbesondere bei Erwerbstätigen im Alter zwischen 36 und 50 Jahren (Davis et al. 2023). Die Symptome können sich im Verlauf der Erkrankung entweder abschwächen oder zu einer chronischen Erkrankung entwickeln, die mit erheblichen Einschränkungen der Lebensqualität verbunden ist (Logue et al. 2021) und häufig zu Arbeitsunfähigkeit führt (Kedor et al. 2022).

3 Chronische Erkrankungen

Menschen mit chronischen Erkrankungen stehen vor der Herausforderung, eine Erkrankung mit langwierigen Verläufen und damit einen chronischen, wechselhaften Zustand von Krankheit und bedingter Gesundheit zu bewältigen (Schaeffer und Moers 2009). Je nach Krankheitsphase erfordert dies unterschiedliche Anpassungsleistungen nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für deren Angehörige (Corbin 1998). Die konstanten Aufgaben im Umgang mit chronischen Erkrankungen umfassen dabei Selbstbeobachtung, das Monitoring von Symptomen sowie Selbststeuerung und -management (Schaeffer und Moers 2009). Darüber hinaus ist der ständige Wechsel von Stabilisierung und Destabilisierung für Betroffene häufig mit negativen Gefühlen wie Angst, Unsicherheit und dem Gefühl von Kontrollverlust verbunden (Corbin 1998). Chronische Erkrankungen beschränken sich daher selten nur auf körperliche Beschwerden, sondern haben oft auch psychische, soziale und ökonomische Auswirkungen, die wiederum zu einer komplexen Wechselwirkung mit den körperlichen Beeinträchtigungen führen (Schaeffer und Haslbeck 2023).
Ähnliche Beobachtungen wurden auch bei Long Covid-Betroffenen gemacht. Aufgrund der häufig berichteten Symptome von Fatigue, kognitiven Einschränkungen und Belastungsintoleranz wurde frühzeitig eine Verbindung zwischen Long Covid und dem Chronischen Fatigue-Syndrom (CFS) bzw. der Myalgischen Enzephalomyelitis/dem Chronischem Fatigue-Syndrom (ME/CFS) hergestellt (Nath 2020). Verschiedene Studien legen nahe, dass ein beträchtlicher Teil der Long Covid-Patient:innen langfristig die Diagnosekriterien für ME/CFS erfüllt (z. B. Goldberg et al. 2022; Sukocheva et al. 2022). Vor diesem Hintergrund nutzen Wissenschaftler:innen Erkenntnisse aus Studien mit ME/CFS-Patient:innen, um die Forschung zu Long Covid und die Entwicklung wirksamer Therapien voranzutreiben.
Doch auch bezüglich der Ätiologie von ME/CFS besteht weiterhin Forschungsbedarf, und es gibt derzeit keine kausale Therapie für diese chronische Multisystemerkrankung (Scheibenbogen et al. 2023; Yancey und Thomas 2012). Die Behandlung konzentriert sich daher insbesondere auf das Symptommanagement (z. B. Umgang mit Schmerzen oder Schlafstörungen) sowie auf die Prävention psychischer Folgeerkrankungen (Yancey und Thomas 2012). Afari und Buchwald (2003) weisen zudem darauf hin, dass maladaptive Copingstrategien zu einer Verschlechterung der Symptomatik bei ME/CFS-Patient:innen führen kann. Dies unterstreicht den potenziellen Nutzen psychologischer Interventionen bei chronischen Erkrankungen: Auch wenn eine Heilung der zugrundeliegenden Erkrankung durch psychologische Strategien nicht möglich ist, können diese Ansätze genutzt werden, um Betroffene bei der Bewältigung ihrer Erkrankung zu unterstützen.

4 Krankheitsbewältigung

Krankheitsbewältigung kann „als das Bemühen definiert werden, bereits bestehende oder erwartete Belastungen durch die Krankheit innerpsychisch (emotional, kognitiv) oder durch zielgerichtetes Verhalten und Handeln vorbeugend auszugleichen oder ihre Manifestation zu verarbeiten und zu meistern“ (Heim 1998, S. 486f.). Krankheitsbewältigung zielt demnach nicht auf die Beseitigung der Krankheit an sich ab, sondern auf die Reduktion daraus entstehender Belastungen. Allgemeiner formuliert kann Krankheitsbewältigung auch als Copingstrategie verstanden werden. Dabei stellt die Krankheitsbewältigung bei chronischen Erkrankungen kein einmaliges Geschehen dar, sondern einen kontinuierlichen und interaktionalen Prozess der Auseinandersetzung mit der Krankheit und den damit einhergehenden Belastungen.
Nach dem Transaktionalen Stressmodell von Lazarus und Folkman (1984) werden Copingstrategien als Reaktion auf eine belastende Situation wesentlich von kognitiven Bewertungsprozessen gesteuert. Schätzt eine Person ihre aktuelle Situation als bedrohlich ein, erfolgt eine sekundäre Bewertung, in der die eigenen Ressourcen zur Bewältigung der Situation bewertet werden. Mangelnde oder unzureichende Ressourcen können eine Stressreaktion auslösen und Copingprozesse in Gang setzen. Die sekundäre Bewertung hängt dabei unter anderem von der Kontrollierbarkeit und Veränderbarkeit der stressauslösenden Situation ab (Lazarus und Folkman 1987).
Welche Copingstrategien dabei zu einer erfolgreichen Krankheitsbewältigung beitragen, wird in der Wissenschaft kontrovers diskutiert. Grundsätzlich wird angenommen, dass alle Copingstrategien zunächst eine adaptive Funktion haben (Skinner et al. 2003). Die Wirksamkeit hängt jedoch von individuellen Kontextbedingungen und der Berücksichtigung kurz- und langfristiger Outcomes ab (Krämer und Bengel 2016). Somit lassen sich grundsätzlich keine überlegenen Strategien identifizieren (ebd.), doch scheint eine fehlende Auseinandersetzung mit der Erkrankung wenig förderlich zu sein (z. B. De Ridder et al. 2008; Stanton et al. 2007). Diese Erkenntnisse decken sich auch mit den Annahmen von Kübler-Ross (1969), wonach die Anerkennung der Erkrankung eine besondere Herausforderung darstellt. Betroffene neigen dazu, ihre Krankheit zu leugnen und ihr Leben unverändert fortzusetzen, was langfristig zu einem erhöhten Stressniveau und einer schlechteren Anpassung des eigenen Verhaltens an die Krankheitssituation führen kann.
Darüber hinaus können schwerwiegende und chronische Erkrankungen wie Long Covid im Sinne des transaktionalen Modells als Stressor betrachtet werden, der grundlegende individuelle Bedürfnisse bedroht. Insbesondere zu Beginn der Erkrankung verfügen Betroffene häufig nicht über ausreichende oder angemessene Copingstrategien, um adäquat mit der Situation umzugehen (De Ridder et al. 2008). Die schweren Krankheitssymptome führen zusätzlich zu erheblichen Einschränkungen der Funktions- und Leistungsfähigkeit im Alltag, was für viele Betroffene den Verlust identitätsstiftender Aktivitäten wie Arbeit, Hobbies und sozialer Kontakte bedeutet (Kennelly et al. 2023). Diese Situation kann von Betroffenen als ernste Bedrohung der eigenen Identität und des Selbstwertgefühls erlebt werden (Asbring 2001). Vor diesem Hintergrund soll das vorgestellte (Selbst‑)Coachingprogramm Betroffene dabei unterstützen, wirksame Bewältigungsstrategien zu entwickeln, um ihr Verhalten an die Krankheit anzupassen und dadurch einen positiven Einfluss auf den Krankheitsverlauf zu nehmen.

5 (Selbst‑)Coachingprogramm bei Long Covid

Das vorliegende Long Covid-(Selbst‑)Coachingprogramm führt Betroffene in acht Schritten durch verschiedene Phasen ihrer Long Covid-Erkrankung. Das Programm integriert verschiedene psychologische Ansätze, darunter Psychoedukation, Selbstbeobachtung, Ressourcenaktivierung, Stressbewältigung und Emotionsregulation. Dabei werden theoretische Impulse und autobiografische Erfahrungen der Autorin mit praktischen Übungen und der Entwicklung von Handlungsplänen verknüpft. Das übergeordnete Ziel ist es, das Selbstmanagement im Umgang mit der Erkrankung zu stärken und somit Gesundheit und Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
In den ersten Schritten des Programms erlangen Betroffene ein tieferes Verständnis ihrer Krankheitssituation und setzen sich intensiv mit ihren bewussten und unbewussten Erwartungen, Zielen und Werten auseinandersetzen. Dies führt unter anderem zu der Einsicht, welche Überzeugungen und alten Verhaltensmuster möglicherweise zu dysfunktionalen Verhaltensweisen beitragen und dadurch den Genesungsprozess behindern. Später erhalten Betroffene durch angeleitete Übungen und Tipps konkrete Hilfestellungen in ihrem Krankheitsalltag, um mit den eigenen Symptomen besser umgehen zu können und darauf aufbauend ihre körperliche und kognitive Leistungsfähigkeit zu trainieren. Abschließend geht es darum, Stressoren systematisch zu reduzieren sowie die eigenen Ressourcen zu erkennen und weiter aufzubauen. Nachfolgend werden die einzelnen Elemente und Wirkfaktoren der insgesamt acht Schritte des Programms im Detail vorgestellt.

5.1 Annehmen, was ist

Im ersten Schritt „Annehmen, was ist“ werden Betroffene in Anlehnung an die Problemaktualisierung und motivationale Klärung nach Grawe (2004) darin angeleitet, sich bewusst mit ihrer Krankheitssituation und den damit verbundenen Gefühlen auseinanderzusetzen. Betroffenenbeispiele und spezifische Übungen unterstützen die Anwender:innen dabei, ihre eigenen Belastungsgrenzen zu akzeptieren und erforderliche Verhaltensänderungen umzusetzen. Gleichzeitig werden auch dysfunktionale Gedanken und negative innere Glaubenssätze identifiziert und aufgelöst.
Zusätzlich kommen Elemente aus der Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT; Hayes und Smith 2005) zum Einsatz, die nachweislich die psychische Belastung von Menschen mit chronischen Krankheiten reduzieren und ihre Lebensqualität verbessern können (z. B. Kuba und Weißflog 2017; Ma et al. 2023). Darüber hinaus zielt dieser Schritt auf die Stärkung des Selbstwertgefühls der Betroffenen ab, was beispielsweise durch das Reflektieren eigener Stärken und bereits erfolgreich bewältigter Herausforderungen, das Einholen stärkender Rückmeldungen aus dem sozialen Umfeld oder die Entwicklung positiver Selbstaffirmationen erreicht werden kann. Hierdurch soll die Selbstakzeptanz und psychische Widerstandsfähigkeit der Betroffenen gefördert werden, um besser mit den Herausforderungen ihrer Long Covid-Erkrankung umgehen zu können.

5.2 Grenzen spüren und Warnsignale entdecken

Im zweiten Schritt des (Selbst‑)Coachings werden die Betroffenen darin geschult, achtsam die Signale ihres Köpers wahrzunehmen. Aufgrund der Belastungsintoleranz (PEM) kann es bei Betroffenen nach körperlicher, emotionaler oder geistiger (Über‑)Beanspruchung häufig zu einer deutlichen Verschlechterung ihrer Symptomatik kommen (z. B. Renz-Polster und Scheibenbogen 2022). Daher ist ein vorausschauendes Energiemanagement, auch als Pacing bekannt, die zentrale Strategie im Umgang mit PEM (ebd.). Diese Strategie wird im Programm durch angeleitetes Selbstmonitoring mithilfe eines Gesundheitstagebuchs umgesetzt. Durch das tägliche Monitoring können die Betroffenen ein besseres Verständnis dafür entwickeln, in welchen Situationen bestimmte Symptome ausgelöst werden. Zur genauen Analyse der individuellen Krankheitssituation wird in dem Gesundheitsbuch zwischen verschiedenen Arten von Aktivitäten (kognitiv, emotional, physisch) unterschieden, um die Betroffenen für die verschiedenen Belastungsarten zu sensibilisieren. Zusätzlich werden Informationen zu Schlaf, Ernährung und dem Einhalten von Pausen erfasst, um das individuell passende Maß an Belastung und Aktivität sowie mögliche Auslöser für Symptomverschlechterungen zu identifizieren. Die Selbstbeobachtung dient damit als Grundlage für alle weiteren Schritte des Programms.
In den nachfolgenden Schritten des Programms erhalten die Betroffenen gezielte Unterstützung für die unterschiedlichen Phasen der Long Covid-Erkrankung. Dabei werden die Anwender:innen zunächst für bestehende Probleme und Herausforderungen ihrer spezifischen Krankheitssituation sensibilisiert und erhalten anschließend konkrete Ansatzmöglichkeiten zur Bewältigung dieser Probleme. Dadurch sollen die Betroffenen befähigt werden, besser mit den Herausforderungen ihres Krankheitsalltags umzugehen.

5.3 Pausen als Boxenstopp

Der dritte Schritt des (Selbst‑)Coachingprogramms baut auf Schritt zwei auf und hilft Betroffenen dabei, Pausenstrategien zu entwickeln, die ihren individuellen Bedürfnissen entsprechen. Ein gutes Pausenmanagement ist für Long Covid-Patient:innen von besonderer Bedeutung, um eine Überbelastung zu vermeiden und somit das Risiko einer Verschlechterung des Gesundheitszustands zu minimieren (ebd.). Neben psychoedukativen Elementen, die die Bedeutung von Entspannung und Erholung für den Organismus verdeutlichen, beinhaltet dieser Schritt auch die Vorstellung verschiedener Pausenstrategien. Darüber hinaus erhalten Betroffene Unterstützung bei der Auswahl einer für sie geeigneten Strategie, um regelmäßige Pausen in ihren Krankheitsalltag zu integrieren. Das bereits in Schritt zwei eingeführte Gesundheitstagebuch kann weiterhin als Werkzeug genutzt werden, um die Einhaltung von Pausen zu überwachen.
Es kommt jedoch nicht selten vor, dass Long Covid-Patient:innen dazu neigen, sich durch Durchhaltestrategien selbst zu überfordern, was zur Aufrechterhaltung oder sogar Verschlechterung der Symptome führen kann (Kupferschmitt und Köllner 2023). Der Verlust der gewohnten Leistungsfähigkeit kann für Betroffene äußerst belastend sein und sich negativ auf das eigene Selbstbild auswirken. Dies kann wiederum negative Gedanken hervorrufen und das Aufrechterhalten dysfunktionaler Verhaltensweisen fördern. Daher zielt dieser Schritt des Programms darauf ab, negative Gedanken zu identifizieren, die das Einhalten von Pausen behindern können. Im Sinne einer motivationalen Klärung sollen Betroffene sich mit ihren bewussten und unbewussten Zielen und Erwartungen auseinandersetzen (Grawe 2004). Das übergeordnete Ziel besteht darin, sich aktiv die Erlaubnis für Pausen zu geben und somit die Bedeutung von Pausen als notwendigen Bestandteil der Selbstfürsorge zu akzeptieren.

5.4 Schlechte Tage gut überstehen

Im vierten Schritt „Schlechte Tage gut überstehen“ liegt das Hauptaugenmerk auf der Entwicklung von Strategien, um besonders herausfordernde und symptomreiche Tage zu bewältigen. Dabei werden bereits in den vorherigen Schritten erlernte und angewandte Strategien aufgegriffen und erweitert. Im Rahmen einer kognitiven Umstrukturierung werden selbstkritische Kognitionen identifiziert und Betroffene schrittweise darin angeleitet, diese zu modifizieren.
Zusätzlich werden Strategien zur Problemlösung vermittelt, darunter eine realistische Zielsetzung und Zeitplanung sowie die Entwicklung von Routinen. Der Fokus liegt dabei nicht auf der Steigerung der Effizienz, sondern auf der Optimierung des eigenen Energiemanagements. Beispielsweise werden Betroffene durch die Einführung einer neuen Morgenroutine angeleitet, ihre täglichen Ziele stets an das aktuelle Energielevel anzupassen und bei Bedarf Anpassungen vorzunehmen. Dies ermöglicht es den Betroffenen, ihre Energie optimal zu nutzen und eine Überlastung zu vermeiden. Diese Anpassungen können möglicherweise eine Änderung bisheriger Gewohnheiten und Routinen erfordern.
Ein weiterer Aspekt des vierten Schrittes ist die Ressourcenaktivierung (Grawe 2004). Betroffene werden dazu ermutigt, Unterstützung aus dem sozialen Umfeld zu suchen oder bei Bedarf auch professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein zentrales Ziel ist es, das Bewusstsein zu schärfen, dass es vollkommen in Ordnung und wichtig ist, Hilfe zu suchen und anzunehmen. Dies trägt dazu bei, die Bewältigung von schwierigen Tagen zu gewährleisten und ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln.

5.5 In Balance bleiben

Chronische Erkrankungen verlaufen in wechselnden, episodenhaften Phasen, die für Betroffene jeweils emotionale, soziale und körperliche Anpassungsleistungen erfordern (Corbin 1998). Der fünfte Schritt widmet sich daher der Phase von Long Covid, die von Fortschritten in der Genesung geprägt ist. Aufgrund der erzielten Fortschritte besteht eine hohe Gefahr darin, in alte, gewohnte Verhaltensmuster zurückzufallen. Deshalb werden die Betroffenen dafür sensibilisiert, ihre eigenen Grenzen weiterhin im Auge zu behalten, um das Risiko eines Rückfalls zu minimieren. Das übergeordnete Ziel besteht darin, ein individuelles Gleichgewicht zwischen Aktivität und Ruhe zu finden und damit die notwendige Stabilität zu erlangen, um die erzielten Verbesserungen im Gesundheitszustand bestmöglich zu bewahren.
Ansätze wie Psychoedukation und die Sensibilisierung für neue Leistungs- und Belastungsgrenzen spielen hierbei eine wichtige Rolle. Dies kann beispielsweise durch die Analyse der individuellen Leistungs- und Energiekurve erreicht werden. Die Forschung zum Biorhythmus zeigt, dass die Leistungsfähigkeit von Personen im Tagesverlauf interindividuell variiert und wellenförmig verläuft (Sollberger 1971). Auf Grundlage dieser Erkenntnisse werden Betroffene dazu angeregt, ihre individuelle Leistungskurve zu identifizieren und die Gestaltung ihres Tages sowie die Aufteilung von Aktivitäts- und Ruhephasen entsprechend anzupassen. Dies ermöglicht es den Betroffenen, ihre Ressourcen effektiver zu nutzen und ihre Aktivitäten an ihr individuelles Energielevel anzupassen.

5.6 Weiterentwicklung durch Selbsttraining

Wenn Betroffene im Verlauf ihrer Long Covid-Erkrankung ausreichend Stabilität erlangt haben, werden sie im sechsten Schritt des (Selbst‑)Coachingprogramms dabei begleitet, ihre physische und kognitive Leistungsfähigkeit zu trainieren. Wright et al. (2022) konnten zeigen, dass Long Covid-Betroffene ein signifikant reduziertes körperliches Aktivitätsniveau im Vergleich zur Zeit vor der Erkrankung aufweisen. Gleichzeitig führte körperliche Aktivität bei 74 % der Studienteilnehmenden zu einer Verschlechterung der Symptome. Dennoch argumentieren Jimeno-Almazán et al. (2021), dass körperliche Aktivität aufgrund der positiven Auswirkungen auf die kardiovaskuläre, immunologische, respiratorische und neurologische Gesundheit ein wichtiger Bestandteil der Behandlung von Long Covid sein könnte.
Eine erste randomisierte Studie bestätigte diese Annahme und konnte im Vergleich zur Kontrollgruppe positive Veränderungen in der Lebensqualität, Fatigue, depressiven Symptomatik und kardiovaskulären Fitness bei Teilnehmenden eines begleiteten Trainingsprogramms zeigen (Jimeno-Almazán et al. 2022). Diese Befundlage verdeutlicht, dass der Einsatz körperlicher Aktivität bei Long Covid sinnvoll sein kann, jedoch müssen Betroffene dabei sehr achtsam mit ihren eigenen Belastungsgrenzen umgehen. Betroffene sollten erst dann mit dem Selbsttraining beginnen, wenn sie ihre eigenen Belastungsgrenzen gut einschätzen können und ihre grundlegenden Alltagsaktivitäten ohne Symptomverschlechterung bewältigen können.
Um im Selbsttraining ein angemessenes Maß der Belastung zu bestimmen, können Betroffene die Borg-Skala verwenden (Borg 1982), um das subjektiv empfundene Ausmaß der Anstrengung auf einer 10-stufigen Skala einzuschätzen. Im Gegensatz zu gesunden Personen sollten Betroffene zunächst mit sehr geringer Anstrengung trainieren und die Intensität nur sehr langsam steigern. Insbesondere bei starken Funktionseinschränkungen wird Betroffenen geraten, das Selbsttraining in enger Abstimmung mit behandelnden Ärzten, Physio- oder Ergotherapeuten durchzuführen.
Aufgrund von neurokognitiven Störungen bei vielen Long Covid Patient:innen erscheint auch ein Training der kognitiven Fertigkeiten sinnvoll (Hugon 2022). Bei ME/CFS-Patient:innen führte ein kognitives Trainingsprogramm zu Verbesserungen in subjektiv berichteten neurokognitiven Symptomen sowie in objektiven kognitiven Leistungstests (McBride et al. 2017). Im (Selbst‑)Coachingprogramm werden Betroffenen verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, wie kognitive Trainingsübungen leicht in den Alltag integriert werden können. Neben klassischen Spielen wie Memory oder Domino werden auch Handy-Apps vorgestellt, mit denen verschiedene kognitive Funktionen trainiert werden können.
Ähnlich wie beim kognitiven Training muss auch beim Trainieren der körperlichen Leistungsfähigkeit die Belastungsintoleranz gut im Blick behalten werden. Es ist daher wichtig, dass Betroffene behutsam vorgehen und auf ihre körperlichen Warnsignale hören. Im sechsten Schritt soll ein individueller Trainingsplan entwickelt werden, bei dem die ausgewählten Aktivitäten zum individuellen Belastungsniveau passen und Betroffene bei der konkreten Planung und Durchführung der Aktivitäten unterstützt werden. Bei starken Funktionsstörungen wird Betroffenen empfohlen, sich Unterstützung von erfahrenen Neuropsycholog:innen zu holen.

5.7 Stress meistern

Der Schritt „Stress meistern“ des (Selbst‑)Coachings vermittelt Betroffenen grundlegende Kompetenzen der Stressbewältigung (Kaluza 2015). Dabei erfolgt zunächst eine psychoedukative Aufklärung über die Funktion von Stress und seinen Einfluss auf die gesundheitliche Situation im Kontext der Long Covid-Erkrankung. Betroffene werden angeleitet, ihre eigene Stressreaktion zu verstehen und häufige Belastungsfaktoren zu analysieren. Im Sinne des instrumentellen Stressmanagements werden verschiedene Wege aufgezeigt, um Stressoren zu reduzieren oder zu beseitigen, um die eigene Gesundheit zu fördern. Hierbei fließen auch Elemente der vorangegangenen Schritte mit ein: Kognitive Muster, die es Betroffenen erschweren, für Entlastung zu sorgen, werden reflektiert und hinterfragt. Zudem werden verschiedene Strategien vermittelt, die der Regeneration und Regulation der Stressreaktion dienen können.

5.8 Energie-Booster

Im letzten Schritt des (Selbst‑)Coachingprogramms werden Betroffene dabei unterstützt, den Fokus auf die eigenen Stärken und Potenziale zu lenken. Aufgrund der Herausforderungen durch Long Covid bleiben diese oftmals ungenutzt oder werden nicht hinreichend wahrgenommen. Dieser abschließende Schritt zielt darauf ab, diese Dynamik zu verändern, indem Betroffene ihre eigenen Stärken und Ressourcen erkennen und sich selbst positiv erleben (Grawe 2004).
Dies erfolgt beispielsweise durch verschiedene Übungen aus der positiven Psychologie, wie das Führen eines Dankbarkeitstagebuchs oder das Praktizieren einer Loving-Kindness-Meditation. Eine Metaanalyse von Sin und Lyubomirsky (2009) konnte zeigen, dass solche Interventionen das allgemeine Wohlbefinden verbessern und depressive Symptome reduzieren können. Das übergeordnete Ziel besteht darin, das Selbstwertgefühl und damit auch die Widerstandsfähigkeit der Betroffenen zu stärken (Frederickson 2001), um auch zukünftig mit herausfordernden Krankheitssituationen gut umgehen zu können.

6 Diskussion und Fazit

Das hier vorgestellte (Selbst‑)Coachingprogramm stellt einen ganzheitlichen Ansatz zur Förderung der Krankheitsbewältigung bei Long Covid dar. Es vermittelt Betroffenen wissenschaftlich fundiertes Wissen und konkrete Übungen zum Symptommanagement und zur Förderung der mentalen Gesundheit. Die Copingstrategien, die auf behavioraler, emotionaler und kognitiver Ebene ansetzen, können im Sinne des transaktionalen Modells Stressreaktionen im Zusammenhang mit der Long Covid-Erkrankung reduzieren. Darüber hinaus zielt das (Selbst‑)Coaching auch darauf ab, allgemeine Wirkfaktoren zu aktivieren (Grawe 2004). Damit kann das Programm nicht nur als Hilfestellung für die Betroffenen selbst dienen, sondern auch als Orientierungshilfe und Impulsgeber für das soziale Umfeld und für professionelle Akteure, die im Rahmen ihrer beraterischen Praxis mit Long Covid-Betroffenen arbeiten.
Für Coaches eröffnet das Programm eine fundierte Grundlage, um Long Covid-Patient:innen im Rahmen eines Gesundheitscoachings ganzheitlich bei der Krankheitsbewältigung zu unterstützen. Der explizite Gegenstand und das damit vereinbarte Ziel des Gesundheitscoachings umfasst dabei die Förderung der Gesundheit sowie die Unterstützung bei der Bewältigung und Anpassung an die Erkrankung. Dies wird in dem hier dargestellten Programm durch den Einsatz von bewährten Methoden sowie durch das strukturierte, schrittweise Vorgehen erreicht, um auch mittel- und langfristig Veränderungen von Einstellungen und Verhaltensweisen anzustoßen.
Die Aufgaben und Übungen des Programms können im Rahmen von Gesundheitscoachings dazu dienen, die behandelten Zielsetzungen des Coachingprozesses vor- und nachzubereiten. Sie unterstützen z. B. bei der Analyse der Ausgangssituation, der Erprobung von Verhaltensalternativen oder der Verbesserung der Selbstbeobachtung. Das Programm stellt damit eine inhaltliche Vorbereitung für Coaches und andere professionelle Akteure dar und kann auch als Workbook verwendet werden, um Coachees im Anschluss an die durchgeführten Sitzungen zu vertiefenden, explorierenden Übungen im Alltag anzuleiten.
Angesichts der Versorgungsschwierigkeiten von Long Covid-Patient:innen im öffentlichen Gesundheitssystem (Reuken et al. 2023; Stengel et al. 2022) erweist sich in diesem Fall aber auch der Ansatz des Selbstcoachings als besonders passend, da das Selbstcoachingprogramm Betroffenen einen niederschwelligen Zugang zu wissenschaftlich fundierten Interventionen und Informationen bietet. Dies ist besonders relevant, da viele Betroffene unter starken Funktionseinschränkungen leiden. Zusätzlich bietet das Selbstcoaching eine Erleichterung und flexible Alternative zu formalen Coaching- und Behandlungssettings, da eine zusätzliche Beanspruchung durch Termindruck oder Anfahrtswege entfällt und es einigen Betroffenen aufgrund ihrer schwerwiegenden Symptome kaum möglich ist, in einen geplanten Dialogprozess zwischen Coach und Coachee einzusteigen. Der Ablauf des Selbstcoachings unterscheidet sich dabei nicht wesentlich von den Prozessen im dialogischen Coaching, nur fallen dabei die Rollen von Coach und Coachee zusammen (Greif 2008). Die Wirksamkeit von Selbstcoachingansätzen ist bislang noch nicht hinreichend empirisch untersucht (Wolf 2017). Dennoch lassen erste Studien den Rückschluss zu, dass Selbstcoaching für bestimmte Konstrukte förderlich sein kann, z. B. in Bezug auf die Selbstreflexion (Offermanns 2005; Lieser 2012) und Selbstwirksamkeit (Schwamm 2011).
Das (Selbst‑)Coachingprogramm wurde zu einer Zeit entwickelt, in der es über Betroffenenberichte hinaus noch wenig wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse zu Long Covid gab. Trotz der zunehmenden Anzahl an Studien seit der Veröffentlichung des Programms im Juni 2022 gibt es für Betroffene nach wie vor keine therapeutischen oder medikamentösen Behandlungsansätze für Long Covid (Davis et al. 2023). Die Wirksamkeit des (Selbst‑)Coachingprogramms wurde zwar bislang nicht wissenschaftlich validiert, jedoch können die Leitlinienempfehlungen für Long Covid sowie positive Rückmeldungen von Betroffenen als unterstützende Evidenz für seine Wirksamkeit herangenzogen werden.
Aktuelle Leitlinien betonen die Vermittlung von Selbstmanagementstrategien im Umgang mit Long Covid (Koczulla et al. 2022). Die Inhalte des (Selbst‑)Coachings spiegeln diese Leitlinienempfehlungen wider und decken sich weitgehend mit den Empfehlungen für psychotherapeutische Begleitbehandlungen bei Long Covid (Kupferschmitt und Köllner 2023). Darüber hinaus zeigte ein digitales Selbstmanagementprogramm für Long Covid Patient:innen mit Interventionen aus Achtsamkeit, positiver Psychologie und Stressbewältigung in einer Studie von Wright et al. (2022) eine Verbesserung des mentalen Wohlbefindens und der Selbstwirksamkeit. Ähnliche positive Effekte wurden auch in anderen Patient:innenpopulationen durch die Vermittlung von Selbstmanagementstrategien beobachtet (z. B. Bazargani et al. 2011). Daher kann angenommen werden, dass das (Selbst‑)Coachingprogramm durch die Vermittlung von konkreten Bewältigungsstrategien die Selbstwirksamkeit, das Wohlbefinden und die Lebensqualität von Long Covid-Betroffenen verbessern kann.
Positive Rückmeldungen von Long Covid-Betroffenen bestätigen diese Annahme. Sie berichten, dass die Übungen ihnen geholfen haben, „aus der Negativspirale auszusteigen“, neue Verhaltensmuster aufzubauen und neuen Mut und Hoffnung zu schöpfen. Darüber hinaus wird in den Rückmeldungen immer wieder deutlich, dass die direkte Ansprache der Teilnehmenden in den Schritt-für-Schritt-Anleitungen es ermöglichen, eine tragfähige Beziehung zu den Coachees aufzubauen. So lässt sich mit einer verstehenden und unterstützenden Haltung eine kooperative Arbeitsbeziehung schaffen, wie folgende Rückmeldungen verdeutlichen: „Danke für deine Worte. Sie ermutigen, zu akzeptieren und zu hoffen. Feinfühlig und treffend“; „Ich fühle mich so verstanden und habe das Gefühl, zum ersten Mal ernsthaft ganzheitlich und aufgeklärt unterstützt zu werden.“
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das hier vorgestellte (Selbst‑)Coachingprogramm für Long Covid-Patient:innen einen wichtigen Beitrag zur Krankheitsbewältigung und Verbesserung der Lebensqualität leisten kann. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt steht die Forschung zu Long Covid noch ganz am Anfang, und es bleibt unklar, ob und wann eine kausale Behandlung verfügbar sein wird. Angesichts dieser Herausforderungen bietet das Programm professionellen Akteuren auf Basis der aktuell verfügbaren Erkenntnisse einen hilfreichen Leitfaden für ihre beraterische Praxis, um Betroffene darin zu unterstützen, einen schonenden Umgang mit den eigenen Ressourcen zu erlernen und damit einen neuen Weg zurück ins Leben zu finden. Die positiven Erfahrungsberichte unterstreichen den Nutzen dieses Programms zur Unterstützung der Krankheitsbewältigung und Verbesserung des Wohlbefindens von Long Covid-Patient:innen.
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Literatur
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Metadaten
Titel
(Selbst‑)Coachingprogramm für Long Covid-Betroffene
verfasst von
Stefanie Nüßlein
Publikationsdatum
06.05.2024
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
Erschienen in
Organisationsberatung, Supervision, Coaching
Print ISSN: 1618-808X
Elektronische ISSN: 1862-2577
DOI
https://doi.org/10.1007/s11613-024-00886-y

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