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21.06.2022 | Unternehmenskredit | Gastbeitrag | Online-Artikel

Der Status Quo ESG-konformer Kreditprozesse

verfasst von: Anina Kochanek, Michael Wiemker

3:30 Min. Lesedauer

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Risiken im Bereich Environment, Social, Governance, kurz ESG, rücken bei deutschen Banken und Sparkassen immer stärker in den Fokus. Das gilt auch für die Digitalisierung. Eine aktuelle PPI-Studie zeigt den Stand der Umsetzung und des Digitalisierungsgrads im gewerblichen Kreditgeschäft.

Banken und Sparkassen sind ein wichtiger Faktor beim Wandel der Gesellschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit. Vor dem Hintergrund der aktuellen regulatorischen Vorgaben sind die Kreditinstitute angehalten im Rahmen der Kreditvergabe ESG-Aspekte zu berücksichtigen. Das gilt bei der Bereitstellung von Finanzierungen für große Konzerne genauso wie für den Mittelstand. 

Wie viel Einfluss dieses Thema bereits jetzt auf den gewerblichen Kreditprozess hat und wie weit die digitale Transformation grundsätzlich fortgeschritten ist, untersucht die aktuelle Studie "Der gewerbliche Kreditprozess - digital und nachhaltig?" der PPI AG. Dafür befragte das Hamburger Beratungs- und Softwarehaus nach 2017 und 2019 zum dritten Mal deutsche Kreditinstitute zu Abläufen und Verfahren rund um den Gewerbekredit.

Physische Risiken stehen im Vordergrund

Bereits jetzt haben drei Viertel der für die Studie befragten Institute ESG-Kriterien im Produkt- und Serviceangebot implementiert. Mehr als die Hälfte hat dies auch im Risikomanagement getan. Bei der Risikobewertung im Kreditneugeschäft stehen von den Nachhaltigkeitskriterien aktuell noch die klassischen physischen Risiken im Vordergrund. Also einfach gesagt, ob die zu finanzierende Lagerhalle eventuell in einem Hochwassergebiet steht. 

Genossenschaftsbanken und Sparkassen legen zudem einen zusätzlichen Fokus auf die Reputationsrisiken bei beaufsichtigten Unternehmen. Sie orientieren sich dabei an den Standards aus dem Leitfaden der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) zum Thema Nachhaltigkeit. Größere Banken beziehen häufiger weitere Leitlinien mit ein, etwa die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen.

Wissensaufbau fordert Banken

Die eigentliche Herausforderung ist aus Sicht der Finanzdienstleister, das notwendige Know-how der Mitarbeiter sowie geeignete Reporting-Strukturen aufzubauen. Fortbildungen zu ESG werden derzeit vor allem für den Vertrieb durchgeführt. Drei Viertel der Banken sind hier bereits aktiv. 58 Prozent bilden auch schon die Angestellten in der Risikobewertung entsprechend fort.

Möglicherweise ist dies ein Mittel, um den von drei Viertel der befragten Institute erwarteten Mehraufwand bei den Antragsverfahren in Grenzen zu halten. Eine Anpassung ESG-unterstützender Systeme ist dagegen nur bedingt zu erkennen. Gerade einmal acht Prozent der Befragten setzen hier eine Drittsoftware ein. Ein weiteres Viertel plant die künftige Verwendung einer solchen Anwendung. Annähernd 40 Prozent der Institute nutzen dagegen auch für Beurteilung von ESG-Aspekten das eigene Bestandssystem.

Durchlaufzeiten mit Luft nach oben

Die zögerliche Implementierung neuer Anwendungen kann auf der Tatsache beruhen, dass die Finanzdienstleister seit Jahren an der digitalen Transformation ihrer Kreditprozesse arbeiten und dieses Vorhaben nicht noch komplexer machen möchten. Wie weit die Anstrengungen inzwischen gediehen sind, lässt sich gut an den Durchlaufzeiten wichtiger Teilprozesse bei Gewerbekrediten festmachen: Bei nahezu 90 Prozent der befragten Institute beträgt diese im Vertrieb bis zur Erstellung des Erstvotums maximal fünf Tage (siehe Grafik). 

Im Vergleich mit den Ergebnissen der Untersuchung 2019 ist das eine klare Verbesserung, da lag dieser Wert noch bei 60 Prozent. Die anschließende Kreditentscheidung bis hin zum Kreditbeschluss dauert bei 19 Prozent der Finanzinstitute mehr als fünf Tage - eine Verbesserung von einem Prozent gegenüber den Ergebnissen vor drei Jahren. Im letzten Teilbereich, der Kreditgewährung, hat sich die Situation im Vergleich aber sogar verschlechtert: Benötigten 2019 nur zehn Prozent der Banken für diesen Schritt mehr als fünf Tage, sind es aktuell 23 Prozent.

Neuer Schwung nach Covid-19

Ein Aspekt, der diese zögerliche Entwicklung erklären kann, ist die Covid-19-bedingte Verschiebung der Prioritäten bei der Digitalisierung in den Kreditinstituten der beiden vergangenen Jahre. Vor dem Hintergrund war es, zumindest phasenweise, zeitlich nicht realisierbar, neue Systeme einzuführen oder Prozesse anzupassen. 

Dennoch deuten die Ergebnisse der Studie klar darauf hin, dass sowohl an der digitalen Transformation des Kreditgeschäftes als auch an der Integration von ESG-Aspekten sowohl in die Strategie als auch in das Alltagsgeschäft weitergearbeitet wird. Werden beide Vorhaben konsequent weiterverfolgt, bestehen gute Chancen, Synergien zu heben und mit ESG-konformen Prozessen die gesteckten Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

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