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2023 | OriginalPaper | Buchkapitel

6. Zentrale Entwicklungen innerhalb der Finanzwirtschaft

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Zusammenfassung

Die Finanzwirtschaft befindet sich inmitten eines radikalen Umbruchs. Vollkommen veränderte Rahmenbedingungen, die aus den dargestellten Megatrends hervorgehen, stellen Finanzdienstleistungsunternehmen vor neuartige, sich rasant entwickelnde und vielschichtige Herausforderungen. Mit Hinblick auf das Untersuchungsfeld werden innerhalb des Kapitels 6 die zentralen Herausforderungen für die Versicherungsbranche dargestellt. Ferner erfolgt eine Auseinandersetzung mit den Folgen der Automatisierungspotenziale für die Beschäftigten der Versicherungsindustrie. Anschließend werden die wesentlichen Erkenntnisse des Kapitels sowie weitere erwartete Entwicklungen innerhalb der Versicherungsbranche aufgezeigt.

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Fußnoten
1
Unter dem Terminus „Versicherungsunternehmen“ werden in der vorliegenden Arbeit Produzierende bzw. Anbietende von Versicherungsschutz verstanden. Versicherungsunternehmen übernehmen im Gegenzug für eine kalkulierte Prämie das versicherte Risiko von einem Versicherungsnehmenden und sind somit verpflichtet, bei Eintritt eines Versicherungsfalls (Auslösung durch Einwirkung auf versicherte Person bzw. Sache, versicherte Gefahren sowie Folgen durch versicherte Schäden), die zuvor festgelegte Versicherungsleistung (Geld- oder Sachleistung) zu erbringen. Versicherungsunternehmen stellen neben dem Versicherungsnehmenden die zweite Vertragspartei innerhalb eines Versicherungsvertrages dar (Wagner, 2018c, 2018d, 2018e).
 
2
Das Unternehmen Capgemini wurde vor über 50 Jahren gegründet und gehört zu den weltweit führenden Anbietenden von Beratungs- und IT-Dienstleistungen. Capgemini unterstützt Unternehmen insbesondere bei der Realisierung der digitalen Transformation, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und begleitet seine Kund*innen von der Strategieentwicklung bis zum Geschäftsbetrieb (Capgemini, 2020). Das Unternehmen verfügt über rund 270.000 Beschäftigte und ist in fast 50 Ländern vertreten (Capgemini, 2019a).
 
3
Die globale Non-Profit-Organisation „Efma“ wurde im Jahr 1971 von Versicherungsunternehmen und Banken gegründet. Efma verfolgt die Zielsetzungen eine intensivere Vernetzung von Entscheidungstragenden zu ermöglichen und qualitativ hochwertige Erkenntnisse für die Finanzdienstleistungsbranche zu erarbeiten. Die Ergebnisse sollen eine Grundlage für richtige Entscheidungsfindungen bieten und Innovationen fördern, die wiederum die aktuell erforderliche Transformation vorantreiben. Die Efma-Mitglieder setzen sich aus über 3.300 Marken zusammen (bspw. Allianz, AXA, Société Générale) und stammen aus 130 verschiedenen Ländern (Efma, 2020).
 
4
Der World Insurance Report 2020 basiert auf den Ergebnissen der zwei Primärquellen „2020 Global Insurance Voice of the Customer Survey“ und „2020 Global Insurance Executive Interviews“. Eine Kombination von Ergebnissen aus Expert*innen-Interviews mit Führungskräften sowie Daten aus Fragebögen, die die Kund*innenperspektive repräsentieren, stellt die übliche Vorgehensweise innerhalb der World Insurance Serie dar. Die 32 untersuchten Märkte, deren Ergebnisse im Folgenden durch den Ausdruck „international“ gekennzeichnet werden, setzen sich aus Argentinien, Australien, Belgien, Brasilien, China, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Hong Kong, Indien, Italien, Japan, Kanada, Kolumbien, Malaysia, Mexiko, Marokko, den Niederlanden, Nigeria, Norwegen, den Philippinen, Portugal, Saudi Arabien, Singapur, Spanien, Schweden, der Schweiz, der Türkei, Ungarn, dem Vereinigtem Königreich und den Vereinigten Staaten von Amerika zusammen. Durch die Auswahl dieser Märkte umfasst die Untersuchung die drei Weltregionen Amerika (Nord- und Lateinamerika), Asien-Pazifik (inkl. Japan) sowie EMEA (Europa, Naher Osten und Afrika, Capgemini & Efma, 2020).
 
5
Neben den World Insurance Reports gibt es eine Reihe an wissenschaftlichen Untersuchungen, die sich mit einzelnen Aspekten der digitalen Transformation von Versicherungsunternehmen auseinandersetzen (exemplarisch Eling & Lehmann, 2018; Wiesböck, Li, Matt, Hess & Richter, 2017; Tiefenbacher & Olbrich, 2015; Power & Power, 2015; Cziesla, 2014) sowie weitere Industrie- oder Beratungs-Studien (exemplarisch Branchenkompass Insurance, 2019; McKinsey, 2018; Birkner, 2017; Kotalakidis et al., 2016; Roßbach et al., 2015).
 
6
Der Fokus der jährlich veröffentlichten World Insurance Reports richtet sich nach den aktuellen Herausforderungen, denen Versicherungsunternehmen gegenüberstehen. So untersuchte z. B. der WIR 2019 vertieft die Frage nach neu entstehenden Risikobereichen aufgrund sich wandelnder Rahmenbedingungen wie der wachsenden Digitalisierung und dem demografischen Wandel (Capgemini & Efma, 2019). Aufgrund verschiedener Schwerpunkte, aber auch um Ergebnisentwicklungen von gleichbleibenden Fragen darstellen zu können, werden nachfolgend ebenfalls Report-Ergebnisse aus den Jahren 2016 bis 2019 eingebunden.
 
7
Als „nicht-traditionelle Versicherungsunternehmen“ werden innerhalb des World Insurance Reports 2020 Produktherstellende, BigTechs sowie Startups im Bereich „Insurance Technology“ (abgekürzt „InsurTechs“) angesehen. Analog zu der Fintech-Bewegung im Banken- und Kapitalmarkt nimmt der Terminus „Insurtechs“ Bezug auf den Einsatz neuer digitaler Technologien, um ein effizienteres Vorgehen sowie Kostenersparnisse in der Versicherungsbranche realisieren zu können. InsurTechs treten zunehmend seit dem Jahr 2012 in Erscheinung und vertreiben Finanzdienstleistungen über digitale Kanäle (mobile, online & Social Media), wobei sie Innovationen wie bspw. personalisierte Policen nutzen und somit die Digitalisierung und Veränderung des Versicherungsmarktes stark vorantreiben. Der Ausdruck „nicht-traditionelle Versicherungsunternehmen“ repräsentiert innerhalb der Untersuchung somit Unternehmen, die ein anderes Kerngeschäft verfolgen als Finanzdienstleistungen, aktuell jedoch in den Versicherungsmarkt drängen bzw. Startups, die erst seit dem Jahr 2012 im Markt bestehen und auf innovativen, digitalen Technologien basieren und nach Angaben der Autor*innen steigende Kund*innenzahlen aufweisen können (Capgemini & Efma, 2020, 2017; Weber et al., 2020; Mitschele, 2020). Versicherungsunternehmen, deren Kerngeschäft die Entwicklung und den Vertrieb von Finanzdienstleistungen umfasst und die bereits seit Jahrzehnten im Markt bestehen, werden als „traditionelle“ bzw. „etablierte“ Versicherungsunternehmen in der Studie bezeichnet (Capgemini & Efma, 2020).
 
8
In der vorliegenden Arbeit werden die Ergebnisse der World Insurance Reports gerundet dargestellt.
 
9
Aufgrund des Erhebungszeitraumes im Januar bzw. Februar 2020 sind Ergebnisverzerrungen durch COVID-19 bzw. die getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung der weiteren Ausbreitung der Pandemie auszuschließen. Bis zum 29.02.2020 lagen weltweit 86.100 gemeldete Fälle vor, die vorwiegend in China (78.800 Fälle) und Südkorea (3.100 Fälle) erfasst wurden (Statista, 2020c, 2020e). In Deutschland belief sich die gemeldete Fallzahl zu diesem Zeitpunkt auf einem Wert von elf Personen (Statista, 2020b). Südkorea wurde in die Untersuchung nicht einbezogen. Die Fälle in China (insgesamt rund 1,4 Mrd. Einwohner*innen) wurden zu einem Großteil in der 60-Millionen-Einwohner*innen-Provinz Hubei erfasst, wohingegen in den übrigen chinesischen Regionen vergleichsweise geringe Fallzahlen ermittelt wurden (Statista, 2020a, 2020d). Die Autoren der Studie gaben auf Nachfrage an, dass Hubei ebenfalls nicht als Erhebungsort in die Untersuchung einbezogen wurde.
 
10
Nachfolgend werden diese vier ermittelten Kategorien auch als Kund*innengruppen oder Kund*innensegmente bezeichnet.
 
11
In der vorliegenden Arbeit werden „Agenturist*innen“, „Kund*innenbetreuer*innen“ und „Versicherungsmakler*innen“ auch unter dem Begriff „Vermittelnde“ zusammengefasst.
 
12
Die einzige Möglichkeit für eine bessere Transparenz hätte in dem Aufsuchen mehrerer Versicherungsagenturen von unterschiedlichen Anbietenden bestanden, um selbst einen Vergleich der verschiedenen Angebote bzgl. ihrer Leistungen und Kosten vorzunehmen. Dieses Vorgehen wäre jedoch mit einem hohen zeitlichen Aufwand verbunden gewesen und hätte ein umfassendes Verständnis der Versicherungsthematik vorausgesetzt. Darüber hinaus setzen sich einige Zeitschriften, wie z. B. der „Focus“, mit Vergleichen bzgl. eines Versicherungsschutzes auseinander. Jedoch sind diese Übersichten allgemein gefasst und können nicht auf individuelle Gegebenheiten eingehen (Focus, 2015). Ferner kann das Erscheinen eines derartigen Artikels nicht von einzelnen Rezipient*innen zu einem gewünschten Zeitpunkt beauftragt werden.
 
13
Eine Außenwirkung, die von Sicherheit, Beständigkeit und Vertrauen geprägt wird, ist auch heute noch von enormer Bedeutung. Aufgrund eines zunehmend volatilen Umfeldes und neu entstehenden Risiken, die durch die dargestellten Megatrends getrieben werden, sieht sich die Versicherungsbranche mit einem gesteigerten Sicherheitsbedürfnis ihrer Versicherungsnehmer*innen konfrontiert. Ferner sichern die Kund*innen auch weiterhin existenzielle Risiken ab und gehen nicht selten Verträge ein, die ihnen ein ganzes Leben lang Schutz und finanzielle Sorglosigkeit in kritischen oder unvorhersehbaren Situationen bieten sollen und meist mit hohen Beitragszahlungen einhergehen (z. B. Risikolebensversicherung, private Altersvorsorge, Haftpflichtversicherung). Allerdings ist eine verstärkte Fokussetzung auf die genannten Eigenschaften aufgrund der Einflüsse der Megatrends allein nicht länger ausreichend (Capgemini & Efma, 2020; Weber et al., 2020; Hasbargen & Hernandez, 2017).
 
14
Dieser Anspruch spiegelt sich beispielsweise in den Werbesprüchen der Versicherungsunternehmen wider, die die genannten Themen aufgreifen: „Schutz und Sicherheit im Zeichen der Burg“ (Nürnberger Versicherungsgruppe), „Wir begleiten Sie ein Leben lang“ (Continentale Versicherungsverbund), „Immer da, immer nah“ (Provinzial Versicherung), „Zurich machts wieder gut!“ (Nürnberger Versicherungsgruppe, 2009; Continentale Versicherungsverbund, 2020; Provinzial Versicherung, 2020; Zurich Insurance Group, 2019).
 
15
Diese werden auch als „ROPO-Kund*innen“ bezeichnet. ROPO-Kund*innen stellen Personen dar, die online recherchieren, jedoch offline den Vertragsabschluss vollziehen (daher die Abkürzung ROPO – „Research Online, Purchase Offline“). Das „ROPO-Verhalten“ steht hierbei in engem Zusammenhang mit der Komplexität und der Prämienhöhe des Versicherungsproduktes. So kann bspw. ein ROPO-Verhalten deutlich häufiger bei Lebensversicherungsprodukten festgestellt werden als bei Sachversicherungsprodukten (Eling & Lehmann, 2018; siehe hierzu auch Zurich Insurance Group, GfK & Google, 2016).
 
16
Der lateinische Begriff „omnis“ bedeutet „alle“. Der Terminus „Omni-Channel-Management“ (auch als „Omni-Channel-Retailing“ und „All-Kanal-Vertrieb“ bezeichnet) umfasst die synergetische Planung, Steuerung und Kontrolle aller verfügbaren Vertriebskanäle eines Unternehmens (online wie offline), um ein nahtloses und einheitliches Kund*innenerlebnis zu generieren. In diesem Rahmen werden sämtliche Vertriebskanäle und Prozessschritte einer Optimierung unterzogen (Oeser, 2018).
 
17
Siehe hierzu auch die Ausführungen zur Life-Domain-Balance in Abschnitt 5.​1.​2.
 
18
Ein Application Programming Interface (API) ist eine Softwareschnittstelle, die einer anderen Software den Gebrauch einer gewissen Funktionalität ermöglicht. Zum Beispiel kann die Bestellung eines Produktes oder einer Dienstleistung durch Benutzer*innen über eine Benutzer*innenschnittstelle (User Interface) oder eine andere Software mittels API vorgenommen werden (Resch, 2018). Die Besonderheit von APIs liegt darin, dass im Gegensatz zu Benutzer*innenschnittstellen nur noch Anwendungen miteinander kommunizieren und nicht länger ein Mensch mit einem System: Eine bestellende Person kommuniziert bspw. ausschließlich mit einem Shop über seine Web-Oberfläche. Der Shop selbst prüft im Hintergrund über APIs die Bonität bei einer Kreditauskunft, kann eine Zahlung über PayPal veranlassen, eine Speditionsfirma beauftragen und bei einem Versicherungsunternehmen eine Garantieverlängerung abschließen. Die hierfür erforderliche Kommunikation findet zwischen den verschiedenen Unternehmen über APIs statt (Brown, Fishenden & Thompson, 2014). Eine Kombination mehrerer Softwaresysteme durch APIs zu einem Gesamtsystem führt zu einem sogenannten „API-Ökosystem“. Das API-Ökosystem erfordert eine Koordination des Gesamtsystems und kann nur unter der Verwendung einer einheitlichen Beschreibungssprache der Schnittstellen funktionieren (Resch, 2018).
 
19
Wearables stellen Computertechnologien dar, die am Kopf oder Körper getragen werden. Ihr Verwendungszweck besteht vorwiegend in der Unterstützung einer Tätigkeit innerhalb der realen Welt, indem sie ihrer Verwender*in bspw. Auswertungen, Anweisungen sowie (Zusatz-)Informationen bereitstellen. Wearables benötigen hochentwickelte Sensoren, die permanent Daten verarbeiten. Bekannte Beispiele für Wearables sind Smartwatches, Datenbrillen sowie intelligente Armbänder. Viele dieser Geräte dienen als sogenannte „Activity Tracker“, insbesondere im medizinischen und sportlichen Bereich. Hierbei erfolgen eine Erfassung, Analyse und Dokumentation von Daten des Körpers gemeinsam mit anderen Daten wie z. B. Zeit oder Raum. Die Ergebnisse können über Streaming mit anderen Personen geteilt werden. Derartige Nutzungen stehen jedoch aus Datenschutzsicht unter Kritik, da hochsensible Personendaten erfasst und bspw. unfreiwillige Bewegungsprofile von den Nutzer*innen erstellt werden könnten. Die Informations- und Wirtschaftsethik befassen sich darüber hinaus mit Fragestellungen, ob z. B. bestimmte Beschäftigte zum Tragen von Wearables gezwungen werden könnten (Bendel, 2019c; Capgemini & Efma, 2020).
 
20
Die Abkürzung „IoT“ steht für den Ausdruck „Internet of Things“. Der Begriff „IoT-Geräte“ umfasst sämtliche Geräte und Komponenten, die drahtlos oder drahtgebunden an ein Netzwerk angeschlossen sind und Daten erfassen, verarbeiten, speichern und übertragen können. IoT-Geräte bzw. Systeme sind in privaten Haushalten, z. B. in sog. Smart Homes mit intelligenten Heiz- und Lichtanlagen oder Fahrzeugen (z. B. virtuelle Schlüssel für das Ver- und Entriegeln via Smartphone) ebenso vertreten, wie in der Industrie, z. B. in Produktionseinrichtungen oder Maschinen, woraus sich auch der Begriff der Smart Factories entwickelt hat. Wichtige Fortschritte wurden mit Hilfe von IoT-Geräten auch in der Medizintechnik möglich, wie bspw. intelligente Blutzucker-Messgeräte, die über das Smartphone gesteuert werden können. Gleichzeitig stellt der medizinische Bereich einen der sensibelsten Segmente in Bezug auf die Nutzer*innendaten dar. Jedes IoT-Gerät verfügt über eine eigene Internetadresse (URL) und kann über eine Internetverbindung aktiviert werden, um bestimmte Aktionen auszuführen (Siepermann, 2018b; Lee & Lee, 2015).
 
21
Ein Beispiel hierfür ist die nutzungsbasierte Kfz-Versicherung, die mit Hilfe eines eingebauten Mess- und Sendegerätes im Fahrzeug auf der Grundlage von Telematik (daher auch der Ausdruck Telematik-Tarif) den individuellen Fahrstil der fahrenden Person erhebt und daraufhin entsprechende Versicherungsprämien berechnet (Hess, 2019). In diesem Rahmen werden verschiedene Parameter berücksichtigt (z. B. das individuelle Brems- und Beschleunigungsverhalten sowie die Absolvierung längerer Fahrten ohne Pause). Einige Angebote bieten bereits weitere telematikbasierte Leistungen an, wie bspw. eine direkte Hilfe im Falle eines schweren Personen- oder Sachschadens. Hierbei wird eine Servicekette ausgelöst, indem – nach Erkennen eines Unfalls durch das Gerät – ein automatisches Signal an eines der Schadenservice-Center gemeldet wird. Telematik-Tarife werden in der Öffentlichkeit auch häufig unter den Ausdrücken „Pay as you drive (PAYD)“ bzw. „Pay how you drive (PHYD)“ subsumiert (Elert, 2017).
 
22
Diese Entwicklung kann u. a. auf die wachsende Sharing Economy zurückgeführt werden, die die gegenseitige Bereitstellung von Flächen und Räumen sowie das systematische Ausleihen von Gegenständen (Gemeinschaftskonsum) für eine gewisse Zeitspanne umfasst (Bendel, 2019b). In diesem Rahmen führt die Sharing Economy zu einem steigenden Bedarf an On-Demand-Versicherungen (Eling & Lehmann, 2018).
 
23
Im Rahmen von „Stresstests“ erfolgt eine Simulation krisenhafter Veränderungen des Kapitalmarkts und deren Auswirkungen auf die Bilanz eines Versicherungsunternehmens. Negative Ergebnisse signalisieren Versicherungsunternehmen rechtzeitig das Erfordernis, Gegenmaßnahmen zu veranlassen (Müller, 2017).
 
24
In der vorliegenden Arbeit werden unter „Cloud-Dienste“ Geschäftsmodelle und Technologien verstanden, die IT-Ressourcen dynamisch bereitstellen und ihre Verwendung auf der Grundlage flexibler Bezahlmodelle abrechnen. Die IT-Ressourcen, wie bspw. Anwendungen oder Server, müssen somit nicht in organisationseigenen Rechenzentren betrieben werden, sondern sind flexibel und bedarfsorientiert durch ein dienstleistungsbasiertes Geschäftsmodells über das Intranet oder Internet verfügbar. Unternehmen werden durch die Nutzung von Cloud-Diensten dazu in die Lage versetzt, langfristige Investitionsausgaben für den Einsatz von IT zu reduzieren, da im Rahmen der Cloud-Nutzung vorwiegend operationale Kosten anfallen (Leymann & Fehling, 2018).
 
25
Als „BigTechs“ werden innerhalb der Studie große, multinationale Technologieunternehmen wie bspw. Google, Amazon, Facebook und Apple angesehen (Capgemini & Efma, 2020). Innerhalb der medialen Berichterstattung werden diese vier Unternehmen auch als die amerikanischen „GAFAs“ bezeichnet. Meist werden in diesem Zusammenhang auch die drei chinesischen BigTechs Baidu, Alibaba und Tencent erwähnt, die abgekürzt „BATs“ genannt werden (exemplarisch The Economist, 2019; Manager Magazin, 2019; Handelsblatt, 2019a).
 
26
In der vorliegenden Arbeit wird unter dem Begriff „Kund*innenerlebnis“ die Qualität jeder Interaktion von Kund*innen mit einem Unternehmen, seinen Dienstleistungen oder Produkten verstanden. Das Kund*innenerlebnis nimmt eine zentrale Rolle in nahezu allen Märkten ein, aufgrund eines zunehmenden Wettbewerbs und einer wachsenden Anzahl an austauschbaren Dienstleistungen und Produkten sowie gleichzeitig sinkenden Loyalitätsraten und einer steigenden Wechselbereitschaft und Erlebnisorientierung der Kund*innen. Die Erzeugung von positiven Kund*innenerlebnissen stellt somit ein entscheidendes Handlungsfeld für Unternehmen dar, um sich im Wettbewerb zu differenzieren und von einer dauerhaften Kund*innenbindung profitieren zu können (Holland, 2018). Die Generierung gesteigerter Kund*innenerlebnisse wird im Englischen auch als „superior Customer Experience“ (abgekürzt „superior CX“) bezeichnet (Capgemini & Efma, 2020).
 
27
Innerhalb des chinesischen Marktes engagieren sich die großen Tech-Konzerne bereits seit mehreren Jahren im Versicherungsgeschäft. So hatten sich Alibaba, Tencent und der Versicherungskonzern Ping An schon 2013 dazu entschlossen das Versicherungs-Start-up „ZhongAng“ zu gründen (Der Aktionär, 2019).
 
28
Unter dem Terminus „Blockchain“ (dt. Blockkette) wird eine dezentrale Datenbank verstanden, die innerhalb eines Netzwerkes auf zahlreichen Rechnern gespiegelt vorzufinden ist. Kennzeichnend für die Blockchain ist die Zusammenfassung und Speicherung von Einträgen in Blöcken. Aufgrund eines von sämtlichen Rechnern genutzten Konsensmechanismus kann eine Authentizität der Datenbankeinträge gewährleistet werden. Das Potenzial der Blockchain-Technologie beschränkt sich nicht auf die Finanzdienstleistungsbranche. Auch im Rahmen des sich fortentwickelnden Internet der Dinge könnte Blockchain eine effiziente Möglichkeit darstellen, um bspw. Identitätsverifizierungen vorzunehmen, Eigentumsverhältnisse zu verbriefen oder um Abwicklungen für Mikrozahlungen zwischen Geräten durchzuführen (Mitschele, 2018).
 
29
Das Versicherungsunternehmen „Blue Cross Insurance“, das zur Bank of East Asia gehört, setzt ebenfalls auf die Blockchain-Technologie und spricht dieser während der COVID-19-Pandemie eine Schlüsselrolle in der Schadenbearbeitung zu. Das Unternehmen bietet eine App an und erklärt hierzu, dass seine Plattform über 1.000 Transaktionen pro Sekunde ohne menschliche Eingriffe verwalten kann. Durch ein Mindestmaß an Bürokratie, ohne das Erfordernis, Dokumente zu versenden oder persönlichen Kontakt, würde das Infektionsrisiko deutlich gesenkt werden. Patient*innen, die die App von Blue Cross Insurance verwenden, können das Resultat ihrer eingereichten Ansprüche innerhalb eines Tages nach ihrem Krankenhausbesuch einsehen (South China Morning Post, 2019b).
 
30
Durch den Einsatz dieser Systeme konnte bereits eine zweistellige Millionenzahl an Abrechnungen analysiert werden (Fromme, 2019).
 
31
Vor allem die niedrige Beschäftigtenzahl veranschaulicht, dass die neuen Technologien ein hohes Maß an Automatisierung, Standardisierung sowie höherer Effektivität und Effizienz von Geschäftsprozessen (z. B. durch Online-Vertrieb und digitale Schadenbearbeitung) ermöglichen (Eling & Lehmann, 2018), da ansonsten das anfallende Arbeitspensum von den Mitarbeitenden nicht zu bewältigen wäre. Vor allem Künstliche Intelligenz ist zunehmend dazu in der Lage komplexere Aufgaben zu erledigen. Auf der Grundlage einer wachsenden Datenbasis ist es KI möglich unbekannte Fälle mit zahlreichen datenbankgespeicherten Fällen abzugleichen, sodass sie mehr und mehr eigenständig komplexe Sachverhalte analysieren und bewerten kann und bspw. Versicherungsanträge vollautomatisch von dieser Technologie geprüft werden (Dengler & Matthes, 2018).
 
32
Der Weltmarktführer Ping An, der in China durchschnittlich jede siebte Person versichert, beschäftigt beispielsweise 376.900 Mitarbeitende und gab für das Jahr 2018 Personal-Aufwände in Höhe von umgerechnet 8,4 Mrd. Euro an (Süddeutsche Zeitung, 2019b; Ping An, 2019).
 
33
Sein Debüt innerhalb der Versicherungslandschaft feierte „Amazon Protect“ im Jahr 2016 in Großbritannien mit dem Angebot, über Amazon erworbene Produkte wie Waschmaschinen, Smartphones, oder Laptops gegen Beschädigungen, Diebstahl oder Defekte abzusichern. In diesem Rahmen ging Amazon eine Kooperation mit dem britischen Versicherungsunternehmen „London General Insurance Company Limited“ ein. Vor dieser Zusammenarbeit verkaufte Amazon deutlich günstigere Geräteversicherungen der „Ergo“ (CB Insights, 2017; WirtschaftsWoche, 2018). Da der Abschluss einer Versicherung nur einen weiteren Klick erfordert, vergleichen die Kund*innen jedoch meist keine Preise oder überlegen, ob die Versicherung überhaupt sinnvoll ist und tätigen einen spontanen Abschluss, woraus Amazon seine Vorteile zieht. Die Einzelhandelsplattform verfügt auf Grundlage der getätigten Käufe seiner Kund*innen über umfangreiche Profile insbesondere hinsichtlich deren Interessen, Hobbys und Finanzkraft. Mit diesen Daten können personalisierte Versicherungsangebote entwickelt werden (WirtschaftsWoche, 2018).
 
34
Gemessen am Beitragsaufkommen ist China seit dem Jahr 2017, nach den USA, der zweitgrößte Versicherungsmarkt und wird sich vss. bis zum Jahr 2030 zum größten Markt für Versicherungsdienstleistungen entwickeln (Staib & Puttaiah, 2018; Casanova-Aizpún, Krüger & Puttaiah, 2019). Ein unterstützender regulatorischer Rahmen sowie finanziell gut ausgestattete und technikaffine Internetkonzerne wie Tencent und Alibaba, die Versicherungsmodelle auf Basis einer Digital-First-Strategie erfinden, bieten nahezu perfekte Bedingungen für ein Marktwachstum. Internetfirmen werden die rasant wachsende Nachfrage nach digitalen Versicherungsprodukten nicht unberücksichtigt lassen und zukünftig eine Deckung des Bedarfs entlang der gesamten Lieferkette anstreben. Die aufgezeigten Entwicklungen stellen somit erst den Anfang der Disruption innerhalb des Versicherungsmarktes dar (msg life, 2019).
 
35
Die Offenheit gegenüber BigTechs oder produzierenden Unternehmen steht hierbei in enger Verbindung mit der Kund*innengruppe. Von den Pionieren geben bspw. 68 Prozent der Befragten an, sich vorstellen zu können Versicherungsprodukte bei BigTechs bzw. 62 Prozent Policen bei Herstellenden abzuschließen. Die Follower zeigen hier ein deutlich zurückhaltenderes Bild mit einem Ergebnis von 13 bzw. 12 Prozent. Im Rahmen der Frage wurde eine Skala von 1 bis 7 gewählt, wobei der Wert 1 die Aussage „höchst unwahrscheinlich“ und 7 die Angabe „sehr wahrscheinlich“ repräsentierte. Antworten im Bereich 5 bis 7 wurden von den Autor*innen der Untersuchung als „Offenheit“ interpretiert (Capgemini & Efma, 2020).
 
36
Wie wichtig ein regelmäßiger Kund*innenkontakt ist, zeigen Ergebnisse des World Insurance Reports 2018, in dem über 10.000 Kund*innen international nach ihren Serviceerfahrungen in bestimmten Branchen befragt wurden. Versicherungsunternehmen schnitten zwar mit einem Ergebnis von 72 Prozent insgesamt gut auf der Zufriedenheitsskala ab (dritter Platz von sieben Branchen), jedoch ist auffällig, dass gerade die Banken mit 75 Prozent den zweiten Rang einnehmen konnten (nach den Handelsunternehmen mit 76 Prozent). Finanzdienstleistungskund*innen wiesen eine signifikant geringere Zufriedenheit mit dem Kund*innenservice von Versicherungsgesellschaften auf, da diese deutlich weniger Kund*innenkontaktpunkte vorweisen konnten. In Deutschland sind deutliche Unterschiede bei einem Direktvergleich zwischen Versicherungsunternehmen und Banken bei einer näheren Betrachtung einzelner Serviceparameter zu erkennen. So wurde bei dem zentralen Aspekt „Leichte Handhabung“ eine Differenz in Höhe von 17 Prozentpunkten ermittelt. Die Parameter „Schneller Service“ (11 Prozentpunkte Unterschied) sowie „After Sales Service“ (8 Prozentpunkte Unterschied) wiesen ebenfalls auf einen klaren Aufholbedarf der Versicherungsbranche hin (Capgemini & Efma, 2018).
 
37
An dieser Stelle sei allerdings darauf hingewiesen, dass der Autopilot von Tesla unter Verdacht steht, technische Mängel aufzuweisen, woraus fehlerhafte Berechnungen bezüglich der jeweiligen Fahrweise und zu hohe individuelle Versicherungsprämien resultieren sollen (LaChance, 2022).
 
38
Aufgrund der geringen Erfahrungswerte gibt es bisher nur selten spezifische Versicherungstarife für Elektrofahrzeuge. Insbesondere eine Vollkaskoversicherung des Elektrofahrzeuges gestaltet sich für Kund*innen häufig als schwierig (Handelsblatt, 2019c). Die Angebote von Tesla Insurance wurden hingegen von Grund auf für die Fahrzeuge von Tesla entwickelt und bieten bspw. einen speziellen Schutz für Batterieschäden, eine Absicherung des Tesla Wall-Connectors (Ladestation des Anbietenden) sowie einen Autopilot-Rabatt an (Tesla, 2020).
 
39
Nationale Rechtsrahmen stellen gleichzeitig ein zentrales Hindernis für einen europäischen Binnenmarkt für Versicherungsprodukte dar. Aufgrund national höchst unterschiedlicher Versicherungsvertragsgesetze werden im Privatkund*innengeschäft lediglich ein Prozent der Verträge grenzüberschreitend abgeschlossen. Darüber hinaus besteht für Versicherungsunternehmen das Problem, dass sie im Privatkund*innengeschäft keine Freiheit der Rechtswahl genießen. Stattdessen gilt das Recht am Sitz der Kund*innen. Aus diesem Grund bevorzugen selbst international tätige Versicherungsunternehmen das Angebot von nationalen Versicherungsprodukten anstatt von Europaeinheitlichen (Jank, 2018). Jank (2018) kritisiert, dass auch die Realisierung der EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie (Insurance Distribution Directive, IDD), die einem verbesserten Verbraucher*innenschutz dient, an dieser Gegebenheit nichts ändere.
 
40
Sogenannte „Aktuar*innen“ stellen Wirtschafts-/Versicherungsmathematiker*innen dar, die von der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) geprüft und innerhalb der EU anerkannt sind. Aktuar*innen sind dazu in der Lage, diverse Risiken, wie bspw. Versicherungs-, Liquiditäts- oder Kapitalanlagerisiken mit Hilfe von Methoden der Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung zu analysieren (Bockshecker, Dobner & Müller, 2018).
 
41
Unter dem Begriff „Upselling“ wird in der vorliegenden Arbeit das Bestreben eines Unternehmens verstanden, seinem vorhandenen Kund*innenbestand höherwertige Produkte bzw. Dienstleistungen zu höheren Preisen anzubieten. Der Terminus „Cross-Selling“ steht hingegen für die Ausschöpfung bestehender Kund*innenbeziehungen, indem zusätzliche Angebote gemacht werden. Eine hohe Cross-Selling-Quote repräsentiert einen effizienten Vertrieb, da Kund*innen eine hohe Anzahl an Verträgen abschließen bzw. eine hohe Anzahl an Produkten erwerben. Die Quote kann mit Hilfe von einschlägigen Preisgestaltungen (Rabatten) verbessert werden (Wagner, 2018b; Wagner & Esch, 2018).
 
42
Durch die Rückmeldungen von Kund*innen können sog. „Schmerzpunkte“ behoben werden. Bspw. meldeten Versicherte auf die Frage, wie Vorteile und Leistungen verständlicher dargestellt werden könnten, zu einem Großteil zurück, sich eine Liste mit Aufzählungszeichen und einfach formulierten und kurzen Beschreibungen zu wünschen. Generell wurde angegeben, dass keine „Versicherungssprache“ verwendet werden sollte, was dazu führte, dass die Allianz ihre Policen umformulierte und eine intuitiv und leichter zu verstehende Sprache wählte (Allianz Worldwide Partners, 2020).
 
43
Noch immer differenzieren sich Versicherungsunternehmen, gerade im Rahmen von Sachversicherungen, gegenüber Wettbewerbern verstärkt über den Preis. Hierdurch sind die Unternehmen dazu gezwungen, Prozesse und Organisation sorgfältig auf Einsparpotenziale zu überprüfen. Aktuell werden die größten Einsparpotenziale innerhalb der Schadenregulierung (Schäden online melden, Automatisierung, Betrugserkennung durch KI) und der Digitalisierung von Dokumenten gesehen. So ermöglichen bspw. bildgebende Verfahren, wie das Hochladen von Videos und Fotos durch die Versicherungsnehmer*innen, eine nahtlose Datenintegration in das Schadenmanagement. Gleichzeitig wird der Regulierungs- und Leistungsprozess für die Kund*innen auf diesem Wege schneller und transparenter. InsurTechs wie „ONE“ setzen Maßstäbe im Schadenmanagement, indem sie bis zu 60 Prozent der Schäden vollautomatisch und in Echtzeit regulieren. Darüber hinaus sollen direkte Onlinevertragsabschlüsse massiv die Schaden-Kosten-Quoten reduzieren (Branchenkompass Insurance, 2019).
 
44
Die Versicherungsgesellschaft „John Hancock“ war im Jahr 2018 das erste großes US-amerikanische Versicherungsunternehmen, das ankündigte, zukünftig ausschließlich Lebensversicherungen im Neugeschäft anzubieten, die auf der Weitergabe sensibler Gesundheitsdaten ihrer Kund*innen basieren. Die Versicherungsnehmer*innen zeichnen, bspw. mit Hilfe von Fitness-Apps und Armbändern, Ernährungs- und Lebensgewohnheiten auf und übermitteln diese an das Versicherungsunternehmen. Im Gegenzug für eine gesunde Lebensweise erhalten die Versicherten günstigere Tarife sowie Preisnachlässe (FAZ, 2018). Das sogenannte „Pay-as-you-live-Konzept“ erfährt vor allem innerhalb der Europäischen Union eine kontroverse Diskussion (Eling & Lehmann, 2018). Seit das zweitgrößte Privatversicherungsunternehmen „Generali“ derartige Tarife 2016 mit „Generali Vitality“ für ausgewählte Risiko- und Berufsversicherungen einführte, wird in Deutschland verstärkt über die Thematik diskutiert. Dabei wird vor allem die Sicherheit sensibler Gesundheitsdaten behandelt, die an die Versicherungsunternehmen übertragen werden. Die „Verbraucherzentrale Bundesverband“ (vzbv) sieht bspw. in derartigen Konzepten das „Solidarsystem“ in hohem Maße gefährdet. Kritiker*innen warnen vor einer drohenden „Gesundheitsdiktatur“ (Versicherungsbote, 2018).
 
45
Der Terminus „Chatbots“ bezeichnet Dialogsysteme, die über natürlichsprachliche Fähigkeiten verfügen. Diese Fähigkeiten können auditiver oder textueller Art sein und werden meist mit animierten bzw. statischen Avataren kombiniert. Chatbots dienen der Bearbeitung von Kund*innen- und Interessent*innenanliegen aber auch ihrer Unterhaltung und finden Verwendung auf Webseiten oder in Instant-Messaging-Systemen. Innerhalb von sozialen Medien gibt es sog. Social Bots, die ebenfalls als Chatbots in Erscheinung treten können (Bendel, 2018a). Da bei einem Social Bot häufig Unklarheit darüber herrscht, ob es sich um einen Chatbot oder das Profil einer realen Person handelt, wurden Social Bots häufig in der Öffentlichkeit kritisiert. Vor allem ihr Einsatz zu Wahlkampfzeiten, z. B. in Großbritannien oder den USA, wurde als Gefahr für die Demokratie angesehen, da sie zur Verbreitung von Fake News und als Instrument zur Manipulation und Agitation eingesetzt werden können (Bendel, 2018b).
 
46
Insbesondere in Bezug auf die Datenerfassung genießen BigTechs einen deutlichen Vorteil gegenüber Versicherungsunternehmen, da BigTechs jede Möglichkeit ausschöpfen, Kund*innendaten über IoT-Geräte bzw. NLP-basierte Unterstützungssysteme aufzunehmen. Gerade in Krisenzeiten wie der COVID-19-Pandemie stieg die Nutzung von Chatbots durch die Verbraucher*innen an, wodurch BigTechs über größere Datenmengen verfügen und dadurch präzise und hochwertigere Kund*innenerlebnisse ermöglichen können (Capgemini & Efma, 2020).
 
47
Im Sommer 2018 führte das kanadische Unternehmen „Manulife“ als erstes Lebensversicherungsunternehmen einen KI-basierten Entscheidungsalgorithmus für die Risikoeinschätzung ein, um manuelle Eingriffe zu reduzieren und somit die Policierung einfacher und zeitnaher durchführen zu können. Ferner erhalten (potenzielle) Kund*innen schneller eine Rückmeldung in Bezug auf ihren Antrag (Manulife, 2018). Das US-Versicherungsunternehmen „MetLife“ verwendet Künstliche Intelligenz, um seinen Beschäftigten im Kund*innencenter dabei zu helfen, eine stärkere Kund*innenbindung aufzubauen, indem Kund*innenemotionen während der Konversation verfolgt werden. Das System weist die Betreuer*innen im Callcenter bspw. darauf hin, wenn sie zu schnell sprechen, eine zu lange Redepause festgestellt wurde oder gerade ein guter Moment wäre, um Empathie zu zeigen. Gerade Empathie ist ein zentraler Erfolgsfaktor für Lebensversicherungsunternehmen, da viele Kund*innen, die anrufen gerade eine nahestehende Person verloren haben oder selbst berufsunfähig geworden sind. Doch nicht nur das Verhalten der Kund*innen wird gemessen, auch die Emotionen der Beschäftigten werden erfasst und überprüft (z. B. ob sich Beschäftigte müde oder distanziert anhören, USA Today, 2019).
 
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Eine vertiefende Untersuchung, in welchem Implementierungsstadium sich digitale Technologien innerhalb von Versicherungsunternehmen befinden, erfolgte im Rahmen des World Insurance Reports 2017 (siehe Anhang M im elektronischen Zusatzmaterial).
 
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Im Januar 2019 äußerte bspw. der chinesische Weltmarktführer Ping An die Einschätzung, dass europäische bzw. deutsche Versicherungsunternehmen aufgrund wachsender Anforderungen, steigendem Wettbewerb und sinkender Profitabilität innerhalb des Marktes vor einer schweren Krise stehen, die viele Unternehmen nicht überleben würden. Im Gegensatz zur Bankenkrise würde sich diese aber nicht schlagartig ausbreiten, sondern graduell. Donald Lacey (Leiter Operatives Geschäft der Ping An-Gesellschaft Global Voyager) greift in diesem Zusammenhang auf eine Metapher zurück, um seine Einschätzung zu veranschaulichen: So würde ein Frosch, der ins kochende Wasser geworfen wird, schnell wieder herausspringen. Bei einem langsamen Temperaturanstieg fühle er sich hingegen lange wohl, würde jedoch langfristig ebenso sterben (Süddeutsche, 2019c).
 
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In diesem Rahmen wurden diverse Methoden entwickelt, um ein besseres Verständnis dafür zu generieren aus welchem Grunde die KI bestimmte Entscheidungen getroffen hat. Zentrale Ansätze stellen die Counterfactual Method, die Local Interpretable Model-Agnostic Explanations, die Layerwise Relevance Propagation sowie die Rationalization dar (siehe hierzu Samek, Montavon, Vedaldi, Hansen & Müller, 2019).
 
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In der vorliegenden Arbeit wird unter dem Terminus „Black Box“ (dt. schwarzer Kasten) ein Modell verstanden, in dem zwar die Eingabe- und Ausgabesignale bekannt sind, jedoch nicht die Prozesse und Mechanismen, die sich ‚innerhalb‘ der Black Box vollziehen (Stangl, 2020).
 
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Algorithmische Entscheidungssysteme (engl. algorithmic decision making Systems, ADM-Systeme) basieren auf Regeln, auf deren Grundlage eine Entscheidung durch das System getroffen werden kann. Die Bestimmung der Schadensfreiheitsklassen für KFZ-Versicherungen auf der Basis der vorhandenen Datenlage stellt hierfür ein einfaches Beispiel dar. In diesem Falle sind die Entscheidungsregeln für die Anwendenden eindeutig und erkennbar, da sie hauptsächlich auf der bisherigen Unfallhistorie sowie dem Alter der Fahrer*innen basieren. Gesellschaftlich herausfordernd sind jedoch Entscheidungssysteme, deren Regeln selbständig von „Algorithmen“ abgeleitet werden. Algorithmen werden eingesetzt, um Lösungen für mathematisch darstellbare Problemstellungen zu finden, die in differenzierten Anwendungssituationen wiederkehrend zu lösen sind. Sie definieren eine Handlungsfolge, die – basierend auf der gegebenen Informationslage (Eingabe) – eine Ausgabe mit geforderten Eigenschaften berechnet (Zweig, 2019).
 
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Das sog. „Datenschutzrecht“ setzt sich aus diversen Gesetzen zum Schutz des Individuums zusammen, die seine Privatsphäre in einer zunehmend computerisierten und automatisierten Welt vor unberechtigten externen Zugriffen (bspw. Staat oder andere Individuen) schützt (Siepermann, 2018a).
 
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Die zentralste Veränderung besteht in dem Wegfall des Zwangs, dass internationale Versicherungsunternehmen und Banken ein Joint Venture mit einheimischen Gesellschaften bilden müssen. Darüber hinaus durften vor der Liberalisierung ausländische Versicherungsunternehmen nur in den chinesischen Markt eintreten, wenn sie ein bereits 30-jähriges Bestehen im Assekuranzgeschäft vorweisen konnten. Eine Entwicklung, von der insbesondere jüngere Gesellschaften bzw. InsurTechs und BigTechs profitieren dürften. Nicht zuletzt fällt ein weiteres Hindernis im Bankensektor. Hier mussten ausländische Institute bisher im Rahmen der Gründung einer chinesischen Geschäftsbank Aktiva in Höhe von 10 Mrd. US-Dollar vorweisen. Bei der Gründung einer Zweigstelle lag die Grenze sogar bei 20 Mrd. US-Dollar (GTAI, 2019).
 
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An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass aufgrund aktueller Entwicklungen in China, wie der Null-Covid-Strategie, der Immobilienkrise sowie Stromabschaltungen in industriell dicht besetzten Regionen, der Standort an Attraktivität für ausländische Direktinvestitionen verloren hat. Die Unternehmen scheuen zunehmend die Unberechenbarkeit der Staatsführung sowie die praktizierte Isolation des Landes (Handelsblatt, 2022a, 2022b; FAZ, 2022c).
 
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Erste Ansätze der Globalisierung sind bereits seit den 1970er Jahren erkennbar und führten zu einem stärkeren Fokus auf Effizienz und Kostenmanagement. Seither erfolgt eine kontinuierliche globale Ausweitung der Geschäftstätigkeiten von Versicherungsunternehmen, die vor allem in der Förderung des zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehrs, dem Abbau rechtlicher Barrieren und Regulierungen bzw. dem weltweiten Trend zur Marktliberalisierung, technologischen Fortschritten und der Internationalisierung der Versicherungsaufsicht begründet liegen (Theis & Wolgast, 2010).
 
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Derartige Versicherungen werden als „Mikroversicherungen“ bezeichnet. Mikroversicherungen stellen ein Angebot von Versicherungsprodukten dar, die sich durch geringe Prämien sowie relativ kleine Versicherungssummen auszeichnen und hierdurch von einkommensschwachen Personen abgeschlossen werden können. Mikroversicherungen werden, ähnlich wie Mikrokredite, als Einzel- oder Gruppenversicherungen offeriert (Hastenteufel, 2018). Trotz der geringen Prämien rentiert sich das Geschäft aufgrund der großen Zielgruppe (GDV, 2019). So leben in Indien rund 1,4 Mrd. Menschen (Statista, 2020f). Während innerhalb Europas die Einnahmen aus klassischen Sachversicherungen wie Kfz- und Hausrat aufgrund des demografischen Wandels jährlich sinken, gestaltet sich die Entwicklung in Asien mit einer wachsenden Käuferschaft und Kaufkraft gänzlich anders (Handelsblatt, 2019b; GDV, 2019).
 
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Die „Datenschutz-Grundverordnung“ (DSGVO) aus dem Jahr 2016 (Inkrafttreten) bzw. 2018 (Anwendung) stellt eine Vereinheitlichung der Regeln zur Verarbeitung personenbezogener Daten durch Behörden, Unternehmen und Vereine mit Sitz in der Europäischen Union dar. Die Anforderungen an den Umgang mit Daten von Mitarbeitenden, Kund*innen, Bürger*innen etc., im Rahmen des Datenschutzes, werden in elf Kapiteln und 99 Artikeln dargestellt (Bendel, 2019a).
 
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Die Solvency II-Richtlinie (Richtlinie 2009/138/EG) ist seit dem 1. Januar 2016 durch Versicherungsunternehmen zu erfüllen und hat für die Branche erweiterte Publikationspflichten sowie weiterentwickelte Solvabilitätsanforderungen zur Folge. Letztere basieren auf einer ganzheitlichen Risikobetrachtung, die sich in veränderten Bewertungsvorschriften in Bezug auf Verbindlichkeiten und Vermögenswerten äußert (Ansetzung von Marktwerten). Anspruch ist eine risikobasierte Eigenmittelausstattung der Versicherungsunternehmen. Hierdurch soll das Insolvenzrisiko der Versicherungsunternehmen reduziert und das Aufsichtsrecht im europäischen Binnenmarkt harmonisiert werden (BaFin, 2016).
 
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In der vorliegenden Arbeit wird unter dem Begriff „Deckungslücke“ ein unzureichender Versicherungsschutz für ein versicherbares Risikos angesehen. Ein Beispiel für eine Deckungslücke stellt die meist nur teilweise Erstattung von Kosten durch die gesetzliche Krankenversicherung dar, die im Rahmen von Zahnbehandlungen entstehen. Eine derartige Deckungslücke können Versicherungsnehmer*innen durch den Abschluss einer Zusatzversicherung der privaten Krankenversicherung, die mehr Kosten bzw. alle entstandenen Kosten erstattet, reduzieren oder sogar vollständig schließen (GEV, 2020).
 
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Unter dem Ausdruck „Cyber-Risiken“ werden potenzielle Gefahren bzw. Angriffe verstanden, mit denen Nutzer*innen innerhalb einer vernetzten und digitalen Welt konfrontiert werden können (z. B. zielgerichtete vorsätzliche Angriffe auf IT-Systeme und Daten oder missbräuchliche Nutzung zur schnellen und weitreichenden Verbreitung von falschen Informationen, Metzger, 2018).
 
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Während sich im Jahr 2013 die ersten Anzeichen einer sich entwickelnden InsurTech-Szene erkennen ließen, zeigte die Mehrheit der etablierten Versicherungsunternehmen noch kein großes Interesse an Partner*innenschaften mit den kleinen Startups. Nachdem jedoch nur zwei Jahre später viele der InsurTechs stark ansteigende Kund*innen- und Absatzzahlen sowie rentable Geschäftsmodelle vorweisen konnten und sie mit neuen digitalisierten Angeboten und einer einfachen Handhabung ihre Versicherten begeisterten, wurde der Branche zunehmend klar, dass InsurTechs kein kurzfristiges Phänomen darstellen würden, sondern sich stattdessen zu einem festen Bestandteil der Branche entwickelten und ihre Transformation massiv vorantrieben (Weber et al., 2020). Eine veränderte Wahrnehmung von Startups und der Wunsch nach einer intensiveren Ausschöpfung von Synergiepotenzialen kann ebenfalls innerhalb des Bankensektors verstärkt beobachtet werden. In diesem Rahmen integrieren Banken sogenannte „FinTechs“ (die Abkürzung setzt sich aus den Ausdrücken „Financial Services“ und „Technology“ zusammen) vermehrt in ihre strategischen Überlegungen (Hohmann, 2019). Eling und Lehmann (2018) teilen InsurTechs in drei Kategorien ein: „Kund*innenerlebnis“, „Geschäftsprozesse“ und „neue Produkte“. Die Kategorie „Kund*innenerlebnis“ repräsentiert InsurTechs, die Kund*innen vor allem den Vorteil bieten, alle Verträge (unabhängig vom Versicherungsunternehmen) innerhalb einer App zu verwalten und schnell digital in Kontakt mit Servicemitarbeitenden treten zu können. „Geschäftsprozesse“ umfasst Anbietende, die als typische Aggregator-Plattformen in Erscheinung treten, um Kund*innen eine höhere Transparenz zu ermöglichen sowie jene, die bei der Abwicklung von Versicherungsansprüchen unterstützen. Die dritte Kategorie steht zum einen für InsurTechs, die neue Produkte anbieten und soll zum anderen darauf hinweisen, dass InsurTechs typischerweise nicht das volle Spektrum an versicherbaren Risiken abdecken, sondern sich eher auf den Vertrieb einzelner Produkte konzentrieren (ebd.).
 
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Auch 2020 hat sich diese Einschätzung nicht verändert. So erklärt Stephen Barham (Asia CIO, MetLife) in einem Interview, dass InsurTechs etablierte Versicherungsunternehmen dazu befähigen technologische Lücken zu schließen, die Geschwindigkeit von Innovationen zu erhöhen, Markteinführungszeiten zu reduzieren und digitale Lösungen zu bauen (Capgemini & Efma, 2020).
 
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Der Erfolg von InsurTechs liegt, neben einer hohen Agilität und Kosteneffizienz, vor allem in ihrem Verständnis von Kund*innenbedürfnissen begründet, insbesondere dass es Kund*innen weniger um Technik, sondern vielmehr um Aspekte wie bspw. Flexibilität, Individualität, oder Unabhängigkeit geht. Der technische Fortschritt und seine Endgeräte stellen hierbei lediglich verfügbare Hilfsmittel dar, damit diese Wünsche verwirklicht werden können. Etablierte Versicherungsunternehmen betrachteten die Digitalisierung hingegen vor dem Auftreten von InsurTechs als ein rein technisches Phänomen. Sie legten ihren Fokus auf technische Geräte z. B. durch die Einbindung eines Tablets in ein Kund*innengespräch, um Angebote zu präsentieren oder der Verwendung von USB-Sticks als Werbegeschenk, wodurch die eigentlichen Möglichkeiten der Digitalisierung nicht ausgeschöpft und den Erwartungen der Kund*innen in keiner Form entsprochen wurde. So wurde versucht einer neuen Entwicklung mit altem Verhalten zu begegnen und die soziale Transformation vernachlässigt (Weber et al., 2020).
 
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Ergebnisse des WIR 2018 zeigen, dass sich nicht nur InsurTechs sondern ebenso BigTechs der Problematik von mangelndem Vertrauen gegenüberstehen sehen. So gaben die befragten Verbraucher*innen an vor einem potenziellen Abschluss einer Versicherung bei einem BigTech zurückzuschrecken, aufgrund von Datenschutzbedenken (58 Prozent), fehlendem Vertrauen (48 Prozent), ungeeigneten Produkten und Leistungen (24 Prozent) oder negativen Erfahrungen in der Vergangenheit (17 Prozent, Capgemini & Efma, 2018).
 
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Die zum Zeitpunkt der Erhebung angenommenen Entwicklungen sind bisher in dieser Intensität nicht zu beobachten. Zwar kooperieren etablierte Versicherungsunternehmen immer häufiger mit InsurTechs, indem sie in diese investieren bzw. diese vollständig übernehmen, jedoch streben die Unternehmenskulturen der Organisationen so weit auseinander, dass sich die Zusammenarbeit als herausfordernd gestaltet. Beispielsweise sind InsurTechs auf zeitnahe Entscheidungen angewiesen, die etablierte Unternehmen aufgrund bestehender hierarchischer Strukturen häufig nur langsam treffen können (GDV, 2021). Ferner ist der Einsatz von KI, aufgrund zahlreicher regulatorischer Hürden innerhalb der deutschen Versicherungsindustrie sowie einem mangelnden Vertrauen der Versicherungsnehmer*innen in diese Technologie, in deutlich geringerem Maße festzustellen, als zum Beispiel innerhalb des chinesischen Marktes (siehe hierzu ausführlich Punkt 4, Verbraucherzentrale Bundesverband, 2018, 2019).
 
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Hierbei wird kontinuierlich jedes einzelne Kettenglied sowie sein Zusammenwirken mit anderen Gliedern in Bezug auf seinen Beitrag zur Wertschöpfung und seinen Kund*innennutzen überprüft, fortlaufend verbessert und so optimiert, dass ein verschwendungsfreies und hoch effizientes Zusammenspiel der jeweiligen Teilprozesse erfolgt (Boes et al., 2018).
 
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Der Bedarf und der Wunsch nach mehr Agilität beschränkt sich nicht nur auf die Versicherungsindustrie, sondern ist in nahezu jeder Branche zu beobachten, da diese ebenfalls von den Auswirkungen der Megatrends betroffen sind (Boes et al., 2018; Leyer & Moormann, 2014).
 
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Innerhalb des WIR 2018 wurden die nachfolgenden Gründe für die Erfordernis einer zunehmenden Agilität von den über 130 befragten Führungskräften genannt; die Reihenfolge repräsentiert die Bedeutung, die den Themen beigemessen wird: veränderte Kund*innenerwartungen, steigender Wettbewerb bei einer gleichzeitig andauernden Niedrigzinsphase, die Entstehung neuer Businessmodelle, eine höhere Marktdynamik, wachsende Volumen an Echtzeitdaten, disruptive Technologien sowie neuartige Risiken (Capgemini & Efma, 2018).
 
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Vor allem in produzierenden Unternehmen profitiert der Fertigungsbereich von einer sogenannten „Lean Production“ (Optimierung der Materialbereitstellung mit Hilfe von „Kanban“-Systemen, Just-in-time, Fließfertigung, synchrone Taktung, Kaizen, Teamarbeit, etc.). Diese bietet enorme Produktivitätsvorteile, z. B. aufgrund von minimierten Ausschüssen und Lagerhaltungen, verkürzten Durchlaufzeiten und standardisierten Prozessschritten (Boes et al., 2018).
 
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Dies zeigt wie zentral der Service-Aspekt ist, der durch die Kund*innen wahrgenommen werden muss (vgl. Capgemini & Efma, 2018). Produkte wie bspw. Fahrzeuge, Kleidung, Unterhaltungselektronik etc. befriedigen ein bestimmtes Bedürfnis von Kund*innen, sprechen deren Sinne an (z. B. visuell, auditiv, olfaktorisch, haptisch) und lösen Emotionen aus. Vermittelnde müssen es hingegen schaffen, die potenzielle Dienstleistung schon im Kund*innengespräch emotional erlebbar zu machen (Maas, 2012).
 
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In vielen Bereichen profitierten Versicherungsunternehmen immer noch von relativ hohen Margen (aufgrund des steigenden Wettbewerbs, der weiterhin anhaltenden Niedrigzinsphase und den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie sinken diese aktuell zunehmend, Süddeutsche, 2019c). Gleichzeitig waren die hohen regulatorischen Anforderungen (z. B. in Bezug auf den Datenschutz) nicht förderlich für den Wunsch nach einer digitalen Transformation der Branche. Nicht zuletzt führte der immaterielle Charakter von Versicherungsprodukten bei Versicherungsunternehmen vor einigen Jahren zu der Schlussfolgerung, dass eine digitale Transformation weniger wichtig sei für die Versicherungsindustrie, bzw. andere Themen (z. B. regulatorische Anforderungen) Vorrang haben (Wiesböck et al., 2017).
 
73
Die neu entstehenden Arbeitsplätze betreffen vor allem Berufssegmente, die eine Voraussetzung für die digitale Transformation darstellen, wie bspw. Informatik-, Kommunikations- und Informationstechnologieberufe. Die Bankkaufleute sind hingegen im Zeitraum zwischen 2012 und 2018 am stärksten von einem Abbau von Arbeitsplätzen betroffen gewesen (Dengler & Matthes, 2020).
 
74
Der Ausdruck „Substituierbarkeitspotenzial“ umfasst innerhalb der Untersuchung von Dengler et al. (2018) Berufe, die Tätigkeiten umfassen, die zu mehr als 70 Prozent von computergesteuerten Maschinen oder Computern umgesetzt werden könnten. Das Substituierbarkeitspotenzial wurde anhand einer Einschätzung der Kerntätigkeiten eines Berufes ermittelt, die durch eine Maschine aus rein technischer Perspektive substituiert werden könnten und durch die Gesamtzahl der Kerntätigkeiten dividiert. Die ca. 8.000 ermittelten Kerntätigkeiten der knapp 4.000 in Deutschland bekannten Berufe, stellen Tätigkeiten dar, die für die Berufsausübung unverzichtbar sind. Aufgrund mangelnder Datenlage wurde davon ausgegangen, dass jede Kerntätigkeit in einem Beruf den gleichen zeitlichen Raum einnimmt, sodass es hierdurch zu einer Über- bzw. Unterschätzung von Substituierbarkeitspotenzialen kommen kann (Dengler & Matthes, 2018).
 
75
Diverse Einflussfaktoren, die ein Hemmnis für einen tatsächlichen Abbau von Arbeitsplätzen darstellen können, werden in Abschnitt 5.​2 genannt.
 
76
Die Autor*innen differenzieren grundsätzlich zwischen den vier Anforderungsniveaus „Helfer“, „Fachkräfte“, „Spezialisten“ und „Experten“, die sich wiederum an den Bildungsabschlüssen orientieren. Helfer haben keine oder eine einjährige Berufsausbildung abgeschlossen. Fachkräfte weisen einen berufsqualifizierenden Abschluss an einer Kolleg- oder Berufsfachschule oder eine mindestens zweijährige berufliche Ausbildung auf. Spezialisten verfügen über eine Techniker- oder Meisterausbildung bzw. einen weiterführenden Bachelor- oder Fachschulabschluss. Experten haben mindestens ein vierjähriges Hochschulstudium absolviert (Paulus & Matthes, 2013; Matthes et al., 2018).
 
77
Ein grundsätzlicher Altersanstieg konnte in fast allen beruflichen Gruppen festgestellt werden. So stieg das durchschnittliche Alter sämtlicher sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter in den Jahren zwischen 2013 und 2019 um 0,6 Jahre (von 41,5 auf 42,1 Jahre) an (Brussig & Drescher, 2020a). Die Anzahl der älteren Erwerbstätigen (50- bis 67-Jährige) stieg im genannten Zeitraum um 30,7 Prozent (+2,7 Mio. Beschäftigte) an. Gleichzeitig nahm die Anzahl der jüngeren Erwerbstätigen (16- bis 49-Jährige) lediglich um 6,3 Prozent zu (Brussig & Drescher, 2020b).
 
78
Hierbei sei darauf hingewiesen, dass die Finanzwirtschaft trotz dieser Tendenz nicht die Branche mit dem höchsten Durchschnittsalter darstellt. Innerhalb der Gruppen „Reinigung“ (46,7 Jahre), „Führung von Fahrzeug- und Transportgeräten“ (46,6 Jahre) sowie „Sicherheit und Überwachung“ (45 Jahre) konnten beispielsweise noch höhere Werte ermittelt werden. Allerdings ‚altern‘ diese Bereiche deutlich langsamer mit Werten in Höhe von 0,2 Jahren („Sicherheit und Überwachung“) und 0,7 Jahren („Führung von Fahrzeug- und Transportgeräten“). In der Gruppe „Reinigung“ stagniert das Durchschnittsalter sogar (Brussig & Drescher, 2020a).
 
79
Die in dem Zeitraum ermittelte durchschnittliche Alterung in der Finanzwirtschaft lässt sich hauptsächlich auf die Ergebnisse aus den Jahren 2013 bis 2017 zurückführen. In den beiden Jahren 2018 und 2019 wich die Entwicklung der älteren Beschäftigten hingegen bereits um 5 Prozentpunkte von dem durchschnittlichen Wert ab (Brussig & Drescher, 2020a, 2020b).
 
80
Bspw. setzen sich Biener, Eling & Wirfs (2015) in einer Untersuchung mit der Versicherbarkeit von Cyber-Risiken auseinander und zeigen auf, dass eine Haupthürde in diesem Bereich das Kumulrisiko darstellt.
 
81
Der Terminus „DNA-Sequenzierung“ beschreibt ein Verfahren, mit dessen Hilfe Basenfolgen innerhalb der DNA bestimmt werden können. Die DNA-Sequenzierung revolutionierte die biologischen Wissenschaften und leitete die Ära der Genomik ein, wozu u. a. auch die Sequenzierung eines gesamten Genoms zählt. Die Methoden sind essentiell für die Untersuchung genetisch bedingter Erbkrankheiten und werden aufgrund technischer Fortschritte immer günstiger und schneller. Vor allem Krebserkrankte sowie Personen, die unter seltenen Erkrankungen leiden, könnten in hohem Maße von zukünftigen Entwicklungen in diesen Bereichen profitieren (Knippers, 2012).
 
82
Sogenannte „3D-Drucker“ ermöglichen den ‚Ausdruck‘ von Gegenständen jeglicher Art. Ausgangsmaterialien können bspw. Kunststoff, Gips oder Metall sein. Die Materialien können sich in flüssiger Form, als Pulver oder Granulat aber auch am Stück (z. B. Metallfolie) im 3-D-Drucker befinden. Während des Druckens wird Schicht um Schicht aufgetragen und geklebt, getrocknet oder geschmolzen. Abhängig vom Objektaufbau erfordert der Ausdruck im Extremfall bis zu mehrere Stunden oder Tage (Bendel, 2019d).
 
83
Wie diese Rolle in der Zukunft aussehen könnte, veranschaulicht Anhang P im elektronischen Zusatzmaterial anhand der Darstellung eines beispielhaften Tages. Dieser verdeutlicht, dass Kund*innenkontakt allein nicht ausreichend ist, sondern ein Mehrwert durch zusätzliche Services geboten werden muss, um relevant für Kund*innen zu sein. Jedes positive Kund*innenerlebnis bietet wiederum die Möglichkeit zusätzliche Leistungen anbieten und die Kund*innenbeziehung ausbauen zu können (Capgemini & Efma, 2018).
 
84
Wie aus der Nachhaltigkeitsstudie 2019 der Union Investment deutlich wird, nimmt das Thema Nachhaltigkeit zwar eine wachsende Bedeutung innerhalb der Branche ein, jedoch könnte das Engagement ausgeprägter sein. Laut der Untersuchung berücksichtigen 69 Prozent der 35 befragten Versicherungsunternehmen Nachhaltigkeitskriterien bei Anlageentscheidungen. In diesem Rahmen werden ca. 62 Prozent der Assets auf der Grundlage von Nachhaltigkeitskriterien angelegt. Das Ergebnis ist etwas höher als der Durchschnitt der institutionellen Anleger*innen (n = 201), der einen Wert in Höhe von 56 Prozent vorweist. Die Versicherungsunternehmen geben an, dass die Kriterienberücksichtigung auf einem mittleren Niveau stattfindet. Einrichtungen wie Stiftungen oder Kirchen äußern hingegen, die Kriterien stark bis sehr stark im Rahmen ihrer Kapitalanlagen zu berücksichtigen. Als entscheidender Impuls für eine zukünftig verstärkte Auseinandersetzung mit nachhaltigen Kapitalanlagen werden „veränderte regulatorische Anforderungen“ von 70 Prozent der befragten Versicherungsunternehmen angegeben (Union Investment, 2019).
 
85
Der Ausdruck „Millennials“ repräsentiert eine Generation, die um die Jahrtausendwende geboren wurde (nach den „Baby Boomern“ und vor der „Generation Z“). In Abhängigkeit von der Quelle schwankt die Einordnung der Generation zwischen den Jahren 1976 und 1980 als Startpunkt, wohingegen das Ende i. d. R. auf das Jahr 2000 festgelegt wird. Sie wird häufig auch als „Generation Y“ oder als Generation der „Digital Natives“ bezeichnet (Kramp & Weichert, 2018).
 
Metadaten
Titel
Zentrale Entwicklungen innerhalb der Finanzwirtschaft
verfasst von
Daniela Dohmen
Copyright-Jahr
2023
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-41049-0_6

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