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27.04.2023 | Filiale | Schwerpunkt | Online-Artikel

Immer weniger Mittelständler gehen in die Bankfiliale

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

5:30 Min. Lesedauer

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Die Zahl kleiner und mittlerer Unternehmen in Deutschland, die für ihre Finanzangelegenheiten eine Bankfiliale aufsuchen, schrumpft seit Jahren. Dennoch legt das KfW-Mittelstandspanel eine unverändert hohe Bindung der Betriebe an ihre Hausbank offen. Diese nutzen aber immer häufiger digitale Kommunikationswege.

"Bankkunden sind anspruchsvoll. Sie möchten schnelle und passgenaue Antworten auf ihre Fragen, immer und überall Zugriff auf innovative Services und darüber hinaus gezielt mit attraktiven, individualisierten Angeboten versorgt werden", schreibt Boris John in der April-Ausgabe der Zeitschrift "Bankmagazin". "Die Filialen sind ein hoher Kostenfaktor, in denen meist nur Spezialisten für bestimmte Angebotssegmente arbeiten, etwa für die Kreditvergabe oder Anlageberatung. Generalisten, die den Kunden umfassend über die gesamte Produkt- und Service-Palette hinweg bedienen, sind dagegen die Ausnahme", erläutert der Wirtschaftsinformatiker des IT-Beratungsunternehmens Adesso. 

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Kundenschwund in den Bankfilialen

Diese Entwicklung hat in den vergangenen Jahren zu einem Kundenschwund in den Präsenzen der Banken und Sparkassen vor Ort gesorgt. Laut des Digital Life Index 2022 des Beratungshauses Publicis Sapient liegt der Anteil persönlicher Kontakte in Bankfilialen in Deutschland bei 28 Prozent. Das Online (34 Prozent) und Mobile Banking (29 Prozent) haben als Vertriebskanäle im Privatkundengeschäft längst die Nase vorne. 

Und auch für mittelständische Unternehmer wird der persönliche Gang zum Geldhaus zur Seltenheit. Nur noch jedes zweite kleine und mittlere Unternehmen (KMU) hat im Jahr 2021 vor Ort in der Bank einen Termin wahrgenommen. Im Jahr 2019 lag der Anteil bei 57 Prozent, im Jahr 2017 sogar noch bei 65 Prozent. Zu diesen Ergebnissen kommt die 20. Welle des KfW-Mittelstandspanels. Für die Erhebung sind vom 10. Februar bis zum 17. Juni 2022 fast 10.800 Firmen sämtlicher Wirtschaftszweige, deren Umsatz die Grenze von 500 Millionen Euro pro Jahr nicht übersteigt, befragt worden.

Hausbanken liegen bei KMUs hoch im Kurs

Der Analyse zufolge waren 2021 rund 1,88 Millionen KMUs zu mindestens einem Anlass in einer Bank- oder Sparkassenfiliale zu einem Geschäftstermin. Das sind rund 300.000 weniger als im Jahr 2019. Im Vergleich zu 2017 liegt der Rückgang sogar bei 560.000 Besuchen. Lediglich mit der Unternehmensgröße nehme die Anzahl der persönlichen Vor-Ort-Gespräche zu, was die Studienautoren auf ein mit dieser einhergehendes, steigendes Finanzierungsvolumen und einen höheren Beratungsbedarf zurückführen. Wenn Unternehmer allerdings ein Institut aufsuchen, ist es in 93 Prozent aller Fälle ein Besuch bei der eigenen Hausbank.

Den Rückgang der Filialkontakte mittelständischer Kunden sei dem voranschreitenden Wandel in den Kommunikationsmustern geschuldet. "Auch die Corona-Krise, während der Bankfilialen zeitweise geschlossen bleiben mussten, dürfte die Entwicklung geprägt haben", heißt es weiter. 44 Prozent der KMU berichten generell von einem abnehmenden persönlichen Kontakt mit ihren Bankberatern in den vergangenen fünf Jahren. 

Dafür hat in den vergangenen Jahren die Nutzung digitaler Kommunikationswege wie Bank-Apps mit einem Plus von 13 auf 32 Prozent oder der E-Mail-Kontakt um zwölf auf 52 Prozent deutlich zugelegt. Aber auch das klassische Telefonat mit dem Bankberater ist für viele Unternehmer wieder attraktiver geworden und ist um zehn auf 36 Prozent angewachsen. 

Unternehmen nutzen häufiger digitale Kanäle

"Die Filialnutzung geht zurück, die digitale Kommunikation zwischen Mittelstand und Bank nimmt zu", fasst Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW, zusammen. "Trotzdem bleibt angesichts von insgesamt fast sechseinhalb Millionen Filialbesuchen der Stellenwert persönlicher Interaktion weiter hoch. Das liegt an den damit verbundenen Informationsvorteilen für beide Seiten, die vor allem bei komplexeren Investitionsfinanzierungen beziehungsweise Bankdienstleistungen zum Tragen kommen." 

Gewachsene Beziehungen zwischen Unternehmen und Kreditinstitut helfen, grundsätzliche Informationsasymmetrien zu reduzieren. Auch so genannte "weiche Informationen" wie Managementqualitäten, Verlässlichkeit oder die Lebenssituation des Inhabers seien besser einschätzbar, fließen in Risikobewertungen ein und können für die Kreditentscheidung eine wesentliche Rolle spielen. "Entscheidend für die vielfach lokal verankerten kleinen und mittleren Unternehmen ist, dass ein funktionsfähiger Zugang zur Abwicklung von Bankdienstleistungen offenbleibt", so die Ökonomin. Besonders KMUs seien auf das Fachwissen und die Erfahrungen ihrer Bankpartner vor Ort angewiesen, wenn es um komplexere Finanzierungsanlässe geht.  

Ausgeprägtes regionales Filialnetz

Daher scheine sich das ausgeprägte Netz von vor allem regional orientierten Kreditinstituten für den Mittelstand auszuzahlen. Laut KfW-Mittelstandspanel müssen Unternehmer nur etwas mehr als 15 Minuten bis zur nächsten Hausbankfiliale zurücklegen. Jeder zweite Mittelständler erreiche die nächstgelegensten Räumlichkeiten sogar in zehn, jeder vierte in fünf Minuten. Diese Werte haben seien in den vergangenen zwei Jahren nahezu gleich geblieben - das gelt für städtische wie ländliche Regionen gleichermaßen. 

Allerdings ermittelten die KfW-Volkswirte auch ein West-Ost-Gefälle: So ist  das Filialnetz für Mittelstandskunden im Saarland und Rheinland-Pfalz deutlich enger gewebt als in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Mecklenburg-Vorpommern. Im letztgenannten Bundesland müssen die Unternehmer mit einer im Schnitt 29-minütigen Anfahrt rechnen. "Die Ursache für die mitunter starken Unterschiede liegen in der generell niedrigen Bankfilialdichte im Großteil der ostdeutschen Regionen, die bereits zur Wiedervereinigung deutlich geringer war", heißt es zur Begründung. Zudem zeichneten sich viele westdeutsche Regionen durch einen höheren Verstädterungsgrad aus, "während es Ostdeutschland dagegen mehr ländlich geprägte Regionen gibt". 

Von Fokusfilialen und Direktbank-Angeboten

Für die sich ändernden Bedürfnisse und Entwicklungen im Firmenkundengeschäft haben deutsche Banken unterschiedliche Konzepte entwickelt. Auf ein besonderes Betreuungskonzept für Kleinunternehmer, Selbstständige, Gründer und freiberuflich Tätige setzt zum Beispiel die Targobank. "Um die individuelle Betreuung unserer Geschäftskundinnen und -kunden zu stärken, haben wir mit den Fokusfilialen im Juli 2022 in fünf Ballungsgebieten ein Pilotprojekt gestartet", berichtet Maren Mölleken-Telinde, Bereichsleiterin Geschäftskunden, in der Februar/März-Ausgabe des "Bankmagazins". Das Konzept fokussiert sich dabei auf Hamburg, Hannover, Braunschweig, Leipzig und Dresden. 

Zwölf Expertinnen und Experten konzentrieren sich dort voll und ganz auf Kleinunternehmer, Selbstständige, Gründer und freiberuflich Tätige. Die Beraterinnen und Berater sind auch außerhalb der regulären Filialöffnungszeiten erreichbar und fahren auf Wunsch für ein Beratungsgespräch zu ihren Kundinnen und Kunden. So können wir unsere Expertise bündeln, Prozesse beschleunigen und Entscheidungswege verkürzen. Für unsere Kundschaft bedeuten die kurzen Bearbeitungszeiten zum Beispiel, dass eine direkte Kreditentscheidung vor Ort möglich ist. Zudem sehen wir, dass eine Kombination aus verschiedenen Beratungsoptionen, Filiale und telefonisch, die Kundenzufriedenheit steigert", so Mölleken-Telinde. 

Die Commerzbank setzt mit ihrer Mittelstandsbank Direkt, in die bis November 2022 rund 6.000 Bestandskunden überführt wurden, verstärkt auf die digitale Betreuung. Obwohl das Frankfurter Geldhaus bis Mitte 2022 bereits die Zahl der Präsenzen vor Ort auf rund 450 reduziert hatte, sollen im Laufe des Jahres weitere 50 Filialen geschlossen werden. Statt dessen bietet das Institut seit Herbst 2022 sogenannte Beratungscenter, in denen Bankmitarbeiter telefonisch, per Mail oder Video auch abends und am Wochenende zur Verfügung stehen.

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