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12.10.2023 | Internet der Dinge | Interview | Online-Artikel

"XR kann jede Phase der Produktion unterstützen"

verfasst von: Thomas Siebel

6:30 Min. Lesedauer

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Erweiterte Realität (XR) wie VR und AR hält Einzug in Entwicklung und Produktion. Ein Interview mit Thomas Dexmier von HTC Vive über die Entwicklung von Fertigungsstraßen, den Nutzen für KMUs und tragbare 5G-Netze.

springerprofessional.de: In der Branche für XR-Technologien wachsen sowohl die Anzahl der Firmen als auch die Erlöse. Welche Rolle spielen unter den verschiedenen Anwendungsfeldern Konstruktion und Produktionstechnik?

Thomas Dexmier: In der Konstruktion und der Produktion ist die Visualisierung von Objekten einer der wichtigsten Gesichtspunkte. Hier kann der Einsatz immersiver Technologien wie XR unmittelbare Vorteile bringen. XR hebt die Visualisierung dabei auf ein neues Level: Es entstehen nun virtuelle Modelle, mit denen auf eine Art und Weise interagiert werden kann, die sonst nicht möglich ist.

Welche neuen Möglichkeiten bieten sich der Konstruktion?

Beispielsweise können Ingenieure unter anderem Modelle vergrößern, durch sie hindurchgehen oder reale physikalische Parameter auf sie anwenden. In diesem Zusammenhang existieren verschiedene fortschrittliche 3D-Tools. Hardwareseitig ermöglichen leichte Headsets wie die Vive XR Elite 3D-Modelle auch in großem Maßstab in Mixed Reality zu animieren und zu betrachten. Das eröffnet gleichzeitig auch das Potenzial für eine bessere Remote-Zusammenarbeit. So können Teams in einer XR-Umgebung zusammenkommen und unabhängig von ihrem geografischen Standort Designprüfungen anhand von 3D-Modellen in Echtzeit durchführen.

In welchen Bereichen in Konstruktion und Produktion führen XR-Technologien schon heute zu Kosteneinsparungen?

Alle Bereiche, die eine Visualisierung erfordern, können durch den Einsatz von XR verbessert werden. Das betrifft insbesondere Gebiete, in denen ausgiebige Testprozesse nötig sind, wie beispielsweise die Entwicklung von Fertigungsstraßen. Anstatt einen physischen Prototyp zu bauen, können virtuelle Modelle schnell und kosteneffizient entwickelt werden, in denen unterschiedliche Szenarien getestet werden können. Ein weiterer Vorteil ist, dass durch digitale Modelle Menschen von verschiedenen Orten aus an dem Prototyp arbeiten können. Während der Pandemie nutzte beispielsweise die Ford Motor Company VR für die Remote-Zusammenarbeit bei der Optimierung des Layouts ihres neuen Werkbereichs. Das Unternehmen hat dadurch das Layout in 3D entworfen und ausgiebig getestet. Das Ergebnis waren unter anderem erhebliche Zeit- und Kosteneinsparungen. Diese Art der Zusammenarbeit ist zudem nachhaltig, da sie Reisen vermeidet und so die Kohlendioxidemissionen reduziert.

Wird XR auch in anderen Bereichen, beispielsweise beim Rüsten von Maschinen oder in der Montage, wirtschaftlich relevant werden? Wann und unter welchen Umständen?

XR hat das Potenzial, jede Phase der Produktion zu unterstützen. Im Konstruktionsbereich können Arbeitsabläufe bereits lange vor dem eigentlichen Bau eines Gebäudes ausgiebig getestet werden. Arbeiter, die komplexe Maschinen bedienen müssen, können bereits vorab an realitätsnahen, virtuellen Nachbildungen geschult werden und üben. Weltweit agierende Unternehmen wie Siemens oder Bosch setzen heute schon fortschrittliche XR-Tools für die Entwicklung von Fertigungsstraßen ein.

Täuscht der Eindruck, dass vor allem große Unternehmen wie Airbus, BMW oder Porsche XR-Technologien erfolgreich einsetzen? Wie könnte XR auch für kleinere Betriebe wirtschaftlich interessant werden?

HTC Vive betreut Organisationen jeder Art und Größe hinsichtlich der Umsetzung von XR-Projekten. Große Unternehmen setzen diese Technologie häufig ein, weil sie die Möglichkeit bietet, eine Vielzahl an Mitarbeitern zusammenarbeiten zu lassen. XR ist mittlerweile aber auch für kleinere Unternehmen sinnvoll, da für Headsets wie Vive Focus 3 eine Menge Software- und Hardwarezubehör erhältlich ist, das auf die jeweiligen Bedürfnisse zugeschnitten werden kann. Es gibt App-Stores und offene Software Development Kits, kurz SDKs, für diejenigen, die selbst Software entwickeln wollen. Aber es ist auch sehr einfach, bestehende Software wie Autodesk VRED zu verwenden und dort Modelle zu erstellen. Letztendlich profitieren Organisationen jeglicher Größe von den Vorteilen der XR-Technologie, da immer mehr Entwickler in diesem Bereich tätig sind und es mittlerweile für eine Vielzahl an Anwendungen, Optionen und Softwarelösungen zur Verfügung stehen.

Wie sollten Unternehmen vorgehen, wenn sie XR-Technologien einsetzen wollen?

Wie bei jeder neuen Technologie müssen Unternehmen einen klaren Plan darüber haben, welche Ziele sie mit XR erreichen wollen. Wenn Unternehmen XR bereits einsetzten oder es planen, sollten sie darauf achten, dass der Anbieter sie bei der Implementierung der Hardware und Software unterstützt. Die Einstiegshürden sind dabei sehr niedrig. Unsere Headsets basieren auf dem Einsatz offener Software Development Kits und Android als Betriebssystem. Dadurch ist es für Unternehmen einfach, eigene Inhalte zu erstellen und sie mühelos in ihr hauseigenes Mobile Device Management zu integrieren. Darüber hinaus gibt es App-Stores, in denen Unternehmen fertige Inhalte kaufen können, um beispielsweise 3D-Modelle zu importieren oder maßgeschneiderte Erlebnisse zu erstellen. Die Headsets sind dabei so konzipiert, dass sie unabhängig voneinander verwendet werden können und gleichzeitig die Flexibilität bieten, Inhalte von einem PC zu streamen. So können sie an jedem beliebigen Ort am Arbeitsplatz aufgestellt werden, ohne dass ein spezieller Raum benötigt wird. Vom Sicherheitsaspekt aus gesehen sollten die Headsets unter anderem ISO 27001 und ISO27701 zertifiziert sein.

Welche Rolle spielen Qualifikation und Akzeptanz bei der Einführung?

Aus der Perspektive der Implementierung ist es wichtig zu bedenken, dass XR für viele Unternehmen eine noch relativ neue Technologie darstellt und dass es bei der Bewertung einige Dinge zu beachten sind. Bei HTC Vive liegt unser Fokus deshalb immer darauf, Probleme zu lösen und Arbeitsprozesse zu verbessern. Ein wichtiger erster Schritt ist es, eine klare Zielsetzung zu definieren, die mit XR gelöst werden soll. Die Nutzer müssen so früh wie möglich in den Prozess einbezogen werden, denn auf diese Weise kann wertvolles Feedback gesammelt und die Implementierung optimiert werden.

Wie geht man bei der Implementierung dann vor?

Iterative Tests können in der Anfangsphase eines XR-Einsatzes eine gute Übung sein, denn sie bieten eine natürliche Gelegenheit für Benchmarking, das Sammeln von Feedback und das Testen von VR-basierten Gruppen im Vergleich zu nicht-VR-basierten Gruppen. Zudem ist es wichtig, dass jeder, der mit dieser Technologie interagiert, für den Erfolg gerüstet ist. Das bezieht sich auf das richtige Verhältnis von XR-Hardware und -Software für den Endnutzer bis hin zur Sicherstellung, dass IT-Teams über die richtigen Tools verfügen, um eine Flotte von Geräten effizient verwalten zu können. Alle diese Aspekte spielen eine entscheidende Rolle bei der Akzeptanz der Technologie und sind der Grund, warum wir ein starkes Ökosystem von Supportlösungen für Unternehmen rund um unsere Hardware aufgebaut haben.

Welches sind die größten Herausforderungen für die Weiterentwicklung von XR-Technologien im Konstruktions- und Produktionsumfeld?

Der größten Herausforderung, der wir begegnen, ist die vorgefasste Meinung darüber, was XR wirklich imstande ist zu leisten. Viele Menschen haben VR vor vielen Jahren ausprobiert, kennen den aktuellen Stand der Entwicklung allerdings nicht. Moderne XR-Headsets verfügen über eine Auflösung von mindestens 4K und eine Bildwiederholfrequenz von 90 Hz. Dadurch lassen sich externe Objekte im virtuellen Raum verfolgen und die virtuelle und reale Welt miteinander verschmelzen. Darüber hinaus arbeitet Vive durch den Geschäftsbereich G-Reigns an dem Aufbau privater tragbarer 5G-Netzwerke. Ziel ist es, die XR-Nutzung noch leistungsfähiger und flexibler zu gestalten. Das ist insbesondere für den Konstruktions- und Produktionsbereich von enormer Bedeutung, weil somit ein schnelles und stabiles privates 5G-Netzwerk von überall aus innerhalb von 20 Minuten eingerichtet werden kann. Wenn man von XR spricht, ist es aber immer am wichtigsten, sich selbst von der Technologie zu überzeugen. Wir sind deshalb immer bestrebt, Menschen in ein immersives Erlebnis zu versetzen und dann zu beobachten, wie sie auf das Potenzial reagieren, das ihnen XR bietet.

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