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Erschienen in: BHM Berg- und Hüttenmännische Monatshefte 12/2023

Open Access 06.12.2023 | Originalarbeit

Nutzung von Injektions- und Monitoring-While-Drilling-Daten mit künstlicher Intelligenz zur adaptiven Optimierung von Injektionsmaßnahmen im Tunnelbau (Forschungsprojekt AVANT)

verfasst von: Dipl.-Ing. Robert Wenighofer, Marlène C. Villeneuve, Florian Rathenböck, Philipp Maroschek, Christian Thienert, Christoph Klaproth, Robert Pechhacker, Frank Köneman

Erschienen in: BHM Berg- und Hüttenmännische Monatshefte | Ausgabe 12/2023

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Zusammenfassung

Beim Tunnelvortrieb wird das Gebirge vor dem Tunnel oft zu Erkundungszwecken oder für vorausauseilende Sicherungsmaßnahmen angebohrt, z. B. zur Injektion von Zementsuspension oder zur Entwässerung. Mittlerweile haben in die Bohr- und Injektionstechnik beim Spezialtiefbau und Tunnelbau digitale Datenaufzeichnungssysteme verbreitet Einzug gehalten. Im Zuge des Projektes AVANT wurden nun Methoden untersucht und entwickelt, um diese Daten bereits Untertage auszuwerten und in den weiteren Bauablauf einfließen zu lassen, anstatt diese bloß für Dokumentationszwecke zu archivieren. Mit dem Ziel modifizierte Ingenieurmodelle für Gebirge und Injektionen abzuleiten sowie für den Aufbau einer injektionsspezifischen Wissensdatenbank wurde untersucht, inwieweit hierfür Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) zweckmäßig zum Einsatz kommen können. Ein Konsortium bestehend aus den deutschen Partnern STUVAe. V., geoteam Ingenieur GmbH und den österreichischen Partnern eguana GmbH, Montanuniverstät Leoben und Züblin Spezialtiefbau Ges.m.b.H. hat kürzlich das Projekt „AVANT – Adaptive Planung von Injektionsmaßnahmen im Tunnelbau mittels Künstlicher Intelligenz“ abgeschlossen, das einige neue interessante Ergebnisse hervorgebracht hat. Der vorliegende Beitrag zeigt auf, wie Bohr- und Injektionsdatensätze unter Anwendung von KI-Methoden zu verwendet werden können, das Gebirge vor der Ortsbrust bzw. den Injektionsmittelbedarf zu prognostizieren, um damit die Baulogistik zu optimieren. Schlussendlich wird ein Vorschlag unterbreitet, wie derartig innovative Ansätze bauvertraglich berücksichtigt werden können.
Hinweise

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

1 Allgemeines

Im Zuge von Tunnelvortrieben können vorauseilende Sicherungsmaßnahmen erforderlich sein, um den Baugrund zu verbessern, d. h. abzudichten und/oder zu verfestigen. Da derartige Maßnahmen die Vortriebsleistung mitunter drastisch reduzieren, kommt ihrer effizienten Auslegung große Bedeutung zu. Es werden hierzu häufig Injektionen gewählt, die mit vergleichsweise einfacher Gerätetechnik flexibel hergestellt werden können.
Injektionsmittel und Injektionsparameter werden an die vorliegende Baugrundsituation angepasst, wozu vorab häufig Wasserabpressversuche und Probeinjektionen durchgeführt werden. Ergänzend zu den Injektionsparametern werden Abbruchkriterien festgelegt, bei deren Erreichen kein weiteres Injektionsgut verpresst wird. Auf Basis der zu erwartenden Eindringtiefe sind Bohrraster und Bohrtiefe der systemtypisch vorab herzustellenden Bohrungen zu definieren. Zur Durchführung erfolgreicher und wirtschaftlicher Injektionskampagnen müssen die Bohr- und Injektionsparameter sowie Abbruchkriterien im Bedarfsfall angepasst werden.
Seit Jahrzehnten werden im deutschsprachigen Raum Injektionen auf Basis von Abbruchkriterien durchgeführt, welche in den 1990er-Jahren erarbeitet wurden. Verbreitet ist vor allem das sogenannte GIN-Kriterium, bei dem der Injektionsprozess durch die Erkenntnisse aus den bereits injizierten Abschnitten direkt gesteuert wird [1, 2]. Ziel dieser Methode ist, ein gleichzeitiges Auftreten hoher Drücke und Volumenströme des Injektionsgutes zu verhindern, die kombiniert ein Aufreißen der Klüfte hervorrufen könnten. Die Intensität – physikalisch betrachtet die eingebrachte Energie – wird als GIN-Wert (Grouting Intensity Number) bezeichnet. Die Injektion wird beim Erreichen einer definierten Injektionsintensität abgebrochen. International wurde bereits intensive Forschung betrieben, um neue und bessere Abbruchkriterien zu formulieren, die aber alle bisher keinen Einzug in die deutschsprachige Praxis gefunden haben. So werden in den USA Injektionen häufig nach der Apparent-Lugeon-Methode (ALM) ausgeführt [3, 4]. Der Injektionsvorgang wird dabei wie ein kontinuierlicher Wasserabpressversuch gesehen, in dem über die Viskosität der Suspension auf einen scheinbaren Lugeon-Wert zurückgerechnet wird. Dieser Wert wird mit vorab ausgeführten Wasserabpressversuchen verglichen.
Measurement-While-Drilling-Daten (MWD) wurden zur Interpretation des Gebirges vor der Ortsbrust genutzt, um den Entscheidungsprozess hinsichtlich Vortrieb, Ausbau und Injektionen [58] anhand konventioneller analytischer Methoden sowie jener maschinellen Lernens zu unterstützen. Die beschriebene Forschung zeigt die Resultate des Forschungsprojekts AVANT auf, das unter Verwendung eines großen Umfangs von Injektionsverläufen und MWD Daten mittels Methoden maschinellen Lernens auf eine Verbesserung der Injektionsprozesse abzielte. Der Beitrag richtet sich auf die Dateninfrastruktur-Entwicklung, Datenanalyse, Dateninterpretation und ihre Auswirkungen auf den Injektionsprozess.

2 Datenakquisition

Eine der größten Herausforderungen bei der Anwendung des maschinellen Lernens auf diese Datensätze besteht darin, dass MWD- und Injektionsdaten derzeit nicht speziell für das maschinelle Lernen erfasst werden. Um aussagekräftige Interpretationen abzuleiten, müssen Informationen aus einer Vielzahl von Datenquellen manuell zeitlich und/oder räumlich zueinander in Beziehung gesetzt werden. Wie in [9] berichtet, mussten die Daten beschafft, auf ihre Vollständigkeit überprüft und zunächst manuell vorausgewertet werden, um zu sehen, welche Daten konkret verwendet werden können.
Es wurde ermittelt, welche Arten von Daten in welchem Format verfügbar sind. Dies waren zum einen kontinuierlich registrierte Bohr- und Injektionsdaten und zum anderen Daten aus analogen Bohrberichten und geologischen Berichten. Die entsprechenden Header- und Logdaten der Injektionsdaten im ASCII-Format waren aufzubereiten und zusammenzuführen. Zur Plausibilitätsprüfung wurde eine chronologische und lagemäßig zweidimensionale Videodarstellung erstellt, anhand derer die Vollständigkeit der Daten, die Abfolge des verwendeten Injektionsguts und Kommentierung der Arbeiten einfach nachvollzogen werden konnte. Die Headerinfos von Bohrdaten im Zuge des „Measurement-While-Drilling“ (MWD), Injektionsdaten und Bohrberichte wurden verwendet, um chronologische Videos und räumliche Darstellungen zu entwickeln. Mit diesen konnten typische Ausführungsfehler visualisiert und damit wichtige Datentypen für die weitere Analyse identifiziert werden.
Mehrere Tunnelquerschnitte wurden für eine detailliertere Überprüfung und weitere Bearbeitungsschritte ausgewählt. Unter anderem wurden anhand dieser Bohr- und Injektionsdaten erste Codes geschrieben, um die MWD-Daten gemäß Methoden aus einschlägigen Veröffentlichungen zu bereinigen. Die so bereinigten Daten wurden mit Hilfe von Indices aus Veröffentlichungen sowie eigenen neu entwickelten Bohrindices verarbeitet, um geologische Merkmale und Variationen zu identifizieren, die für die weitere KI-Entwicklung in Bezug auf „Injektionsmodelle“ von Bedeutung sind [9]. Bereinigungscodes wurden in Python programmiert, um Teile von Datenreihen der Bohrung zu löschen, z. B. im Zuge von „Collaring“ oder Bohrgestänge-Verlängerungen [9]. In Python und Matlab wurden Codes für maschinelles Lernen programmiert, um Ausreißer und Spitzen in den Bohrdaten zu erkennen (Abb. 1) und um offene Klüfte im Gebirge mit Hilfe von Indizes (z. B. Drillability Index, Torque Index) anzuzeigen.

3 Dateninfrastruktur und Benutzeroberflächen

Das primäre Ziel war das Resultat für den Nutzer: Eine intuitive, funktionierende Benutzeroberfläche zur Anzeige von Bohr- und Injektionsdaten, über welche ein performantes, stabiles und verlässliches System mittels performanter Systemarchitektur und modularer Schnittstellen bedient werden kann. Um dieses Ziel zu erreichen, galt es zunächst, eine entsprechende Systemspezifikation zu schaffen und daraus eine passende Systemarchitektur abzuleiten. Dabei mussten branchenspezifische Charakteristika berücksichtigt sowie spezifische Datenübertragungsprotokolle und Schnittstellen analysiert werden. Die Einbindung von Projektdaten kann dann direkt über das User Interface vorgenommen werden, sofern die entsprechende Datenschnittstelle bereits implementiert wurde. Die Adaptierung, Weiterentwicklung und Implementierung erforderlicher Schnittstellen und Features erfolgte laufend in enger Abstimmung mit den Forschungspartnern, die Anforderung diesbezüglich wuchs im Laufe des Forschungsprojektes.
Um diesem Umstand zu begegnen, wurde in der Softwareentwicklung seitens eguana ein iterativer, agiler Prozess gewählt. Die zirkuläre Vorgehensweise (Datensammlung, Reflexion, Auswertung, Anpassung) erlaubte, komplexe Phänomene und Sachverhalte ganzheitlich zu erfassen. Die komplexen Prozesse im Spezialtief- und Tunnelbau und die Berücksichtigung verschiedener situativer Kontexte sowie die enge Verknüpfung der experimentellen- und Theorieentwicklung ließen sich durch diese Vorgehensweise verwirklichen.
Dezidiert wurden sämtliche seitens der Baustellen bereitgestellten Bohr- und Injektionsdaten integriert, verarbeitet und visualisiert. Die evaluierten Projekte sind über über eine Webplattform zum Datenmonitoring im Spezialtiefbau, SCALES, für die Projektbeteiligten abrufbar. Filterung, Verarbeitung und Analyse werden über SCALES durchgeführt, der große Mehrwert für das Projekt besteht in der einfachen Visualisierung von Datenreihen (Abb. 2).
Es wurden im Sinne der zyklischen Entwicklung während der Forschungsarbeiten weitere Anforderungen identifiziert, spezifiziert und umgesetzt. Dies betrifft im Bereich der Bohrdaten die Kombination von Messreihen zu Indices, namentlich den „Drillability Index“ und den „Torque Index“. Sowohl die Kombination weiterer Messreihen als auch Vorhaben, wie die Filterung von Ausreißern in SCALES, erlauben eine tiefergehende Analyse der Bohrdaten. Zur Vorbereitung einer Einbindung von Künstliche-Intelligenz-Methoden können Datensätze gruppiert, markiert und kategorisiert bzw. einfache Datenbankabfragen schnell durchgeführt werden.

4 Intelligente Datenauswertung

„Intelligente Datenauswertung“ befasste sich im Wesentlichen mit der KI-basierten Datenanalyse von Bohr- und Injektionsdatensätzen zum Zwecke der anschließenden Interpretation im Rahmen von Gebirgs- bzw. Injektionsmodellen. Der Fokus der Tätigkeiten lag auf Methoden und Architekturentwicklungen KI-gestützter Injektionsmodelle sowie der Auswahl zweckmäßiger Input- und Output-Werte, die für die eingesetzten Algorithmen Maschinellen Lernens nötig waren, zumal verfügbare Outputwerte wie Lugeon kontinuierliche Werte darstellen.
Dabei wurden zwei parallele Ansätze für die zu prognostizierenden Output-Werte verfolgt. Der erste Ansatz hatte zum Ziel die Lugeon-Werte am Ende einer Injektionskampagne (somit die Durchlässigkeit des injizierten Gebirges) zu prognostizieren, d. h. es wurden die Daten mehrerer Injektionen und Querschnitte verwendet, wohingegen der zweite Ansatz die Prognose des Gesamtvolumens einer Einzelinjektion zum Ziel hatte.

4.1 MWD Daten

Die Datenreihen der MWD-Daten wurden für die Extraktion weiterer Merkmale verwendet. Eingesetzt wurden dabei zum Teil in der Literatur [1] dokumentierte Gleichungen, die für die Unterscheidung verschiedener Grade der Klüftigkeit des Gebirges entwickelt wurden [6]. Die Gleichungen wurden anhand der ingenieurgeologischen Dokumentation auf Plausibilität untersucht. Dafür wurden aus dem Bohrschema des jeweiligen Querschnitts die Längenangaben des Bohrfortschritts samt den zugehörigen MWD-Datenreihen in das Projektkoordinatensystem transformiert. Dies ermöglichte einen dreidimensionalen Überblick der MWD-Daten des Tunnelabschnittes. Für die stärkere Hervorhebung einzelner Kluftsysteme wurden weitere Fracturing Indices auf Basis wechselseitiger Verstärkung einzelner Bohrparameter entwickelt wie der FImod. Der Gebrauch von ASCII-Formaten wie csv- oder txt-Dateien unterstützt die farbliche 3‑dimensionale Darstellung von Bohrdaten abgeleiteter Indices wie FImod, indem sie in BIM-Modellen ähnlich einem Laserscan zusätzlich zum Planungs- bzw. Ausführungsstand eingeblendet werden können [6].
Ausgehend von dem Gedanken, dass ein Querschnitt ein geklüfteter homogener Gebirgsbereich ist, wurde ein Vergleich eines über einen ganzen Injektionsquerschnitt gemittelten Fracturing Index mit der durchschnittlichen Aufnahme von Injektionsgut angestellt. Im Ergebnis zeigt sich ein mäßiger Zusammenhang zwischen durchschnittlichem Fracturing Index und Injektionsmaterialaufnahme. Deswegen wurden weitere Merkmale aus den MWD-Daten hergeleitet (Abb. 3) und auf ihre Korrelation mit der Injektionsgutaufnahme untersucht. Sie visualisieren die Anzahl der durch „K-means“ (einen Clustering-Algorithmus unüberwachten maschinellen Lernens) geclusterten Peaks (Abb. 3a) und die Fläche (Abb. 3b) unter den Peaks über der Aufnahme von Injektionsgut. Die Peaks bilden gewissermaßen Anomalien in den MWD-Daten der jeweiligen Bohrung. Auffällig ist, dass in den Diagrammen keine Kombination großer Peakanzahlen und großflächiger Spitzen von FImod bei zugleich hoher Aufnahme von Injektionsgut auftritt.
Die Resultate der Zusammenführung analoger Daten der geologischen Dokumentation, digitaler MWD-Daten und Injektionsdaten streicht die Komplexität und die Inhomogenität der Datenquellen heraus, was einerseits die Datenformate der unterschiedlichen Maschinenhersteller und Georeferenzierung und andererseits die Prozessierung und Verknüpfung der Daten anbelangt. Die Ansätze zur Entwicklung von Merkmalen aus den MWD-Daten, die für den Bauablauf der nachfolgenden Injektionen die einzigen vorgeschalteten Daten über das jeweilige Bohrloch liefern, haben sich als zeitaufwändiger herausgestellt als vermutet. Dies liegt daran, dass keine die verschiedenen Disziplinen abdeckenden Datenmodelle der dokumentierten Prozesse existieren, unterschiedliche Gewerke und Berufsgruppen die Dokumentation mit unterschiedlichem Fokus vornehmen und damit die Datengrundlage mit wechselndem Umfang vorliegt, was sich als eine geringere Übertragbarkeit ermittelter Datenarchitekturen von Baustelle zu Baustelle auswirkt.

4.2 Injektionsdaten

Es wurde ein Künstliches Neuronales Netz (KNN) entwickelt, mit dessen Hilfe das Gesamtvolumen einer Injektion bereits während des noch laufenden Injektionsprozesses prognostiziert werden kann. Es besteht somit die Möglichkeit, Mehr- oder Minderverbräuche bereits frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zur Erzielung einer hohen Gesamtperformance zu ergreifen, zum Beispiel das frühzeitige Anmischen ausreichend großer Injektionsgutmengen und ggf. auch eine Erhöhung der Injektionsrate.
Konkret wurden die betrachteten Druck-Mengen-Schriebe unabhängig von der Injektionsdauer jeweils in eine identische Anzahl von 400 Datenpunkten aufgeteilt [11]. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Datenerfassung zwar zunächst mit einer höheren Abtastrate von einem Messwert pro Sekunde, die Datenspeicherung nach Abschluss der Injektion zwecks Einsparung von Speicherplatz seitens der Injektionssteuerung, jedoch mit vergrößertem Datenpunktabstand erfolgte.
Die Datensätze bzw. Druck-Mengen-Schriebe wurden auszugsweise betrachtet, d. h., von den insgesamt 400 Datenpunkten wurden zunächst nur die ersten 10, 20, 40, 60, 80, 120 … 360 registrierten berücksichtigt. Da somit die Datensatzstruktur für alle verschieden ist, wurde jeweils ein separates Künstliches Neuronales Netz trainiert, sodass die einzelnen Prognosen bezüglich Injektionsgutvolumen voneinander unabhängig sind. Für dieses Training wurden jeweils ca. 1900 Datensätze, also 69 % der insgesamt zur Verfügung stehenden Datensätze berücksichtigt.
Wie in [11] gezeigt, ist erwartungsgemäß die Prognose umso besser, desto vollständiger der betrachtete Datenauszug ist, also je näher das Injektionsende, d. h., das Erreichen des Abbruchkriteriums ist (siehe Abb. 4). Des Weiteren ist erwähnenswert, dass die Prognosegüte im Bereich der höchster Datenpunktdichte offenbar am besten ist bzw. sowohl in Richtung kleinerer als auch größerer Dichte abnimmt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass das verpresste Injektionsgutvolumen – wie üblich – in einer recht großen Bandbreite variiert und einer Verteilungsfunktion unterliegt [11]. Wie auch die eingezeichneten Ausgleichskurven andeuten, steigt die Prognosegüte in Abhängigkeit der Datenpunktanzahl näherungsweise exponentiell an [11].

5 Dateninterpretation

Ziel war die Erarbeitung von Gebirgsmodellen auf Grundlage der vorlaufenden Arbeit insbesondere unter Einbeziehung der mittels KI ermittelten Output-Werte im Hinblick auf die Injektionen und MWD Daten. Das Gebirgsmodell für die Injektionsarbeiten wird in der Regel aus der Korrelation vorliegender Baugrunderkundungen, der Ortsbrustaufnahmen und Aufzeichnung der Bohrdaten (MWD-Daten) während der Vortriebsarbeiten und den Injektionsdaten abgeleitet. Ein systematischer Ansatz zur Schaffung eines Gebirgsmodells muss, um auch geometrische Aspekte abbilden zu können, die Transformationsvorschriften beinhalten, sodass die in lokalen Koordinaten angegebenen Bohrparameter (z. B. Bohrtiefe) in einen Bezug mit den Ortsbrustaufnahmen gesetzt werden können. Zumal MWD-Daten nicht in jedem Projekt aufgezeichnet werden, ist eine Datenstruktur, z. B. in SCALES, für ein Gebirgsmodell ohne diese Datenquelle vorzusehen.
Die berechneten Bohrparameterindizes wurden verwendet, um ein 3‑D-Modell in der Visualisierungssoftware CloudCompare bzw. Civil3D (Autodesk) zu erstellen. Anschließend wurden einzelne Querschnitte betrachtet, um nach Mustern in den Bohrparametern zu suchen, die mit dem Gebirge in Verbindung gebracht werden konnten [10], sowie eine Reihe von Querschnitten über mehrere 100 m, die mit den quantifizierten geologischen Daten korreliert werden konnten (Abb. 5).
Die Auswertungen der MWD-Daten im Hinblick auf die Bohrparameter haben ergeben, dass durch die Parameter Bohrdruck, Drehdruck, Penetrationsrate und Spüldruck die Gebirgsverhältnisse in guter Näherung erfasst werden können. Durch die Einführung eines modifizierten Fracturing Index FImod lassen sich lokale Veränderungen im Gebirge über mehrere Injektionsbohrlöcher an unterschiedlichen Querschnitten an derselben geografischen Position feststellen, sodass diese Anomalien als sehr plausibel gelten [10]. Es konnte jedoch kein ursächlicher Zusammenhang der Anomalien mit hoher Injektionsgutaufnahme hergestellt werden. Die Anomalien treten gehäuft auch in größeren Bereichen auf, sodass auch anhand eines Schwellenwertverfahrens diese Anomalien in ein Gebirgsmodell eingehen können. Dabei handelt es sich auch um eine sehr manuelle Arbeit, bei der der Untersuchende die verschiedenen visuellen Darstellungen betrachten und miteinander in Beziehung setzen muss. Diese Arbeit kann helfen, wichtige Parameter für die Wissensbank zu identifizieren, verfügt jedoch über geringes Automatisierungspotenzial.

6 Verfahrenstechnische Auswirkungen

Dies umfasst im Wesentlichen die Ableitung der Forschungsarbeit zum Zwecke der Umsetzung in der Praxis. Zum einen sollten sich diese in einer Verbesserung der Prognostizierbarkeit bzw. dynamischen Anpassung der Injektionsmaßnahmen während des Bauablaufs manifestieren. Zum anderen sollen die Aufwände für Injektionen als Begleitmaßnahme im Tunnelbau künftig besser kalkuliert werden können.
In der Projektlaufzeit wurden die DAUB Empfehlungen „Digitales Planen, Bauen und Betreiben von Untertagebauten“ veröffentlicht. Sie definieren für die Erstellung eines Baugrundmodells die Gliederung des Baugrundmodells in interpretierte Modelle und ein Faktenmodell, das GeoDoku-Modell. In dieses wurde die baubegleitende Dokumentation eingepflegt, zu der auch MWD-Daten zählen. Die MWD-Daten wurden BIM-tauglich mit CloudCompare, einem Open-Source-Tool, auf ein Projektkoordinatensystem bezogen abgebildet. Die Prozessierung kann als Vorlage für einen BIM-Abwicklungsplan (BAP) dienen, weil in ihr auch Visualisierungskomponenten umgesetzt sind. In dem Projekt wurden die Prozessierung von MWD-Daten mit FImod, zur Schaffung eines Gebirgsmodells, die Transformation des zweidimensionalen Bohrschemas in das Projektkoordinatensystem und ein nicht proprietäres Datenformat für die Übernahme in ein GeoDoku-Modell vorgestellt. Dies ermöglicht eine direkte Schnittstelle zwischen SCALES und nachfolgender BIM Software wie z. B. Civil3D von Autodesk.
Für eine dynamische Anpassung von Injektionsarbeiten ist es dabei zwingend erforderlich, durch spezielle digitale Datenmanagementsysteme sowohl die Bohrdaten (MWD) als auch die Injektionsdaten fortlaufend zu erfassen und online weiterzuverarbeiten und auszuwerten. Die Zielrichtung bei der Datenerfassung und der Datenauswertung/-weiterverwertung sind dabei vor Beginn der Arbeiten zwischen den Beteiligten abzustimmen und das Datenmanagementsystem mit den erforderlichen Schnittstellen darauf auszulegen. Bei einer Bearbeitung des Projekts nach der BIM-Methode sind hier Vorgaben im BIM-Abwicklungsplan (BAP) vorzusehen. Die MWD-Daten können dabei ebenfalls wertvolle Erkenntnisse liefern (z. B. bei Störungszonen oder im Karstgebirge) auch wenn dies bei dem vorliegenden Projekt in Schweden nur mäßig der Fall war. Hier hat sich gezeigt, dass das homogene Gestein bereits vor den Injektionen nur eine geringe Wasserdurchlässigkeit aufwies.
Es empfiehlt sich in jedem Fall, bereits im Rahmen der Baugrunderkundung Probeinjektionen durchzuführen oder zumindest WD-Versuche im Bohrloch, um die Injizierfähigkeit des Gebirges zu testen. An diesen Versuchen kann das vorgestellte KI-gestützte Injektionsmodell trainiert werden.
Sind diese Versuche im Vorfeld nicht möglich, so müssen die ersten Injektionen während der Ausführungsarbeiten hierfür genutzt werden. Der höhere Zeitaufwand hierfür wird im Zuge der optimierten Injektionsarbeiten wieder eingespart.

7 Zusammenfassung und Ausblick

Angesichts der schon etablierten digitalen Datenaufzeichnungssysteme von MWD- und Injektionsdaten hinken diejenigen Datenarchitekturen hinterher, die die Anwendung maschineller Lernverfahren erst ermöglichen. Diese Datenarchitektur ist eine Voraussetzung vor Projektbeginn, sodass alle notwendigen Daten effizient und automatisiert verknüpft werden können, mit Algorithmen künstlicher Intelligenz (KI) ein dynamischer adaptierbarer Bauprozess gestaltet und ein zusätzlicher Mehrwert aus der Fülle von Daten gewonnen werden kann. Damit ist eine Optimierung des Bauablaufs möglich, indem frühzeitig die Injektionsgutaufnahme der Bohrlöcher abgeschätzt werden kann, sodass statt zeitaufwändig weitläufige Klüfte mit geringerem Injektionsgutvolumenstrom zu verpressen, eine Beschleunigung der Bauausführung mit einer frühzeitigen Anpassung des Injektionsrasters erreicht werden kann. Zudem werden Tunnelquerschnittsbereich mit erhöhtem Injektionsgutverbrauch erkennbar, wo neben Verdichtung des Injektionsrasters auch weitere Injektionsrunden erforderlich werden können.
In AVANT hat sich herausgestellt, dass die Genauigkeit der abgeschätzten Injektionsgutaufnahme mit der Datenpunktanzahl näherungsweise exponentiell steigt. Die Implikationen im Projekt entwickelter adaptiver Injektionsmodelle gehen jedoch über erforderliche Datenarchitekturen vor Projektbeginn hinaus und bringen vertragliche Probleme abhängig davon mit, wessen Sphäre das Risiko von Leistungskomponenten im jeweiligen Vertragsmodell zugeordnet ist, da aktuelle Vertragsmodelle hier zu Konfliktpotential zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer führen würden.
Für eine sinnvolle Implementation der Forschungsergebnisse muss daher in der Praxis auch ein Wechsel zu agileren Vertragsmodellen, wie beispielsweise Cost-and-Fee Modellen oder StilFos erfolgen. Ein Wandel, der durch die zunehmend digital vorhandenen Ausführungsdaten zur Win-Win-Situation für alle Beteiligten werden kann.
In AVANT wurde eine wesentliche Grundlage für die Verwendung von Verfahren maschinellen Lernens für alle größeren Bauprojekte herausgearbeitet, wo Injektionsdaten digital aufgezeichnet werden. AVANT lieferte Grundlagen, sodass aus den Verläufen der Druck-Mengen-Schriebe Künstliche Neuronale Netze (KNN) trainiert werden können, um die Injektionsgutaufnahme der Bohrlöcher verlässlich prognostizieren zu können. Abweichungen von weniger als 20 % konnten bereits nach einem Viertel der Dauer einer Injektion erzielt werden, was angesichts baustellenpraktischer Aspekte einer zufrieden stellenden Übereinstimmung entspricht.

Danksagung

Gegenständliche Forschung ist durch ein IRA-SME Förderprojekt unterstützt. Das Konsortium setzt sich aus STUVA e. V. und geoteam Ingenieurgesellschaft mbH in Deutschland (gefördert durch ZIM) und eguana GmbH, Montanuniversität Leoben und Züblin Spezialtiefbau Ges.m.b.H. in Österreich (gefördert durch FFG, FFG-Nr. 877674) zusammen.
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Literatur
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Metadaten
Titel
Nutzung von Injektions- und Monitoring-While-Drilling-Daten mit künstlicher Intelligenz zur adaptiven Optimierung von Injektionsmaßnahmen im Tunnelbau (Forschungsprojekt AVANT)
verfasst von
Dipl.-Ing. Robert Wenighofer
Marlène C. Villeneuve
Florian Rathenböck
Philipp Maroschek
Christian Thienert
Christoph Klaproth
Robert Pechhacker
Frank Köneman
Publikationsdatum
06.12.2023
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
BHM Berg- und Hüttenmännische Monatshefte / Ausgabe 12/2023
Print ISSN: 0005-8912
Elektronische ISSN: 1613-7531
DOI
https://doi.org/10.1007/s00501-023-01408-6

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